Stationen

Mittwoch, 31. Januar 2018

Afrika

Zehn Lobby-Organisationen haben Anfang der Woche in der F.A.Z. eine Anzeige für eine Initiative für noch mehr Entwicklungshilfe geschaltet. Damit wird die Aufmerksamkeit in eine völlig falsche Richtung gelenkt. Es ist doch nicht das Geld, das fehlt (derzeit hat das BMZ etwa 8 Milliarden Euro pro Jahr zur Verfügung), denn seit Jahrzehnten wird Entwicklungspolitik mit einem gigantischen Personal- und Finanzeinsatz betrieben. Trotzdem werden die Minimalziele nicht einmal annähernd erreicht.
Entwicklungshilfe hat seit Jahrzehnten unter Beweis gestellt, dass sie in der Regel das Gegenteil dessen bewirkt, was sie eigentlich erreichen will. Hilfe ist ein gefährliches Suchtmittel und schafft Abhängigkeit. Die deutschen Organisationen, die die Aktion unter www.nullkommasieben.de (spielt auf das sogenannte 0,7 Prozent Ziel an) vorantreiben, leben von der Hilfe. Würde es Afrika nicht schlecht gehen, wären sie überflüssig. Also müssen noch mehr Steuergelder ausgegeben werden.
Finanzielle Hilfen im Rahmen der Entwicklungshilfe können nur greifen, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Die Hilfe muss endlich an eine realistische Bevölkerungspolitik gekoppelt werden. Das ist aber kein wichtiges Thema für den noch-BMZ-Minister Müller. Die Wurzeln der anhaltenden Armut in Afrika liegen in der demographischen Situation, die Wohlstandsgewinne vereitelt. Es bedarf einer verlässlichen Regierungsführung, die nicht korrupt ist, die Zusagen einhält, die im Rohstoffsektor transparent ist und bei der es keine illegalen Finanzflüsse gibt.

Versuchslabor der Betreuungsindustrie

Das 0,7-Ziel (der Anteil der öffentlichen Ausgaben für Entwicklungshilfe soll 0,7 Prozent am Bruttonationaleinkommen eines Landes betragen) ist völkerrechtlich nicht verbindlich. Dieses magische 0,7 Prozent Ziel wird von den Lobbyisten gerne als Keule benutzt. In Wahrheit geht es auf eine UN Resolution (ohne Abstimmung) zur Entwicklungsfinanzierung von 1970 zurück. Diese Richtgröße stammt aus dem Pearson Bericht.
Die Diskussion um das 0,7-Ziel lenkt von den wirklichen Problemen ab. Das ist der Beitrag, der schließlich dem fatalen Denken Vorschub leistet, dass mehr Geld mehr Entwicklung bringt. Die Verfolgung des Zieles vergrößert das Problem des Mittelabflusses und damit die Gefahr fragwürdiger Ausgaben. Statt den Erfolg der Entwicklungspolitik anhand der ausgegebenen Beträge zu beurteilen, müssten sich die Geber die Frage stellen, ob ihre Hilfen bei den Empfängern die richtigen Anreize setzen.
Eine wirksame Entwicklungspolitik muss dazu beitragen, dass das für die Entwicklung erforderliche Kapital in den Ländern selbst – durch Innovationsfähigkeit und eigene Arbeit – erwirtschaftet wird. Das Armenhaus Afrika ist aber seit über 50 Jahren ein Versuchslabor der Betreuungsindustrie. Noch immer werden in Afrika die Ziele der Entwicklungshilfe meist von den Gebern gesetzt, und die Afrikaner der Zivilgesellschaft bleiben Zuschauer.
Viele Afrikaner sehen mittlerweile westliche „Hilfe“ als militanten Egoismus. Finanzielle Hilfen im Rahmen der Entwicklungshilfe können nur greifen, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Es bedarf einer verlässlichen Regierungsführung, die nicht korrupt ist, die Zusagen einhält, die im Rohstoffsektor transparent ist, bei der es keine illegalen Finanzflüsse gibt.
Afrikaner wie Themba Sono, Wole Soyinka, Andrew Mwemda und George Ayittey sind überzeugt, dass Wohlstand nicht durch milde Gaben entsteht, sondern durch unternehmerische Kreativität, Arbeit, Innovation – und durch gute staatliche Rahmenbedingungen. Die Betroffenen werden selbst nicht gefragt, wie sie zur Entwicklungshilfe stehen und was ihnen ihrer Meinung nach helfen könnte. Afrikaner als Mündel zu betrachten ist die unausgesprochene Geschäftsgrundlage der allermeisten „Projekte“.

Projekte ersetzen keine Strukturen

Die Liste der Kritiker klassischer Entwicklungshilfe ist in den letzten Jahren ständig gestiegen. Einzelne Hilfsprojekte mögen sinnvoll sein. Aber Projekte ersetzen keine Strukturen. Andrea Böhm schrieb in der Zeit: „Warum ist es für die Bonos und Madonnas – und damit auch für die westliche Öffentlichkeit – immer noch so verdammt schwer, selbstständig handelnde Menschen in afrikanischen Ländern zur Kenntnis zu nehmen? Es geht ja nicht darum, deren oft existenzielle Probleme zu leugnen. Es geht darum, dass dortige Akteure sehr wohl in der Lage sind, diese Probleme selbst darzulegen.“
Eine erfolgreiche Entwicklung ist das Ergebnis von Eigenverantwortung. Allgemeingut ist geworden, dass die Welt nur wenig tun kann, diese von außen zu beeinflussen. Auch langjährige Afrikajournalisten wie der kürzlich verstorbene Thomas Scheen, Thilo Thielke, Laszlo Trankovits, Kurt Pelda und Wolfgang Drechsler raten zu einer dringenden Änderung der bisherigen Entwicklungspolitik. „Hilfe ist wie Öl, sie erlaubt mächtigen Eliten, öffentliche Einnahmen zu veruntreuen“, schrieb der Ökonom Paul Collier von der Universität Oxford.
Für Entwicklungsökonom Axel Dreher (Universität Heidelberg) ist schon die Zahl an sich aus der Luft gegriffen. Er gibt er zu bedenken, welches private Unternehmen seine Lohnkosten in Höhe von 0,7 Prozent des Umsatzes definieren würde? Der Experte fordert stattdessen realistischere und konkretere Ziele. „Man könnte sich zum Beispiel vornehmen, Malaria auszurotten. Daran könnte man sich messen lassen. Das wäre mehr als Symbolpolitik.“
Der amerikanische Reiseschriftsteller Paul Theroux schreibt in seinem Buch „Ein letztes Mal in Afrika“: „Ließe man die korrumpierenden Formen von Entwicklungshilfe weg, könnte die Verzweiflung des Volkes produktiv werden. Rebellion führt zu Wahlen, die langfristig Verbesserungen bringen können. Eine bessere Alternative zu den ewigen Almosengaben sind Investitionen. Doch Investitionen sind mit größeren Mühen verbunden als das effekthascherische Überreichen von Hilfsgeldern, denn sie verlangen mehr Verantwortung, mehr Bescheidenheit, mehr Geduld und mehr Mut zum Risiko – und sie machen natürlich eine Verklärung der Bemühungen und Fototermine mit notleidenden Kindern weitgehend überflüssig.“
Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“, das im Herbst 2014 in erweiterter siebter Auflage bei dtv erschienen ist. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.

Ethikkommission hatte die Menschenversuche genehmigt

Die Universität Aachen stellt nun klar, worum es bei den Studien wirklich ging. In einem Interview auf dem Youtube-Kanal der Uniklinik berichtet Thomas Kraus, Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, daß bei diesen Versuchen lediglich die Wirkung von veränderten gesetzlichen Stickoxid-Grenzwerten untersucht wurde. Vertreter der Autoindustrie seien dabei in keiner Phase beteiligt gewesen.




Der Ablauf der Versuche gestaltete sich demnach folgendermaßen:
Die Probanden wurden in vier Kontrollgruppen eingeteilt. Eine Gruppe atmete ganz saubere Luft, eine andere die Luft an einem normalen Arbeitsplatz, eine weitere die Luft an einem Arbeitsplatz gemäß dem neuen Grenzwert. Die vierte Gruppe atmete die Luft an einem Arbeitsplatz mit einem Drittel des alten Grenzwertes.
„Die Studie wurde im Jahr 2012 konzipiert – mit der Fragestellung, ob es gesundheitliche Wirkung von Stickoxiden am Arbeitsplatz für den Menschen gibt. Hintergrund war, dass der arbeitsmedizinsche Grenzwert gesenkt wurde“, sagte Kraus in dem Gespräch. „Wir versuchen immer, optimale Arbeitsplatz-Grenzwerte für die Arbeitsplätze zu finden, damit die Menschen auch nach 40jähriger Belastung gesund bleiben.“
Ziel der Studie sei es gewesen, „zu prüfen, ob eventuell auch unterhalb früherer oder existierender Grenzwerte – zum Beispiel ob auch bei Stickoxid-Belastungen aus dem Umweltbereich – schon Effekte nachweisbar sind, die früher mit gröberen Methoden vielleicht nicht verstehbar waren.“

Und vor allem habe die Autoindustrie in keiner Weise Einfluß auf die Tests genommen. Sie war nie involviert. „Mit dem Dieselskandal hat das überhaupt nichts zu tun. Der Dieselskandal wurde erst viel später offenkundig. Wir haben ja auch keine Belastung mit Motoremissionen gemacht, sondern nur mit Stickoxid, das heißt unsere Ergebnisse sind auch überhaupt nicht übertragbar auf Dieselbelastungen. Und sie beantworten auch überhaupt nicht die Frage, ob Dieselemissionen gefährlich oder ungefährlich sind.“
Ganz anders natürlich die Ethikkommission, die – wie immer bei solchen Versuchen mit Menschen üblich – von Anfang eingebunden worden sei. Kraus: Sie gab vor dem Versuchsbeginn grünes Licht.

Quelle: Uniklinikum Aachen


Ethikkommission genehmigte die Studie, die zur Optimierung der Arbeitsplatzsicherheit diente.


Das Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Uniklinik RWTH Aachen hat in den Jahren 2013 und 2014 eine Studie zum Thema NO2 (Stickstoffdioxid) durchgeführt (Titel: Biological effects of inhaled nitrogen dioxide in healthy human subjects), die von der Europäischen Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT e .V.) gefördert und nach Auswertung der umfangreichen Daten 2016 unter Hinweis auf den Förderer publiziert wurde. Der Studie liegt ein Forschungsantrag aus dem Jahr 2012 zugrunde, der von der Ethikkommission der Uniklinik RWTH Aachen geprüft und genehmigt worden war. Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass sich die Studie inhaltlich nicht mit der Dieselbelastung von Menschen befasst und in keinem Zusammenhang mit dem in der New York Times zitierten „Affenversuch“ steht. Die Studie ist zudem lange vor Bekanntwerden des Dieselskandals initiiert und durchgeführt worden. Uniklinikum Aachen

Die infernalische Diktatur der Idioten

In praktisch jedem Text über Michel Houellebecq steht zu lesen, er sei ein Provokateur. Also mich hat er bislang mit keiner einzigen Zeile provoziert.



                                ***


Gestern Stehempfang der baden-württembergischen Landesvertretung in Brüssel. Ministerpräsident Kretschmann eröffnet seine Rede mit einem Zitat des Diogenes von Sinope: "Um uns zu vervollkommnen, brauchen wir entweder gute Freunde oder hartnäckige Feinde." Mit uns meint er die EU bzw. ihren wahren, guten und edlen Kern. Wen er in die andere Kategorie sortiert, ist klar: Putin, Erdogan und, rhetorisch etwas abgefedert, Trump als die äußeren, die Regierungen Polens, Ungarns und der anderen osteuropäischen Querulanten als innere Feinde (wenn ich mich recht entsinne, gebrauchte er das Wort "Feinde" nicht noch einmal explizit, es stand ja mit dem Diogenes-Zitat bereits im Raum).

Kretschmann und den Seinen käme nicht im Traum der Gedanke, dass irgendein Argument aus den Ostländern begründet sein könnte, dass man die Welt aus einer anderen als der deutschen EU-Laliker-Perspektive sehen könnte, dass weniger die Nato und die EU als vielmehr die politische Vernunft einer Osterweiterung bedürftig sein könnte.

