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Freitag, 30. November 2018

Muslim Mainstream

„Drecksmenschen“... so sehen uns nicht nur radikale Muslime. An der Islamkonferenz haben auch Nicht-Muslime teilgenommen und die Blutwurst wurde natürlich nicht "serviert", sondern sie stand am Buffet zur Auswahl, neben 12 anderen Gerichten. In vielen Ländern Europas gehört Blutwurst zum landestypischen Nahrungsangebot. In Sardinien gibt es sogar süße Blutwurst, die ähnlich wie Käsekuchen schmeckt. 
Sehr bezeichnend: immer Toleranz fordern, nie Toleranz gewähren. Und gar nicht daran denken, sich zu integrieren. Alle, die in uns „Drecksmenschen“ sehen, sollen gefälligst in ihre Ursprungsländer zurückkehren. Sie sind hier nicht willkommen.
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Deutsche Islam-Konferenz: "Gleich in den ersten Reihen saßen drei Islam-Kritiker, die rund um die Uhr Polizeischutz brauchen und um ihr Leben fürchten müssen: Rechtsanwältin und Moschee-Gründerin Seyran Ates (55, zwei Leibwächter im direkten Umfeld), der deutsch-israelische Extremismus-Experte Ahmad Mansour (42, zwei Leibwächter direkt neben sich) und der deutsch-ägyptische Politologe Hamed Abel-Samad (46, auch zwei Leibwächter neben sich). Weitere Personenschützer sichern den Raum, die Türen. Selbst auf dem Weg zur Toilette werden die Islam-Kritiker begleitet. Ates wendet sich an Seehofer, spricht für alle drei: 'Wir sind nur hier, weil uns 15 LKA-Beamte beschützen.'" (hier)  Und dieses Pack wagt es, sich über deutsche Würste zu beschweren.








Muslime müssen einfach die hiesigen Sitten respektieren, auch wenn es manchmal schwer fällt. Wenn sie nur wollen, dann schaffen sie das. Für mich sind die Höhner auch eine Zumutung. Aber wenn man sie nicht erträgt, muss man eben in ein anderes Land übersiedeln. Kein Land ist perfekt.

Was für ein Niedergang in Deutschlands Musik


6 mutige CDU-Abgeordnete, die sich der Lüge verweigern


Vergesst eure Namen nicht!

