Stationen

Montag, 30. April 2018

Im Vergleich zu den Praktiken deutscher Medien ist Berlusconi ein Heiliger


Fake News, Hass, Hetze – diese Begriffstriade kommt in den Medien mittlerweile etwas seltener vor, auch deshalb, weil die Frage etwas drängender geworden ist, wer eigentlich welche Fake News und Hassbotschaften verbreitet. Die Sache ist etwas komplex. Jedenfalls kommen Falschnachrichten und Troll-Aktivitäten nicht so stereotyp aus Russland beziehungsweise von rechts und Rechtsaußen, wie es Wohlmeinende vor allem vor der Bundestagswahl verbreiteten.



Es gibt allerdings eine bemerkenswerte Ausnahme – die ARD. Sie strahlte am 26. April 2018 einen Dokumentarfilm mit dem Titel „Lösch dich – so organisiert ist der Hass im Netz“ aus.
Die Film-Autoren Patrick Stegemann und Rayk Anders versprechen, tief ins Internet einzudringen, und dort die Hasser und Hetzer ausfindig zu machen. Es gebe dort „politische Organisationen, geheime Gruppen, die online Jagd machen“, enthüllt die Kommentarstimme ganz am Anfang. Bis die Jagd auf die Jäger losgeht, sieht der ARD- Zuschauer erst einmal lange, wie eine Kamera rund um Autor Rayk Anders kreist, der auf dem Berliner Alexanderplatz vor sich hinstarrt.

Ferner wird ein „Team“ vorgestellt, deren Mitglieder, wie dann noch mehrmals betont wird, ein Jahr lang „undercover recherchiert haben“. Wobei die Vorstellung im Wesentlichen darin besteht, den einzelnen Netz-Undercoveragenten flackernde psychedelische Farben über die Gesichter zu legen, während der Kommentator aus dem Off guidoknopphaft raunt.

Er bereitet den ARD-Zuschauer darauf vor, dass jetzt eine Deep-Throat-Bohrung in die Netzwelt folgt. Die erste Erkenntnis der Rechercheure lautet, der „Hass“ im Netz – ein Begriff, der in der Sendung nie definiert wird – sei organisiert. „Stimmt das? Kann man Hass organisieren?“, fragt die Kommentarstimme.
Stimmt das? Beliefert das Bento-Team jetzt schon die ARD? Scheint so zu sein. Denn als nächstes erfahren die Zuseher von den Untergrundaufklärern, dass a) sich Internet-Communities „um einige wenige Wortführer“ scharen – also praktisch wie in jedem Verein und jeder Partei der analogen Welt. Und b), was ein Troll ist. Jemand, der Kommentarverläufe stört und andere Internetnutzer beleidigt. Das sind schon einmal Erkenntnisse, für die jeder Euro der Gebührenzahler gut angelegt ist.
Der eigentliche Höhepunkt der Dokumentation beginnt ab Minute 8:38. Das Rechercheteam hat zwei Trolle, zwei ziemlich bekannte Youtube-Blogger, die sich Dorian und Imp nennen. Beide sind kurz in einem selbstproduzierten Netzvideo zu sehen. Aus dem Off meint der Kommentator, einer der beiden Trolle würde sich darüber beklagen, „dass man in Deutschland nicht den Holocaust leugnen darf“. Auf dem Netzvideo selbst ist nichts davon zu hören. Dort nuschelt einer der Protagonisten nur:
„Ich weiß aber nicht, wo ich nicht dabei war, ob das hundertprozentig passiert ist.“
Außerdem sieht man, wie einer der beiden rappt: „Lösch dich“ – sozusagen der Titelsong des Films. Ein zweiter Ausschnitt eines von den Trollen Dorian und Imp produzierten Videos zeigt einen der beiden, wie er in einem T-Shirt mit der Aufschrift „HKNKRZ“ vor der Kamera herumhampelt, also „Hakenkreuz“ ohne Vokale.

Das Rechercheteam beschließt, die beiden zu besuchen. Es geht analog auf Jagd, und kurz danach sitzen die beiden Delinquenten vor der Kamera. Rechts ein Langhaariger mit Brille und buntem T-Shirt (dieses mal ohne HKNKRZ), links ein junger Mann mit Lippenpiercing und einem roten T-Shirt, auf dem steht: „Dem deutschen Volk“. Darunter ist ein Galgen abgebildet.

Selbst dem Allerdümmsten ist jetzt klar, dass es sich bei den beiden nicht um Rechtsradikale handelt.  Zumal einer von ihnen  – nicht der mit Galgen-T-Shirt, sondern der andere – deutlich hörbar sagt: „Es gibt ja gute Gründe, Deutsche zu hassen“.
Was jetzt folgt, ist allerdings keine Befragung zu diesen Ansichten durch die beiden Mitglieder des „Rechercheteams“, das, wie den Zuschauern mehrmals im Film erzählt wird, sich ein Jahr lang tiefgründigst mit dem Thema befasst hat. Nein, der Tiefenrechercheur fragt nur nach dem „Hakenkreuz-T-Shirt“. Worauf der Angesprochene etwas blasiert antwortet, er habe nie ein Hakenkreuz-T-Shirt getragen. Offenbar merkt er, dass er gerade die ARD-Version von Bob Woodward und Carl Bernstein vor sich sitzen hat, deshalb gibt er einen Hinweis für ganz Begriffsstutzige: „Ich denke, dass ich viele Dinge, die ich mache, nicht unbedingt ernst meine.“
Zu dem Galgen-für-das-deutsche-Volk-T-Shirt einen Meter vor ihrer Nase stellen die ARD-Investigativschwergewichte keine einzige Frage. Es ist noch nicht einmal klar, ob sie es überhaupt registrieren.


Ob die beiden Trolle in ihren Videos eher Rechtsradikale oder ARD-Journalisten veralbern und wie sich ihre Deutschenhass-Parolen mit einem möglicherweise sehr individuellen Dachschaden vermischen, ist aus dem Film heraus schwer erkennbar.
Es spielt aber auch keine Rolle. Denn nach der Szene tritt wieder Filmautor Rayk Anders aufgeregt fuchtelnd vor die Kamera und sagt:
„Nazisymbole, Sprüche klopfen am Rand der Volksverhetzung. Und bei kritischer Nachfrage ist auf einmal alles nur Spaß.“
Die beiden bizarren Trolle werden also anmoderiert mit „Holocaust leugnen“, und am Ende noch einmal mit „Nazisymbole“ kommentiert. Wer die Filmszene nicht genau angeschaut oder schnell wieder vergessen hat, muss also glauben, er habe hier eben tatsächlich zwei von der ARD aufgespürte Rechtsradikale vorgeführt bekommen. Das Verfahren erinnert ein wenig an den Fall der BILD, die 2017 mit Bildausschnitt und Schlagzeile suggerierte, bei einem glatzköpfigen Linksextremisten, der auf der Frankfurter Buchmesse drohend auf den Verleger Götz Kubitschek losging, handle es sich um einen Nazi.


Was spüren die Hassinvestigatoren des Öffentlich-Rechtlichen sonst noch auf? Sie erklären – meist mit Hilfe von kurz hereingeschnittenen Zeugen, einem Kulturwissenschaftler, einem Mitglied des Chaos Computer Clubs – dass es auf Facebook Fake-Profile gebe. Und geschlossene Chat-Gruppen. Es gibt folgende Enthüllung als Kommentar aus dem Off:
„Ein Problem sind Facebook, Youtube und andere Netzwerke. Bei ihnen wird der Kampf um Aufmerksamkeit ein Geschäft. Und bei dem geht es vor allem um Geld. Weniger um die Wahrheit.“
An vielen Stellen hört sich das Aufklärungswerk so an wie eine KiKa-Sendung für Siebenjährige.

Es folgt ein Interview mit Martin Sellner, einem Kopf der Identitären Bewegung, der sagt, was er immer sagt: Dass sein Ziel darin besteht, die politische Korrektness zu zerstören. Ein Berliner Verfassungsschützer tritt auf und erklärt, dass die Identitäre Bewegung rechtsradikal sei.
Einer des ARD-Rechercheteams klinkt sich mit falschem Namen (eine „Parallelidentität“, tönt es dramatisch aus dem Off) in die Netz-Gruppe „Reconquista Germanica“ ein und berichtet, diese Gruppe habe im Bundestagswahlkampf die AfD unterstützt.  

„Den Erfolg der AfD beanspruchen Trolle gern für sich“, sagt die Kommentarstimme. Welche Rolle solche eher kleinen Gruppen für das Wahlergebnis der AfD tatsächlich hatten, dafür liefert der Film keine Belege. Er stellt die Frage noch nicht einmal. Auch nicht die, ob es ein ähnliches Phänomen von Linksaußen-Netzunterstützung  – etwa auf Indymedia – auch für die Linkspartei gibt. Wie auch? In der gesamten ARD-Produktion, in der es laut Titel ja grundsätzlich um Hass im Netz gehen soll, kommen linksextreme und islamistische Plattformen gar nicht vor.



Und wenn Leute mit linkem Hassmotto-Shirt auftauchen, siehe oben, dann handelt es sich per Umdefinition eben auch irgendwie um Rechtsradikale.

Nach dem Muster, dass es Netzhass eigentlich nur von rechts geben kann, handeln die Rechercheure auch schnell noch den US-Wahlkampf ab. Zu dessen Gunsten, doziert jemand, habe es „eine Flut von Fake News“ gegeben. Zitiert wird keine einzige. Es folgt die Feststellung, Trump-Unterstützer hätten mit Internet-Memes gegen Hillary Clinton den Wahlkampf entschieden. Als Beispiel für diese wahlentscheidenden Netzbasteleien zeigen die Filmemacher ein solches Meme: Ein Foto Clintons, dazu das Wort INSANE. Nun war die Behauptung, Trump sei nicht ganz richtig im Oberstübchen, eine der wichtigsten Argumente im Anti-Trump-Lager, und sie ist es bis heute. Entsprechende Internet-Memes der anderen Seite lassen sich leicht zu tausenden finden, außerdem hunderte Artikel in klassischen Medien. Tatsächlich, so einfach lässt sich eine US-Präsidentenwahl gewinnen: man nehme das Bild der Kandidatin, bastle den Spruch „verrückt“ drüber und gewinnt, obwohl ihre Anhänger dasselbe mit umgekehrtem Vorzeichen tun?
Offenbar haben die ARD-Cracks genau das herausgefunden.
Aber möglicherweise ist das auch alles nur Spaß, um Filmautor Anders zu zitieren: Ein paar junge zappelige Leute leiern einem in Gebührenmilliarden schwimmenden Sender das Geld für eine einjährige bestbezahlte Zeit aus dem Kreuz und klempnern dann, als der Abgabetermin naht, schnell ein mit albernem Farbgeflacker und dramatischer Musiksoße garniertes Stück zusammen, das enthüllt: bei Facebook und Youtube handelt es sich um kommerzielle Unternehmen statt um Wahrheitssucher, es gibt Trolle und auch politische Trolle, und, am allerwichtigsten, Hass, merkt euch das, kann nur von Rechts kommen.
Die Höhe des Filmetats wäre wirklich eine Recherche wert.   Wendt

Das eigentlich Schlimme ist, dass hier nicht die Perfidität dieser infantilen Rechercheure der Gipfel allen Übels ist, sondern erst die Dummheit, mit der diese Perfidität in Szene gesetzt und rezipiert wird. Denn das kann ja nur bedeuten, dass man dem deutschen Fernsehpublikum problemlos wirklich alles vorsetzen kann, ohne dafür abgestraft zu werden.

Dank des allgemein in unseren Leitmedien waltenden linken Konsenses und Konformitätsdrucks ist ja keine einzige Gegenstimme zu hören, die dem Fernsehpublikum Anhaltspunkte für eine Orientierungshilfe geben könnte; abgesehen von den snobistischen, weibisch-überheblichen Differenzierungen einer Thea Dorn, der Gaulands rauhbeiniger Ton ("Özugus nach Anatolien entsorgen") aber zu burschikos ist. Also das Schlimmste ist, dass dieses Schmierentheater vom deutschen Fernsehpublikum wie selbstverständlich hingenommen wird.

Das ist nicht mehr nur Lügenfernsehen, das ist Lumpenfernsehen der schäbigsten Sorte mit einem apathischen Publikum als Komplizen. Und man verliert die Hoffnung, dass sich daran etwas ändern könnte.