Die Osteuropäer haben andere historische Erfahrungen gemacht als der Westteil des Kontinents. Sie haben keine Eroberer- und Kolonialgeschichte und deswegen auch kein jederzeit aktivierbares schlechtes Gewissen der Dritten Welt gegenüber.

Stattdessen wurden sie mehrfach selber kolonisiert. Viele dieser Länder litten – zum Teil jahrhundertelang – unter dem osmanischen Joch, was ihre Empfänglichkeit für eine muslimische Masseneinwanderung bis heute sehr reduziert. Diese Länder waren wechselweise von den Nazis und von den Bolschewisten besetzt, die ihre Bevölkerungen dezimierten und ihnen ihre Traditionen nehmen wollten. Nun, nachdem sie Hakenkreuz und Roten Stern abgeschüttelt und wieder durch das christliche Kreuz ersetzt haben, erklärt ihnen die EU – die verheuchelt-reumütigen Nachfahren der Nazis sowie die reuefernen der deutschen Kommunisten vorneweg –, der Halbmond sei eine notwenige Komplettierung jeder Diversity-Palette. Doch was heißt, es wird ihnen erklärt! Es wird ihnen befohlen bei Strafe des Geldhahnzudrehens. Im Westen, diesem Weltteil der Käuflichen, glaubt man nämlich bolzenfest daran, dass jedes Problem überall auf der Welt mit Geld zu lösen sei.

Als in Prag die Sowjet-Tanks einrollten, war Herr Kretschmann AStA-Vorsitzender, später trat er in den Kommunistischen Bund Westberlins ein. Ich werfe Kretschmann keineswegs seine politischen Tics der Vergangenheit vor, ich würde ihm auch nichts vorwerfen, wenn er heute noch Kommunist wäre, aber er soll sich nicht anmaßen, Länder zu schulmeistern, die andere Lektionen zu lernen hatten als ein mit der Gnade der späten Geburt gesegneter bräsiger schwäbischer Luxus-Linker.

Immer wieder gern zitiere ich die Aufschrift eines Plakats, das nach der Kölner Silvesterkirmes bei einer deutsch-polnischen Sportveranstaltung im polnischen Fanblock entrollt wurde: "Beschützt lieber eure Frauen statt unsere Demokratie!"
Sela, Psalmenende.


                             ***

Später am Stehtisch mit Freund ***, einem Charmeur hohen Karats, der amüsiert berichtet, wie er mit ein paar (politisch) grünen Mädels gescherzt und geschäkert habe und ein "Wenn die wüssten!" hinzusetzt. "Den Teufel spürt das Völkchen nie, und wenn er sie beim Kragen hätte", erwidere ich. – Eine Frau neben uns wird aufmerksam. Wer wir denn seien, erkundigt sie sich. Und für wen wir arbeiten. – Das wolle sie gar nicht wissen, sagt ***. – Sie bleibt hartnäckig, und die gewünschte Auskunft wird ihr schließlich zuteil. Sofort schlägt ihr Ton ins Schrille um. Wie könne man nur in diese schreckliche Partei eintreten! – Keiner von uns beiden sei Mitglied irgendeiner Partei, muss sie erfahren. – "Sie arbeiten nur für die?" Das sei ja noch schlimmer. – In welcher Partei sie selber denn beheimatet sei, erkundige ich mich. – Natürlich bei den Grünen, erklärt sie, um stracks den Mangel an weiblichen Abgeordneten bei den Rechtspopulisten zu rügen und für, na was schon, diskriminierend zu erklären. – Die Grünen privilegieren Frauen und benachteiligen Männer, sage ich, sei das vielleicht besser? – Wieso? – Weil die Partei nur ein Drittel weibliche Mitglieder habe, aber mehr weibliche Bundestagsabgeordnete als männliche; außerdem würden sämtliche Führungsposten paritätisch besetzt. – Die Hälfte der Gesellschaft sei weiblich, also sei das genau richtig. – Die Hälfte der Gesellschaft schon, aber nicht die Hälfte der Parteimitglieder. Wenn ein Kegelclub aus 100 Mitgliedern bestehe, 70 Männern und 30 Frauen, wieso solle er dann den Vorstand paritätisch besetzen? – In der Politik sei das etwas anderes. – Warum denn? – Wir hätten überhaupt so ein rückständiges Frauenbild, die Frauen sollten Kinder bekommen und zu Hause bleiben. – Wir haben überhaupt kein Frauenbild, entgegne ich, und wer denn sonst die Kinder bekommen solle. (Im Übrigen wandern gerade sehr viele Menschen mit einem solchen Frauenbild unter beifälligen Gebrummel der Grünen ein...)
Dergleichen "Diskussionen" sind natürlich völlig unersprießlich, und nur um die wonnige Maid zu ärgern, verschloss ich mich der Fortsetzung nicht. Nachdem sie unvermeidlich das Elend in gewissen Ländern – ich habe vergessen, welche sie nannte, aber Ruanda war dabei – weniger zur Sprache brachte als uns vorwarf, so als trügen wir mit unseren verdammt schicken Krawatten und dem miserablen Stehparty-Wein die unmittelbare Schuld daran, erkundigt sich ***, welche der in Rede stehenden Armutsländer sie denn schon einmal persönlich in Augenschein genommen habe. Immerhin Ruanda kann sie anführen, worauf die übliche Behauptung folgt, der Blick in die Welt erziehe zu Toleranz und Hilfsbereitschaft, also praktisch zur uneingeschränkten Willkommenskultur, diesem humanitären Widerspiel zum uneingeschränkten U-Bootkrieg, der auch nicht geholfen hat. Freund ***, vielgereist und polyglott, überrascht sie mit der Auskunft, dass er sogar während der Hutu-Massenmorde dort gewesen sei, wie überhaupt nach wenigen weiteren Wortwechseln ersichtlich ist, dass er trotz seiner vergleichsweisen Juvenilität zehnmal mehr Welt ins sich aufgenommen hat als die zunehmend in Wallung geratende Maid (ich reise ja am liebsten nur dahin, wo Wein und Oliven angebaut werden). Wie man als jemand, der sich auf allen Kontinenten umgeschaut hat, denn für so eine Partei arbeiten könne?, ist das Letzte, was sie vorbringt. –  Nun, gerade als ein solcher, versetzt ***, man könne anderswo auch studieren, was man bei sich daheim besser nicht haben wolle, und der Guten ist anzusehen, dass sie am liebsten die Polizei rufen würde. Abrupt beendet sie die Unterhaltung und verlässt den Tisch.
Ihren Platz nimmt später ein junger Mann ein, der sich im Gespräch als ein Mensch vorstellt, der an der Vernetzung verschiedener Universitäten arbeite. Er entpuppt sich sogar als Professor und ehemaliger Hochschuldozent – Welches Fach er gelehrt habe? – "Politische Kommunikation." – Sei, erkundigt sich ***, der wissenschaftliche Nutzen seiner Vernetzungsarbeit irgendwie belegbar? An den Leistungen der Studenten beispielsweise? – Nicht direkt, aber fänden wir nicht auch, dass Vernetzung und Zusammenarbeit immer einen Weg zum Besseren bedeuteten? – Das ergebe sich doch automatisch dort, wo tatsächlich wissenschaftlich zusammengearbeitet werde, sagt ***. Er müsse als Dozent immer wieder feststellen, dass die meisten seiner Studenten zwar selber unglaublich vernetzt und kommunikationstechnisch up to date seien, aber den elementaren Anforderungen eines halbwegs anspruchsvollen Studiums nicht standhielten. Er würde sich wünschen, dass die Studenten sich nicht vernetzen, sondern daheim auf dem Hosenboden säßen und lernten, wie man richtig deutsch schreibe, wohin ein Komma gehöre und wie man einem komplizierten Gedankengang so genau folge, dass man ihn danach in eigenen Worten referieren könne. – Was sei denn seine Profession?, erkundigt sich der andere. – "Ich bin Rechtshistoriker."
Und der Nächste war froh, dass er – etwas formeller als die Grüne, also mit einem Vorwand – dem Tisch den Rücken kehren konnte...

Kathartische Spötteleien

Warum haut man polnischen Babys nach der Geburt zweimal auf den Po? Einmal, damit sie zu schreien beginnen, und dann nochmal, damit sie dem Arzt seine Uhr zurückgeben.
Oh, oh, ich habe einen Polenwitz erzählt! Habe ich nun den Kerker der Witzpolizei zu fürchten?! Erlauben Sie mir bitte, Ihnen ein Detail über mich zu verraten und eine begleitende Anekdote zu erzählen. Meine Familie ist aus Tschechien zuerst nach Australien ausgewandert, dort hatten wir Familie. Wir gaben von Anfang an unser Bestes, uns „im Westen“ zu integrieren. Eines der Hindernisse zur Integration schien der Nachname zu sein. In meiner Geburtsurkunde steht nicht „Dushan Wegner“, sondern „Dušan Grzeszczyk“.
Wie kompliziert ist dieser Nachname? Ich habe, um diesen Text hier zu schreiben, meine Eltern angerufen und sie gebeten, mir den Namen via E-Mail zu buchstabieren, damit ich ihn richtig wiedergebe. (Und wenn Sie denken, Grzeszczyk allein sei schon kompliziert, müssen Sie wissen: Mein Großvater hieß Szczepan Grzeszczyk.)
Es erschien meinem Vater recht bald recht kommunikationsblockierend, in Australien täglich als „Mr Gr…, Mr Gr…, excuse me, you Sir“, angesprochen zu werden. Man beschloss also, den vom polnischen Großvater väterlicherseits stammenden Nachnamen auszutauschen gegen den Geburts-Nachnamen seiner deutschen Gattin und meiner Großmutter: Wegner.
In unserer Familie erzählt man sich nun folgende Anekdote: Wir saßen in Canberra im Amt und hatten die Anträge zur Namensänderung eingereicht. Die australische Dame fragte, warum wir den alten Namen ablegen wollten. Mein Vater erklärte, was für ein unmöglicher Name das sei (mit jedem Mal, dass er heute die Story erzählt, wird seine damalige Tirade zu den Nachteilen von „Grzeszczyk“ farbenreicher), und dass man im Westen mit so einem Nachnamen nichts Vernünftiges erreichen könne. Die Dame hört ihm zu, ihre Miene wird immer härter und kälter, dann atmet sie durch, beugt sich vor und rückt das Namensschild auf ihrem Tisch zurecht. Sie heißt Magdalena Grzeszczyk. Magdalena bearbeitete den Antrag dennoch und seitdem heißen wir Wegner.

Immer wieder die Polen und der Diebstahl!

Da fällt mir noch ein Witz ein: Fragt der Augenarzt den Tschechen: Können Sie die erste Reihe vorlesen? Der Tscheche sieht die Buchstaben, C K Z L V Z M, und ruft: Vorlesen? Ich kenne den Mann!
Wissen Sie, wer auch noch lustige Witze über benachbarte wie ferne Volksstämme erzählte? Harald Schmidt! Etwa diesen: Mich hat der Erfolg von Ikea in Japan nicht überrascht. Japanern ist es doch wurscht, wenn beim Tisch die Beine fehlen. – Japaner kaufen sich bei Ikea auch besonders gerne Nachtschränkchen – als Zweitwohnung! Und, natürlich: In Polen gibt es jetzt auch Viagra. Viele Polen nehmen es gar nicht selbst – sie haben in der Hose gar keinen Platz für noch eine zweite Brechstange.
Sogar Polen selbst erzählen Polen-Witze! Nein! Doch! Oh! Etwa der Boxer Dariusz Michalczewski (ich habe die korrekte Konsonantenabfolge aus Wikipedia kopiert), der bei der Harald-Schmidt-Show folgenden Witz erzählt haben soll: Kommen Sie nach Polen, Ihr Auto ist schon dort!
Wenn wir schon dabei sind, noch ein Witz, diesen erzählte mir ein Freund einmal: Kennst du polnischen Triathlon? Zu Fuß zum Schwimmbad, über den Zaun klettern und schwimmen, und am Abend dann mit dem Fahrrad zurück! Ach, was soll man da nur machen! – Immer wieder die Polen und der Diebstahl! Es geht ja nicht nur um Polen, es geht auch um ihre Nachbarn, ob sie nun Grzeszczyk oder Ckzlvzn heißen.
Manchmal fliegen die lustigsten Witze auch einfach so im Internet herum, wie dieser: ‚Die Kollegin ist Halb-Italienerin. Backt bestimmt leckere Pizza!‘ ‚Ich bin Halb-Spanierin und Halb-Polin. Soll ich uns ‘ne Paella klauen?‘(@aurielstrauma, 11.8.2017) Bei obigem Tweet (über 2600 mal retweetet!) gibt übrigens die charmante Debatte in den Kommentaren unter dem Witz etwas Hoffnung. So schreibt @mikelodean: „Ich bin Voll-Deutscher – Wessen Schrebergarten soll ich pflegen, während ich die Steuererklärung mache?“, worauf @aurielstrauma antwortet: „Aber bitte nur in Lederhosen & außerhalb der Ruhe- oder Nachtruhezeiten!“, und @birgitmueller ergänzt: „Und mit Gartenzwerg. Um himmelswillen nicht den Zwerg vergessen“. Es ist ja noch möglich, über uns selbst und all die verschiedenen Eigenschaften wie Klischees zu lachen, man darf nur nicht in die Fänge der Witzpolizei geraten.