»Bauxit«, sagt Licia, »Bauxit«. Ein kalter Wind peitscht den Regen in Kaskaden über die Hochebene, die die Slowenen Čičarija, die Kroaten Ćićarija, die Italiener Cicceria, die Deutschen Tschitschenboden nennen. Es ist eine karge Landschaft aus Kalkfelsen, Dornbüschen und Eichenwäldern auf einem 60 Kilometer langen Gebirgszug zwischen Triest und Rijeka, der die istrische Halbinsel wie eine Mauer vom Hinterland trennt. Weit unten liegen die fruchtbaren, vom milden Klima der Adria verwöhnten Weinberge und Olivenhaine. Auch Marmor und Braunkohle gibt es in Istrien. »Und Bauxit«, wiederholt die alte Dame. Ihre beiden etwa gleichaltrigen Sitznachbarinnen nicken. Drei Zeitzeugen auf der Reise in die Vergangenheit.
Der Nebel reißt auf und gibt den Blick frei auf das tief unten liegende Rijeka (Fiume) und die Inseln der Kvarner-Bucht. Licia schweigt. Tatiana fasst ihre Schwester Andra fest an der Hand. Ihr Herz habe auf einmal ganz heftig geklopft, wird sie später erzählen. Seit die Schwestern im März 1944 deportiert wurden, haben sie die Stadt nur einmal wiedergesehen – 1947, als sie mit ihren Eltern von Triest anreisten, um ein paar Habseligkeiten einzupacken. Gerade erst hatten die Siegermächte in Paris die Grenzen neu gezogen. Was bis zum Ende Ersten Weltkrieg zu Österreich-Ungarn gehört hatte und dann an Italien fiel, hieß nun Jugoslawien. Die meisten Italiener gingen.
Andra und Tatiana
Die Schwestern hatten sich gefreut auf ihren ersten Besuch nach so vielen Jahren, gefreut und gefürchtet. »Ich wollte alles mit den Augen meiner Mutter zu sehen«, sagt Tatiana, »ich wollte mich daran erinnern, was sie uns erzählt hatte.« Sogar die verwahrlosten, halb verfallenen Häuser fanden die beiden Schwestern schön. Die kleine Straße hatten sie riesig groß in Erinnerung. Via Milano 15, ein Haus in der Altstadt, auf halber Anhöhe oberhalb des Hafens, steht noch, aber die Straße heißt jetzt anders. Ihr Besuch war den Bewohnern angekündigt worden. Eintreten durften sie nicht. »Eine Frau öffnete ein Fenster. Wir erzählten ihr kurz unsere Geschichte. Sie sagte nur, es sei Zeit, das alles zu vergessen, man dürfe nicht mehr darüber sprechen.«
Andra bemerkte einen alten Gartenzaun, eine kleine Öffnung in einer Mauer und eine Tür. Genauso hatte sie diese Stelle als Vierjährige in ihrem Gedächtnis gespeichert. »Ich habe mich doch richtig erinnert«, sagte Adra später, »es ist wirklich alles wahr. Auf einmal mussten wir beide weinen. Wir sind keine Zwillinge, aber die Bindung zwischen uns ist so stark, als wären wir es.«
März 1944. Tatiana war sechs und Andra war vier, als die Lastwagen vor dem Haus hielten und sie und ihre Mutter abholten. Von den mehr als zweitausend Juden in Fiume – italienische, spanische, ungarische, deutsche, kroatische und serbische – hatten die meisten die Stadt noch vor der Ankunft der Deutschen verlassen können. Die verbliebenen 250 bis 260 Juden wurden deportiert. 26 überlebten – unter ihnen Tatiana, Andra und ihre Mutter Mira. Die Schwestern landeten im Kinderblock von Auschwitz-Birkenau. Zwei Betriebsstörungen in der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie haben sie gerettet: ein Versehen Josef Mengeles und die menschliche Regung einer Wärterin.
»Meine Nummer ist 76483 und die der Tati ist 76484«, erzählt Andra. »Wir sind am Leben geblieben, weil man uns für Zwillinge hielt. Bei der Selektion ist Dr. Mengele dieses Versehen unterlaufen. Er wollte uns für seine Experimente. Dann aber sind sie an uns doch nicht durchgeführt worden. Wir haben wirklich Glück gehabt. Eine ›blockova‹ hatte uns lieb gewonnen, sie gab uns Besseres anzuziehen und Besseres zu essen. Unsere Mutter konnte uns nach der Arbeit besuchen kommen. Wie oft das war, kann ich nicht sagen, unsere Erinnerung besteht nur aus einzelnen Erinnerungsblitzen. Wir wissen auch nicht, ob sie ein, zwei oder drei Monate lang zu uns durfte.«