Sind diese Männer wenigstens getauft?


In den Fußstapfen Ernesto Cardenals

Sancta crux mihi lux

Michel ist müde...


Dunkel, finster, düster







Die leistungsstärksten Bildungssysteme

Falsche Bescheidenheit und echte Großzügigkeit

Die Merkel, die ist so anständig, die hat mit Sicherheit keine Affäre wie dieser Trump! Geschäfte mit ihrem Namen, wie der Trump, das würde sie nicht treiben! Die Merkel, das ist so eine wie ich.
Kommt Ihnen das bekannt vor? Jeder von uns hat einen Nachbarn, einen Kollegen oder einen Freund, der solche Sachen sagt. Was aber ist die Basis solcher Ideen? Sehen wir hier von der Frage ab, wie realistisch das Image einer Kanzlerin ist, die regelmäßig kurz vor Wahlen von Zeitungen „zufällig“ und „spontan“ fotografiert wird, wie sie im Supermarkt die Butter für den Kuchen kauft. Wer so etwas glaubt, der glaubt auch, dass die Renten sicher sind.
Ich frage nach einer anderen Basis: An welchem Punkt der jüngeren Geschichte hat es sich etabliert, dass für die da oben dieselben Werte zu gelten haben wie für uns hier unten?
Es war in der Geschichte der Menschheit nie so, dass die Könige und Kriegsherren derselben Moral des Alltags folgten wie das gemeine Volk. In Zeiten, als der stärkste und klügste Krieger zum Häuptling erklärt wurde, war es etwa nützlich, dass er so viele Weibchen beschlief, wie seine Lenden es hergaben. So entstanden zahlreiche kleine Kämpferkinder, und das nutzte dem gesamten Stamm. Es ist zudem eine sinvolle Idee, den Häuptlingen so viel Nahrung und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, wie sie brauchen, damit sie bei ihrem Nachdenken über das Wohl des Stammes nicht von Kleinkram und persönlichen Lästigkeiten behindert werden.

Privilegien gegen Leistung

Doch kein Recht darf ohne Pflichten sein, zumindest ist das in funktionierenden Gesellschaften so. Im Gegenzug für ihre Privilegien hatten die Mächtigen eine Leistung zu erbringen. Die Aufgabe der Macht ist es, die ihr anvertrauten Bürger vor äußerer und innerer Gefahr zu schützen; die Macht hat den Bürgern ein Leben in relativer Freiheit zu ermöglichen, ein Land, in dem sie in Frieden ihre Kinder großziehen, ihren Lebensunterhalt verdienen, die Gemeinschaft pflegen und sich am Glück versuchen können – dafür dürfen die Mächtigen dann gern Champagner saufen, bis es ihnen aus den Ohren schäumt.
Dieser Pakt wurde in den letzten Jahrzehnten einseitig aufgekündigt.
Die Banker, die längst nicht mehr nur der Wirtschaft das notwendige Kapital zu Verfügung stellen, sondern in Form gefährlicher Spekulationen die Wirtschaft immer wieder an den Rand des Kollaps bringen, nehmen Privilegien in Anspruch (und die Sozialisierung ihrer Verluste), ohne dafür eine gesellschaftliche Gegenleistung zu liefern.
In diesem Sinne ist Merkel vom gleichen Holz geschnitzt wie die Banker, die mit Derivaten spekulieren. Merkel hat ebenfalls den Deal einseitig aufgekündigt: Sie spielte auf der Klaviatur des Systems derart, dass ihr Macht zugestanden wurde, doch sie liefert nicht den Gegenwert. Sie liefert nicht Sicherheit, sondern Gefahr. Sie simuliert Normalheit und stellt jedwede Abgehobenheit in striktest denkbare Abrede – Es ist Bullshit.
Merkel und ihr Kreis von Ja-Sagern haben wenig Vorstellung davon, wie das „normale Leben“ aussieht. Man kann es an ihren Auftritten und ihrem Gestammel erkennen, man kann es zum Beispiel in „Die Getriebenen" von Robin Alexander nachlesen, einem Autor der nun wirklich nicht übertrieben merkelkritischen WELT. Merkel und ihre Regierung nehmen erfolgreich die Privilegien der Macht in Anspruch, versäumen aber, ihren Teil des buchstäblich viele Jahrtausende alten Deals einzuhalten.

Vergoldete Badewannen sind o.k.

In diesen Tagen ist Merkel wieder auf Trump getroffen. Ein Treffen der Gegensätze. Merkel bricht den impliziten Deal mit den Untergebenen – Trump versucht, ihn zu halten.
Was den linken, neidzerfressenen Spießern in den Redaktionen an Trump wie verrückte Extravaganz vorkommt, ist nur Teil des Deals, den der amerikanische Wähler mit seinem Präsidenten abgeschlossen hat.
Trumps Wähler sagen: Es ist okay, dass du in vergoldeten Badewannen badest. Es ist okay, wenn du von dir erzählst, du seist der Klügste und hättest die besten Wörter. Wenn du mit Playboy-Models schläfst, dann finden wir das, anders als linke Griesgrame, nicht verwerflich, sondern wären sogar etwas enttäuscht, wenn dem nicht so wäre. Alles das ist okay, solange du nur dafür sorgst, dass das Land beschützt wird und wir in Ruhe leben können.
Ich will nicht einer von den Mächtigen sein. Ich will nicht jeden Tag den ganzen Tag um meinen Posten ringen, Querelen schlichten und meine Feinde niederringen müssen. Ich will nur lesen, nachdenken, schreiben, etwas nach draußen gehen und etwas Zeit mit meiner Familie verbringen. Das ist alles. Dafür nehme ich gern in Kauf, keine dicke Limousine zu fahren, keinen Jet nur für mich bereitstehen zu haben, keine Büros im Glaspalast zu besetzen, keine goldenen Wasserhähne zu bedienen und mir niemanden zu halten, der sich vor mir fürchtet und doch den Kotau machen muss.
Ich gönne Trump eventuelle Techtelmechtel. Wenn er hier und da ein Geschäft an der Seite machen sollte, dann kann er selbst das von mir aus tun. Solange Politiker das Land sicher halten, sollen sie gern in Luxus schwelgen. Ich will in Ruhe im Café sitzen, meinen Kindern beim Spielen zuschauen, und wenn der Politiker dafür sorgt, dass ich es kann, soll er doch in der Stretch-Limousine umherfahren und sich von halbnackten Damen diamantbesetzte Austern in den Rachen kippen lassen.

Wo ist die moralische Legitimation von Merkels Macht?

Mit Trump und Merkel treffen zwei Welten aufeinander. Die eine tut bescheiden, ihre Politik aber brachte Antisemitismus ins Land, Terror, Messergewalt, Vergewaltigungen und Mord bis hin zur Enthauptung. Der andere lebt in Saus, Braus und goldenem Kitsch, kämpft aber für die Sicherheit des Volkes, hat die Arbeitslosigkeit gesenkt, besonders unter Schwarzen (einer unter Obama vernachlässigten Gruppe), was sogar seine politischen Gegner wie z.B. CNN anerkennen. Er hat positive Bewegung in die Korea-Spannungen gebracht, und er kämpft gegen unvorstellbare Widerstände darum, sein Land nach Süden hin abzusichern.
Wenn aber die Mächtigen, wie Merkel, auf ihrer Macht und ihren Privilegien bestehen, während sie die Bürger in Gefahr bringen, müssen wir fragen, was die moralische Legitimation ihrer Macht und ihrer Privilegien ist.
Sollen die Mächtigen doch alle Privilegien dieser Welt genießen, ich brauche das nicht – nur sollen sie dafür ihren Teil des Deals einhalten! Trump lebt im Luxus, kämpft aber für das Wohl seines Landes. Merkel tut bescheiden, lässt aber Gewalt ins Land. Ich gönne den Mächtigen allen Champagner dieser Welt – doch im Gegenzug sollen sie dafür sorgen, dass ich meinen Kaffee in Frieden trinken kann.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.
Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.   Dushan Wegner

Wie die KGE sich die Sozialstaats-Diktatur vorstellt

Heute auf Welt Online: Ein sensationelles, vom Kollegen Ansgar Graw ebenso klug wie elegant geführtes Interview mit der grünen Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.
Es geht, unter anderem, um Integration. KGE hat sich vor kurzem im belgischen Mechelen umgesehen und war schwer beeindruckt, wie dort Integrationsprobleme agepackt werden: Der Bürgermeister hat Sozialarbeiter eingestellt, die, wo nötig, täglich zu den Familien gehen und sich kümmern, dass die wieder Tritt fassen. Konkret: Sie achten darauf, dass den Kindern Frühstücksbrote geschmiert und mit ihnen nachmittags die Hausaufgaben gemacht werden oder dass der Fernseher nicht rund um die Uhr läuft. Ich war sehr beeindruckt von dieser Mischung aus Klarheit, Anforderung, Sicherheit und Freiheit. Er hat’s geschafft, aus einer absoluten Problemstadt eine Vorzeigestadt Belgiens zu machen.
Ob er es tatsächlich geschafft hat, wird sich zeigen, aber so jedenfalls stellt sich KGE eine Sozialstaats-Diktatur vor. Jede Problem-Familie bekommt einen oder am besten mehrere Betreuer, die rund um die Uhr darauf achten, dass den Kindern Früstückbrote geschmiert werden, wozu die Eltern offenbar nicht in der Lage sind, und dass der Fernseher nicht rund um die Uhr läuft, sondern nur dann, wenn Berichte aus grün regierten Gemeinden gezeigt werden. Auf diese Weise wird nicht nur den Famllien geholfen, sondern auch der wuchernden Betreuungsindustrie, es wird ganz, ganz viele neue Jobs geben. Die Anfänge dazu gibt es bereits, auch in der Bundesrepublik.
Gegen Ende des Interviews sagt KGE die entscheidenden Worte: Wenn die Integration teuer wird, wollen die Leute nicht länger an der Nase herumgeführt werden, sondern von den Politikern diese Wahrheit hören: Ja, Leute, es kostet was, aber am Ende profitieren wir alle davon – mit mehr Sicherheit, übrigens auch sozialer Sicherheit.
Ja, mei, war die Integration bis jetzt vielleicht umsonst? Hat die Unterbringung und Versorgung der zu Integrierenden nichts gekostet? Die vielen Polizeieinsätze und Verwaltungsgerichtsverfahren nicht mitgerechnet? Und vor allem: Wer hat denn „die Leute“ bis jetzt an der Nase herumgeführt? War es nicht ein Kartell von Krisengewinnlern, bei dem auch KGE kräftig mitgemacht hat.?
Deswegen müssen wir die leicht vergessliche Frau Göring-Eckardt an drei ihrer schönsten Statements erinnern:
Unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch. Und ich freue mich drauf! - Rede zur Flüchtlingswelle im November 2015 auf dem Parteitag der Grünen, zitiert nach Spiegel online vom 21.11.2015
Wir kriegen jetzt plötzlich Menschen geschenkt. - 8. November 2015 vor der EKD-Synode in Bremen, zitiert nach idea e.V. Evangelische Nachrichtenagentur
Es geht einerseits darum, sind wir ein Land, was für Migrantinnen und Migranten offen ist, was Leute anzieht. Die wir übrigens dringend brauchen. Nicht nur die Fachkräfte, sondern weil wir, weil wir auch Menschen hier brauchen, äh die äh in unseren Sozialsystemen zu Hause sind und sich auch zu Hause fühlen können. - ARD Morgenmagazin am 09.10.2013, https://www.youtube.com/watch?v=1iMrFW55yfQ, zitiert nach http://www.achgut.com/artikel/fluechtlinge_fuer_die_sozialsysteme
Ja, glücklich ist, wer vergisst, was er gestern noch gepredigt hat.
Also geben Sie sich einen Ruck, investieren Sie ein paar Eurocent und lesen Sie, wie sich KGE die Integration und sonst noch einiges vorstellt.   HMBh