Macht über den Mitmenschen mit Billigtricks

Ein weiterer Titan der deutschen TV-Geschichte, Thomas Gottschalk, hat es gewagt, heute, im verklemmten, linksgrün verhärmten, spießig-miefigen Jahr 2018 einen Witz zu erzählen, in dem Osteuropäer und Diebstahl vorkommen. „Hab meine DNA aufschlüsseln lassen. Afrika war ja klar. Aber über 50% Prozent Osteuropäer! – Deswegen hab ich als Kind so geklaut.“ (@herbstblond, 27.1.2018).
Er hat einen Polenwitz gemacht! In 2018! Weiß er denn nicht, dass wir uns wieder rückwärts entwickeln, dass wir wieder die Frauen verhüllen, dass Ex-Stasis vorgeben, was gesagt werden darf, dass die Regierung das Internet von anonymen Kontrolleuren zensieren lässt?
Ich, als geborener Osteuropäer, sehe all die armseligen Blockwarte, die laut „Rassismus“ grölen, bis hin zu Morddrohungen gegen den Witzemacher, und mich beschleicht ein böser Verdacht: Die Rassisten von damals sind die „Anti-Rassisten“ von heute – so wie die „Anti-Faschisten“ am ehesten den Faschisten von damals ähneln.
Es ist immer ein Seiltanz, dem Gegenüber die Zielrichtung einer Handlung zuzuschreiben, deshalb will ich folgenden Gedanken mit extra großer Vorsicht entwickeln: Ich erkenne im Schaum-vorm-Mund-Aktivismus der Sprachkontrolleure nicht einmal den Ansatz eines Bemühens, die Welt besser zu machen. Das Handeln jener, die heute überall „Rassismus“ wittern, richtet sich auf’s gleiche Ziel wie das Handeln tatsächlicher Rassisten: Ihr Handeln strebt nach Macht über den Mitmenschen, ohne sich diese Macht verdient zu haben.
In einer Meritokratie bekommt derjenige Macht verliehen, der durch entsprechende Verdienste belegt hat, dass der Gemeinschaft gedient ist, wenn man ihm Macht angedeihen lässt. Rassisten und Rassismus-Brüller gleichermaßen sind zu faul, zu dumm und zu verdorben, sich dem harten Wettbewerb einer Meritokratie auszusetzen. Sie wollen die erwerben.

Witze helfen, die schmerzhafte Realität aufzuarbeiten

Humor und Witze helfen uns, die schmerzhafte Differenz zwischen unseren Begriffen und der Realität aufzuarbeiten. Wir machen Witze über die Beziehung von Mann und Frau, weil unser Ideal davon und die Realität so schmerzhaft divergieren. Wir machen Witze über den Tod, weil wir uns selbst zugleich als ewig und schon-immer-dagewesen (wo waren Sie vor der Geburt?) wahrnehmen – aber sehr schmerzhaft täglich daran erinnert werden, dass vom Alter der Welt her Betracht, die Zeitspanne unserer Nicht-Daseins, unendlich länger ist als die Zeitspanne unseres Daseins.
Und wir machen Witze über die Unterschiede und Mängel anderer Menschengruppen, weil diese Unterschiede zugleich ein Ärgernis sind (wer mag schon das Ungewohnte – am wenigsten zuverlässig jene, welche von „Diversity“ faseln), und immer auch, weil wir die Eigenschaften des anderen in uns selbst erkennen. Der angebliche stehlende Pole dient uns als Spiegel unserer selbst. Sind wir denn selbst als Gesellschaft frei von Dieben? Wahrlich nicht. Das ist Humor, das ist Katharsis, das ist zugleich zu hoch und zu tief für die Witzpolizei.
Gottschalk hat diese kathartische Nebenwirkung des Witzes zu Ende formuliert: Wir machen uns über eine angebliche Eigenschaft von Polen lustig – während wir dabei zuerst über uns selbst sprechen. Es fällt mir auch in der dritten Redaktion dieser Zeilen schwer, wirklich treffende Worte für die geistige Verkümmerung derjenigen zu finden, die im gottschalkschen Witz gleich „Rassismus“ wittern.
Diese traurigen Haltungsdarsteller hätten Monty Python verbieten lassen wegen „Rassismus“ gegen die Römer, wegen Verhöhnung von Sprachbehinderten oder was weiß ich, Louis de Funès hätten sie sowieso drangekriegt und Mel Brooks hätten sie wegen „Verharmlosung des Nationalsozialismus“ an die Neue Deutsche Inquisition übergeben. Die deutsche Sprache ist reich an mächtigen wie präzisen Worten, und sie ist bekannt für ihre schöpferische Kraft, doch es fehlen mir gerade die Worte, die Verachtung auszudrücken, welche diese Sprachpolizisten, Witzkontrolleure und Aushilfsdenunzianten verdienen – Herr Pirinçci, übernehmen Sie bitte.

Witzpolizisten sind Geistesbrüder der Taliban

Bei der Zwergenkritik am Showtitanen ist mir aufgefallen, dass sich praktisch keine (erkennbaren) Osteuropäer unter den Anpinklern befanden. Es war, wie meist bei dieser klebrigen politischen Korrektheit, ein stellvertretendes Beleidigtsein. Es waren zumeist kleine Was-mit-Medien-Kriecher, vermutlich mit Schlafstatt in Berlins günstigeren Bezirken, bezahlt mit einigen Cents pro Auf-in-den-Untergang-Zeile und mittwochs kostenlosem Kaffee.
Jene meinen – zu recht – dass die Sonne der Kultur derzeit tief steht und wittern darin ihre Chance, auch endlich einen Schatten zu werfen, doch nicht mal das gelingt ihnen – was diese Eckenschnecken für ihren Schatten halten, ist nur die Schleimspur der eigenen Bitterkeit. Sprachpolizei zu spielen, ist letzte Zuflucht der Lumpen und Gescheiterten. Es ist ja an sich nichts Verwerfliches, zu scheitern, ob man nun an sich selbst, an der Welt oder an beidem gleichzeitig scheitert – der Anständige rappelt sich aber irgendwann wieder auf, und nur der Lump versucht stattdessen, die anderen Menschen mit in den Dreck, in dem er liegt und sich suhlt, zu ziehen.
Leute, macht Witze, höhnt und albert! Lacht die Witzpolizei aus und furzt den Zensoren ins Gesicht! Sie leben im Gefängnis ihrer eigenen Angst, gefesselt von ihrer eigenen Beschränktheit, doch statt sich selbst daraus zu befreien, wollen sie auch uns in ihren selbstgebauten Kerker sperren.
Es gibt mindestens zwei gute Gründe, gegen die Witzpolizei anzustinken. Zuerst: Witzpolizisten sind Geistesbrüder der Taliban und streben eine ebenso freudlose Welt an. Desweiteren: Witzpolizisten sind in direkter Linie mit all den übrigens Blockwarten und Gedankenaufsehern der Geschichte geistesverwandt. Die Welt der Witzpolizisten ist grau und bedrückend, wie immer, wenn Ideologen ihr inneres, seelisches Gefängnis zum Gefängnis der gesamten Gesellschaft machen wollen. Sie sind Unterdrücker, sind alles andere als die Helden, für die sich diese fiesen Wiesel halten. Ich erlaube mir, eine Leserin zu zitieren, die mir gestern schrieb:
Und ob die, die jetzt am lautesten gegen Nazis schreien, Widerstandskämpfer gewesen wären, ist die ganz große Frage. (@UteW19, 29.1.2018)
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.

Dienstag, 30. Januar 2018

Sofort zum UNESCO-Weltkulturerbe erklären!!

Zuerst einmal zwei Fragen:
1. Saudi Arabien hat keine Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen, obwohl es leerstehende und klimatisierte Zelte für drei Millionen Menschen zur Verfügung hat. Ist das Fake oder News?
2. Das US-Militär und die CIA haben unter Präsident Trump erstmals eine „Kill List“ erstellt. Wer auf ihr steht, darf seitdem mit Drohnen auf der ganzen Welt ohne Anklage, Verteidigungsmöglichkeit oder Verurteilung gejagt und getötet werden. Ist das Fake oder News?
Die Antworten mit den Quellen finden Sie ganz unten unter diesem Text. Aber worum geht es überhaupt? Es geht um eine gute Idee. Bei Nachrichten oder Dingen, die einem Freunde erzählen, stellt sich immer öfter die Frage: ist das wahr oder unwahr, ein Fake oder News? Ein Team junger Menschen, die solche Diskussionen immer wieder privat führten, brachte das auf die Idee zu einem Gesellschaftsspiel - in des Wortes doppelter Bedeutung.

Mit der Web App "fakeodernews" wollen sie eine digitale Plattform schaffen, die Menschen interaktiv mit Themen rund um Politik und Gesellschaft konfrontiert. Jeden Tag wollen sie kritische Fragen mit kontroversen Aussagen liefern, informativen Antworten, transparenten Quellen und vergleichenden Statistiken. Der Spielcharakter  spricht gerade auch jene (gerade jungen) Menschen an, die sich für solche Themen normalerweise nur wenig interessieren und deshalb oft schlecht informiert sind oder sich einen medialen Bären aufbinden lassen. Alle glauben dann etwas, weil alle es glauben.

Hier wird etwas nachgeliefert, was in der Schule oft vernachlässigt wurde: Skepsis. fakeodernews ist so eine Art Skepsisgenerator. Und das in einer unterhaltenden Form, bei der man sich obendrein mit seinen Freunden und Bekannten messen kann.

Simon Sonnenberg von fakeodernews sagt: "Jeden Tag erhalten die User kritische Fragen mit kontroversen Aussagen. Die User wägen Ihre Antwort ab, können Punkte sammeln, Quellen direkt prüfen, sich weiter in Themen einlesen, Freundeslisten erstellen und sich über Statistiken vergleichen."
Und weil das ein unterstützenswertes Unterfangen ist, stellen wir das Projekt der jungen Leute hier auf der Achse vor. Alles Wissenswerte über fakeodernews erfahren Sie hier.  Bis zum 18. Februar sollen auf der Crowdfunding-Plattform startnext die notwendigen Mittel zum geplanten Start im März  zusammenkommen. Ich drücke die Daumen.

Kurzantwort zur ersten Frage: Es handelt sich um News.
Für die wenige Tage andauernde Haddsch-Pilgerschaft nach Mekka haben die Saudis über 100.000 modernste Hightech-Zelte ganzjährig aufgebaut. Darin können bis zu 3 Mio. Menschen untergebracht werden. Dennoch werden keine syrischen Flüchtlinge aufgenommen.
Quellen hier und hier

Kurzantwort zur zweiten Frage: Es handelt sich um einen Fake.
Eine derartige "Kill List" war bereits unter Trumps Vorgängern gängige Praxis. Präsident Obama hatte diese in seiner Amtszeit sogar persönlich selektiert. Auch unter der Trumpschen Präsidentschaft bleibt die aus menschenrechtlicher Sicht stark kritisierte "Kill List" bestehen.
Qellen hier und hierDirk Maxeiner


Simon Sonnenberg verteidigt die Demokratie auch mit anderen Mitteln.

