Die Religion kann, als Fenster zur Größe Gottes, die Menschen größer
machen. Die Religion kann die Menschheit „heben“ im ästhetischen und im
moralischen Sinn. Dies geschieht in der Moderne nicht, indem die
Menschen sich als „gottesähnlich“ empfinden (so lautet eine theologische
Irrlehre), sondern indem sie auf die Größe der Welt als Gottes
Schöpfung verwiesen werden. Sie ist, im Erleben und Handeln Gegenstand
und Mittler der menschlichen Bewährung vor Gott. Diese neue, indirekte
Gegenwart der absoluten Größe Gottes hat unter anderem dazu geführt,
dass das Phänomen „Weihnacht“ mit seiner materiellen Magie einen so
hohen Rang bekommen hat (wie im ersten Teil dieser Folge dargestellt wurde).
Der monströse Terrorangriff auf einen Weihnachtmarkt, die unter
Berufung auf eine Religion erfolgte, zeigt aber auch, dass es noch etwas
Anderes geben muss als die erhebende, aufbauende Kraft der Religion.
Der Terror-Ruf „Allahu akbar“ hat dabei direkt eine zerstörerische
Kraft, er ist nicht nur Kommentar der Vernichtungstat, sondern gehört
zur Energie dieser Tat. Diese destruktive Energie muss ernst genommen
werden.
Offenbar ist im Religiösen auch eine monströs-negative Möglichkeit
angelegt. Die Bezugnahme auf Gott kann das Irdische als nichtig und
zerstörenswert erscheinen lassen. Auf diesem Weg kann eine
Vernichtungsdynamik in Gang kommen. Dies kann sich als Aggression gegen
andere Kulturkreise wenden und, mehr noch, den eigenen Untergang und den
Untergang der Welt als Gottesdienst verstehen. Es geht um eine
fundamental verneinende Kraft – und es ist die religiöse Dimension, die
Berufung auf die grenzenlose Macht Gottes, die diese besonders radikale
Zerstörung möglich macht. Gerd Held
„Über das Beste in uns und das Schlimmste in uns reden wir ungern. Beides liegt dicht beieinander.“ sagte Ernst Jünger sinngemäß.
Falsche Dichotomien für die Willkommenspolitik
Der
ruinöse Einfluss, den falsche Dichotomien auf den asylpolitischen
Diskurs hatten, lässt sich schwer überbewerten. Falsche Dichotomien
dienten Unterstützern der Willkommenspolitik als rhetorische
Allzweckwaffe.
Genaugenommen
nahmen diese Dichotomien in der Asylkrise die folgende Form an. Ein Pol
repräsentierte die eigene, willkommenspolitische Position; der Gegenpol
repräsentierte, anstelle bestens begründeter Fundamentalopposition,
einen Pappkameraden. Wir schauen uns gleich an, auf welche Weisen das
funktionierte. Vorweg eine Begriffsklärung. Was bedeutet hier
„Willkommenspolitik“?
Die
Willkommenspolitik ist ein Bündel mehr oder weniger extremer
asylpolitischer Positionen, die sich im Merkel-regierten Deutschland
2015 auf einmal als neue politmediale Mainstreampositionen entpuppten.
Im folgenden eine kleine, sicherlich unvollständige Übersicht zentraler
Positionen und Praktiken der Willkommenspolitik.
Jeder
Mensch auf der Welt, der über Land an die deutsche Grenze gelangt und
illegal einreisen möchte, darf das tun. Er ist willkommen. Artikel 16a,
Absatz 2 des Grundgesetzes — die Verwehrung des Asylrechts für
Einreisende aus sicheren Drittstaaten — ist als inexistent zu behandeln.
Man verzichtet auf eine ernsthafte Überprüfung der Angaben des
Einreisewilligen. Wer seinen Pass weggeworfen hat, um über seine
Staatsangehörigkeit zu lügen und schwer abgeschoben werden zu können,
wird dafür belohnt. Er darf ins Land und erhält bei staatlich
garantierter Versorgung und Unterkunft einen freien Betrugsversuch,
wobei offen bleibt, wie man ihn überhaupt wieder loswird, falls der
Versuch scheitert. Wer einen gefälschten Pass vorlegt, wird auch ins
Land durchgewunken—das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
erstattet nicht einmal Anzeige.
Die Daten auf den Smartphones, die fast alle Asylsuchenden bei sich
tragen, ließen sich zur Klärung ihrer Identität und zur weitgehenden
Eingrenzung ihrer Herkunft heranziehen. Aber selbst die Mobiltelefone
von Asylsuchenden ohne Papiere sind nicht zu durchsuchen.
Zum
Umgang des deutschen Staates mit dem illegal Eingereisten gilt: Man
behandelt ihn, als habe er Anspruch auf Prüfung eines Asylgesuchs. Man
betrachtet ihn als anspruchsberechtigt auf eine staatliche
Rundumversorgung. Man behandelt den illegal Eingereisten, als stünden
ihm umfassende Rechtsansprüche gegenüber der Bundesrepublik Deutschland
zu, einschließlich des Rechtes, die Rechtswege der deutschen Verwaltungs- und Sozialgerichte zu beschreiten
und kostenlose Rechtsbeihilfe gegenüber dem deutschen Staat zu
erhalten. Man bezeichnet den illegal Eingereisten, der bereits vor der
Einreise längst in Sicherheit war, völlig kriterienlos als „Flüchtling“.
Man bezeichnet ihn selbst dann — in einer offensichtlichen, schamlos
aufrechterhaltenen Lüge — als „Flüchtling“, wenn er nie vor Krieg und
Verfolgung floh. Zudem hält man an all den genannten Praktiken fest,
wenn ein illegal Eingewanderter in Deutschland wiederholt straffällig
geworden ist. Typischerweise geht damit die Ausgrenzung Einheimischer
einher, die sich weigern, „Flüchtlinge“ als falsche,
bewusstseinsprägende Generalbezeichnung zu verwenden. (Dass diese
Deutschen darin mit renommiertesten Mainstreammedien im Ausland
übereinstimmen, wird nicht als logischer Konflikt wahrgenommen.)
Das
war also die Willkommenspolitik. „Willkommenskultur“ können wir den
allgemeinen Volks-, Medien- und Staatszustand nennen, der diese Politik
trug. Weitgehend tut er es noch.
Mindestens
sieben falsche Dichotomien von Befürwortern der Willkommenpolitik
prägten den asylpolitischen Diskurs seit dem Sommer 2015. Sie tun es
teilweise immer noch, in öffentlichen wie privaten Debatten. Alle lenken
von zutreffender Fundamentalkritik an der Merkelschen Asylpolitik ab.
Alle ersetzen sie durch einen Pappkameraden.