Vermurkst

Letzten Donnerstag hat sich der Bundestag zum Existenzrecht Israels bekannt. Das war bestimmt gut gemeint, aber für den Ernstfall so relevant wie das Versprechen von Norbert Blüm, die Renten seien sicher. In diesem Zusammenhang muss daran erinnert werden, wie opportunistisch sich die deutsche Regierung im Jahre 1973 unter Willy Brandt zur Zeit des Jom-Kippur-Krieges verhalten hat, als Israels Existenz tatsächlich an einem dünnen Faden hing. Wobei Brandt eine mögliche Vernichtung Israels in Kauf nahm und die Israelis vorab mit dem Satz zu trösten versuchte: „Für uns Deutsche gibt es gegenüber Israel keine Neutralität des Herzens.
Zu den Rednern bei der Israel-Stunde des Bundestages gehörte auch der Fraktions-chef der AfD, Alexander Gauland. Seine kurze Rede war klug, sachlich und dem Anlass angemessen. Die Existenenzsicherung Israels, sagte Gauland, beginne „am Brandenburger Tor“, wer den Davidstern verbrenne, habe „das Gastrecht missbraucht und verwirkt“.
Fünf Mal bekam Gauland während seiner kurzen Rede Beifall, immer nur von seiner Fraktion, der AfD. Bei den anderen Fraktionen rührte sich keine Hand. Hätte irgendein anderes MdB dieselbe Rede gehalten, wäre sich das ganze Hohe Haus einig gewesen: Gut gemacht!
Es kommt aber in diesem vermurksten Land, in dem die Political Correctness längst über die Vernunft gesiegt hat, nicht darauf an, was gesagt wird, sondern wer es sagt. Man will „der falschen Seite“ keinen Beifall spenden, auch dann nicht, wenn sie etwas Richtiges sagt. Schäbiger und erbärmlicher geht es nimmer.
Dafür war der Beifall, den die grüne Fraktionschefin KGE bekam, fraktionsübergreifend. Hier ab 1:55. Wobei sie einen vollkommen absurden Zusammenhang zwischen den „unfassbaren Äußerungen des Herrn Höcke aus Thüringen“ und dem Existenzrecht Israels herstellte.
Nur zur Erinnerung: Für die unfassbaren Äußerungen des Herrn Ströbele, der bis vor kurzen noch dem Bundestag angehörte und sich eben der Berliner Zeitung offenbarte, hat sich niemand aus der Führung der Grünen entschuldigt. Auch nicht für die unfassbar sturzdummen Äußerungen der Fraktionschefin, die über Flüchtlinge redet, als wären sie Trostpreise bei einer Tombola der Heilsarmee.   HMB

Im Namen eines Türken namens Homer

Der Sonntag gehört diesmal nur vermittelt den Künsten, insofern es um eines der großen Werke geht, welches in die Mühlen des Zeitgeistes geraten ist. Die BBC strahlt derzeit eine Serie aus des Titels "Troy – Fall of a City", was ein löbliches Unterfangen ist, denn mit den beiden homerischen Epen beginnt ja praktisch Alles.Mein Eintrag vom 26. April beschäftigte sich mit dem Phänomen der mählichen Verdrängung der Weißen – genauer: des abendländischen Typus – aus der von ihnen geschaffenen Kultur, und genau dorthin wirft die BBC den Erisapfel, denn der Zuschauer stellt verblüfft fest, dass Zeus, Achilles, Patroklos und Nestor schwarz sind, also von schwarzen Schauspielern verkörpert werden. Das sind beispielsweise Achilles und Patroklos:

 
Ist das schamlos? Skandalös? Rassistisch gar? Oder ist es vielmehr rassistisch, daran Anstoß zu nehmen?
So viel dürfte zunächst klar sein: Am Kampf um Troja waren sehr viele braune und dunkelbraune Menschen beteiligt, "Südländer" eben, doch richtige Schwarze wohl eher nicht. Wenn wir Homer zu Rate ziehen (aber der könnte der erste weiße Rassist gewesen sein), war Achilles blond:
"ξανθῆς δὲ κόμης ἕλε Πηλεΐωνα": Athene "fasste am blonden Haar den Peliden" (Ilias, 1.197). Über Zeus ist diesbezüglich nichts Näheres überliefert; die Wahrscheinlichkeit, dass die Achaier einen schwarzen Gott verehrten, lag zu Homers Zeiten bei Null, nimmt aber neuerdings quasi täglich zu. Zu Odysseus kommen wir gleich.
Naturgemäß erregten sich in England einige Zuschauer über die Verfremdung dieser abendländischen Basalerzählung, und die dortigen Diskussionen scheinen von ähnlicher Qualität zu sein, wie man sie hierzulande verzückt beobachten kann. "Why are people so angry about the BBC’s decision?", fragt etwa RadioTimes und beruhigt sogleich: "Is there any basis to the ‘blackwashing’ conspiracy? In short: absolutely not." Als Zeuge für die Langversion wird Tim Whitmarsh, Professor für Griechische Kultur an der University of Cambridge, aufgerufen. Und der sagt, die antiken Griechen seien "vom Hauttyp her mediterran gewesen", was niemand bezweifelt hat, doch in deren Welt hätten auch "Äthiopier, eine vage Bezeichnung für dunkelhäutige Nordafrikaner", hinreichend Präsenz gezeigt. Allerdings sei bereits "die Frage, ob 'Schwarze' im antiken Griechenland lebten, fehlerhaft". Die griechische Welt sei nämlich viel "fließender" gewesen als unsere. "There was a lot of travel in that period" (und a lot of trouble, aber hallo!), "es war eine Welt ohne Grenzen, ohne Nationalstaaten. Es war alles miteinander verbunden."
Na ja, die Verbundenheit hielt sich in Grenzen, denn warum hätten die Danaer Troja sonst zehn Jahre lang belagern müssen? (An dieses pränationalstaatliche Verhältnis von fehlenden Außengrenzen und kompensatorisch ummauerten Kommunen erinnern uns heute dankenswerterweise beispielsweise der Zaun ums Oktoberfest oder die Merkellegosteine andernorts.) Doch mögen die Achaier auch zwischen sich und den Priamos-Leuten gewisse Unterschiede gemacht haben, "sie teilten die Welt nicht in Schwarz und Weiß. Sie haben sich nicht so verstanden. Alle unsere Kategorien – zum Beispiel Schwarz-Weiß – sind moderne Interpretationen historischer Umstände." Also sprach Professor Whitmarsh.

Woher mag er das wissen? Will er es aus der Tatsache folgern, dass bei Homer keine Schwarzen auftauchen? Da wüsste ich noch eine andere Erklärung. Nicht nur die Griechen, auch die Eskimos haben die Welt nicht in Schwarz und Weiß aufgeteilt, von den Bantus und den Apachen zu schweigen. Nur weiße Rassisten tun das. Die Griechen haben allerdings die Welt in Griechen und Nichtgriechen (= Barbaren) aufgeteilt. Nein, nein, die Frage war schon richtig gestellt, sie lautet: Ist ein schwarzer Achilles überhaupt denkbar? Und die Antwort heißt: ungefähr so, wie ein weißer Onkel Tom. Es ist eine Fälschung der Geschichte, aber eine gut gemeinte und deshalb lässliche. Und natürlich eine Mythenumschreibung, Mythenzersetzung, Mythenokkupation, eine Landnahme im Symbolischen.

"Homers Epen sind nur eine Version, und die Griechen selbst verstanden, dass sich die Geschichte ändern könnte", erklärt freilich unser Professor, den frühen Hellenen eine geradezu postmodernistische Flexibilität im Umgang mit ihrem Selbstverständnis zuschreibend. "Es gab nie eine authentische Nacherzählung der Ilias und der Odyssee – es waren immer fließende Texte. Sie sind nicht darauf ausgelegt, in Stein gemeißelt zu werden, und es ist nicht blasphemisch, sie zu verändern." Das ist zunächst insofern richtig, als Homer einen Stoff in Hexameter setzte, den jeder Grieche kannte. Er lieferte seine Version des Mythos; der Mythos an sich war Gemeinbesitz. Aber ob es Blasphemie ist, die Texte des Dichters zu verändern – was ja logischerweise heißen würde: die Texte sämtlicher Dichter –, entscheidet nicht der Herr Whitmarsh, das ist schlechterdings unerlaubt. Die großen Texte sind tatsächlich in Stein gemeißelt; wer das bestreitet, "kennt seinen Platz nicht" (Peter Hacks). Und wer das Personal einer zum Mythos gewordenen historischen Begebenheit aus Tendenzkonformismus ethnisch "umbesetzt", ist kein Blasphemiker, sondern eine Zeitgeisthure.

Der wichtigste Part kommt freilich noch, die Textexegese nämlich, denn wozu ist der Mann schließlich Professor? Da Achilles nicht schwarz ist bei Homer, aber in der BBC-Serie, bringt er nun Odysseus als philologischen Joker ins Spiel. Wie jeder weiß, ermuntert Pallas Athene im 16. Gesang der "Odyssee" den Laertiaden, sich endlich seinem Sohn Telemachos erkennen zu geben, um mit ihm gemeinsam den Freiern ein blutiges Ende zu bereiten, denn die Göttin drängt "die Begierde des Kampfes". Zu diesem Zwecke verwandelt sie den göttlichen Dulder Odysseus, der ja bereits vom Alter gezeichnet ist, zurück in einen jungen Mann:

"... und rührt' ihn mit goldener Rute.
Plötzlich umhüllte der schöngewaschene Mantel und Leibrock
Wieder Odysseus' Brust, und Hoheit schmückt' ihn und Jugend;
Brauner ward des Helden Gestalt, und voller die Wangen;
Und sein silberner Bart zerfloß in finstere Locken."
(Voßsche Übersetzung)
Im Original lautet die auf die Hautfarbe bezogene Passage: "ἂψ δὲ μελαγχροιὴς γένετο", wobei μελαγχροιὴς wörtlich übersetzt bedeutet: schwarzhäutig; μέλας – mélas – heißt "schwarz". Noch heute nennen wir die Pigmente, welche die Färbung der Haut, der Haare und der Augen bewirken, Melanine. War Odysseus also ursprünglich ein Mohr? Withmarsh suggeriert genau das: "Athena makes him beautiful by restoring his natural black skin colour." Wenn das so ist, dann sind wir einem skandalösen kollektiven Übersetzungsfehler auf der Spur. Immer nämlich wird die fragliche Stelle mit "braun" übersetzt, vom soeben zitierten Johann Heinrich Voß bis zu Roland Hampe: "Braun ward wieder die Haut, es strafften sich wieder die Wangen".

Das große griechische Wörterbuch von Franz Passow übersetzt das Wort mit: "von schwarzer oder dunkler Farbe, Oberfläche, Haut, schwarz, schwärzlich, bes. von der kräftigen bräunlichen Gesichtsfarbe des viel im Freien lebenden Mannes".* Der Passus bedeutet also – und alle Übersetzer haben ihn so gelesen –, dass Odysseus wieder die gesunde dunkle Hautfarbe des sonnenverbrannten Helden zurückerhält. Melanin ist für die Pigment-Produktion im Körper verantwortlich. Wird es nicht mehr gebildet, färben sich sowohl die Haare als auch die Haut grau. Das ist der Grund, warum manche ältere Menschen nicht mehr richtig braun werden. Wissenschaftler nehmen an, dass dieser Mechanismus auch zur so genannten Weißfleckenkrankheit führt, bei der die Haut wegen zu geringer Melaninbildung stellenweise weiß wird. Und wem dann keine Pallas Athene wiederbelebend zur Seite steht, der gewinnt Penelope nimmermehr zurück.
Damit wären wir denn wieder beim BBC-Versuch, die Rassen rückwirkend einander noch ein bisschen näherzubringen. Man spürt die Absicht, und man ist verstimmt. Das ist alles. Aber die wirklich radikale Pointe steht immerhin noch aus: Wie, wenn Homer selber ein Mohr gewesen ist? Wie hätte er sonst so brillant schreiben, wie diese unglaubliche Spannungskurve von Odysseus' Heimkehr bis zur Klimax seiner Selbstoffenbarung halten können?


* Ich danke Leser *** für den Hinweis.

Am Rande: Der Bariton Simon Estes sang 1978 als erster schwarzer Sänger in Bayreuth den Fliegenden Holländer, danach den Amfortas im "Parsifal", an anderen Bühnen den Wotan; die schwarze Sopranistin Jessye Norman sang die Brünnhilde, die Sieglinde, Elsa, Elisabeth, Senta. Ist das ein Problem? Natürlich nicht. Das sind große Künstler, die allgemeinmenschliche Rollen interpretieren. Hier gilt's der Kunst, nicht einer fingierten Historizität, hier soll niemand manipuliert werden.

