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Montag, 18. März 2019

Rüpelhaft, grün und türkisch

Gut zehn Tage braucht der angeschlagene Bundestrainer Joachim Löw für eine Begründung auf öffentlicher Bühne, warum er für die Qualifikation zur EM 2020 die drei Weltmeister Mats Hummels, Jerome Boateng und Thomas Müller in der Nationalmannschaft nicht mehr will; sie kurz und schmerzlos feuert.
Team-Spaßvogel Müller kritisiert Löw für seinen menschlichen Umgang offen im Netz vor der deutschen Fangemeinde: „Wenn – kurz nachdem wir von der Entscheidung des Bundestrainers erfahren haben – vorgefertigte Statements seitens des DFB und des DFB-Präsidenten an die Presse rausgegeben werden, ist das aus meiner Sicht kein guter Stil und hat mit Wertschätzung nichts zu tun.“ Auch für seine mitentlassenen Mannschaftskollegen stellt er klar: „Mats, Jerome und ich sind immer noch in der Lage, auf Top-Niveau Fußball zu spielen.“ Selbst wenn sie nicht mehr topfit wären, ist so ein Abgang unwürdig.
Bei der DFB-Pressekonferenz am Freitag vergießt Löw nach seinem Fauxpas Krokodilstränen: „Die Wertschätzung für die Spieler ist groß. Die Spieler haben Einzigartiges erreicht. Sie haben meine Dankbarkeit. Emotional ist mir das schwer gefallen. Weil wir diesen Spielern so viel zu verdanken haben.“ Gestanzte Worthülsen, die jeder Gefeuerte kennt.
Konsequenzen zieht Löw nur bei verdienten Spielern, weil sie keine Leistungsträger mehr seien. Wer diese Maßstäbe an andere stellt, müsste dann auch selber gehen. Kein Sportjournalist fragt den Bundestrainer nach einer großen Empörungswelle über seine Art und Weise des Feuerns dreier Weltmeister: Warum bleiben Sie? Müssen Sie nicht auch zurücktreten?
Unter Löws Regie 2018 historisch schlecht abgeschnitten
Der Bundesübungsleiter aus dem Schwarzwald hat zwar 2014 große Verdienste mit dem Gewinn der Weltmeisterschaft in der Fußball-Hochburg Brasilien erworben, aber seinen Zenit vier Jahre später bei der nächsten WM in Russland weit überschritten. Löw verantwortet dort als Bundestrainer durch seine Leitung das historisch schlechteste Abschneiden einer deutschen Nationalmannschaft. Kraftlos, ehrlos und unmotiviert scheidet Deutschland schon in der Vorrunde als Tabellenletzter hinter Südkorea, Mexiko und Schweden aus. Weil das noch nicht schlecht genug ist, steigt danach die deutsche Nationalmannschaft unter Löws Regie aus der neuen Nations League ab. Die einstige A-Elf spielt jetzt in der B-Liga. Jeder Klubtrainer hätte für so eine negative Bilanz seinen Job verloren.
Vor allem für die schlechte Stimmung rund ums Team ist Bundescoach Löw im vergangenen Jahr hauptverantwortlich. Er versagt dabei nicht nur sportlich, sondern auch politisch. Im Mai vor der Weltmeisterschaft 2018 posieren die Spieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan für Fotos mit „Respekt für meinen Präsidenten“ Recep Tayyip Erdogan. Die beiden DFB-Superprofis leisten dem Autokraten vom Bosporus damit optische Hilfe für seine Wahlen in der Türkei. Die mediengewohnten Kicker-Profis, betreut von ihren Agenturen, wollen danach mit diesen Fotos kein politisches Statement abgegeben haben. Wer soll ihnen das jemals glauben?
Entgegen aller DFB-Beschwichtigungen ist vielen Fans schnell klar: Massenhafte Verfolgungen und Inhaftierungen von Bürgern, wie Missachtung von Menschenrechten durch das Erdogan-Regime, sind für Özil und Gündogan kein Thema. Doch Löw hält die schützende Hand über beide. DFB-Chef Reinhard Grindel moniert zwar, die beiden hätten sich für Erdogans „Wahlkampfmanöver missbrauchen“ lassen. Doch Grindel drückt sich vor Konsequenzen. So kann sich die miese WM-Stimmung in der Mannschaft wie bei den deutschen Fans ausbreiten. Sie pfeifen das Team sogar teilweise aus.
Dennoch verlängert DFB-Präsident Grindel sogar noch vor der WM 2018 Löws Vertrag für rund 3,8 Millionen Euro jährlich um vier Jahre bis 2022. Das Leistungsprinzip hat der DFB damit außer Kraft gesetzt.