Merkels Leichen haben Mütter

Die Demonstration im südpfälzischen Städtchen Kandel, in dem die jugendliche Mia ermordet wurde, stand unter dem Motto „Sicherheit für uns und unsere Kinder“. Es war ein Signal. Etwa 2.000 Personen nahmen teil.
Immer mehr Bürger sind nicht mehr bereit, einfach hinzunehmen, was abgehobene, selbstherrliche Politiker über sie entscheiden. Sie lassen sich auch nicht mehr davon abschrecken, dass sie sofort als „Rechte“ diskriminiert werden. Wie auch in Kandel.

Der Landesvorsitzende der AfD Junge veranlasste aus Angst vor Stigmatisierung eine „Warnung“ vor der Frauendemo in Kandel. Angeblich gäbe es Verbindungen zu NPD. Aus der AfD sollte sich niemand beteiligen, um die Partei nicht zu beschädigen. Tatsächlich tauchten eine Reihe Personen auf, die anstößige Parolen brüllten. Die Ordner griffen ein, und nach wenigen Minuten war der Spuk vorbei. Das Gesamtbild prägte dies in keiner Weise.

Es wurde von offizieller Stelle alles unternommen, um diese Demonstration zu verhindern oder wenigstens klein zu halten. Die Stadtbehörden verweigerten den Organisatoren zunächst Strom und Toiletten. Doch der Versuch, den Demonstranten den Strom für die Lautsprecheranlage zu verweigern, scheiterte.
Daraufhin kam die seltsame Auflage von der Polizei, die Lautsprecheranlage auf 60 Dezibel zu limitieren. Das kam einer kleinen Gruppe von etwa 60 Gegendemonstranten von der Antifa zupass, die alles taten, um mit Trillerpfeifen und Tröten die Redner der Abschlusskundgebung auf dem Marktplatz von Kandel zu stören.
Das ist inzwischen die typische Methode, Andersdenkende nicht zu Wort kommen zu lassen. Die Hälfte des Platzes war der Gegendemonstration zugewiesen worden. Die Polizei sah keine Veranlassung zum Eingreifen, obwohl der verursachte Lärm deutlich über 60 Dezibel lag. Man mag es kaum glauben, aber tatsächlich stand der Bürgermeister von Kandel in dieser Gruppe. Erst nachdem seine Anwesenheit dort auf der Tribüne des Frauenbündnisses bekanntgegeben wurde, zog sich das Stadtoberhaupt zurück.
Unter den Rednern des Frauenbündnisses in Kandel war auch Imad Karim, ein Video können Sie hier anschauen. Wie einseitig die Veranstaltung von lokalen Medien geschildert wurde, können Sie hier und hier nachlesen, etwas ausgewogener hier.

Unterdessen gärt es in Städten und Gemeinden überall im Lande. Die NRZ berichtet aktuell, dass Karlheinz Endruschat, SPD-Vize von Essen, vor Integrationsproblemen warnt. „Die Schwelle, bis zu der man noch grundlegend etwas bewirken konnte, scheint mir überschritten“, ist das bittere Resümee des SPD-Genossen.
Angesichts der Lage in Cottbus wurde vom Oberbürgermeister ein Aufnahmestopp für Flüchtlinge erlassen und Ingo Decker, SPD, Sprecher des brandenburgischen Innenministeriums in Potsdam, sagte: „Die Stimmung in Cottbus ist angespannt. Was sich da vollzieht, ist keine Kleinigkeit. Die Demo zeigt, dass wir es nicht nur mit Rechtsextremisten und der AfD zu tun haben, sondern auch mit vielen empörten Bürgern."
Demnächst wird es Frauendemonstrationen in Bottrop (am 4. März) und in Berlin (am 17. Februar) geben. Kandel war erst der Anfang.  Vera Lengsfeld

Virales Event


Montag, 29. Januar 2018

Der islamische Judenhass gehört zu Deutschland

Seit Tagen flimmern durch meine Timeline auf Facebook die Fotos betroffen blickender Politiker und anderer Prominenter, die ein Blatt Papier in den Händen halten, darauf steht „We remember“. In der verabredeten Sprachregulierung ist dieser allgemein klingende Satz besetzt mit einer speziellen Erinnerung, der an den Holocaust. Sie wird dieser Tage besonders betont, weil der Antisemitismus in Deutschland wieder laut und offen hervortritt.

Talkshows im Fernsehen sind dem Ereignis gewidmet, Feierstunden werden abgehalten, Beteuerungen verbreitet: „Wir werden nie vergessen...“
Das Versprechen ist, kaum ausgesprochen, schon gebrochen. Während man „gedenkt“ und „den Kopf verneigt“ (so wörtlich in der mir zugesandten Facebook-Botschaft des thüringischen Ministerpräsidenten Ramelow), breitet sich die neue Epidemie des Judenhasses ungehindert in deutschen Schulen aus. Zunächst unter Schülern „mit Migrationshintergrund“.
Während man die Opfer von gestern ehrt, überlässt man die von morgen ihrem Schicksal. Unter denen, die mit der Phrase „We remember“ betroffen in ein Handy blicken, sind auch gestandene Feinde des jüdischen Staates, der einzigen Sicherheit, die Europas Juden haben.

Sogar der deutsche Außenminister, der den Judenstaat kürzlich als „Apartheidstaat“ bezeichnet hat, eine der übelsten Beschimpfungen, die seinesgleichen kennt, ließ sich mit dem Blatt Papier fotografieren.

Wer ist so naiv, von modernen Antisemiten zu erwarten, dass sie offen zugeben, Antisemiten zu sein? So offenherzig war man in Deutschland im neunzehnten Jahrhundert, als sich die Judenhasser in einer „Liga der Antisemiten“ zusammenfanden und ihre Aversion offen bekannten. In der NS-Zeit war Judenhass deutsche Staatsräson.
Nach der Katastrophe des Hitler-Reiches wurde es zunehmend als Zeichen von Dummheit verstanden, seine Gefühle so unumwunden auszudrücken. Um gerecht zu sein: Viele haben auch wirklich begriffen, dass es nichts bringt. Das deutsche Debakel war mit dem Massenmord an den europäischen Juden verknüpft, das hieß, offener Judenhass gemahnte an Deutschlands Niederlage – sozusagen ein Pawlowscher Reflex.
Doch er funktioniert nicht mehr. Der neue Judenhass gedeiht weitgehend ungestraft.

Er wird gespeist aus den unendlichen Tiefen islamischer Judenverachtung, die vielfach im Koran festgeschrieben ist, so dass sich jeder geifernde Imam in jeder beliebigen Moschee in Berlin, Brüssel, Paris darauf berufen kann. Keiner der „Gedenkenden“ und „Sich Erinnernden“ will daran denken oder sich erinnern, wie oft und wie böse heute in Europa auf Juden gehetzt und zu ihrer Tötung aufgerufen wird.

Unter türkischen, arabischen Schülern in Europa ist „Jude“ das meist gebrauchte Schimpfwort. Die deutschen, französischen, holländischen Mitschüler hören es vielleicht noch mit einem kleinen thrill, doch sie hören es täglich, und sie sehen und erleben jeden Tag, dass dieser Antisemitismus im Rahmen der Willkommenskultur toleriert wird.
Wenn der Islam zu Deutschland gehört, wie ein deutscher Bundespräsident formulierte, gehört auch der islamische Judenhass zu Deutschland. Ganz unvermeidlich – so, wie er seit anderthalb Jahrtausenden zum Islam gehört. Er wird gedeihen und um sich greifen, falls man nicht gegen ihn vorgeht.
Bisher versuchen Europas Politiker, sich dieser unangenehmen, nicht ganz ungefährlichen Aufgabe zu entziehen. Es ist beglückender, moralisch erhebender, in Feierstunden der toten Juden zu gedenken, als sich für die Zukunft der lebenden einzusetzen.  Chaim Noll

Es soll ja Menschen geben, denen Gedenk- und Feiertage nicht besonders wichtig sind. Entweder, weil sich ihnen der Grund des Gedenkens nicht erschließt, oder weil sie der Auffassung sind, dass es um generelles Bewusstsein gehen sollte und dies an jedem Tag des Jahres und nicht nur zu einem bestimmten Datum gegeben sein muss.

Ich bin dennoch der Auffassung, dass Gedenk- und Feiertage ihre Berechtigung haben. Dass generelles Geschichtsbewusstsein und spezielles Gedenken einander nicht ausschließen und derartige Rituale letztlich sogar einen elementaren Beitrag zum kollektiven Gedächtnis und der Schaffung einer kollektiven Identität eines Volkes leisten.

Umso mehr ärgert es mich, dass der sogenannte Tag der offenen Moschee seit nun schon mehr als 20 Jahren auf den wohl wichtigsten Feiertag der Deutschen – den Tag der Deutschen Einheit – fällt. Ganz bewusst wurde dieses Datum damals gewählt, um – wie der erzkonservative Zentralrat der Muslime begründete – eine „religionsübergreifende Verständigung“ zu verdeutlichen.
Das Selbstverständnis der Muslime, Teil des 1990 wiedervereinigten deutschen Staates zu sein, solle so ebenso zum Ausdruck gebracht werden wie die Verbundenheit mit allen nicht-muslimischen Bewohnern Deutschlands.
Das Paradoxon, einen separaten eigenen Veranstaltungstag als Zeichen der Verbundenheit zu verkaufen, scheint bis heute niemanden zu stören. Dass der simple Gedanke, den Tag der Deutschen Einheit, sofern man sich selbst als Teil des deutschen Staates identifiziert, einfach mitzufeiern, für Muslime offensichtlich nicht selbstverständlich ist, ebenso wenig.

Darüber hinaus zeigt das Bestreben, dass ausgerechnet an diesem areligiösen Tag auch die religiöse Verständigung befördert werden soll, einmal mehr, worum es den Initiatoren eigentlich geht: Um ihre Befindlichkeiten, um Aufmerksamkeit für ihre religiösen Belange und ihren Stellenwert in der Gesellschaft und eben nicht darum, sich als Teil der deutschen Gesellschaft zu verstehen und in diese einzufügen.

In diesem Land befassen wir uns mittlerweile gefühlt 365 Tage im Jahr mit dem Islam und seinen Auswüchsen. Für die eigenen Belange, das Bedürfnis nach angemessenen fortschrittsorientierten Themen, wie für eine moderne Gesellschaft angemessen, ist schon lange nicht mehr viel Raum in der öffentlichen Debatte übrig.
Während man in China Ideen und Technologien entwickelt, um zum Silicon Valley aufzuschließen, sprechen wir über Kopftücher als Zeichen der Emanzipation und Schweinefleischverbot in Kantinen, Legalisierung von Polygamie und getrennte Schwimmzeiten für Frauen und Männer.

Während es für jene Länder mit geringem Anteil an Muslimen in der Bevölkerung weiterhin schnurstracks in Richtung Fortschritt und Zukunft geht, scheint man sich in Deutschland nach einem Comeback voraufklärerischer Zeiten zu sehnen.
Das ist der Grund, weshalb ich es mittlerweile persönlich nehme, wenn Muslime dann auch noch die wenigen Tage im Jahr, an denen es einmal nicht um ihre Befindlichkeiten und gesellschaftlichen Forderungen geht, für ihre Zwecke okkupieren. Tage, an denen es einmal um uns sogenannte „Nicht-Muslime“ und unsere kollektive Identität als Deutsche gehen sollte.
Die Bevölkerungsgruppe, die stets am meisten und lautesten Respekt für sich und ihre Belange einfordert, zeigt keinerlei Respekt für die Momente, die Tage, die uns wichtig sind, an denen wir innehalten und gedenken wollen.