PS: Wer meint, ich spräche bei diesem Thema über Petitessen bzw. stritte gegen Windmühlen, lese doch bitte mal dasMK am 29. 4. 2018

Sonntag, 29. April 2018

Ein waschechter Lump

Nachdem viele Juristen die „Gemeinsame Erklärung 2018“ unterschrieben hatten, sah der vormalige Präsident des Deutschen Anwaltsvereins, Wolfgang Ewer, dringenden Handlungsbedarf. Er griff zur Feder und ließ das Ergebnis seiner Phantasien als Editorial in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW 17/2018) unter dem Titel „Die zweite Verantwortung“ veröffentlichen. „Die dritte Schuld“ wäre passender gewesen.
Er zitiert eingangs die „Erklärung 2018“ und behauptet:
„Zur These, dass die Zulassung der massenhaften Einreise von Flüchtenden illegal sein soll, reicht der Hinweis, dass das BVerfG eine gegen diese Verfahrensweise gerichtete Verfassungsbeschwerde durch den Beschluss von 10.2.2016 nicht zur Entscheidung angenommen hat.“
Dass dies ohne Begründung geschah, fügt Ewer nicht hinzu. Das von Ewer als zweiten „Beweis“ herangezogene EuGH-Urteil beschäftigt sich lediglich mit den europäischen Aspekten der Massenaufnahme von „Flüchtlingen“, nicht mit der Gesetzmäßigkeit an der deutschen Grenze. Last but not least, wirft Ewer den Unterzeichnern vor, nicht zwischen Einwanderern und Flüchtlingen unterscheiden zu können. Ein Defizit, das auf ihn zutrifft, denn wenn die erdrückende Mehrheit der Ankömmlinge weder einen Asyl- noch einen Flüchtlingsstatus anerkannt bekommen hat, sind es eben keine Flüchtlinge. Ein Jurist sollte das eigentlich wissen.
Im zweiten Teil seiner Ausführungen wird es unappetitlich. Ewer führt angebliche Vorkommnisse auf, die von den Unterzeichnern mit ihrer Unterschrift gebilligt wurden. Nur ein Beispiel: Er zitiert einen Redner, der 2015 bei einem „Aufmarsch“ in Dresden gesagt haben soll: „Es gäbe natürlich andere Alternativen. Aber die KZs sind ja leider außer Betrieb.“ Dieses „Zitat“ war eine Zeitungsente und musste von dutzenden Medien richtiggestellt werden, was der Anwalt Joachim Steinhöfel für den Redner gerichtlich erstritt. Dass ein Top-Jurist eine erwiesene Falschmeldung in einem juristischen Fachblatt als Argumentationshilfe präsentiert, ist mehr als merkwürdig. Mit Fahrlässigkeit kann das nicht mehr entschuldigt werden.   Vera Lengsfeld

Besser zu spät als gar nicht

In seiner Rede schlug der seit November 2014 amtierende Schuster erneut vor, ein bundesweites Meldesystem für antisemitische Vorfälle einzurichten und kritisierte dabei die polizeiliche Praxis, Straftaten mit antisemitischem Hintergrund, zu denen kein Täter ermittelt werden kann, automatisch dem rechten Spektrum zuzuordnen. Die dabei entstehende Zahl von 90 Prozent aller entsprechenden Taten, für die angeblich Rechtsextremisten verantwortlich seien, stimme „mit den Erfahrungen“ von Juden „nicht überein“.

Auch die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, beklagte, daß die gegenwärtige Aufmerksamkeit für den massiv erstarkten Antisemitismus in Deutschland sehr spät komme. „Ich habe nicht gedacht, daß man nach der Schoa zulassen würde, daß Antisemitismus wieder zu einer bedrohlichen Gefahr für das jüdische Leben hierzulande werden würde. Ich habe mich getäuscht.“    JF

Die dumme Frau Knobloch soll sich lieber an die eigene Nase fassen. Schließlich war sie es, die Merkel in einem fort dafür mit Lob überhäuft hat, dass sie die Grenzen für Millionen von Antisemiten geöffnet hat. Sie hat Merkel sogar mit dem höchsten Verdienstzeichen, das die Münchner jüdische Gemeinde zu vergeben hat, dafür ausgezeichnet (in Anwesenheit Seehofers, der zwei oder drei Wochen zuvor gerade den CSU-Parteitag zelebriert hatte, ohne Merkel einzuladen).

Das feige Schweigen der deutschen Juden und ihre liebedienerische Zurückhaltung gegenüber Merkel ist ein peinlicher Schandfleck für das Judentum angesichts der sonst üblichen jüdischen Intelligenz und ihres habituellen Eintretens gegen Erniedrigung.

Und die Inkarnation dieser Verblödung ist Frau Knobloch. Es wäre ja nicht so schlimm, wenn Frau Knobloch nur eine ungewöhnlich dumme Jüdin wäre. Aber diese Dummheit ist offenbar ansteckend. Denn 2005 war Michel Friedmann noch der einzige Journalist in Deutschland, der laut und deutlich beklagte, dass die deutschen Muslime nicht laut und deutlich diejenigen Muslime anprangerten, die auf antiislamische Karikaturen mit Terror reagierten; damals traf Friedmann den Nagel wahrlich auf den Kopf und er war damit in Deutschland einsam und allein. Aber sobald sich Bernd Lucke 8 Jahre später dieses Themas annahm, musste er sich von eben diesem Michel Friedmann öffentlich ächten lassen, weil er unsere Demokratie als "entartet" bezeichnet hatte. Und jetzt hetzt Friedmann gegen die Erklärung 2018.

Welche Lehre ist daraus zu ziehen? Dass die Juden im selben Maß wie die Deutschen einen Dachschaden davongetragen haben, der auf den Massenmord an den Juden zurückzuführen ist: die Deutschen öffnen ihre Grenzen aus Wiedergutwerdungssehnsucht und die Juden applaudieren Merkel, weil ihre Angst vor einer deutschen Rechtsdrift immer noch noch tiefer sitzt als ihre aktuelle Angst vor dem Antisemitismus der Muslime. Die Juden wägen also "besonnen" zwischen zwei Ängsten ab. Genauer gesagt, sie verdrängen die Angst vor den Muslimen völlig unbesonnen, weil sie die Panik ergriffen hat, Deutschland könne nach rechts driften. Ein Pawlowscher Reflex dominiert die jüdische Gemeinde in Deutschland.
Im einzelnen begann dieser deutsch-jüdische Verblödungsprozess, als selbst konservative Juden in Deutschland (außer oben genanntem Michel) auch nach den 70-er Jahren immer noch die Nähe der Linken suchten und er erreicht jetzt seinen Gipfel, nachdem Millionen von Antisemiten ins Land kamen und Schuster immer noch rumdruckst und von "einigen" muslimischen Antisemiten faselt.

Vielleicht sollte man Frau Knobloch noch zu Lebzeiten ein Denkmal setzen. Ein Abklatsch ihrer Gestalt als Manmal des in Bronze gegossenen jüdischen Dachschadens. Für die Münchner Fußgängerzone.

Aydan Özoğuz




La donna è mobile
Qual piuma al vento
Muta d'accento

E di pensiero.


Sempre un amabile
Leggiadro viso,
In pianto o in riso,
è menzognero.

La donna è mobile
Qual piuma al vento,
Muta d'accento
E di pensier,
E di pensier,

E di pensier!

E' sempre misero
Chi a lei s'affida,
Chi a le s' confida,
Mal cauto il core!

Pur mai non sentesi
Felice appieno
Qui su quel seno,
Non liba amore!

La donna è mobile
Qual piuma al vento,
Muta d'accento
E di pensier,
E di pensier,
E di pensier!



Samstag, 28. April 2018

Gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen

Gibt es eigentlich einen öffentlichen Streit über die „Erklärung 2018“, mittlerweile umgewandelt in eine Massenpetition, die im Mai in den zuständigen Bundestag eingebracht werden soll?

Bisher eigentlich kaum. Was es gab, waren eine Flut von Beiträgen in diversen Medien, in denen die Erklärung, in der es um eine pragmatische Ordnung der Migration geht, mit den üblichen Begriffsstanzen „demokratiegefährdend“ (Titel, Thesen, Temperamente), „rechts“ und „Getümmel schäumender Wutbürger“ (Ernst Elitz) belegt wurde, ohne sich großartig mit ihrem Inhalt auseinanderzusetzen.
Die Tagesspiegel-Journalistin Caroline Fetscher brachte es sogar fertig, die „Erklärung 2018“ in NS-Nähe zu rücken. Begründung: In dem Erklärungstext werde die „Wiederherstellung der rechtsstaatlichen Ordnung“ gefordert; das Wort „Wiederherstellung“ tauche auch in einem Naziparagraphen von 1933 auf. (Übrigens laut Google auch 41 900 mal in verschiedenen Tagesspiegel-Ausgaben, das nur als Fußnote.)
Zwischen eben dieser Caroline Fetscher und meiner Wenigkeit hatte der Deutschlandfunk dankenswerterweise ein Streitgespräch organisiert, das am Samstagnachmittag ausgestrahlt wurde. Der Versuch des Senders, eine tatsächliche Debatte in Gang zu bringen, ist großartig. Allerdings: aus dem, was dann am Donnerstag in den Studios tatsächlich stattfand, ergab sich kein Austausch von Argumenten. Ein Beispiel zur Illustration: Ich sagte, der Kontrollverlust von 2015 sei immer noch nicht überwunden, es gebe immer noch Fälle von Asylbewerbern mit zig Identitäten, es gebe 230 000 abgelehnte, aber bis heute nicht abgeschobene Migranten – unter diesen Bedingungen sei es absurd, pro Jahr weiter wahllos eine Viertelmillion Menschen ins Land zu winken, also ungefähr die Einwohnerschaft der Stadt Nürnberg.

Worauf Frau Fetscher sagte: „Nürnberg wächst überhaupt nicht um eine Viertelmillion pro Jahr. Das ist eine ungeheuerliche Behauptung.“

Unter diesen Bedingungen gestaltet sich eine Diskussion etwas schwierig.
Was dann noch von ihrer Seite folgte: Die Unterstützer der „Erklärung 2018“ kämen von den „Rändern der Gesellschaft“, es seien vor allem Ostler, „bei denen ganz viel schiefgelaufen ist“. Ansonsten bestand ihr Beitrag darin, immer dann zu reden, wenn ich etwas sagte (ein Verfahren, was ich schon von einem Greenpeace-Vertreter in einer Radiodiskussion kannte). Wenn es schon nicht so viele Argumente in der Sache gibt, kann man nämlich immer noch dafür sorgen, dass die Hörer die Worte des Kontrahenten bestenfalls in Bruchstücken mitbekommen.
Insofern: Es ist kein Vergnügen, sich die Sendung anzuhören.

Nachtrag: hier noch ein sehr sachlicher Text zur „Erklärung 2018“ im Bonner Generalanzeiger.    Alexander Wendt

Excitatio

Donald Trump Civitatum Unitarum Americae praesidens pronuntiavit se comprobare Hierosolyma esse caput civitatis Israelianae sedemque legationis civitatis suae eo delatum iri. Palaestinenses quidem postulant, ut huius urbis pars orientalis fiat caput ipsorum civitatis; sed Israeliani iam anno millesimo nongentesimo octogesimo Hierosolyma tota et integra pro capite suae civitatis declaraverant. Hoc a Trump nunc comprobato per orbem terrarum reclamationes vehementissimae excitatae sunt, praecipue in civitatibus muslimis.

Neonicotinoide



https://de.wikipedia.org/wiki/Evan_Parker

Unbefangene Franzosen

Am vergangenen Sonntag veröffentlichte Le Parisien ein Manifest von 300 Autoren, Publizisten, Politikern und Künstlern Frankreichs gegen den „neuen Antisemitismus“, muslimischen Ursprungs. 