Warum Löw sowohl Özil als auch Gündogan schützt und die Erdogan-Affäre unter den Tisch kehrt, damit beschäftigt sich kaum ein Journalist. Ein Fall von medialem Versagen. Dabei möchte ARD-Dopingjäger Hajo Seppelt am liebsten noch die Urinprobe von Russlands Präsident Wladimir Putin auftreiben. Doch die öffentlich-rechtliche Recherche fällt beim Erdogan-Foto-Gate des DFB aus.
Lediglich der frühere Focus-Chef Helmut Markwort erkennt und kritisiert in seinem Tagebuch einen höchst merkwürdigen Familienbetrieb. Löw und Gündogan seien auf sehr eigene Art verbunden. Denn: „Sie werden von denselben Firmen betreut und beraten. Die Unternehmen heißen ARP Sportmarketing und Family & Football. Zu deren Klienten gehört neben Jogi Löw und Ilkay Gündogan auch der Spieler Mesut Özil.“ Mehr noch: Betreiber der Unternehmen seien der Spielerberater Harun Arslan und der Rechtsanwalt Erkut Sögüt. „Den Begriff „Family“ im Firmennamen nehmen sie auf türkische Weise ernst. Zum Beraterclan gehören auch Ilkay Gündogan, der Onkel des Spielers Ilkay, und Mutlu Özil, der Bruder des Spielers Mesut.“
Die mediengewohnten Kicker-Profis, betreut von ihren Agenturen, wollen danach mit diesen Fotos kein politisches Statement abgegeben haben. Wer soll ihnen das jemals glauben? 
Den Beweis für diese Notlügen liefert Özil selbst
Laut verschiedener türkischer Medienberichte lud Özil Erdogan zu seiner Hochzeit im Sommer ein. Der Politiker soll Ehrengast auf der Feier werden, bei der Özil seiner Verlobten Amine Gülşe (25) das Ja-Wort geben will, berichtet jetzt die Bild-Zeitung.
Family-Business a la Löw – kein Bundespolitiker hätte das überlebt
Noch heute wirbt Löw für Arslans ARP Sportmarketing auf dessen Startseite mit WM-Pokal und O-Ton im Internet: „Wenn sich im Fußball zwei Spieler blind verstehen, dann wissen sie genau, was der andere macht, wie er läuft und wie er reagiert. Und so ist es bei mir und dem ARP-Team genauso. Seit fast 20 Jahren arbeite ich jetzt mit dem Harun Arslan zusammen. Genauso professionell und vertrauensvoll. Ich schätze es einfach sehr, wenn ich mich auf jemanden zu 100 Prozent verlassen kann.“ Das erklärt in der Erdogan-Foto-Affäre von Gündogan und Özil vieles. Ein Bundespolitiker hätte dieses Family-Business politisch nicht überlebt.
Doch was schützt den Bundestrainer bis heute? Hätte Löw die WM-Blamage überstanden, wenn er CSU-Wahlmann bei der Bundespräsidentenwahl 2017 und Sympathisant von Horst Seehofer wäre? Nein! Aber er ist es immer noch Bundescoach trotz historischen Versagens und fragwürdigem menschlichen Umgang mit verdienten Nationalspielern. Warum? Weil er politisch auf der richtigen Seite steht. 2017 ist er bei der Bundespräsidentenwahl ein Wahlmann der baden-württemberger Grünen. Obendrein gehört er zum Merkel-Lager. Die Idee der Bundeskanzlerin die deutsche Nationalmannschaft auf „Die Mannschaft“ zu schrumpfen, um kurz mal nebenbei nach jahrzehntelanger Tradition die Wörter National und deutsch zu streichen, setzt Löw willig um. So folgsam wie CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe, der sich am Bundestagswahlabend 2013 bei der Feier im Konrad-Adenauer-Haus auf offener Bühne von der Kanzlerin die Deutschlandfahne aus der Hand reißen lässt.
So bewahrt Löws grüne Aura, die natürlich Kanzlerin Merkel sehr gefällt, ihn vor der Ablösung. Solch einen guten Mann würden grünaffine Journalisten nie angreifen. Ein Übungsleiter, der Spieler mit Migrationshintergrund trotz politischer Verfehlungen schützt, muss einfach Bundestrainer bleiben. Doch sollte der sportliche Erfolg weiter ausbleiben – das Prestigeduell gegen Holland bei der EM-Qualifikation steht an – könnten Löws Tage gezählt sein. Eine Genugtuung für Müller, Hummels, Boateng und leistungsorientierte Deutschland-Fans als Hobbytrainer.   Olaf Opitz

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