Was an dieser Rücksichtslosigkeit und Ignoranz oder gar dem Missbrauch von staatlichen Gedenk- und Feiertagen deutlich wird, ist letztlich genau das Gegenteil von dem, was der Zentralrat der Muslime vorgibt, erzielen zu wollen. Es ist nichts anderes als eine weitere Offenbarung dessen, was wir nur allzu oft im Alltag durch die muslimische Parallelgesellschaft zu spüren bekommen: die nicht vorhandene Identifikation mit der deutschen Mehrheitsgesellschaft, ihrer Identität, ihren Werten, ihren Gefühlen und Gedanken, schlicht mit den Dingen, die uns als wichtig erscheinen.

Verfolgt wird ausschließlich die eigene Agenda einer Lebenswelt, die nur allzu oft nicht das Geringste mit unserer und schon gar nicht mit einer Identifikation als Deutsche zu tun hat.
Anders lässt sich für mich nicht erklären, weshalb man es ebenfalls für eine gute Idee hält, die kurdischen Proteste in Köln und andernorts ausgerechnet auf den Holocaust-Gedenktag zu legen. Mag sein, dass dieser Tag auch dem ein oder anderen Deutschen am Hintern vorbeigeht, aber der zieht wenigstens nicht randalierend oder prügelnd durch die Straßen.

Und so ist und bleibt es eine Schande, dass, während die politische und mediale Elite dieses Landes eine „nationale Kraftanstrengung“ des Erinnerns betreibt, sich Menschen in Köln versammelten, um die Konflikte ihrer Heimatländer auf deutschem Boden auszutragen. Dass, während wir in angemessener Ruhe und Stille das Einende betonen, andere das Trennende hervorheben. Dass der Hass, der einst in einem der grausamsten Ereignisse der menschlichen Geschichte mündete, ausgerechnet heute in anderer Form wieder Raum auf öffentlichen Plätzen geboten bekommt, als wären die antisemitischen Proteste im Winter vergangenen Jahres nicht schon widerlich genug gewesen.
Seit Jahrzehnten warnen Experten und Kritiker der Einwanderung aus islamischen Ländern vor dem Import nahöstlicher Konflikte. Heute müssen wir feststellen, dass sie nicht nur immer stärker im öffentlichen Raum zutage treten, sondern auch jegliche Rücksicht auf das Land und die Menschen, die hier „schon länger leben“ übertünchen. Eine Identifikation gibt es bei vielen nach wie vor nur mit dem eigenen Herkunftsland und den dortigen Problemen.

Als Resultat bin ich auch nicht länger gewillt, mich für muslimische Mitbürger und ihre Anliegen zu interessieren. Selbst meine durchaus vorhandene Sympathie für die hier lebenden Kurden kommt mir angesichts der Respektlosigkeit, mit der man die eigenen Interessen auf die Straße trägt, mittlerweile abhanden. Es sind nicht meine Konflikte, und zumindest an Tagen wie diesen möchte ich einmal nur für die eigene Geschichte Verantwortung tragen und nicht auch noch für den Rest der Welt.

Nein, ich bin nicht mehr länger bereit, Menschen und ihre Anliegen zu respektieren, die mich und die Dinge, die mir wichtig sind, nicht respektieren. Die diesen Staat und seine Bürger immer nur anrufen, wenn es um ihre Rechte geht, aber nie um ihre Pflichten als Bürger dieses Landes.
Währenddessen lässt Angela Merkel heute über ihren Regierungssprecher verlauten, dass sie mit ihrer „ganzen Kraft“ dafür eintreten wird, dass jüdisches Leben in Deutschland weiterhin möglich ist. Dafür wäre jedoch notwendig zu erkennen, dass man mit der deutschen Einwanderungspolitik nicht nur seit Jahrzehnten Antisemitismus importiert, sondern vor allem einen Bevölkerungsteil geschaffen hat, der weder Erinnerungskultur noch kollektives Geschichtsbewusstsein und Identität mit uns teilt.

Dass die Voraussetzung für ein „Nie wieder“ im Bewusstsein über die Annahme der eigenen Geschichte und damit der Verantwortung als Volk liegt – und dass da dementsprechend kein Bewusstsein bei Menschen ist, die sich nicht als Teil dieses Volkes identifizieren.
Erinnerung und der daraus resultierende Wille zum „Nie wieder“ sind damit an Voraussetzungen geknüpft, die in Deutschland nicht zuletzt durch die Einwanderung aus mehrheitlich islamischen Ländern seit Jahrzehnten immer weniger gegeben ist. Der Bezug zu uns und unserer Geschichte ist bis heute kaum vorhanden. Die Verhaftung mit den Konflikten der eigenen Herkunftsländer umso mehr. Am Ende werden wir diese allesamt hier austragen, und #WeRemember in Bezug auf die eigene Geschichte wird nicht mehr als ein frommer Wunsch sein.  Anabel Schunke

Fortschritt, Familiennachzug, Polygamie und Ehrenpatenonkelei

Mit der „Herausforderung durch die Flüchtlinge“ – ja, so heißt das jetzt, seit „Krisen“ in „Herausforderungen“ umbenannt wurden – diese Herausforderungen unterhöhlen zunehmend das deutsche Rechtssystem durch Doppelstandards. Gibt es so etwas, wie einen Flüchtlingsbonus im Rechtsstaat?
Ich bin kein Jurist, aber mir als Laien fällt auf, dass einiges, was den zu uns Gekommenen nachgesehen wird, für die schon länger hier Lebenden durchaus strafbewehrt ist. Nach meiner simplen Rechtsauffassung verstößt dies gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Rechtsstaates. Mit den Doppelstandards geht daher seit vielen Jahren eine systematische Erosion des Staates und ein massiver Vertrauensverlust in den Rechtsstaat einher.
Ein Dilemma für den deutschen Rechtsstaat stellt das Familienrecht dar, das auf dem Prinzip Monogamie basiert. Das Dilemma ist: was tun, wenn bei Vielehen Kinder entstanden sind. Schließt das Kindeswohl ein Verbot der Bigamie aus? Natürlich wäre das möglich, denn auch in einer monogamen Gesellschaft gibt es viele Kinder außerhalb ehelicher Beziehungen. Ein Zustand, der im Rechtsstaat vortrefflich geregelt ist. Rein rechtlich wäre dies mit ein bisschen Konsequenz auch bei Flüchtlingen durchsetzbar.
Aber mit der Konsequenz ist das im imaginären Raum des Zeitgeistes so eine Sache. Klar ist: Immer, wenn menschliches Handeln von den Konsequenzen entkoppelt wird – wenn schlechte Ergebnisse umverteilt werden, wenn asoziales Verhalten toleriert, wenn gute Leistungen nicht honoriert werden..., – droht Verderben. Gleichwohl haben die Befürworter der Migration ein Problem mit der Konsequenz hinsichtlich ihrer Schützlinge. Sie möchten um jeden Preis ihre Illusion aufrechterhalten, dass mit den Migranten nur gute Menschen nach Deutschland gekommen sind. Ihre zwangsläufig auftretende kognitive Dissonanz leben sie durch schier unglaubliche Relativierungen aus, über die ein Großteil der Bevölkerung nur den Kopf schütteln kann.
Wenn also der Islam zu Deutschland gehören will, dann muss er sich in Deutschland von der Polygamie trennen. Viele muslimische Männer denken aber gar nicht daran, sich von diesem aus ihrer Sicht durch den Koran verbrieftem Recht zu trennen. Wie geht der Rechtsstaat mit diesem Widerspruch um? Eher gar nicht. Ein paar Beispiele:
FOCUS vom 26.01.2018: „In Schleswig-Holstein darf ein Syrer, der 2015 mit vier Kindern und seiner Ehefrau einreiste, jetzt auch seine zweite Ehefrau nachholen. Laut der zuständigen Behörde keine pauschale Regelung – aber auch kein Einzelfall. Der Sprecher des Kreises Pinneberg in Schleswig-Holstein sagte gegenüber der „Bild"-Zeitung, es handle sich dabei aber nicht um eine „pauschale Regelung" – sondern um das Ergebnis einer „sorgfältigen Einzelfallprüfung".
Natürlich wolle man Bigamie (Ehe mit mehreren Partnern) nicht unterstützen, jedoch habe man keine Möglichkeit, „auf Eherechte anderer Staaten einzuwirken". Lieber Sprecher des Kreises Pinneberg, das sollt Ihr ja auch gar nicht. Es reicht völlig, wenn Ihr dafür sorgt, dass hiesiges Recht eingehalten wird. Wenn ich in ein anderes Land reise, dann muss ich dessen Gesetze einhalten und nicht nur die meines Heimatlandes.
Unser damaliger Bundespräsident Gauck wurde im Juli 2016 Ehrenpatenonkel des siebten Kindes einer Familie aus dem Kosovo, das von der in Deutschland geheirateten Zweitfrau des Familienoberhauptes zur Welt gebracht wurde. „Ich habe zwei Frauen", gesteht der 24-jährige muslimische Familienvater, ein arbeitsloser Tischler, der seit 1988 in Deutschland lebt. Drei Kinder hat er mit Ehefrau Samanda (24), die anderen fünf mit Tatjana, der zweiten Frau.
Für die Ehrenpatenschaft des Bundespräsidenten ist es kein Problem, dass die Kinder nicht von einer Frau stammen. „Den Antrag kann man im Bürgercenter stellen, wir bearbeiten ihn und leiten ihn nach Berlin weiter“, erklärt Oliver Schäfer, der Stadtsprecher, das Prozedere. Eine Woche nach dem siebten Kind Ismail kam das achte Kind Ibrahim von der anderen Frau auf die Welt. Nun ist die Sechszimmerwohnung in Gelsenkirchen zu klein, und die Familie freut sich auf ein Haus mit Garten.
Die Rheinzeitung berichtete schon im August 2016: Syrischer Geschäftsmann reist mit vier Ehefrauen und 23 Kindern ein.
Der Familienvater reiste 2016 mit vier Ehefrauen und 23 Kindern aus der Türkei ein. Die traditionelle Großfamilie lebte zuvor auf mehrere Städte verteilt in Syrien. Der vermögende Geschäftsmann konnte sich dort ein Haus für jede Frau und sogar Bedienstete leisten. Nach islamischer Rechtsauffassung erlaubt der Koran einem Mann die Ehe mit bis zu vier Frauen und weitere Geliebte. Bei der Registrierung der Großfamilie in Deutschland machte schon die schiere Anzahl der Frauen und Kinder Probleme. Eine sogenannte Bedarfsgemeinschaft nach Sozialhilferecht sieht keine derartigen Familienmodelle vor. Die Flüchtlinge wurden auf mehrere Kommunen verteilt. Der Mann musste sich entscheiden, mit welcher seiner Frauen er eine Bedarfsgemeinschaft bilden möchte, was innerfamiliäre Konflikte auslöste. Zwei Frauen leben mit ihren Kindern nun in der Nähe von Koblenz. Der Mann, zwei weitere Frauen und etwa die Hälfte der Kinder wurden in der Verbandsgemeinde Montabaur untergebracht.“
Birgit Schrowange berichtete in RTL-Extra schon 2013 darüber, dass in Neukölln jeder dritte Migrant mit zwei oder drei Frauen „verheiratet“ sei, viele auf Kosten der Steuerzahler. Das funktioniert laut RTL so: Die Mehr-Ehen werden beim Imam geschlossen und daher nicht staatlich registriert. Die Frauen gehen dann zum Amt und melden sich als Alleinerziehende an. Sie geben an, den Vater ihrer Kinder nicht zu kennen und bekommen so für sich und die Kinder Hartz4. Auf diese Weise kann sich auch ein wenig begüterter Muslim auf Kosten der Steuerzahler die Vielweiberei erlauben. Einen Luxus, den er sich in seiner Heimat nicht leisten könnte.
Und was sagt das deutsche Strafgesetzbuch bezüglich der Vielweiberei für die schon länger hier Lebenden? Im §1306 BGB schreibt der Gesetzgeber hierin vor, dass eine bestehende Ehe oder Lebenspartnerschaft die Eheschließung ausschließt.
Folglich handelt es sich bei einer bereits bestehenden Lebenspartnerschaft oder Ehe um ein juristisch verankertes Eheverbot, das Doppelehen grundsätzlich ausschließt. Demzufolge darf eine neue Schließung einer Ehe nicht erfolgen, solange einer der beiden künftigen Ehegatten mit einer dritten Person verheiratet ist. Auf diese Art und Weise schließt das deutsche Gesetz die Bigamie kategorisch aus.
STGB §172 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer verheiratet ist oder eine Lebenspartnerschaft führt und
1. mit einer dritten Person eine Ehe schließt oder
2. gemäß § 1 Absatz 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes gegenüber der für die Begründung der Lebenspartnerschaft zuständigen Stelle erklärt, mit einer dritten Person eine Lebenspartnerschaft führen zu wollen.
Offenbar ist aber im Deutschland des Jahres 2018 kategorisch vor dem Gesetz längst nicht mehr kategorisch.
Jedenfalls nicht für alle. Ich höre schon Deutschlands berühmtesten Kriminologen beschwichtigen: „Bigamie gab es schon immer, auch bei Deutschen“. Das mag sein. Aber für deren Kinder wurde nicht ungeprüft der Bundespräsident Ehren-Patenonkel. Und für deren Kinder kommt auch nicht das Amt massenhaft auf.
Frage: Wäre es nicht besser, frei nach Michel Houellebecq, das Rechtsprinzip der Monogamie in Deutschland ganz aufzugeben? Das würde zumindest die Erosion des Rechtsstaates verlangsamen. Weitere bislang gültige Gesetze könnten auf diesem Weg folgen, wir sollten die Abschaffung des Rechtsstaats aktiv gestalten und nicht als Krise, sondern als Herausforderung begreifen. Wir schaffen das.  Haferburg