Während man bei uns in Deutschland um den heißen Brei herumredet und versucht, der Öffentlichkeit weiß zu machen, dass muslimischer Antisemitismus kein wirklicher sei und im Endeffekt die Biodeutschen eine Mitschuld daran haben, weil sie bei der Integration versagen, druckt die französische Presse Klartext.
In dem von Charles Aznavour, Gerard Depardieu und Nicolas Sarkozy unterzeichneten Manifest wird von prominenten muslimischen geistlichen Führern verlangt, sich von antijüdischen und antichristlichen Passagen des Korans als „veraltet“ zu distanzieren.
Damit soll es islamistischen Attentätern unmöglich gemacht werden, sich auf den Koran zu beziehen. Wörtlich: „Kein Gläubiger soll sich beim Verüben eines Verbrechens auf den heiligen Text beziehen“. Das Manifest ruft dazu auf, den Antisemitismus zu bekämpfen, „bevor es zu spät“ ist.
Justizministerin Nicole Belloubet sagte im France-Inter Radio, dass die Regierung wachsam gegenüber Antisemitismus sein müsse und appellierte an die Einheit Frankreichs.
Deutschlands Regierung sollte sich daran ein Beispiel nehmen, bevor es zu spät ist.   Vera Lengsfeld

Nüchterne Betrachtung


"Wer die Dinge zu illusionslos sieht, stirbt kinderlos – man denke an Figuren wie Leopardi, Schopenhauer, Nietzsche usw. Wir stammen nicht von Menschen ab, die nach den ersten Mißerfolgen den Kopf hängen ließen. Unsere Vorfahren sind eher robuste Frohnaturen, sanguinische Schwindler oder verbissene Bastler, die immer auf die nächste Chance warteten. (...) Adam war ein Handlungsreisender, der neunundvierzig Mal vergeblich klingelte und doch überzeugt blieb, an der nächsten Tür sein Zeug an den Mann zu bringen. Das ist der Anfang des heiligen Buchs vom männlichen Mißerfolg. Wir existieren, weil wir Vorfahren hatten, die aus ihren Erfahrungen nichts lernten. Diese Burschen ließen die Niederlagen an sich abtropfen wie warmen Regen über der Savanne. Biologen nennen das: erotische Fitness aufgrund hoher Mißerfolgstoleranz. Im Alltag wird diese Haltung als Selbstüberschätzung oder als männliche Großspurigkeit mißinterpretiert. Man will nicht zugeben, daß Männer auf Ausgelachtwerden, Verhöhnung und Mißerfolg genetisch besser vorbereitet sind."
Peter Sloterdijk, "Zeilen und Tage"


                                         ***


Die Situation der Bundestagsparteien vor dem Eintreffen der AfD-Aliens muss man sich ungefähr vorstellen wie eine "Käfer"-Box auf der Wies’n: Schlemmend, saufend, schwatzend, stets bereit, sich auf Kommando unterzuhaken und loszuschunkeln, saßen die Volksvertreter in selbstgefälliger Eintracht beieinander, die Musi spielte hin und wieder einen Tusch auf die Chefin, in den alle einstimmten, die Rechnung hatte der Veranstalter im Voraus bezahlt, und wenn ein naseweiser Vertreter des Pöbels, den die Security unbegreiflicherweise hatte passieren lassen, sich erkundigte, ob noch ein Platz frei sei, wurde er mit einem unwilligen Grunzen des Raumes verwiesen. Schließlich hatte man die Box exklusiv und auf Jahre gebucht.
Das ist nun vorbei. Das wirkliche Problem, welches die System- oder Kartellparteien mit dem neuen politischen Mitbewerber haben, ist gar kein primär politisches, zumindest sind politische Begriffe für dessen Beschreibung wenig hilfreich, sondern man sollte vielmehr die Ethologie bemühen. Das Revier ist bedroht. Es sind "Feinde im Lager!" (so ein erschrockener Hurone im DEFA-Film "Chingachgook, die große Schlange"). Man ist nicht mehr unter sich. Die so gerne andere kontrollieren, werden plötzlich selber kontrolliert.
Und sie hatten es sich so gemütlich eingerichtet im großen Demokratiesimulationstheater Bundestag, mit eigenem Fahrdienst, Bedienten mit weißen Handschuhen, Vorkriegspreisen in der Parlamentarischen Gesellschaft, eigenen Restaurants, eigenem Reisebüro und jenem rund um die Uhr bewachten, mit Tunneln und Brücken verbundenen Büro- und Sitzungssaal-Kosmos um den Reichstag. Mit eigenen Regeln, eigenen Tagesordnungen, eigenen Floskeln, eigenen Problemverleugnungsmechanismen und sich wechselseitig die eigene Bedeutung versichernd.
So gehört es beispielsweise zu den Gepflogenheiten, Plenardebatten und Ausschuss-Sitzungen zur gleichen Zeit stattfinden zu lassen. Laut Geschäftsordnung des Bundestages braucht das Parlament zur Beschlussfähigkeit die Anwesenheit von mindestens 50 Prozent der Abgeordneten. Gottlob wird aber nur nachgezählt, wenn man es aus dem Saal heraus verlangt, sonst gäbe es zum Beispiel kein Netzwerksdurchsetzungsgesetz. In jedem anderen Falle wird – wider besseres Wissen – von der Beschlussfähigkeit ausgegangen. Das haben die rechtspopulistischen Spielverderber als erstes der Öffentlichkeit vorgeführt.
Während im meistens gähnend leeren Parlament – "Bei seinem Anblick gähnte der Abgrund wirklich" (Johannes Gross) – immerhin noch Redner so taten, als debattiere das Hohe Haus über seine Gesetzesentwürfe und Beschlüsse, fanden sich die meisten Ausschüsse nur noch zum Abnicken und Durchwinken zusammen. Der "Ausschuss für Angelegenheiten der EU" etwa, der seit kurzem von einem AfD-Mann geleitet wird, soll eigentlich eine ziemlich wichtige Funktion erfüllen, nämlich die Kontrolle der supranationalen Brüsseler Entscheidungen durch das deutsche Parlament. Der Ausschuss ist überdies ermächtigt, die Rechte des Bundestages gemäß Art 23 GG gegenüber der Bundesregierung wahrzunehmen.
Soweit die demokratische Theorie. In der korrumpierten Realität stehen die Dinge anders. Diskussionen, Kritik an einzelnen Punkten, Vorschläge, Fragen – all das findet nicht statt. Als der neue Ausschussvorsitzende sich erkundigte, warum nicht, reagierten die schon länger dort Herumsitzenden gereizt. Das sei eben so. Man kann es ja verstehen. Die Unterlagen umfassen oft hunderte Seiten und behandeln hochkomplexe, aber auch hochlangweilige Zusammenhänge. Änderungswünsche an Tagesordnungspunkten können bis Donnerstag der Vorwoche eingereicht werden, praktischerweise trifft die Tagesordnung auch oft erst am Donnerstag bei den Ausschussmitgliedern ein. Die letzte enthielt 79 Datensätze mit je 80 Seiten Text. Wer soll das alles lesen? Außerdem: Die EU, die EU, die hat im–mer Recht! Nun werden jahrelange eingespielte Routinen der Demokratie-Vortäuschung durch die dämlichen Rechtspopulisten gestört. Die AfD habe "die Verlängerung der Sitzung bis über 17.00 hinaus" vorgeschlagen, steht im Protokoll. Und der Fahrdienst wartet, der Tisch ist reserviert...
Vertrauensvolles Durchwinken ersetzt nervende Sacharbeit. Wer nach Details fragt und Prozedere anzweifelt, macht sich unbeliebt. Ähnliches hört man aus dem Bildungsausschuss. Merkellob berichten die Medien nichts darüber.


                                     ***                                 


Zwei Nachträge zu meinem (ewig-)gestrigen Eintrag über die "alten weißen Männer". Leser *** merkt an, dass doch auch die anderen Ethnien ungeheure Verbrechen auf ihr Schuldkonto gehäuft haben und es verlogen sei, immer nur die Weißen anzuprangern. Selbstverständlich. Die Assyrer etwa waren ein unsagbar grausames Volk. Die Mongolen übertrafen sie noch. Die nordamerikanischen Indianerstämme masskrierten sich lustvoll gegenseitig. Nie wurden mehr Menschen umgebracht als unter Mao Chinesen von Chinesen. Die Araber errichteten das größte Sklaverei-Imperium der Geschichte, und wie der Historiker Egon Flaig schreibt, befand sich das frühmittelalterliche Europa lange in Gefahr, wie das unglückliche Afrika zum Menschenreservoir dieses sklavistischen Systems zu werden; die Geschichte hätte einen völlig anderen Verlauf genommen. Zu allen Zeiten profitierten Afrikaner von der Versklavung anderer Afrikaner, wie überhaupt das sich-gegenseitig- Massakrieren fest zur Geschichte der Völker des schwarzen Kontinents gehört. Aber alle diese Völkerschaften und Ethnien denken nicht im Traum daran, es den Weißen gleichzutun, alle Welt um Verzeihung zu bitten und grenzenlose Wiedergutmachungsleistungen zu offerieren. Wo keine Selbstverachtung die Tore öffnet, winkt keine Beute. Wo keine Beute winkt, wird auch nicht moralisiert.

Der zweite Nachtrag betrifft diesen Blog, dessen Autor dasselbe oder doch eher gleiche Thema traktiert; die musikalischen Beispiele werden zwar kaum meinen Beifall finden, doch das ist in diesem Kontext völlig einerlei.


                                     ***


Oft werde ich gefragt, ob denn meiner Ansicht nach hinter der ganzen Völkerwanderung gen Europa ein Plan steckt, ein Script, eine Ränkeschmiede, und immer wieder muss ich beteuern, dass ich nicht recht an ein direkt organisiertes Szenarium glauben mag, aber doch gewaltige Kräfte des egalitären, "antirassistischen", kulturrevolutionären one-world-Zeitgeistes, unterstützt von Politikern, NGOs und dem James-Bond-Bösewicht George Soros, am Werk sehe, deren zersetzende Wirkung höher zu veranschlagen sei als das Walten mächtiger Verschwörer. 

Dieses Präludium nur, weil mir unlängst ein Link – betitelt mit "UNO, EU und USA-Kreise planen seit Jahrzehnten die Massenmigration" – zugeschickt wurde. Die angeführten eindrucksvollen Beispiele bestätigen m.E. eher einen bis in die Schaltstellen grassierenden Zeitgeist als zentral gesteuerte Pläne, was sie nicht weniger bösartig und verwerflich macht (sofern sie denn stimmen). Die Lektüre sei jedenfalls empfohlen.

Wahrscheinlich auch ohne eine zentrale Steuerung, aber dem hierzulande herrschenden Zeitgeist vollendeter politischer Verantwortungslosigkeit und Feigheit folgend, durften im Jahr 2017 etwa 350 Ditib-Imame aus der Türkei zum Predigen nach Deutschland einreisen. "Ob sie nach Ablauf ihrer Arbeitsvisa ausgereist sind, weiß niemand", schreibt die Welt. Und wie immer wird auch niemand dafür geradestehen müssen.

Nicht schlecht auch das: "Nach Informationen ungarischer Medien erhält eine Anwältin, die mit dem Helsinki-Komitee in Verbindung steht, für jeden einzelnen Einwanderungsfall nach Ungarn, den sie beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte durchsetzt, eine Prämie von zehntausend Euro. Hinter dem Projekt soll das Helsinki-Komitee von George Soros stehen, das derzeit alle Hebel in Bewegung setzt, um aus Ungarn ein Einwanderungsland zu machen. Dabei agiere man, so die Medienberichte, in enger Verbindung mit dem UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge."   MK am 27. 4. 2018

Israel

Mit „katastrophalen Folgen“ bedrohen Russlands Raketentruppen Israel, wenn es gegen den Aufbau von Waffensystemen für die Erleichterung seiner Vernichtung vorgehe. Gewiß kann Putin den Mini-Staat auslöschen und würde beim Gegenschlag aus den U-Booten wohl nur Petersburg und Moskau verlieren. Weil selbst dieser Preis nicht unbeträchtlich wäre, rüstet sein Außenminister Lawrow zumindest beim Sprachgebrauch ab, besteht aber auf den antiisraelischen Waffenlieferungen.
Zeitgleich bestückt Putins iranischer Partner die Hisbollah-Raketen in Libanon und Syrien mit Präzisionslenksystemen. Von dem auf hunderttausend geschätzten Arsenal der Gotteskrieger sind bisher nur wenige tausend Exemplare modernisiert. Es heißt sogar, dass ihre Zielgenauigkeit durch Schüsse aus den Jemen-Gebieten der schiitischen Huthi-Rebellen gegen Saudi-Arabien bereits getestet wird.
Viel Zeit bleibt Jerusalem nicht.. Die Juden könnten nur noch ins Meer fliehen, prahlen die persischen Generale. Imerhin könnten die Perser Isfahan und Teheran einbüßen. Das wird den Ausrottungswillen der Ajatollahs nicht mindern, aber sie mögen auf eine günstigere Stunde lauern. Aus Ankara kommt derweil die Häme, dass jüdische Staaten ohnehin niemals länger als siebzig Jahre gehalten hätten. Damit Washington Israel nicht helfen kann, hat Russland seine Fähigkeiten verbessert, amerikanische Flugzeuge in Nahost durch Jamming orientierungslos zu machen. Der Druck wächst jetzt schnell.   Gunnar Heinsohn