Wenn sie kam, erzählt Tatiana, habe sie die Kinder immer wieder ihre Namen und Vornamen wiederholen lassen. »Vergesst eure Namen nicht, sagte sie, vergesst eure Namen nicht. Wie ungeheuer wichtig das war, haben wir erst nach dem Krieg verstanden. Ein anderes Mädchen aus dem Kinderblock hat ebenfalls überlebt. Aber bis heute weiß diese Frau nicht, woher sie kam und wie sie heißt, wer ihre Eltern waren. Wir haben unsere Identität nie verloren, wir waren immer Andra und Tatiana Bucci. Andra weiß noch die Nummer auswendig, die sie ihr auf den Arm tätowiert haben, aber ich muss immer erst nachschauen.«
»Eines Abends kam unsere Mutter nicht mehr«, erzählt Andra, »wir haben sie für tot gehalten. Es mag merkwürdig erscheinen, aber wir haben nicht geweint. Das Leben ging weiter. Wir waren von Leichen umgeben. Nichts sprach dafür, dass sie nicht unter diesen Leichenbergen liegen würde. Die Mutter war tot, und das war normal. Eines Tages hat uns die ›blockova‹ davor gewarnt, ja zu sagen, wenn man fragen würde, ob wir zu unserer Mutter wollten. Wir sollten nein sagen. Mit uns war unser Cousin Sergio aus Fiume deportiert worden, er war so alt wie meine Schwester und ein Einzelkind. Als sie dann kamen und uns die Frage stellten, zeigte Sergio auf. Er wurde aus Birkenau weggebracht mit weiteren 19 Kindern, neun Jungen und zehn Mädchen. Die Reise ging nach Hamburg. Es war der einzige Zug mit lebenden Häftlingen, der Birkenau verlassen hat.«
Sergio und die anderen Kinder trafen am 29. November 1944 im Konzentrationslager Neuengamme ein. Sie kamen dort in die »Sonderabteilung Heißmeyer«, wo sie der KZ-Arzt Kurt Heißmeyer mit Tuberkelbazillen infizierte. Den Dienst in der abgeschotteten Baracke versahen russische Häftlinge. Der Arzt injizierte die Bazillen in die Venen oder direkt in die Lungen der Kinder und entnahm ihnen die Lymphknoten an den Achseln. Der Verlauf der Tuberkulose wurde genau dokumentiert, von den verschiedenen Stadien wurden Fotos angefertigt. Am 20. April 1945, als die Alliierten Hamburg erreichten, wurden die Kinder in die ehemalige Schule am Bullenhuser Damm gebracht, wo man ihnen Morphin spritzte und sie anschließend im Keller an Wandhaken erhängte. Das älteste Kind war zwölf Jahre alt. Auch die Pfleger wurden umgebracht. Heißmeyer machte nach dem Krieg in der DDR als Arzt Karriere. Obwohl die Stasi über seine Vergangenheit Bescheid wusste, ließ sie ihn jahrelang unbehelligt. 1966 wurde er verhaftet, ein Jahr später starb er an Herzversagen. Das Ministerium für Staatssicherheit hatte ihm im Gefängnis noch erlaubt, wissenschaftlich zu arbeiten.
»Von all dem haben wir erst in den achtziger Jahren erfahren«, sagt Andra. »Der deutsche Journalist Günter Schwarberg, der diese Verbrechen enthüllte, hatte es unserer Tante erzählt. Aber sie wollte es nicht wahrhaben. Bis zu ihrem Tod wartete sie darauf, dass es läuten und Sergio vor ihr stehen würde.« Die Schwestern Bucci haben ihre Geschichte niedergeschrieben. Das Buch heißt »Meglio non sapere« – es ist besser, nicht zu wissen.
Licia
Licia Cossetto, pensionierte Lehrerin, wurde einmal von ihren Kollegen angezeigt, weil sie im Unterricht die Geschichte ihrer Schwester erzählte. Vor gar nicht so langer Zeit, sagt sie, sei man in Italien noch der faschistischen Propaganda verdächtigt worden, wenn man daran erinnerte. Licia Cossetto stammt aus Santa Domenica. Das Dorf, das die Kroaten Labinci nennen, gehört zum sogenannten »roten Istrien«, benannt nach der »Terra rossa«, die die Felder glühen lässt, wenn die Sonne im Meer versinkt. Roter Bauxit ist hier aus der Verwitterung des tonhaltigen Kalkgesteins entstanden.
Licias Vater Giuseppe war Grundbesitzer und Eigentümer einer Bauxit-Lagerstätte, Podestà (Bürgermeister) und Ortssekretär der faschistischen Partei. Die Schwestern besuchten ein katholisches Internat in Görz, nur die Ferien verbrachten sie zu Hause. Im Sommer 1943 fuhr die 23 Jahre alte Norma mit dem Fahrrad von Dorf zu Dorf und sammelte Material für ihre Dissertation an der Universität Padua. Unter dem Titel »Das rote Istrien« wollte sie die geologischen Besonderheiten dieses Teils der Halbinsel schildern. Noch herrschte in Istrien Ruhe. Am 25. Juli 1943 hatte der Große Rat des Faschismus Mussolini abgesetzt. Die Zeitungen begannen, vorsichtig Kritik am Regime zu üben. Einige besonders exponierte Faschisten setzten sich ab.