Anreize



Zu den Terminen, die uns das Jahr gliedern, gehört das Weltwirtschaftsforum von Davos. Das ist sehr exklusiv, eine Schau solide gepanzerter Wagen. Die amerikanische Präsidentenentourage fliegt sogar, einem Schweizer Kollegen mit privilegiertem Beobachterstatus zufolge, eigenes Benzin für den Limousinenfuhrpark ein. Von diesem Brimborium einmal abgesehen handelt es sich beim Treffen in den Schweizer Bergen um eine Art Touristikmesse für globale Investoren. Jeder Staatschef versucht, sein Land so gut wie möglich anzupreisen. Donald Trump fällt das naturgemäß leicht, er lobte seine Steuerreform und lud alle zu sich ein, die mühselig und fiskalisch beladen sind. Seine britische Kollegin

Theresa May kündigte an, ihr Land wolle zur Führungsnation auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz werden.

Angela Merkel trug vor, der Netzausbau und die Digitalisierung des Staates lägen in Deutschland etwas zurück, verglichen mit den baltischen Staaten. Gewissermaßen im Gegenzug lud sie alle Staaten des Kontinents in eine von ihr definierte Gemeinschaft ein: „Europa hat tiefe Schuld gegenüber dem afrikanischen Kontinent“.
Ein wenig zusammengefasst, erweitert und präzisiert lautet ihre Werberede („wir müssen schauen, dass wir ein interessanter Investitionsstandort sind”)  an die Tüchtigen und Potenten der Welt so:
„Liebe Leute, die ihr in Betracht zieht, in  mein Land zu kommen, das noch mein Land ist: bei uns sind die digitalen Standards miserabel, die Steuerbelastung ist europaweit die zweithöchste nach Belgien, die Strompreise die zweithöchsten nach Dänemark, aber anders als in Belgien und Dänemark haben wir im Verhältnis zur schon längerhierlebenden Bevölkerung den global höchsten Zuzug unqualifizierter Migranten und zweistellige Steigerungsraten bei Sexual- und Roheitsdelikten.
Unser Hauptstadtflughafen sieht im Übrigen so aus:


Dafür haben Sie allerdings die Chance, Teil von etwas wirklich Großem zu werden, wenn Sie sich hier niederlassen: sie können schuldig werden.

Wenn die koloniale Erbschuld nicht nur über Generationen weitergegeben wird, sondern auch raumübergreifend in die Schweiz, nach Österreich, Polen, Tschechien, Ungarn, auf den Balkan und ins Baltikum, dann gehört natürlich auch jeder junge vietnamesische IT-Techniker dazu, der sich hier niederlassen möchte.“

In ihrer Rede gebrauchte sie auch eine Vintage-Wendung, die ehemaligen Insassen der besten DDR aller Zeiten umgehend das Herz wärmt: „Unsere Menschen.“
Wer möchte nicht zu diesem Kollektiv stoßen?
Zum Kabinett Merkel IV, das, um mit der Kanzlerin zu sprechen, seit 12 Jahren die Weichen Richtung Zukunft stellt, gehört auch bald Martin Schulz. Gut, er zeigte sich anfangs spröde: „Unser Platz ist klar der der Opposition / ich werde in kein Kabinett von Angela Merkel eintreten“.
Aber was soll’s, das ist jetzt auch egal. Das heißt: er wird in die Bundesregierung eintreten, wenn eine Große Koalition zustande kommt, die wiederum nur gelingt, wenn es der SPD gelingen sollte, in den nächsten Wochen die so genannte sachgrundlose Befristung von Arbeitsverträgen wegzuverhandeln. Darüber freut sich auch der nächste Jungredakteur/die Jungredakteurin von „Vorwärts“. Denn so lange nichts geregelt ist, kann selbst die älteste Partei nichts gegen Teilzeitverträge tun.

Weiter geht es hier.

Sonntag, 28. Januar 2018

Treu & Glauben




Die Welt ist aus den Fugen und der Irrsinn wird alltäglich. Das hat sicherlich sein Gutes, denn es verlangt und bewirkt eine geistige Beweglichkeit, die manchen Menschen gut tut. Man soll ja nicht in verkrusteten Denkstrukturen verharren. Besser man bereitet sich ständig auf Unerwartetes vor.

Wenn man den Wasserhahn aufdreht, könnte zur Abwechslung auch mal Feuer herauskommen. In diesem Sinne hat die Volksbank Reutlingen ihre Geschäftsbedingungen umgestaltet.
Wer bei dieser Bank ein Konto unterhält und sich nicht täglich über die neuesten per Aushang bekanntgegebenen Geschäftsbedingungen informiert, kann von Glück reden, daß nicht sein ganzes Geld weg ist, sondern bloß ein Teil davon. Denn irgendwann im letzten Jahr tauchte in diesem Aushang der Hinweis auf negative Zinsen auf, die ab sofort zu zahlen seien. Negative Zinsen sind allerdings keine Erfindung der Volksbank Reutlingen, sondern eine Folge der ins Perverse gekippten europäischen Geldpolitik.

Eigentlich sind negative Zinsen das Ende des Kapitalismus. Denn Wasser fließt nicht bergauf, und nicht derjenige, der sein Geld verleiht, schuldet seinem Schuldner etwas, sondern umgekehrt. Aber die Welt ist aus den Fugen, und Sparsamkeit gehört jetzt zu den Untugenden, für die man büßen muß.

Zinsen bilden nämlich die Grundlage aller Sparanstrengungen: sie sind die Belohnung für den Triebverzicht, der Ausgleich für die entgangene Befriedigung der Kauflust. Ohne den kapitalistischen Grundbaustein der Verzinsung würde sich niemand veranlaßt fühlen, eine Geldausgabe freiwillig aufzuschieben und den Betrag eben zu sparen. Das ist eine beachtliche Kulturleistung, die auf einer bestimmten Genußstrategie nach der Devise "je später, desto mehr" beruht.

Schon Kinder heben sich manchmal vom Essensteller das, was sie am liebsten mögen, bis zum Ende auf. Dieser Gedanke der Genußerhöhung durch Verzögerung ist weitverbreitet und wirkt bis in religiöse Paradiesvorstellungen hinein. Offenbar liegt darin auch eine Art Selbstrepräsentation menschlicher Vernunft; durch Verschiebung des Genusses auf später beglückt man sich mit dem Beweis der Zeitsouveränität. So wird das Sparen zu einer geradezu metaphysischen Anstrengung und zu einem Inbegriff der Conditio Humana: der Mensch ist das Wesen, das spart.

Dies alles hat die Europäische Zentralbank als ausführendes Organ skrupel- und verantwortungsloser Finanzpolitiker beiseite gewischt und die Euroländer mit soviel billigem Geld geflutet, daß schon dessen bloße Aufbewahrung kostenpflichtig wurde.
Und die Volksbank Reutlingen hat diese Kosten, die ihr das viele Geld verursacht, einfach an die Kunden durchgereicht. Doch das Landgericht Tübingen, das über diese Praxis zu urteilen hatte, stellte treffend fest, daß die Kunden bei aller geistigen Flexibilität mit einer solche Umkehr des Geschäftsprinzips nicht rechnen müßten.

Negativzinsen seien atypisch, formulierte das Gericht, man könne so etwas nicht einfach per Preisaushang einführen.
Es gibt ja im Geschäftsleben und auch im gesellschaftlichen Miteinander den Grundsatz von Treu und Glauben. Er besagt, daß man nicht in jedem Augenblick gewärtig sein muß, aufs Kreuz gelegt zu werden. Würde man die Volksbank-Reutlingen-Methode beispielsweise aufs Lottospiel übertragen, dann müßten die Gewinner sich künftig darauf gefaßt machen, statt einer Auszahlung eine Geldforderung zu erhalten. Wahrscheinlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis es dahin kommt.  Burkhard Müller-Ullrich




Semper tiro bonus vir

Auf Befehl der Liebsten Teilnahme am Semperopernball in Dresden. Ambivalente Eindrücke. Eigentlich eine reizende Veranstaltung. Wenn sich tausend Frauen in Abendkleider und tausend Männern in Smoking oder Frack hüllen, um miteinander Walzer zu tanzen, ist das eine löbliche Unternehmung.
Zumal Hunderte noch auf dem Vorplatz bis weit nach Mitternacht mittanzten, zuletzt, als ein unbarmherziger Dauerregen eingesetzt hatte, unter Schirmen, ein pittoresker Anblick: immer je ein Paar und ein Schirm drehten sich im Scheinwerferlicht unter Regenschauern im Kreise...

Rein ästhetisch war das Level hoch, viel höher, als ich erwartet hatte; die meisten Mädels und Damen trugen geschmackvolle Kleider, kaum ein Gesicht war von Botox entstellt, ganz anders als ich es von Bogenhausener und Grünwalder Schickeriaschachteln kenne, und die Herren, die es ohnehin leichter haben, erschienen (mit Ausnahme der allzeit fröhlichen Pfeife Johannes B. Kerner) formell gekleidet. Mein Favorit war ein kahlköpfiger ungefähr Endfünfziger, der einen Frack trug, gelbe Schuhe, ein Umhängetäschchen und eine auffällige Tätowierung aus drei ineinander übergehenden Sternen am Hals.

Die Veranstaltung zerfiel in zwei Teile. Der offizielle oder Showteil bestand in der – von einzelnen Musikeinlagen unterbrochenen – Verleihung des St. Georgs-Ordens (warum heißt das eigentlich "Verleihung"? Müssen die das Ding wieder zurückgeben?). Dieser unterschied sich wenig von einer Bambi-Veranstaltung oder Goldenen Kamera, die übliche Selbstfeier der Schickeria.

Der Orden zeigt neben dem Wahlspruch Adverso Flumine ("Gegen den Strom") das Bildnis des Heiligen Georg zu Pferde, mit ihm sollen also Persönlichkeiten ausgezeichnet werden, die "gegen den Strom schwimmen", und so war es ja auch. Sigmar Gabriel etwa bekam ihn eingehändigt, und der ist gegen den Strom bis an die Spitze der Oppositionspartei SPD und sogar ins Auswärtige Amt geschwommen. Oder Veronica Ferres, die sich und ihrer Familie in der Dankesrede bescheinigte, es habe ihnen "an Mut nie gefehlt"; sie schwimmt also gleich mit der ganzen Mischpoche gegen den Strom. Schauspieler reden hören, wenn sie einmal nicht etwas sprechen, das ihnen jemand aufgeschrieben hat, ist fast immer ein Gedicht!

In den Jahren davor hatte Till Schweiger diesen Orden bekommen, Thomas Gottschalk, André Rieu, Peter Maffay und andere couragierte Gegen-den-Strom-Schwimmer, auch veritable Weltveredler wie der Ex-Maoist und Eurokrat Manuel Barroso, der inzwischen den Zielhafen jedes gegenstrebigen linken Lebensplans erreicht hat: Goldman Sachs.