Bundestag

Freitag, 27. April 2018

Prognose

Das politische Koordinatensystem in Deutschland ist fundamental aus den Fugen geraten. Migrationsdruck trifft auf ein historisch entstandenes Tabu. Lechts und rinks gelten wenig in einer unversöhnlichen Debatte, in der kaum einer mehr zuhört und viele in den eigenen Spiegel schreien.
Wie lange lässt sich die Illusion von einem entgrenzten Sozialstaat aufrechterhalten? Wie lange lässt sich der Selbsterhaltungstrieb der Einheimischen mit immer stumpferen Argumenten gewaltlos einhegen? Wie lange lässt sich der sich ausbreitende Tribalismus der Einwanderer in eine angeblich aufnahmefreudige Kultur kaschieren, wo doch in der Realität eine tiefe Spaltung bis in die Familien des Aufnahmelandes entstanden ist?
Die Rückzugsgefechte der Etablierten werden aggressiver. Die Politik will „verlorenes Vertrauen zurückgewinnen“. Bitte, wie denn? Die am schlechtesten beleumundetste Kaste in Deutschland sind die Politiker.
Bestsellerautor Markus Valenfeld meint dazu: Um wieder Boden gutzumachen, müsste
„die politische Klasse ihr Vorhaben von jährlich 200.000 (plus) neuen ‚Flüchtlingen‘ auf Eis legen, Einreisen durch den Bau von Auffanglagern verhindern, eine Null-Toleranz-Politik gegenüber jedem Migranten, der sich nicht an deutsche Gesetze hält, fahren, Ausschaffungen extrem forcieren, aufhören vom Islam zu reden, der zu Deutschland gehören soll, und sich beim deutschen Volk für die begangenen Rechtsbrüche und Lügen in aller Form entschuldigen“.
Nein, das wird nicht geschehen. Was aber könnte in den nächsten vier Jahren passieren? Das im vorherigen Beitrag beschriebene Szenario 1 ist die wahrscheinlichste Zukunftsvariante.
Die GroKo hält sehr wahrscheinlich die ganze Legislaturperiode durch. Es kommt zu keinen flächendeckenden innerstaatlichen Gewaltkonflikten, aber der Schwelbrand eines verdeckten Gesellschaftskonfliktes mit einer ungewissen Zahl von Kriminalitätsopfern, Opfern von Rassismus und Religionsfanatismus bleibt bestehen. Die Bürger gewöhnen sich daran, auch weil die meisten Medien den Deckel auf die Schweigespirale halten. Staatliche Anarchie bleibt bestehen, damit totale Anarchie ausbleibt.

„Weiter so“, auf Teufel komm raus

Es geht „weiter so“, auf Teufel komm raus. Solange die Ökonomie es zulässt, wird weiter Geld in aller Herren Länder fließen. Solange kein Blackout eintritt, wird die Energie weiter gewendet. Solange die Sozialsysteme nicht implodieren, bleibt Deutschland das Sozialamt der WeltKernenergieGentechnikKohleverstromung und Autoindustrie werden weiter verteufelt und damit geht die schleichende Deindustrialisierung weiter einher. Es wird weiterhin einen Exodus von hochqualifizierten Deutschen geben. Es wird weiter gegendertgequoted und inkludiert als gäbe es keine echten Probleme. Die Freiheit wird weiter am Hindukusch verteidigt und die Fluchtursachen werden weiter in Afrika bekämpft. Diese Aufzählung ist nur eine unvollständige Irrsinnsparade gegenwärtiger deutscher Politik.
Die echten Auswirkungen dieser Politik liegen allerdings außerhalb unseres Betrachtungszeitraumes und werden daher der Fantasie oder besser den Albträumen der Leser überlassen.
Der Bruch der Koalition durch die CSU oder SPD (Szenario 3) ist die zweitwahrscheinlichste Prognose:
Die neue GroKo-Regierung regiert nicht Absurdistan, sie ist Absurdistan. Die CDU-Vorsitzende regiert mit der SPD. Große Teile der Opposition aus FDP/Grünen/Linken stehen fest hinter der Kanzlerin und gegen die CSU, immerhin eine Regierungspartei. Der Oppositionsführer sitzt mit ein paar gleichgesinnten Ministern auf der Regierungsbank. Die formale Opposition im Bundestag zerfleischt sich mit ihrer Opposition gegen die Oppositionspartei AfD.
Der Spaltpilz Deutschlands heißt Flüchtlingspolitik. Die CSU muss, wenn sie in ihrem Stammland überleben will, irgendwie gegen die unkontrollierte Einwanderung opponieren. Dies wiederum kollidiert zwangsläufig mit der linken Seite der SPD-Seele und auch mit der linken Politik der Kanzlerin. So wird die Achse Seehofer–Söder–Dobrindt zur Sollbruchstelle der Groko werden. Die Frage ist nur, kann die Kanzlerin so weit einlenken, dass die Bayern ihr Gesicht wahren können? Das ist eher unwahrscheinlich, wie in Szenario 2 beschrieben.

Politische Kehrtwende unwahrscheinlich

So wie die Gesellschaft gespalten ist, ist auch die Regierung gespalten. Der Kitt, der diese Gebilde zusammenhält heißt Macht. Aber er zeigt zunehmend Risse. Bis zur Bayernwahl im Oktober können diese Risse zur Sollbruchstelle der GroKo werden. Damit wird der offene Bruch zwischen CSU und der Schwesterpartei CDU zu einem relativ wahrscheinlichen Szenario.
Eine Politikwende entsprechend Szenario 2 ist weniger wahrscheinlich. Wenn eine Politikwende möglich wäre, hätte es sie längst gegeben. Die Bundeskanzlerin steht unter extremem Druck und ist ja nicht gerade für ihre Prinzipienfestigkeit bekannt.
Es wäre nicht abzusehen, was geschähe, wenn die deutsche Regierung plötzlich in Sachen Migration durchgreifen würde. Konsequente Rückführung, Sperre von Geldleistungen bei Wirtschaftsmigranten und Konsequenz bei Kriminalität gegenüber einer Kohorte von hunderttausenden junger Männer könnte direkt ins Chaos des Szenario 4 führen. Der deutsche Staat ist nicht wehrhaft genug, um gegen eine derart überlegene Zahl enttäuschter Jungmänner den Schutz seiner Bürger durchzusetzen.
Eine politische Kehrtwende kann auch schon nur deshalb nicht funktionieren, weil auch die Gesellschaft in der Mitte gespalten ist. Aber selbst ein Politikwechsel könnte die Probleme nicht lösen. Warum? Weil der Staatsapparat ein gigantisches Beharrungsvermögen der bisherigen Vorgehensweisen darstellt. Oder glaubt jemand, dass das Gros der Beamten, Lehrer, Staatsanwälte, Polizisten, Offiziere, Richter oder gar Politiker unter einer neuen Regierung plötzlich ihre Grundüberzeugungen über Bord werfen wird und genau entgegengesetzt entsprechend neuer Richtlinien handelt?
Zu lange wurden die problematischen Seiten der Politik geleugnet und vertuscht, die Fronten sind verhärtet. Die Willkommenheißer stehen den Migrationsskeptikern unversöhnlich gegenüber. Die Klimaskeptiker glauben den Energiewendern kein Wort mehr. Die Umverteiler haben nach Ansicht der Einzahler die Schraube hoffnungslos überdreht. Deswegen wird die Politik mit gutem Grund alles für ein „weiter so“ tun.

Gewaltausbruch eher nein, aber nicht auszuschließen

Der Ausbruch bürgerkriegsartiger Gewalt im Szenario 4 ist unwahrscheinlich, aber möglich. Jähe Wendungen sind nicht ausgeschlossen. Die Ausbreitung des Schwelbrandes der lokalen Gewaltakte zu einem Flächenbrand ist wenig wahrscheinlich, aber immerhin möglich. Hier hängt mehr oder weniger alles von äußeren Faktoren ab, auf die die Politik wenig Einfluss nehmen kann.
Viele haben noch die Bilder der Brandschatzungen und Plünderungen beim G20-Gipfel im Gedächtnis. Die fanden statt unter Randbedingungen, wo vorher Polizei aus dem ganzen Bundesgebiet zusammengezogen worden war. Man stelle sich vor, dass bei einem länger dauernden landesweiten Stromausfall die Grundversorgung der Bevölkerung mit Wasser, Lebensmitteln, Treibstoff und Kommunikation zusammenbricht.
In Deutschland gibt es nach offiziellen Angaben derzeit 1.560 islamistische „Gefährder“ und 11.000 Salafisten, und die Zahlen steigen weiter. Sie können unmöglich alle ausreichend überwacht werden. Man stelle sich vor, was nach einem schweren Attentat auf eine Schule, wie im tschetschenischen Beslan mit 321 ermordeten Kindern und Erwachsenen, geschehen könnte.
Ich möchte die Horrorszenarien hier nicht ausweiten. Schon ein Implodieren der Sozialsysteme mit massiven Leistungskürzungen könnte der Funken sein, der das Pulverfass zur Explosion bringen, auf dem sich die heutige Politik abspielt.
Fazit: Die Große Koalition unter Angela Merkel hat sich in ein Dilemma manövriert. Egal, was die Politik jetzt noch tut, für das Land und seine Bürger ist es falsch. In den letzten drei Jahren wurden zu viele irreversible Tatsachen geschaffen. Der Satz „Jetzt sind sie halt da“ wird sich als schicksalhaft erweisen und den Satz „Wir schaffen das“ ad absurdum führen.

„Mehr vom selben“ als Lösung

Integration ist etwas außerordentlich Schwieriges und Aufwändiges. Jetzt wird von den Etablierten laut nach „mehr vom selben“ als Lösung gerufen. Mehr Flüchtlinge (Frauen und Kinder) würden die Integration erleichtern. Mehr Sozialarbeiter die Gewalt besänftigen, neue „Anti-Mobbing-Profis“ in den Schulen die gläubigen Kinder vor den rechtgläubigen Mitschülern schützen, mehr Polizei und Justiz die öffentliche Ordnung wiederherstellen, mehr Integrationskurse, mehr Leistungen für Flüchtlinge, die ein besseres Leben für die Kulturfremden ermöglichen.
Gefordert wird mehr von allem, was schon bisher nicht funktionierte. Warum fragen die deutschen Politiker nicht einmal in jenen Ländern nach den Erfahrungen, die sie in den vergangenen Jahrzehnten bei der Integration Kulturfremder gemacht haben?
Nun „sind sie halt da“, die Kulturfremden. Und sie werden wohl bleiben und mehr werden. Es wird ein historisches Gesellschaftsexperiment versucht: eine monoethnisch-monokulturelle Demokratie soll in eine multiethnisch-multikulturelle Gesellschaft umgestaltet werden. Die monoethnischen Versuchskaninchen wurden nicht gefragt. Gutmeinende sind fest überzeugt, Zuwanderer aus archaischen Clangesellschaften kurzfristig in moderne westliche Leistungsträger umerziehen zu können. Sie nennen diese Umerziehung Integration und wollen das hiesige Wertesystem in erwachsene Menschen hineinschulen. Das mag bei einigen funktionieren. Aber jeder Verhaltensforscher weiß, dass man mit Schulungen Verhalten nicht ändern kann. Jeder Psychologe weiß, dass viele Menschen für ihre Überzeugungen lieber sterben, als ihr Wertesystem zu ändern.
Was aber wird aus dem Land, wenn es bei der Integration von Millionen Menschen zu schwerwiegenden Verwerfungen kommt? Was wird aus den Zuwanderern, bei denen die Integration nicht klappt? Was wird aus den Kindern der grenzenlosen Gesellschaft? Deutschland wird noch lange mit der Weisheit Peter Scholl Latours leben müssen: „Wer halb Kalkutta aufnimmt, hilft nicht etwa Kalkutta, sondern wird selbst zu Kalkutta“.
Was wird aus der GroKo? (Teil 1)
Was wird aus der GroKo? (Teil 2)