Am 8. September gab Italien den Waffenstillstand bekannt. Am selben Abend schlugen die Deutschen zu. Fast überall ließen sich die italienischen Soldaten widerstandslos entwaffnen. Am 9. wurde Triest besetzt, am 12. der Kriegshafen Pola, am 15. Fiume. Das Landesinnere von Istrien aber blieb der Welle der Gewalt überlassen, die nun von Kroatien über die Italiener hereinbrach. Der Zusammenbruch der italienischen Armee hatte den Partisanenverbänden den Weg nach Westen frei gemacht. In Istrien sammelten sie zurückgelassene Waffen und Munition ein, hissten die kroatische Fahne und etablierten Volksbefreiungskomitees und Volksgerichtshöfe. Buchstäblich über Nacht hatte sich mit der militärischen auch die italienische Zivilverwaltung in Istrien aufgelöst. Der Faschismus hatte jede Art von Opposition unterdrückt, jetzt hatten die Italiener keine politische Vertretung mehr und waren ohne Schutz.
Der Hass der vorwiegend slawischen Landbevölkerung gegen ihre Entrechtung und Italianisierung, die Gewalt und die Schikanen der Faschisten, die Arroganz der Oberschicht und der Städter entlud sich in einer Orgie der Gewalt. Jetzt wurden offene Rechnungen beglichen, Konkurrenten aus dem Weg geräumt, persönliche Gelüste befriedigt, sadistische Neigungen ausgelebt. Es wurde geplündert, gefoltert, gemordet und vergewaltigt.
»Die Partisanen«, erzählt Licia Cossetto, »nahmen sich, was sie wollten. Mitten in der Nacht stürmten sie in unsere Zimmer und schossen über unseren Betten, wir mussten für sie kochen und ihnen zu Trinken bringen. Das ging wochenlang so. Ende September führten sie Norma zum Verhör ab. Sie wollten, dass sie sich als Jugoslawin bekennt. Norma weigerte sich. Zwei Tage später holten sie sie wieder ab, damals habe ich sie zuletzt lebend gesehen. Mein Vater und ein Vetter machten sich auf, um sie zu suchen. Sie kehrten nicht mehr zurück. Auch mich führten sie ab, aber ein ehemaliger Klassenkamerad verhalf mir zur Flucht. Noch in derselben Nacht bin ich zu Fuß nach Triest aufgebrochen.«
Die Partisanen hatten sich ihrer Opfer in den Bauxitgruben und in den Foibe entledigt, den bis zu 300 Meter tiefen und nur wenige Meter breiten Spalten, Klüften und Schlünden im Kalkgestein. Meist banden die Partisanen ihre Opfer paarweise mit Draht Rücken an Rücken aneinander und trieben sie noch lebend in den Abgrund, schossen ihnen nach und warfen dann Handgranaten, um den Zugang zu verschütten. Als sie wieder abzogen, wurde Normas Leiche bei Villa Surani geborgen, einem Weiler nahe der Ortschaft Antignana (Tinjan). Sie hatte noch gelebt, als man sie in die Foiba warf. Ihre Hände waren hinter dem Rücken mit Draht gefesselt, beide Brüste wiesen tiefe Stichverletzungen auf und in der Vagina steckte ein Stück Holz. Eine Zeugin gab an, durch ein Fenster der Schule von Antignana gesehen zu haben, wie sie an einem Tisch gefesselt der Reihe nach vergewaltigt wurde, angeblich von 17 Partisanen. Stundenlang habe sie ihre Schreie gehört.
Die Ermittlungen endeten mit der Festnahme von sechs Männern, die eine Nacht lang mit der verwesten Leiche Normas in die Begräbniskapelle eines Friedhofs gesperrt und am nächsten Morgen erschossen wurden. Das Martyrium Norma Cossettos wurde von der faschistischen Propaganda breit ausgeschlachtet. Der Terror vom Sommer 1943 war ein Vorspiel zu der Generalabrechnung im Mai und Juni 1945. Mafalda Codan, eine Freundin der Cossettos, schleppten die Partisanen damals wochenlang von Dorf zu Dorf, wo sie als »Volksfeindin« von der Menge bespuckt und verprügelt wurde. In Santa Domenica holten sie Normas Mutter aus dem Haus und zwangen sie, die Folterung mit anzusehen.
Rijeka, Birkenau, Santa Domenica. Meglio non sapere. Es ist besser, nicht zu wissen.
Zuerst erschienen auf Kairos Blog