Die lustigsten Bemerkungen des Abends machten zwei Sportler. Der Fußballer Miroslaw Klose beendet seine Dankesrede für den Drachentöterorden mit den Worten: "Einen schönen Abend Ihnen allen, und verletzen Sie sich bitte nicht beim Tanzen"; der Boxer Arthur Abraham, der die Laudatio auf ihn hielt, sagt später im Interview, er sei aufgeregt gewesen, Boxen sei für ihn ja viel leichter, als eine Rede zu halten.

Dann begann der Tanzteil, in allen Etagen, Haupt- und Nebensälen, und siehe, alles war gut.  MK am 28. 1. 18


D-moll-iert

Nicht nur für Sozialdemokraten war der vergangene Sonntag ein schwarzer Tag. Aber vor allem für sie. Denn er zeigte die SPD in ihrer ganzen sklerotischen Schwäche: zerrissen, ideenlos, führungslos. Zwar retteten sich Martin Schulz und die Seinen denkbar knapp in Koalitionsverhandlungen; aber emotional und vor allem konzeptionell ist die einst stolze Volkspartei am Ende. Wenn der 21. Januar 2018 dennoch nicht für die Geschichtsbücher taugt, dann nur deshalb, weil der Untergang der Sozialdemokraten gesellschaftspolitisch ohne Belang ist.
Denn zu sagen oder bieten hatten sie schon lange nichts mehr. Zu fest schlossen sie die Augen vor der Wirklichkeit. Bereits im Wahlkampf testete die SPD mit abseitigen Themen die Langmut der Wähler, in den Vorverhandlungen zur Großen Koalition verstieg sie sich völlig.
Das alles beherrschende Thema der letzten Wochen hieß: Zuwanderung. Ob die Morde von Freiburg, Hamburg oder Kandel, die alarmierenden Zahlen gewaltbereiter Salafisten, ob die Überfälle auf Feuerwehren und Sanitäter oder die vielen Benachteiligungen von Deutschen gegenüber „Flüchtlingen“ – immer ging es um die Fremden und darum, ob und wie „wir das schaffen“.

Mehr und mehr Bürger äußerten ihre Sorgen, selbst Medien gaben den Ängsten endlich Raum. Aber die Sozialdemokraten überhörten sie. Mit arroganter Sturheit beharrten sie auf Fragen, die niemand stellte: Einheitskasse und Arbeitsplatzgarantie. Als ob deren Verweigerung die AfD groß gemacht hätte.
Das ist keine neue Entwicklung. Schon lange hat sich die SPD von der Partei der Arbeiter zum Sprachrohr linker Wohlstandsschichten gewandelt – eine Kopie der Grünen auch in Sachen Wirklichkeitsferne: für Multikulti, „Ehe für alle“ und Ökoenergie. Eine Partei der Besserverdiener und Bessergebildeten, die die Rechte der Arbeiter an die Globalisierung verrät und die Rechte der Frauen an den Islam. Daß Sigmar Gabriel Demonstranten als „Pack“ schmähte, zeigte Bruch und Distanz. Für die Alltags- und Abstiegsängste einfacher Leute, das offenbarte die Äußerung, hat die SPD nur noch Verachtung.
Doch Kopien sind verzichtbar. Das ist der Grund für stetig fallende Umfragewerte. Viele einstige Stammwähler haben begriffen: Die SPD ist programmatisch nicht mehr ihre Heimat; sie ist inzwischen ihr Gegner. Das Grundlagenpapier zur GroKo machte das deutlich. Auch in der SPD grassiert der Haß auf alles Deutsche.

So wurde im Grundlagenpapier „Zuwanderung“ vorsätzlich kleinverhandelt. Man will den rechtswidrigen Status quo erhalten, die unkontrollierte Invasion unumkehrbar machen. Daher keine Abschiebungen, keine zwingende Altersfeststellung, unbeschränkter Familiennachzug; und eine Obergrenze nur für die „unmittelbar steuerbare“ Migration. Was mit der sonstigen ist, mit den 15.000 Illegalen, die ohnehin Monat für Monat einsickern, blieb bewußt offen.
Stolz meldete der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius, die Obergrenze sei „bewußt verschwurbelt formuliert“, der weitere Zuzug Hunderttausender mithin gewährleistet. Auch Martin Schulz meinte schon wenige Stunden nach dem Verhandlungsmarathon, wenn pro Jahr mehr als 220.000 kämen, „kämen eben mehr“. Und Jusos bezeichneten Sammelstellen für Asylbewerber kurzerhand als „KZ“.

Das also ist die künftige Regierungspartei: Eine SPD, die die Augen vor der Wirklichkeit verschließt; die trotz 11.000 gewaltbereiter Salafisten, trotz der täglichen Angriffe auf Frauen und Minderheiten die muslimische Invasion befördert; die den damit einhergehenden Antisemitismus klammheimlich hinnimmt wie auch den fortgesetzten Rechtsbruch; die sich schon jetzt damit brüstet, den Koalitionspartner übers Ohr gehauen zu haben; und die in ihrer Diktion enthemmt ist und so gespalten, daß ihre Minister kaum handlungsfähig erscheinen.
Diese SPD ist kein Koalitionspartner; sie ist eine Partei in Auflösung, programmatisch an der Grenze zum Hochverrat. Daß die Union mit ihr koalieren will, zeigt deren eigene Schwäche. Auch sie hält nur die Angst vor Neuwahlen und Machtverlust zusammen. Personell sind CDU und CSU ebenfalls erschöpft, auch ihnen fehlt jede Idee von Zukunft.
So profillos wie im Wahlkampf blieben sie in Sondierungs- wie Koalitionsgesprächen, nicht einmal für den Versuch eines großen Wurfes in Steuer-, Finanz-, Wirtschafts- oder Bildungspolitik reichte es. Im Vergleich wirkt der oft verlachte Trump mit seinem Mut zur Gestaltung wie ein Riese.

Das ist dann auch die eigentliche Botschaft vom Sonntag: Mit der SPD hat sich auch die GroKo von jeder Erneuerung verabschiedet. Dazu von der Wirklichkeit. Und auch von Grundgesetz und dem Deutschland, das wir noch kennen. Denn hinter der bewußten Sabotage jeder Zuwanderungsbegrenzung steht eine andere, noch stärker tabuisierte Frage: der Umgang mit dem Islam.
Sie ist das zentrale Zukunftsthema, die Antwort wird dieses Land grundlegend definieren. Wer dem Islam durch Einwanderung und Familiennachzug weiterhin Raum gibt, verabschiedet sich faktisch vom Grundgesetz. Denn dessen Freiheits-, Frauen- und Minderheitenrechte sind dann nicht mehr zu gewährleisten.
Und auch nicht Heimat. Sie würde ein ernstes Bekenntnis zu diesem Land verlangen, zu seinen Menschen, seiner Verfassung, seiner Geschichte und seinen Grenzen. Kurz: zum Nationalstaat. Doch von einer Kanzlerin, die schon beim Untergang eines Landes ideell assistierte und einst dem großen sowjetischen Bruder, heute der EU huldigt, ist das nicht zu erwarten. Lieber fährt sie auch dieses Land endgültig vor die Wand, zusammen mit der SPD.
– – – – –
Dr. Nicolaus Fest ist Jurist und Journalist. Er war bis September 2014 stellvertretender Chefredakteur der „Bild am Sonntag“.

Omissum



Lammert ist von den Abgeordneten, die 2017 im Bundestag saßen der einzige, der unser Land hätte mit der angemessenen Klugheit und Würde vertreten können. Aber er hat sich um die undankbare Aufgabe gedrückt. Und vielleicht ist es besser so, denn im Ruhestand kann er sich öfter, ausführlicher, überlegter und unabhängiger äußern, als ihm dies als Bundespräsident möglich gewesen wäre.

Samstag, 27. Januar 2018

Stresemann



"Was je ein Dante, was ein Shakespeare sah,
Was Goethes Geist, die Welt umspannend, ahnte,
Was aller Völker Dichter je geschaut (...):
Wie klein erscheint es, da das größte Drama,
Das je die Menschheit sah seit tausend Jahren,
Vor uns den Zeitgenossen, sich entfaltet.
Unfaßbar heute noch in seiner Wirkung,
In seiner Zukunft Weltenschicksal bergend
Und uns den Atem raubend in Erlebung
Des größten Kampfes, den je Völker sahen.

Und doch hat unsre Kunst ihr Daseinsrecht
Sich auch in diesem Weltenbrand bewahrt
Als deutsche Kunst! Denn das ist deutsche Art,
Dem ewig Wahren grübelnd nachzudenken
Und auch umstürmt vom Tatendrang der Welt
Pilatusfragen sinnend abzuwägen.
Im Schützengraben sich in 'Faust' vertiefen,
Beethoven-, Wagnermelodien im Herzen,
Seht, das ist Deutschland, ist das alte Deutschland
Der Denker und der Dichter und der Träumer,
Das Deutschland, das sie nicht vernichten können,
Das Deutschland, das wir uns erhalten müssen,
Erhalten mit dem Leiberwall da draußen,
Erhalten tief im Geiste uns hierinnen,
Das Deutschland, dem wir leben, dem wir sterben!"

Auszug aus: Gustav Stresemann, Prolog zur Wiedereröffnung des Stadttheaters in Liegnitz, vorgetragen am 30. September 1916

(Stresemann, Reden und Schriften, Dresden 1926, Bd. 2, S. 390/91)

Zum 27. Januar

Ein vertrauter Name


 Jeder kennt den Nazi-Arzt Josef Mengele. Der Name seines Vorgesetzten Eduard Wirths (1909 - 1945) sagt dagegen nur wenigen etwas. Das ist eine Wissenslücke, die es zu schließen gilt, meint der Würzburger Verleger, Professor Johannes Königshausen.

Er hat eine medizingeschichtliche Doktorarbeit herausgegeben, die sich ausführlich mit dem Mediziner Eduard Wirths, der aus Geroldshausen im Landkreis Würzburg stammt, und dessen Karriere als Nazi-Arzt auseinandersetzt. Kostproben aus diesem Buch gab Autor Dr. Konrad Beischl bei einer Lesung im Buchladen Neuer Weg.

Spätestens, als Beischl Zeitzeugen zitiert, wie Wirths im Konzentrationslager Auschwitz Frauen an der Rampe selektierte, um sie gynäkologischen Versuchen zu unterziehen, wird das Grauen greifbar. Nach all seinen Recherchen ist sich Beischl sicher: Wirths trägt einen großen Teil der Verantwortung für den millionenfachen Mord in Auschwitz. Warum Wirths, der sich der moralischen Tragweite seines Tuns wohl bewusst war, den Dienst als Standortarzt nicht verweigert hat, will einer der Zuhörer wissen. "Weil er gründlich und gewissenhaft die Vernichtungsmaschinerie aufrecht erhalten hat", meint Beischl.

Professor Hans-Michael Straßburg, zweiter Vorsitzender der Würzburger Regionalgruppe "Gegen Vergessen", fragt nach dem Verhältnis von Wirths zu Mengele. Beischl: "Das war gut. Wirths hat als Vorgesetzter in seinen Beurteilungen Mengele hoch gelobt." Eine ältere Dame gibt sich als Verwandte von Wirths Witwe zu erkennen. Gertrud Wirths hatte mit ihren drei Kindern 1943/44 fast ein Jahr lang bei ihrem Mann im Lager Auschwitz gelebt. Die Dame sagt: "Sie hat nie darüber gesprochen."