Sektierer

Gott ist tot – und trotzdem – oder gerade deshalb? – gibt es zahlreiche Verkünder von Heilslehren. Es ist eine zentrale Signatur unserer Zeit, dass viele Politiker, etliche Journalisten und sogar einige Wissenschaftler als vermeintliche Heilsbringer auftreten: Im Glauben an die jeweils eigene Sendung wähnen sich unzählige Wortführer im Besitz einer rundum frohen Botschaft – je nach Mission gilt etwa mal das „Abendland“, mal der „Nationalstaat“ oder mal die „Weltgesellschaft“ als Patentrezept für sämtliche Probleme.
Unter denjenigen Geistern, die solchem „Prophetentum“ entgegentraten, war Max Weber der wohl entschiedenste. In die Ideengeschichte eingegangen ist der Universalgelehrte nicht zuletzt mit seinem Vortrag über „Wissenschaft als Beruf“, ein Vortrag, den er am 7. November 1917 in einer Münchner Buchhandlung vor politisch gesinnten Studenten gehalten hat. „Ich sehe ihn noch vor mir“, schreibt der Philosoph Karl Löwith rückblickend, der „Eindruck war erschütternd (...). Er zerriss alle Schleier der Wünschbarkeiten“.
Nun, dass die Weberschen Erörterungen des Nachdenkens wert sind, daran erinnert der Ideenhistoriker Matthias Bormuth, der den Vortrag über „Wissenschaft als Beruf“ unlängst (bei Matthes & Seitz) neu herausgegeben hat. Wovon genau handelte die Rede? Im Anschluss an einen deskriptiven Anfangsteil über die „äußeren Verhältnisse“ des Wissenschaftsberufes – der Redner sprach über die notwendige Spezialisierung, über die Bürokratisierung des Universitätsbetriebs oder über die Rolle des Zufalls im Forschungsprozess – kam er zur eigentlichen Sache und benannte die seines Erachtens wichtigste Aufgabe, das Ziel, ja den „Sinn“ der Wissenschaft: Max Weber positionierte die Wissenschaft als diejenige Instanz, die „im Dienste der Klarheit“ zu stehen und jeden „Gott“ als „Götzen“ zu entlarven habe, als diejenige Instanz, die jedwede Heilslehre als Illusion zu demaskieren habe.  

Dem Schicksal der Zeit ins Antlitz blicken

In Max Webers Augen ist an die Stelle der christlichen Offenbarung eine lange Reihe von Werten getreten, wobei jeder dieser Werte für sich genommen verbindlich erscheint. Das Problem an der Sache: Versucht man, das Leben an einem der Werte auszurichten, so geht dies nur auf Kosten von mindestens einem anderen Wert – es gibt demnach keine Lebensweise, welche so wertvoll ist, dass sie nicht mit einem Wert zu kollidieren pflegt. Wer die Freiheit feiert, etwa dies will Weber damit sagen, hat das mit Sicherheit zu bezahlen – und umgekehrt. Wer den Nationalstaat heiligt, auch das soll damit gesagt werden, opfert die Weltgesellschaft – und umgekehrt. „Die alten vielen Götter, entzaubert und daher in Gestalt unpersönlicher Mächte, entsteigen ihren Gräbern, streben nach Gewalt über unser Leben und beginnen untereinander wieder ihren ewigen Kampf.“
Der Wissenschaftler, der ist für Max Weber nun derjenige, der „dem Schicksal der Zeit“ ins „Antlitz“ blickt – und in Bezug auf etwaige Heilsbotschaften zeigt, dass diese stets gewisse „Werte“ missachten, gewisse „Ideale“ ignorieren, gewisse Bedürfnisse des menschlichen Lebens verletzen. Freilich hat die Webersche Vorstellung des engagierten Wissenschaftlers einen ungemein heroischen Zug, denn mit seinem Tun sorgt jener nicht nur dafür, dass der „Schleier der Illusionen“ bei anderen gelüftet wird – jener sorgt damit auch dafür, dass dies bei sich selbst geschieht: Indem der Wissenschaftler darüber aufklärt, dass es keine Lehre gibt, welche nicht mit einer Wertsphäre im Konflikt steht, bewirkt er somit in doppelter Hinsicht eine Ent-täuschung. „Lasciate ogni speranza“, „Lasst alle Hoffnung fahren“, ruft Weber seinem Publikum mit Dante zu.
Neben Max Webers Vortrag veröffentlicht Bormuth auch einige Reaktionen darauf, und so zeigt sich, dass die Rede – 1919 erstmals publiziert – zwar oft gelesen wurde, aber keine durchschlagende Wirkung hatte: Zahlreiche Zeitgenossen, wie beispielsweise der Philosoph Georg Lukács oder der Romanist Ernst Robert Curtius, konnten nichts anfangen mit dem „Entzauberer“. Lieber trat man den Auszug aus der entzauberten Welt an – und träumte von der Verwirklichung einer Ideologie, man gab sich dem hin, was Weber an einer grandiosen Stelle als Möblierung der Seele beschrieb. Ob des Gelehrten Position heute mehr Zustimmung erhält?
Es sieht nicht danach aus. Nicht nur in mehreren Polit-, sondern sogar in einigen Wissenschaftsprogrammen geistert die Vorstellung, dass es „das Eine, das Not tut“: die Lösung für alle Weltprobleme wirklich gibt. Was hätte Max Weber wohl zum Umstand gesagt – diese Spekulation sei erlaubt –, dass gewisse Vertreter beispielsweise der Neurowissenschaft, der Volkswirtschaftslehre oder der Gender-Theorie meinen, ihre Forschung sei eine Etappe auf dem Weg zu einer schlechterdings „guten“ Gesellschaftsordnung?
Für den Glauben, dass just die Wissenschaft etwas für das Heil der Welt zu tun imstande sei – sie sei, „die spezifisch gottfremde Macht“, wie es in „Wissenschaft als Beruf“ einmal heißt, sie, die bei Weber die größte Kritikerin von Fortschrittshoffnungen repräsentiert –, für diesen Glauben hatte Max Weber gerade mal ein müdes Lächeln übrig. „Wer glaubt daran? – außer einigen großen Kindern auf dem Katheder oder in Redaktionsstuben?“
Christian Marty hat von 2009 bis 2015 an der Universität Zürich Geschichte, Philosophie und Medienwissenschaft studiert. Seit 2015 schreibt er an seiner Doktorarbeit über Max Weber. Er ist Gründer einer Nachhilfeschule und freier Journalist.
Literatur zum Thema:
Max Weber: Wissenschaft als Beruf. Mit zeitgenössischen Resonanzen und einem Gespräch mit Dieter Henrich, herausgegeben von Matthias Bormuth, Berlin 2017

Unstatistik des Monats

Die Unstatistik April 2018 ist die Zahl 14.864. So viele erfasste Straftaten pro 100.000 Einwohner gab es im Jahr 2017 in Frankfurt am Main. Die Stadt führt damit die Kriminalitätsliga in Deutschland an, melden unter anderem die Frankfurter Rundschau und der Tagesspiegel.
Aber tut sie das wirklich? Zunächst einmal gibt es große Unterschiede über Raum und Zeit bei der Erfassung von Kriminalität. In der einen Gemeinde schaut man bei Rauschgiftdelikten lieber weg, in der anderen wird ermittelt. Zudem pendeln in Frankfurt rund 300.000 Menschen täglich zur Arbeit ein, rund 60 Millionen Fluggäste kamen 2017 auf dem Flughafen Frankfurt an oder flogen ab. Alle von diesen Menschen verübten oder durch diese Menschen erlittenen Straftaten gehen auf das Konto der Stadt Frankfurt. In München dagegen gehört der Flughafen den Landkreisen Erding und Freising an.
Für einen sinnvollen Vergleich der Kriminalität über Gemeinden oder Länder hinweg wäre es also besser, die Zahl der Straftaten auf die Zahl der potenziellen Opfer und Täter und nicht auf die gemeldeten Einwohner zu beziehen.
Mit der „Unstatistik des Monats“ hinterfragen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident Thomas K. Bauer jeden Monat sowohl jüngst publizierte Zahlen als auch deren Interpretationen. Alle „Unstatistiken“ finden Sie im Internet unter www.unstatistik.de .