Die Schwestern Bucci mit Cousin

Schöne Antisemiten



Die Demokraten schicken hübsche Antisemitinnen in den Kongress und die deutschen Medien jubeln.

Wer mit Steinmeier und Erdogan zu Abend aß

Erst weigerte sich das Bundespräsidialamt, die Liste der Gäste herauszugeben, die an dem Bankett für Präsident Erdogan im Schloss Bellevue teilgenommen hatten. Das Defilee beim Staatsbankett am 29. September 2018 sei „zwar öffentlich“ gewesen, dennoch würden „Namen von Personen und Organisationen, die zu einem Staatsbankett eingeladen wurden und/oder teilgenommen haben, grundsätzlich nicht herausgeben“.
Das fand ich ungehörig, denn es handelte sich nicht um eine private Party des Präsidenten aus Anlass seines Geburts- oder Hochzeitstages, sondern um ein Staatsbankett für einen Staatsgast, also ein steuerfinanziertes Event. Und wenn ich etwas mitfinanziere, habe ich das Recht zu erfahren, wer sich da auf meine Rechnung am "Eintopf von Nordseefischen mit Salzkraut und Kaiserhummer " und anderen Köstlichkeiten labte.
Nachdem mehrere Nachfragen ergebnislos blieben, bat ich Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel, das Bundespräsidialamt über die Rechtslage aufzuklären. An sich ein unmögliches Ding, dass ich einen Anwalt bemühen muss, um mein Recht durchzusetzen, aber in einem Land, in dem die Staatsmacht die Grenzen nicht kontrollieren kann, kann sie auch nicht mit dem Informationsfreiheitsgesetz unterm Arm herumlaufen. Soll sein.
Fast auf den Tag genau zwei Monate nach der großen Erdogan-Sause, am 26. November, bekam Steinhöfel die Mitteilung, dass man ihm „die Liste der Namen der Personen, die an dem Staatsbankett teilgenommen haben“, übermitteln werde. Er sollte sich nur noch einen weiteren Tag gedulden. „Der Grund ist, dass wir die Namensliste wiederbeschaffen müssen. Hier hat es leider eine Verzögerung gegeben.“ Die Namensliste war zwischenzeitlich offenbar entsorgt worden. Und jetzt ist sie wieder da! Hurra! Hurra! Hurra! Tusch und Vorhang auf, hier ist sie!
Ein Blick auf die Liste verrät, warum sich das Präsidialamt mit der Herausgabe so schwer getan hat. Statt der angekündigten 300 Gäste war es nur etwa die Hälfte, die beiden Präsidenten und deren Frauen mitgerechnet. Dazu eine Handvoll echte Promis wie Rita Süssmuth und ihr Mann, sowie Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrates der Muslime, Michael Frenzel, Präsident des Bundesverbandes der Tourismuswirtschaft und Frau Gabriele. Die üblichen Verdächtigen, die in Berlin zu jeder Vernissage auflaufen, glänzten durch Abwesenheit. Nicht einmal der Regierende Bürgermeister Müller war erschienen. Immerhin ein Zeichen, dass es doch noch eine „Zivilgesellschaft“ in Berlin gibt, die lieber zum Türken geht, als dem Präsidenten der Türkei zuzujubeln.
Die Mehrzahl der Gäste gehörte der Entourage von Erdogan an oder rekrutierte sich aus dem Umfeld des Bundespräsidenten. So war es mehr ein deutsch-türkisches Familienfest als ein Staatsbankett, woran auch Andrea Verpoorten, Leiterin Leitungsstab/Politik beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V., trotz einer faszinierenden Vita nichts zu ändern vermochte.
Dafür wissen wir, wer an dem „Staatsbankett“ teilgenommen hat. Jetzt muss das Präsidialamt nur noch die Kosten für die anwaltliche Zurechtweisung übernehmen, und dann sind Frank-Walter Steinmeier und ich wieder ziemlich beste Freunde.   HMB