Neben publizistischer Resonanz hat Beischl auch Post von Wirths Familie bekommen: Die sehe vieles an Eduard Wirths positiver. Zum Beispiel werde seine Kooperation mit dem Lagerwiderstand anders gesehen (siehe die Anmerkungen in Wikipedia hierzu).
Die Familie hatte wohl auf eine Rehabilitation durch das Buch gehofft, meint Beischl achselzuckend. Konrad Beischl: Dr. med. Eduard Wirths und seine Tätigkeit als SS- Standortarzt im KL Auschwitz, 266 Seiten, 29,80 Euro, Verlag Königshausen & Neumann  Mainpost

Pique ist Trumpf

Nach der Übergeschnappten aus Deutschland und dem smarten Bettler bzw. Beutelschneider aus Paris sprach in Davos nun auch ein Staatsmann. Trump sagte Selbstverständlichkeiten, die hierzulande anstößig wirken, weil der deutsche Dachschaden eben seit ca. 1917 ein besonders gründlicher ist, etwa:

"Wie alle Nationen, die auf diesem großen Forum vertreten sind, hofft Amerika auf eine Zukunft, in der jeder gedeihen kann und jedes Kind frei von Gewalt, Armut und Angst aufwachsen kann. Im vergangenen Jahr haben wir in den USA außerordentliche Fortschritte gemacht. Wir revitalisieren vergessene Gemeinschaften, schaffen aufregende neue Möglichkeiten und helfen jedem Amerikaner, seinen Weg zum amerikanischen Traum zu finden. Der Traum von einem tollen Job, einem sicheren Zuhause und einem besseren Leben für seine Kinder. (...)

Die Welt ist Zeuge des Wiedererwachens eines starken und wohlhabenden Amerikas. Ich bin hier, um eine einfache Nachricht zu überbringen. Es gab nie einen besseren Zeitpunkt, um in den Vereinigten Staaten zu arbeiten, zu bauen, zu investieren und zu wachsen. Amerika ist offen für Geschäfte, und wir sind wieder wettbewerbsfähig. (...)

Regulierung ist eine heimliche Besteuerung. In den USA haben wir, wie in vielen andere Ländern, nicht gewählte Bürokraten – glauben Sie mir, es gibt sie überall – und sie haben unseren Bürgern erdrückende, geschäftsfeindliche und arbeiterfeindliche Vorschriften auferlegt, ohne Abstimmung, ohne gesetzgeberische Debatte und ohne wirkliche Rechenschaftspflicht. In Amerika sind diese Zeiten vorbei. (...)

Ich glaube an Amerika. Als Präsident der Vereinigten Staaten werde ich immer Amerika an die erste Stelle setzen, so wie die Führer anderer Länder auch ihr Land an die erste Stelle setzen sollten. Aber Amerika zuerst bedeutet nicht Amerika allein."

Nach Merkel warten von der Leyen, Kramp-Karrenbauer, Tauber, Altmaier und ähnliche Stützen der Gesellschaft. Was bei den Sozis droht, hat Alexander Wendt geradezu unverdient vortrefflich beschrieben. Armes Deutschland.   MK am 27. 1. 18

Schade, dass ausgerechnet der Chef eines deutschen Unternehmens die Politik von Donald Trump in höchsten Tönen lobt. Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender von Siemens, findet die Steuerreform des US-Präsidenten also klasse. Diese ist zu großen Teilen auf Pump finanziert, wird den Reichen noch mehr Geld auf ihre Konten spülen und die Mittelklasse sowie die Armen in den USA langfristig finanziell arg belasten. Man könnte die Reform also auch schlecht finden.
Kaeser möchte aber weiter gute Geschäfte in den Vereinigten Staaten machen. Beiß nicht die Hand, die dich füttert, heißt es ja. Menschlich ist das Lob also nachvollziehbar.   zitiert Grimm




Reinefarth


WeLT

Wikipedia

Man hält es nicht für möglich, was erst so spät über Reinefarth ans Licht kam.

Dass ein Viertel der Bundestagsabgeordneten vorher NSDAP_Mitglieder waren, geschenkt. Dass Globke freiwillig Kommentare über Rassegesetze schrieb, aber trotzdem zu Adenauers engsten Mitarbeitern wurde - a) weil so allen andern Nazis gezeigt wurde, dass man sie nicht verstieß, wenn sie bereit waren, die Demokratie mitaufzubauen und b) weil Globke klug genug war, während des Dritten Reichs Kontakte zu katholischen Widerständlern zu pflegen - auch das geschenkt.

Aber dass der Hauptverantwortliche des Massakers von Warschau entnazifiziert werden konnte und jahrzehntelang unbehelligt Bürgermeister von Westerland und Landtagsmitglied in SH sein konnte...

Je schlimmer man es treibt, desto leichter kommt man davon.


Freitag, 26. Januar 2018

Diesseits von Afrika

Die Afrikanische Union (AU) hat 2018 zum „Jahr gegen Korruption“ erklärt. Beim 30. Gipfel vom 22.1. bis 1.2.2018 in Addis Abeba hat Ruandas Präsident Paul Kagame den Vorsitz übernommen. Er ist für seinen glaubhaften Kampf gegen Korruption bekannt. Andere afrikanische Staatschefs sind für ihre Abneigung gegen Vorteilsgewährung nicht aufgefallen.
Afrikanische Politiker, wie ich sie kennen gelernt habe, leben oft in unglaublichem Luxus und stellen ihr Gewinnstreben über das Wohlergehen der Bevölkerung. Sie verkünden immer wieder mit markigen Worten einen kompromisslosen Kampf gegen Korruption. Aber wann werden aus Worten Taten? Wer packt an und will sein Land wirklich reformieren? Die meisten predigen Wasser und trinken Wein.
Die Ungleichheit in den meisten Ländern vergrößert sich stetig, weil die Einnahmen aus nationalen Ressourcen wie Mineralien, Öl, Holz nur einen winzigen Bevölkerungsteil begünstigt. Patronage-Netzwerke durchziehen die politische Kultur vieler afrikanischer Staaten. Korruption und Vetternwirtschaft sind die unvermeidlichen Folgen.
OXFAM hat ausgerechnet, dass jährlich etwa 200 Milliarden Dollar Afrika illegal verlassen und damit der Entwicklung fehlen. Die Korruption und der Missbrauch von öffentlichen Geldern stellt eines der größten Hindernisse für die Entwicklung afrikanischer Staaten dar. In dem Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency International schneiden afrikanische Staaten – mit wenigen Ausnahmen (z.B. Ruanda, Mauritius, Botswana) – regelmäßig schlecht ab. Der Organisation zufolge liegt die Hälfte der dreißig korruptesten Staaten in Afrika. Manch einer hat dort geradezu grotesken Reichtum angehäuft. Jährlich wandert ein Viertel des afrikanischen Bruttoinlandsprodukts in private Taschen.

Die wirklichen Kosten der Korruption

Das hohe Maß an Bestechlichkeit ist ein Grund für den mageren Zustrom ausländischer Direktinvestitionen, die Afrika dringend für den Bau neuer Straßen, Fabriken und für die Verbesserung der Elektrizitäts- und Wasserversorgung braucht. Tatsächlich wäre die Bekämpfung der Korruption für afrikanische Regierungen die beste Selbsthilfe. Ich kenne ein ermutigendes Beispiel aus Togo. Dort wurden 2014 die Behörden mit dem größten Unterschleif zusammengelegt und ein Ausländer als Direktor berufen. Der Ruander mit kanadischem Pass Henry Gapéri gilt als unbestechlich. Die Einnahmen des Staates haben sich seither stetig erhöht.
Die Familie des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma ist der Wochenzeitung „Mail & Guardian“ zufolge an über 80 Unternehmen beteiligt – viele profitieren vor allem von Staatsaufträgen. Nicht untypisch für die gefährliche Verquickung von Politik und Wirtschaft – und das nicht nur in Südafrika. Es ist grotesk, angesichts des bisherigen Managements noch an Absichtserklärungen zu glauben.
Warum versorgen Europas Geberländer korrupte Länder weiter mit Geld? Karel Pinxton, der Sprecher des Europäischen Rechnungshofs, sagte in der belgischen Zeitung De Standaard über die 2011 gezahlten 1,6 Milliarden Entwicklungshilfe: „Sobald das Geld überwiesen ist, verlieren wir jede Spur.“
Wer in Afrika lebt, kann deutlich beobachten, wie den Bürgern in immer neuen Varianten Sand in die Augen gestreut wird. Betrugsskandale wie Ende 2012 in Uganda, wo 10 Millionen Euro, die für Hilfsprogramme in Norduganda gedacht waren, unterschlagen wurden, sind schon viel zu oft vorgekommen. Es ist fast unmöglich zu überprüfen, wie EU Hilfen, vor allem wenn es sich um Budgethilfe handelt, ausgegeben werden.

Überschäumender Reichtum weniger Profiteure

Was sagt das auch über das Verantwortungsbewusstsein und die Mitmenschlichkeit der regierenden Eliten aus? Es gibt ein paradoxes Verhältnis zwischen überschäumendem Reichtum weniger Profiteure und verheerender Armut. Fast überall, wo immer mehr junge und ältere Afrikaner verarmen, haben die Herrschaftsapparate in den zurückliegenden Jahren versäumt, ihre Politik nach den Bedürfnissen der Bevölkerung auszurichten. Das riesige Wachstumshemmnis Korruption wird bei uns leider immer noch kleingeredet. Diese Wohlstandsverluste kann keine Hilfe von außen ausgleichen.
Oft genug hält Entwicklungshilfe korrupte Regimes am Leben. Korruption schadet der Allgemeinheit. Zu den Konsequenzen der Korruption gehören überteuerte Preise und der Verlust von Vertrauen. Investoren werden abgeschreckt. Wachstumschancen werden zerstört. In keinem afrikanischen Land haben die Bürger oder Parlamente Zugang zu Dokumenten über Staatsaufträge und Verträge der Regierung. Transparenz und Rechenschaftspflicht des Regierungshandelns ist nicht gegeben. Deshalb können Bürger ihre Regierung und öffentliche Institutionen nicht zur Verantwortung ziehen.
Der ivorische Schriftsteller Ahmadou Kourouma schreibt in seinem immer noch aktuellen Roman „Allah n'est pas obligé“ (deutsch „Allah muss nicht gerecht sein“):
„Selbst mit einem Universitätsabschluss kann man in diesen korrupten Bananenpubliken des französischsprachigen Afrikas nicht mal Krankenpfleger oder Lehrer werden.“

BMZ vernachlässigt Korruptionsbekämpfung

Wir sollten Korruption auch vor der eigenen Haustür endlich bekämpfen. Wenn dem BMZ wirklich an einer effektiven Korruptionsbekämpfung liegt, dann sollte ein öffentliches Antikorruptionsregister angelegt werden, dass es für korrupte Personen und Unternehmen keine Schlupflöcher mehr gibt.
2016 kamen eine Gruppe von Wissenschaftlern und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, die für das Ministerium die staatliche Entwicklungshilfe durchleuchtet haben, zu dem Schluss, dass gerade im BMZ die Korruptionsbekämpfung sehr vernachlässigt wird. Die Prüfer konstatieren „diverse Lücken in der Einbindung von Antikorruption in Dokumente und Prozesse“ des Ministeriums. Es herrsche „teilweise Unklarheit über Regeln und Berichtswege sowie das konkrete Vorgehen bei Korruptionsfällen“.
Der Bundestagsabgeordnete Niema Movassat (Linke), Mitglied des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, kritisiert, „dass ausgerechnet dem BMZ unter Minister Gerd Müller, der von den Partnerländern regelmäßig Good Governance einfordert und Korruption geißelt, eine sehr mangelhafte Korruptionsbekämpfung bescheinigt wird“.
Dennoch behauptet Noch-BMZ-Minister Müller: „Die deutsche Entwicklungshilfe ist stets an die Bedingung geknüpft, dass kein Euro in korrupte Kanäle verschwindet. Es werden nur Länder unterstützt, die sich um Rechtsstaatlichkeit bemühen und in denen die Ausbeutung ihrer Ressourcen nicht völlig an der einheimischen Bevölkerung vorbei geschieht.“ Das war noch nie so.
Volker Seitz war von 1965 bis 2008 in verschiedenen Funktionen für das deutsche Auswärtige Amt tätig, zuletzt als Botschafter in Kamerun, der Zentralafrikanischen Republik und Äquatorialguinea mit Sitz in Jaunde. Er gehört zum Initiativ-Kreis des Bonner Aufrufs zur Reform der Entwicklungshilfe und ist Autor des Buches „Afrika wird armregiert“, das im Herbst 2014 in erweiterter siebter Auflage bei dtv erschienen ist. Volker Seitz publiziert regelmäßig zum Thema Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika und hält Vorträge.