Blick zurück


Mene Tekel Upharsin

In ihrem Buch "Tote weiße Männer lieben“ beschreibt die "habilitierte Kulturwissenschaftlerin" Sophie Liebnitz – der Name ist ein Pseudonym; im besten Deutschland, das es je gab, kann es für die universitäre Karriere heikel werden, wenn man in falschen Verlagen falsche Texte publiziert – den vor allem in der angelsächsischen Welt um sich greifenden Rassismus gegen den DWEM, den "Dead White European Male". Anhand durchaus unglaublicher Einzelbeispiele enthüllt die Autorin das Grundmuster eines so schwachsinnigen wie gefährlichen linken Kulturkampfs – man könnte auch sagen: eines kulturfeindlichen Amoklaufs –, der über die Stationen Stigmatisierung, Verleumdung und Entrechtung offenbar zur totalen Entmachtung und kulturellen Auslöschung des weißen Mannes führen soll. Also jenes Geschöpfs, dessen Anteil an den wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, technischen und künstlerischen Hervorbringungen der Menschengattung sämtliche anderen Ethnien und ca. 67 Geschlechter zu Statisten degradiert, depraviert, ja diskriminiert.
Aber verhält es sich nicht genau andersherum, dass die argen weißen Kerle alle andere Welt unterdrücken und zuschanden machen? Ist Frau Liebnitz ein "Panikmacher" (P. Bahners)? Sehen wir zu. Die Autorin zitiert zunächst die DWEM-Definition des Oxford Dictionary: "Informal a writer, philosopher or other signifikant figure whose importance and talents may have been exaggerated by virtue of his belonging to a historical dominant gender and ethnic group." Die These lautet, dass Shakespeare, Mozart, Edison oder Planck wegen ihres Genders und ihrer ethnischen Herkunft möglichweise überschätzt werden. Allein in dieser Unterstellung, da würde mir Kamerad Nietzsche sicherlich zustimmen, steckt mehr Ressentiment als im gesamten Christentum. Ich komme darauf zurück.
Schauen wir auf einige der genannten Beispiele. Im Herbst 2017 bot das New York Hunter College, das zur University of New York gehört, eine Lehrveranstaltung "Abolition of Whiteness" ("Abschaffung des Weißseins") an – Sie denken sich bitte komplementär immer die Varianten "des Schwarzseins", "Judeseins", "Frauseins", "Moslemseins", "Queerseins" dazu. In der Beschreibung des Kurses, notiert die Autorin, "wird Weißsein direkt mit ‚white supremayy‘ und Gewalt gleichgesetzt." Ein College in Santa Fe (New Mexico) lud wiederum zu einem Studienkurs, der sich der "deprayity of whiteness" widmete, also der Verdorbenheit oder Verkommenheit des Weißseins.
Ebenfalls 2017 gab es eine Serie von Anschlägen auf Columbus-Denkmäler in den USA, denn der Genueser brachte ja den weißen Mann übers Meer. Bei der Schmähung des Entdeckers der Neuen Welt wollten es die Progressisten freilich nicht belassen. Die Säuberungswelle erreichte kurz darauf den Gründervater der USA, George Washington, denn der hatte Sklaven, wie das damals in seiner Klasse üblich war. Wenig später geriet sogar Abraham Lincoln, der trotz seiner Verdienste um die Sklavenbefreiung angeblich im Herzen ein Rassist geblieben war, in den Blick der Kulturrevolutionäre: In Chicago wurde einen Büste des Präsidenten verbrannt, andernorts beschmierte und beschädigte man Statuen von ihm.
Ja, und die reaktionären Südstaatler kamen erst recht an die Reihe! "Charlottesville mit der Universität von Virginia und seinen 50.000 Einwohnern ist zu einem Schauplatz der Auseinandersetzung um den Umgang mit Symbolen der Sklaverei sowie zum Spielplatz für eine ultrarechte Bewegung geworden", schrieb Spiegel online am 12. August 2017. "Die liberale Stadt hatte sich im April dafür entschieden, aus einem zentralen Park eine Statue von Robert E. Lee zu entfernen. Lee war der Befehlshaber der Truppen der Südstaaten, die im amerikanischen Bürgerkrieg für den Fortbestand der Sklaverei kämpften. Der fragliche Park wurde bereits von Lee Park in Emancipation Park umbenannt. Eine Petition eines afroamerikanischen Schülers hatte das Ganze ins Rollen gebracht." So handeln nur wirklich liberale Städte.
Als ein an Militärgeschichte leidlich Interessierter kann ich Ihnen versichern, dass Lee zu den größten militärischen Genies aller Zeiten zählt (schlimm), dass er ein Ehrenmann war und im Gegensatz zu den Nordstaaten-Schlächtern Sherman und Sheridan ein ritterlicher Krieger, der die Zivilbevölkerung schonte. Aber mit dem Fortschritt im Tornister hat es sich bekanntlich zu allen Zeiten am herzigsten gebrannt und gemordet.
Direkt nach den Protesten in Charlottesville gegen die Schleifung des Lee-Denkmals zerstörten gute Rassisten in North Carolina ein Kriegerdenkmal für Soldaten der ehemaligen Südstaaten. In Baltimore ließ die Stadtverwaltung ein Doppelmonument der Generäle Lee und Thomas "Stonewall" Jackson abreißen, wobei hier ein neues, eigentlich aber uraltes Zeichen des Triumphs gesetzt wurde: Die Denkmäler wurden nicht nur entfernt, sondern durch ein neues ersetzt, wie das die Sieger im Land der Besiegten zu allen Zeiten getan haben, um ihren Herrschaftsanspruch auch symbolisch auszudrücken. Anstelle der beiden weißen Offiziere steht nun eine schwarze Schwangere mit einem Kind auf dem Rücken dort, die wem auch immer mit der Faust droht. Sogenannte Aktivisten gaben ihr den Namen "Lady Liberty". Eine deutlichere Kampfansage sei nicht vorstellbar, notiert Liebnitz: "Der Freiheitsstatue, klassizistisch, weiß, steril und in ihrer Aussage universalistisch, wird eine expressive, schwarze, fruchtbare Figur entgegengesetzt, die durch ihre erhobene Faust signalisiert, für ihre Interessen und die ihres Nachwuchses aggressiv eintreten zu wollen."
Wechseln wir auf die britische Insel, wo derselbe wohlgesinnte Wahn waltet. Im King’s College zu London, Lehrstatt von zwölf späteren Nobelpreisträgern, füllte der Dean of education im Juli 2017 das Sommerloch mit der Forderung, man möge die Porträts der Gründerväter aus der Eingangshalle entfernen, weil es den Studenten nicht zuzumuten sei, von Bildern bärtiger weißer Männer aus den zwanziger Jahren umgeben zu sein (Bilder gewisser bärtiger Männer aus dem 7. bzw. 21. Jahrhundert sind aber in Zukunft bestimmt willkommen). Die Cambridger Altphilologin Mary Beard (sic!) summierte die dort Proträtierten bündig als "viktorianische Rassisten", deren Anblick speziell die farbigen Studenten verhöhne, wobei zu deren Inschutznahme gesagt sei, dass die Initiative nicht von ihnen ausging, so emanzipiert sind sie noch nicht. Der Ikonoklasmus auf der Insel befindet sich noch im Stadium des bloßen Forderns, kommt aber bei der Wahl des zu beseitigenden Personals dem überseeischen Vorbild schon recht nahe: Eine afrikanischstämmige Journalistin hat im Guardian dazu aufgerufen, die Statue Lord Nelsons, immerhin ein "white supremacist", am Trafalgar Square zu entfernen. Wenn man sich vor Augen führe, was der Sieger der Seeschlacht von Trafalgar für die Briten bedeute, kommentiert Liebnitz, "kann man die Provokationskraft und den Machtwillen ermessen, die in dieser Forderung stecken".
Zur Agenda der Weißenschmnähung gehört die sukzessive Umschreibung der Geschichte, die ja sowieso keiner mehr kennt, was die Angelegenheit erleichtert – ich erinnere an die reizende Story, dass türkische Gastarbeiter nach dem Zweiten Weltkrieg Westdeutschland wieder aufgebaut haben. Ein Lehrvideo der BBC zeigt einen schwarzen römischen Offizier, der den Bau des Hadrianswalls kontrolliert, um nach getaner Arbeit zu seiner weißen Frau heimzukehren und mit ihr gemeinsam dem Töchterchen zuzuschauen, wie es mit dem Spielzeugschwert hantiert, um dereinst den Wall gegen blütenweiße Briten zu verteidigen. Bereits 2009 hatte es in einem Robin-Hood-Film einen schwarzen Bruder Tuck gegeben. Die Geschichte umzuschreiben, gehörte stets zu den ersten Maßnahmen von Eroberern. "Was die UN ganz unverblümt als 'replacement migration' benannte, wiederhold sich hier auf symbolischer Ebene" (Liebnitz).
Die Scottish National Portrait Gallery in Edinburgh präsentierte im vergangenen Jahr eine Schau mit Porträts aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Eine Hip-Hop-Truppe der Stadt durfte in der Ausstellung ein Video drehen, in dem ein halbnackter, barfüßiger schwarzer Bursche aggressiv die Räume durchstreift, Boxbewegungen gegen die Gemälde ausführt und dazu rappt: "Bedeutet das, mich gibt es nicht? … Weil ich kein Gesicht wie meins, in Gold gerahmt, an den Wänden sehe? … Tote, weiße Kerle … eine lange Reihe inzüchtlerischer Brut, die bald aussterben wird. Aber ich bin hier. Mein bloßes Dasein, meine Nähe, mein Atem – alles beleidigt dich!" Nun, der letzten Bemerkung wird wohl niemand widersprechen. Der Hassausbruch gegen die britische Geschichte wurde auf bewährte weiße, aber nicht besonders weise Weise mit britischen Steuergeldern finanziert. Wenn die Brut wirklich ausgestorben ist, wird auch das vorbei sein, wenigstens das.
Ich sprach vorhin von Ressentiment in Reinform. Hier steht ein kulturloser, zu jeder Art Schöpfertum unfähiger, wegen seiner Hautfarbe mit Nachsicht zu behandelnder Fatzke vor Zeugnissen der westlichen Kunst und deutet schon mal an, was diese Genies eines Tages wahrscheinlich wirklich erledigen werden: deren Zerstörung. (Es sei denn, die Chinesen oder reiche Araber kaufen das alles; die kennen auch noch die angemessene Art, mit Leuten umzugehen, die ihnen ihren Besitz kaputtmachen wollen.) Es geht dem Buben nicht nur darum, die unerreichbaren Trauben als ihm viel zu sauer abzuwerten, er will das Verlangen nach Süße überhaupt diskreditieren. Womit wir beim für heute letzten Exempel wären. 2016 brachte eine Gruppe von Studenten der Universität Yale eine Petion ein, die eine fundamentale Änderung der Studienlektüre forderte. Die Kenntnis von Shakespeare, Milton und anderer toter weißer Männer sollte nicht mehr verbindlich sein für das Studium englischer Literatur, denn ein Studium "wo die literarischen Beiträge von Frauen, farbigen Menschen und Queers fehlen, beschädigt alle Studenten, egal welcher Identität“, notierte damals der Guardian. Dergleichen geschieht derzeit an vielen Universitäten im angelsächsischen Raum. Der Kanon ist entschieden zu weiß. Saul Bellows Bemerkung: "Wenn die Zulus einen Tolstoi haben, werden wir ihn lesen", ist als weißer Übelegenheitsdünkel überführt.
Wer jetzt vorschlägt, man könne doch das eine tun und das andere nicht lassen, hat das Prinzip nicht begriffen. Es geht nicht um Partizipation, sondern um Macht. Mit literarischer Qualität hat das nichts zu tun. Die Überlegenheit der toten weißen Männer in allen Künsten außer vielleicht Hip-Hop, Säbel- und Bauchtanz ist so enorm, dass es auch der diversifiziertesten Esel*In bei der Parallellektüre oder -betrachtung irgendwann aufginge; deshalb muss Shakespeare ganz weg. Mehr Ressentiment ist, wie gesagt, schwer möglich.
Dieselbe Unversöhnlichkeit und Kompromisslosigkeit herrscht auch bei der Bewertung historischer Persönlichkeiten und Ereignisse. Es wäre ja ein Leichtes, sowohl einen Columbus-Tag als auch, an einem anderen Datum, einen "Indigenious People Day" zu feiern, aber tatsächlich wurde in verschiedenen amerikanischen Städten, darunter L. A., der eine bloß durch den anderen ersetzt. Eine verbindliche, alle Bürger und Ethnien integrierende nationale Geschichtserzählung scheint nicht mehr möglich zu sein. Es geschieht, was der Historiker Arthur M. Schlesinger 1991 halb diagnostizierte und halb prophezeite: The Disuniting of America. Gruppen tragen ihre Interessen mit zunehmender Aggressivität in die Gesellschaft; das Gemeinsame ist kein Ziel mehr. Angeblich agieren die linken Aktivisten, die übrigens verblüffend oft weiß sind, als Agenten des Universalismus, aber diese Zauberlehrlinge erzeugen immer nur neue Partikularismen. Wobei sie versuchen werden, die DWEM-Denkmäler überall zu schleifen und durch Buntheitsmonumente zu ersetzen – und uns das Ergebnis als Universalismus zu verkaufen.

Mit dem Paradoxon, dass es angeblich Rassen gar nicht gibt, aber Rassenunterdrückung und Rassenunruhen dann doch – und natürlich die Rasse der Weißen, die dafür verantwortlich ist –, wollen wir uns nicht aufhalten; es geht hier nicht um Logik, sondern um Macht.
Liebnitz schreibt dazu: "Wenn Weiße ihre Dreadlocks abscheiden und sich von Hip-Hop fernhalten sollen" – was ich sehr befürworten thäte! –, "dann dürften schwarze Amerikaner nicht mehr in Jeans herumlaufen, sich dürften nicht Auto fahren, keine moderne Medizin in Anspruch nehmen, keinen Computer oder Fernseher benutzen und keine Menschenrechte beanspruchen – alles Dinge, die in weißen Kulturen entwickelt worden sind." Aber auch darauf versteht die antiweiße Fronde zu reagieren: Man behauptet einfach, dass alle Entwicklungen der Weißen aus der Unterdrückung und Ausplünderung der anderen resultieren; mithin sind vom attischen Tempel bis zur Raumstation sämtliche Werke der weißen Wölfe eigentlich von den anderen Ethnien geschaffen worden. Der linke alte weiße Mann glaubt, durch die eifrige Bezichtigung und Verdammung aller anderen weißen Männer seine bleiche Haut zu retten, aber sie werden ihn nicht verschonen.

Soweit zum Buch. Eine persönliche Schlussbemerkung will ich mir gestatten. Ich hatte mir unter dem Titel etwas anderes versprochen, nämlich eine Liebeserklärung. Ich will sie hier gern aussprechen. Alles, was ich liebe, haben tote (und ein paar noch lebende) weiße Männer geschaffen, ob nun die Matthäus-Passion oder die "Meistersinger", Schuberts B-Dur-Sonate oder Bruckners Achte, Chopins Nocturnes oder Rameaus "Piéces", ob die Hofzwerge des Velázquez, die Himmel Claude Lorrains oder die Fresken Giottos, ob "A la recherche du temps perdu" oder "Pnin", ob "Odyssee", "West-östlicher Divan" oder die Sonette des Großen Einzigen, ob Tschechows Erzählungen oder die Geschichten Jaakobs, ob Château Margaux und Château Lafite-Rothschild, ob Lindenoper oder Scala, ob die Kathedrale von Amiens, die Basilica dei Santi Giovanni e Paolo oder die Basilika San Francesco, ob "Clockwork orange" oder "Barry Lyndon", zu schweigen von Rennrad, Speisewagen, Füllfederhalter, Dreiteiler, Crockett & Jones-Schuhen und halterlosen Damenstrümpfen. Wenn nun ein paar spezielle Hochbegabte der Meinung sind, die Werke der toten weißen Männer aus den Universitäten – und wer weiß, wo überall noch – auszusondern, kann ich das nur glühend befürworten. Weg mit Goethe, weg mit Baudelaire, weg mit Beethoven, weg mit Michelangelo, weg mit Vermeer, dieses G'schwärl soll das nicht lesen, nicht sehen, nicht hören, nicht beschmutzen; mögen sie auch ästhetisch unter ihresgleichen bleiben, damit ist am Ende allen gedient ...   MK am 26. 4. 2018