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Samstag, 23. März 2019

Es wird ernst

Es kann sein, dass an diesem Wochenende die Gelbwestenproteste richtig übel ausgehen. Der innenpolitisch auf dem letzten Loch pfeifende Macron hat das Militär gegen die Protestler aufgeboten. Dieser Beau, der seinen eigenen Laden nicht in Ordnung bringen kann, meldet die Führungsrolle in der EU an, die er in einen von Frankreich geführten, von Deutschland bezahlten und von ihm als Obergockel repräsentierten Bund umwandeln will. Er hat zwar außer Merkel und dem Trinker keine Verbündeten mehr, aber es verwundert schon, dass er auf der sogenannten europäischen Bühne nicht ausgelacht wird.

Bis jetzt sind hunderte Menschen während der Demonstrationen zum Teil schwer verletzt worden – fast ausnahmslos Zivilisten –; über die Zahl der Todesopfer und den unmittelbaren Zusammenhang mit Polizeigewalt herrscht Unklarheit – Fakt ist: Es hat auch einige Tote gegeben –; und  mehrere tausend Menschen sitzen im Gefängnis. Augenzeugen behaupten, dass eine paramilitärische EU-Truppe namens Eurogendfor zum Einsatz kommt, von der niemand weiß, wem genau sie untersteht, für deren Taten die Länder haften, in denen sie eingesetzt wird und die aus ausländischen, vorwiegend osteuropäischen Söldnern besteht, deren Solidarität mit den Ausländern, gegen die sie eingesetzt werden, gering ist – ein Blick in die Zukunft eines Europa nach der Vorstellung von Macron, Merkel e tutti quanti. Die Videos auf dieser Facebookseite vermitteln einen Eindruck davon, was im Nachbarland tatsächlich passiert.

Die Drohung des Präsidenten mit der Armee scheint die Insurgenten freilich nicht zu schrecken. Man vergleiche einmal die Bereitschaft unserer Nachbarn zum Aufstand mit der rechtsrheinischen Schafsgeduld; behaupte doch keiner, nationale Mentalitäten seien "Konstrukte".

Die Gelbwesten kommen aus der ausgeplünderten und täglich neu betrogenen Mittelschicht; es ist eine soziale Rebellion derer, die das Land mit ihrer Arbeit am Laufen halten und am Monatsende immer weniger auf dem Konto haben, während der Präsident Fotos aus dem Skiurlaub postet oder mit seinen Freunden auf Oberschichtspartys den "demonstrativen Verbrauch" (Thorstein Veblen) zelebriert. Die Proteste sind zuletzt immer gewalttätiger geworden, weil sich Randalierer aus dem schwarzen Block unter die Demonstranten gemischt haben, offenbar auch Muslime, wie der Philosoph Alain Finkielkraut erfuhr, der am Rande einer Demonstration als Jude beschimpft wurde, von Muslimen, wie er selber sagte, was die deutsche Lückenpresse auf bewährte Weise verschwieg ("Die Gelbwesten scheinen in ein linkes und ein rechtes Lager zu zerfallen. Beide rufen dem Philosophen Alain Finkielkraut antisemitische Schimpfworte nach. Mehrheits-Frankreich ist empört. Könnte dies das Ende der Bewegung werden?", hub die entsprechende Relotiade bei Spiegel online wunschweltenwonnig an).

Der Chefredakteur des Pariser Nachrichtenportals Mediapart, Edwy Plénel, der ein Buch über die Gelbwesten geschrieben hat, sagt, Macron und seine Regierung "unternehmen alles, um die Bewegung zu brutalisieren und zu kriminalisieren"; er spricht von einem regelrechten "Sozialhass" der Pariser Eliten. Das legt natürlich den Gedanken nahe, dass die vermummten Randalierer nicht ganz zufällig und nicht nur aus eigener Entscheidung neuerdings die Proteste anheizen, denn wer heutzutage eine Rebellion blutig beenden will, der muss sich erst einmal durch Gewalt der Gegenseite die Legitimation dafür verschaffen. Weder die Protestler noch die Polizei- oder Armeeangehörigen entstammen Macrons Soziotop; Monsieur le Président könnte es gleichgültig sein, wenn dieser Pöbel sich in der von ihm bereiteten Arena gegenseitig an die Gurgel ginge. Hat er den Konflikt über Einflussagenten anheizen lassen, um nun radikal gegen ihn vorgehen zu können (eventuell sogar unter Einbeziehung von Teilen der Merkeljugend)?

Dagegen spricht, dass die Herbeirufung des Militärs für die Niederschlagung der Proteste ein gewisses Risiko auch für Macron selber bedeutet. Sollte die Sache in einen veritablen Bürgerkrieg münden – und die Franzmänner scheinen dazu eine gewisse periodische Neigung zu verspüren –, könnte der Präsident selber aus dem Amt gejagt werden. Vor kurzem wurde der Satz eines Offiziers der Fremdenlegion kolportiert, wenn die Regierung das Militär gegen französische Bürger einsetze, werde das nicht das Ende der Proteste, sondern das der Regierung sein.

Monsieur le Président
Je ne veux pas la faire
Je ne suis pas sur terre
Pour tuer des pauvres gens...
(hier)

Wie auch immer das Wochenende verläuft – Napoleon III. 2.0 ist besonders nervös, weil er sich mit dem chinesischen Staatschef Xi trifft, vor dem er sich einerseits nicht blamieren will und den er andererseits gewiss um seine Möglichkeiten der Oppositionsbekämpfung glühend beneidet –: "Macron und Merkel werden fallen wie Kegel" (Steve Bannon), und was mich betrifft, "ich freue mich darauf" (Katrin Göring-Eckhardt).   MK

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