Donnerstag, 29. November 2018

Pop

"Fällt der Mond in ihren Teich,
wird in ihrem Schattenreich
jede Frau katzengrau,
Königin bis in den Tau."






Was sich lohnt zu lesen

Auch wir lesen vernutzend. Ich sprach darüber mit Ellen Kositza, als wir für den Messeauftritt in Frankfurt geeignete Plakatsprüche zusammentrugen.
"Journalisten lesen nicht, sie suchen Stellen" war einer, für den wir uns entschieden, denn er bringt das Herumstöbern in einem Buch auf der Suche nach skandalösen Sätzen abschätzig auf den Punkt. Auf diese Weise ausschlachtend zu lesen ist kein Lesen, sondern ein Auswerten, also ein unmusischer Vorgang.
Auch Kositza und ich schlachten aus, Kaiser und Lehnert ebenso. Wir durchforsten Bücher, weil wir über sie Artikel schreiben wollen, die unsere Sache voranbringen. Wir blättern, weil wir entscheiden müssen, ob wir unseren Lesern (und das sind auch: unsere Kunden) etwas zur Lektüre empfehlen oder von ihr abraten sollten. Wir suchen nach Stellen, in denen ungerecht oder dumm oder justiziabel über uns geurteilt wird, und die Bücher dieser Kategorie sind die einzigen, die das eintauchende Lesen auch gar nicht verdient haben.
Wir sind zwischen die Mühlsteine aus erweitertem Verlegertum und einer manchmal ratlosen Partei geraten - woher sollen Verhaltenslehren für eine aus den Fugen rutschende Zeit kommen, woher Verteidigungsstrategien gegen Denunziationen und dreiste Behauptungen?
Glaube, Gebet und Kirchgang könnten eine Säule sein, aber nein, Sonntag für Sonntag, zumal in fremden Städten, bange Minuten: welche Lieder, welche Kombo, welcher Tölpel am Altar, welches dümmliche Predigtthema? Statt beschenkt zu werden: Panik davor, daß wieder ein Unberufener den Alltag über die Kirchenschwelle zerrt und vor unseren Augen so etwas wie eine ökumenische Ethik gegen rechts daraus ableitet.
Das eintauchende Lesen: Wann war es mir im ablaufenden Jahr vergönnt? Abgesehen von einigen Antaios-Titeln vier Mal: Im Frühjahr las mir Kositza während einer langen Autofahrt Martin Mosebachs Die 21 vor. Ich sehe in diesem Buch eine "Stiftung".
Ich studierte Iwan Iljins Über den gewaltsamen Widerstand gegen das Böse und erhielt dazu Unterweisungen von einem Abt, der dort, wo er Diener ist, nicht nimmt, sondern schenkt.
Und zu Amor Towles' Ein Gentleman in Moskau griffen auf meine Empfehlung hin viele unserer Leser. Mir und anderen bescherte der Roman im durchglühten Sommer großartige Lesestunden.
Am vierten Buch sitze ich, sitzen wir noch: Mein Sohn und ich lesen es uns vor, wenn wir abends Zeit haben oder einer von uns beiden eine monotone Tätigkeit verrichten muß. Die Wiederkehr der Wölfe von Hans Bergel ist ein Wälzer, der zweite Teil einer Trilogie und jedenfalls ein "welterschließender Roman" (ein Ausdruck von Armin Mohler).
Während ich meinem vierzehnjährigen Sohn vorlese (oder er mir), findet diese Erschließung, diese Aufschlüsselung der Welt tatsächlich statt. Ein siebenbürgischer Schüler steht im Zentrum der Handlung, Rosenau und Kronstadt am Rande der Karpaten liegen wie unter einem Brennglas. Von einer Fahrradtour am Vorabend des Kriegs bis zur Verschleppung der Volksdeutschen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion spannt Bergel den autobiographischen Erzählbogen.
Wir müssen die Lektüre oft unterbrechen, um im Atlas Ploiesti oder Turnu Severin zu suchen oder anhand einer Kriegsgeschichte des II. Weltkriegs die Truppenbewegungen im Südosten nachzuvollziehen.
In den Lektürestunden und Nebengesprächen ist mir wieder klar geworden: Wir alle können aus dürren Zahlen und Jahresdaten nichts Wesentliches lernen, sondern nur aus Geschichten, Szenen, verknüpfenden Ereignissen und den Schilderungen von Lebenswegen Einzelner und Schicksalen ganzer Dörfer, Städte und Völker.
Die Wiederkehr der Wölfe beschreibt - neben vielen ineinander verwobenen Strängen - die Rekrutierung rumäniendeutscher junger Männer für die Gebirgsdivision "Prinz Eugen" und die vielen Gespräche der Abiturienten mit ihren Vätern und Lehrern über deren Dienst im I. Weltkrieg, über Versailles, den Aufstieg Hitlers, die Unterschiede zwischen Deutschland und dem Nationalsozialismus, zwischen dem recht weit entfernten Deutschen Reich und der siebenbürgischen Geschichte und Mentalität. Nichts ist einhellig, alles ist vielschichtig, schwierig, nicht von nachgereichter Moral versalzen, vieles ist nachvollziehbar, sogar der Wahn.
Daß einer seiner Urgroßväter in Montenegro als Gebirgspionier einem Bataillon der von General Arthur Phleps geführten Division zugeteilt wurde, gegen die Partisanen kämpfen mußte und 1948 aus der Kriegsgefangenschaft abgemagert nach Oberschwaben zurückkehrte, beginnt erst über den Umweg durch die Lektüre des Romans auf meinem Sohn zu lasten als etwas, das ihn hoffentlich im richtigen Moment vom Falschen abhält, sei es von einer fatalen Entscheidung, einem leichtfertigen Urteil oder auch nur von einem dummen Witz. Ich habe ihm bisher nur einen kleinen Teil von dem erzählt, was mein Großvater dort erlebte.
Dieser Groß- und Urgroßvater floh aus der Gefangenschaft nach Norden und durchschwamm in der Nähe des Eisernen Tores die Donau, vielleicht nicht weit von der Stelle entfernt, wo Otto Skorzeny mit seinen Männern die Sabotage der engen Donaupassage verhinderte, um der kriegführenden Wehrmacht den Nachschub an rumänischem Öl zu sichern. In Bergels Roman heißt Skorzeny anders, ist sogar auf zwei Figuren verteilt gezeichnet.
Familiengeschichten, Romankapitel, Gespräche zwischen Vater und Sohn, hier wie dort.
Wenn die Adler kommen und Die Wiederkehr der Wölfe sind in neuen Ausgaben vor zwei Jahren erschienen. Ich hatte den dreiundneunzigjährigen Autor damals besucht und war fast einig über die Buchrechte. Er entschied anders, im letzten Moment.
Nun soll Bergel, vernahm ich, am dritten Teil der Trilogie arbeiten. Er fragte mich damals, welchen Einstieg er in die Schilderungen der für die Siebenbürger katastrophalen Nachkriegsjahre wählen solle. Ich schlug ihm etwas vor und bin gespannt, ob er diesen Faden aufgegriffen haben wird.
Ich empfehle den völlig unterschätzten Bergel unbedingt als Winterlektüre, als Lektürebad, als Vorlesebuch, beide Teile, nacheinander ...  GK
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Wenn die Adler kommen kann man hier, Die Wiederkehr der Wölfe hier bestellen.

Böse Hexe Grütters

Publico: Der von Linkspartei-Kultursenator Klaus Lederer und Kulturstaatsministerin Monika Grütters gefeuerte Direktor der Stasi-Gedenkstätte Hohenschönhausen Hubertus Knabe hatte sich vergangene Woche auf seinen Posten zurückgeklagt – was Lederer mit der Einsetzung eines neuen Direktors und anderen Maßnahmen zu durchkreuzen sucht. Wie beurteilen Sie diesen Gedenkstätten-Krieg?
Vaatz: Mit der Entlassung Knabes soll ein Enthauptungsschlag gegen die Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen geführt werden. Dazu ist offenbar jedes Mittel recht. Ich glaube aber, jetzt hat Herr Lederer überzogen. Es gibt ein so genanntes Maßregelungsverbot, das aus meiner Sicht ausschließt, jemanden, der gekündigt wurde, dafür zu bestrafen, dass er sich wehrt. Und das ist mit der sofortigen Kündigung von Knabe am vergangenen Sonntag geschehen. Neue Fakten, die ein solches Vorgehen rechtfertigen würden, liegen gegen ihn ja nicht vor.
Publico: Warum ist Hubertus Knabe eine solche Reizfigur?
Vaatz: Dafür gibt es eine einfache Erklärung: Knabe hat in seiner Forschung die Unterwanderung der westlichen Linken durch die Staatssicherheit vor 1990 zum Thema gemacht. Er hat damit ein meinungsbildendes Milieu angegriffen, das zum unwissentlichen und teilweise sogar zum wissentlichen Verbündeten der DDR geworden war. Jetzt handelt eine große Koalition von Anwälten des DDR-Regimes wie Lederer und denjenigen im Westen, die den Mantel des Schweigens über ihre Nähe zur SED-Diktatur breiten wollen. Ihnen ist Knabe lästig. Daher hat die Stasiunterlangen-Beauftragte Marianne Birthler ihn schon vor 18 Jahren aus der Behörde entfernt.
Publico: Wie passt ihre Parteifreundin in dieses Bild, die Kulturstaatsministerin Monika Grütters?
Vaatz: Das weiß ich nicht. Wenn sie mit dem vermeintlichen Sprecher der DDR-Opfer Dieter Dombrowski einig ist, wähnt sie sich offenbar auf der sicheren Seite. Nur hat Dombrowski offenbar längst die Seiten gewechselt. Es scheint so, dass er in Brandenburg eine CDU-Koalition mit den Linken ansteuert. Ich bin gespannt, wie lange sich die Opferverbände von ihm noch an der Nase herumführen lassen. Andererseits ist Monika Grütters als Kulturministerin ein Stück weit auch auf das Wohlwollen genau des Milieus angewiesen, das ich gerade erwähnt habe. Ich halte aber ihre Haltung für korrigierbar.
Publico: Manche vermuten, dass sie bei der nächsten Wahl für die Berliner CDU mit dem Ziel antreten will, eine Koalition mit der Linkspartei zu schmieden.
Vaatz: Das ist Spekulation. Aber ein solcher Versuch würde die Partei vor eine Zerreißprobe stellen.
Publico: Soll mit der Entlassung Knabes etwas Grundsätzliches bezweckt werden?
Vaatz: Allen soll gezeigt werden, dass die umbenannte SED jetzt die Lufthoheit besitzt. Die Linkspartei ist zwar immer dabei, wenn es gilt, die Bundesrepublik zur materiellen Wiedergutmachung der DDR-Verbrechen in Anspruch zu nehmen, entzieht aber Schritt für Schritt den DDR-Opfern die Interpretationshoheit über ihre eigene Vergangenheit und ihr eigenes Schicksal. Die Entlassung Knabes soll demonstrieren: Jetzt ist Schluss mit der Aufarbeitung aus Perspektive der Opfer.
Publico: Aber ist dieser Vorwurf nicht unbegründet, da Herr Lederer sich ja nach eigenen Worten in keiner Weise in die Suche eines Nachfolgers einmischen will, sondern hier Ihrer Partei eine Schlüsselrolle zufällt?
Vaatz: Herr Lederer weiß, dass es für Knabe kaum gleichwertigen Ersatz gibt. Deshalb ist es sehr klug von ihm, sich herauszuhalten, um die zu erwartende Fehlbesetzung dann der CDU in die Schuhe zu schieben – und nebenbei die Kraft des verhassten Publikumsmagneten Hohenschönhausen schwinden zu sehen.
Publico: Ein Historiker hat Knabe vorgeworfen, er habe die Führungen von Besuchern durch die Ausstellung in Hohenschönhausen „manipulativ“ gestaltet. Was sagen Sie dazu?
Vaatz: Das ist infam von Herrn Kowalczuk. Ich hielt ihn immer für integer, aber man lernt dazu. In der Sache ist der Vorwurf unzutreffend. Wie dort die Dinge präsentiert werden, entschied der Beirat. Er beschloss ein Curriculum, nach dem verfahren wird. Wenn die Art der Führungen durch das ehemalige Stasi-Gefängnis manipulativ sein soll, dann kann man übrigens gleich alle Gedenkstätten schließen, egal welcher Art. In einer Gedenkstätte werden die Sachverhalte dargestellt, derer gedacht werden soll. Und natürlich stellt die Gedenkstätte die Geschichte aus Perspektive der Verfolgten und nicht den anstrengenden und entbehrungsreichen Arbeitsalltag des Wachpersonals dar. Was denn sonst?
Publico: Sollten Besucher auch nach dem zweiten Rauswurf Knabes noch in die Gedenkstätte kommen?
Vaatz: Freilich. Und die Gelegenheit nutzen, um ein Gespräch mit Frau Birthler zu fordern, die vom Stiftungsrat in der Affäre um Knabe zur so genannten Vertrauensperson berufen wurde, und sie fragen, inwieweit sie die einstweilige Vernichtung der wirtschaftlichen und beruflichen Existenz von Herrn Knabe mit manipulativ-denunziatorischen Methoden wegen der noch zu untersuchenden Verfehlungen seines Untergebenen für verhältnismäßig hält; ob sie ihre Berufung an die Gedenkstätten nicht aus Gründen der Befangenheit hätte ablehnen müssen.
Publico: Was erwarten Sie in dieser Affäre von Ihrer Parteifreundin Monika Grütters?
Vaatz: Ihre Zustimmung zu den Maßnahmen gegen Knabe zurückzuziehen. Sowohl die vom 25. September als auch die vom letzten Sonntag.


Arnold Vaatz, geboren 1955 in Weida, gehörte zu DDR-Zeiten zur Bürgerrechtsbewegung. Weil er den Reservedienst bei der NVA verweigerte, wurde er 1982 zu sechs Monaten Haft verurteilt, die er in der Strafanstalt Unterwellenborn verbüßte.
1989 gehörte der Mathematiker in Dresden zur „Gruppe der 20“, die sich aus der Protestbewegung gegen das SED-Regime bildete. Nach mehreren Stationen in der sächsischen Landesregierung wechselte Vaatz in den Bundestag.
Seit 2002 ist er stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion.    Publico


  • Vor 20 Jahren gründete Kanzler Schröder das Amt des Staatsministers für Kultur und Medien.
  • Monika Grütters hat aus dem Orchideenposten eine Schlüsselstelle der Bundesrepublik gemacht, sie verfügt über viel Einfluss.
  • Ihre Machtfülle ist in vielerlei Hinsicht bedenklich.

Von Jörg Häntzschel
Ein Treffen wird über Signal verabredet, die Messenger-App, auf die Edward Snowden schwört. Andere Anrufe kommen von anonymen Telefonnummern. Trifft man die Informanten im Restaurant, wird erst mal der Raum gescannt. Da lärmt eine Reisegruppe, an den anderen Tischen unbekannte Gesichter: gut. Zu den Bedingungen: keine Zitate, das Gespräch hat nie stattgefunden. Und immer wieder heißt es, das ist off the record, das haben Sie nicht von mir, das dürfen Sie nicht schreiben. Wenn sich die Tür öffnet, schreckt der Blick hoch. Ist das nicht etwas übertrieben? Wir sind in Berlin. Es geht nicht um Waffengeschäfte, sondern um schöne Dinge, um Kunst, Musik, Theater. Doch es geht eben auch um viel Geld, um 1,8 Milliarden Euro, die dieses Jahr verteilt werden, und um die Frau, die das Geld verteilt: Monika Grütters, seit 2013 Staatsministerin für Kultur und Medien. Intendanten, Museumschefs, Direktorinnen, die man zu ihr befragt, fürchten nichts so sehr wie ihren Zorn. Sie wollen dieses Geld auch in Zukunft haben.
Deshalb wird es auch kein kritisches Wort geben, wenn sie sich am Montag alle treffen, um das 20. Jubiläum des Kulturstaatsministeriums (BKM) zu feiern. Gegründet wurde es 1998, in der Cocktail Hour der goldenen Neunziger, von Gerhard Schröder. Der SPD-Kanzler, selbst Künstlerfreund, wollte an die Zeiten vor der Ära Kohl anknüpfen, als Günter Grass noch Reden für Willy Brandt schrieb. Außerdem wartete das wiedervereinigte Berlin darauf, auf Hauptstadtniveau kulturell bespielt zu werden. Das alte Prinzip, nach dem Kultur Ländersache ist, war an seine Grenzen gekommen. Als die Länder protestierten, behalf man sich mit einem Trick: Statt der Kultur ein eigenes Ressort zu geben, machte man das BKM zu einer Abteilung des Bundeskanzleramts. Grütters ist eigentlich nur Staatssekretärin, kein Kabinettsmitglied.

Spätestens beim Abschied hat man verstanden, wie sie ihr Reich zusammenhält

Kaum einer ihrer Vorgänger hielt sich lange, am kürzesten die Intellektuellen Michael Naumann, Julian Nida-Rümelin und Christina Weiss. Bernd Neumann blieb länger, doch erst Grütters ging ganz in dem Amt auf. Keine kämpft so entschlossen, keine hat sich so viel Macht gesichert, keine verfügt über mehr Stellen - 300 sind es heute - , keiner macht mehr Geld locker als sie. Zwischen 1999 und 2014 wuchs der Etat nur von 1,1 auf 1,3 Milliarden Euro. Unter Grütters stieg er auf 1,8 Milliarden. Allein dieses Jahr beträgt der Zuwachs neun Prozent. Und das in Zeiten, da viele europäische Länder ihre Kultur verkümmern lassen. Und dennoch: Glücklich ist unter Grütters niemand. Sie hat eine Pyramide der Abhängigkeiten installiert, an deren Spitze sie steht. "Geht ihr jemand auf den Geist", erzählt der Chef einer Institution aus eigener Erfahrung, "tut sie alles, um ihn fertigzumachen."
"Wie schön, dass Sie da sind!" Strahlend und mit Gebäck und Blumen spielt Grütters dem Besucher in ihrem Büro im siebten Stock des Kanzleramts (Merkels Büro ist im achten) anfangs die herzliche Nachbarin vor. Umso unerwarteter drücken einen dann die ersten Salven aus ihrem rhetorischen Arsenal in den Sessel: Endlosmonologe, mit denen sie heiklen Fragen vorbeugt, Präzisionsauskünfte zu entlegensten Themen, strategisch platzierte Vertraulichkeiten, Schmeicheleien und jähe Schärfe. Wer ihr auf den Zahn fühlt, dem droht sie auch mal mit dem Anwalt. Spätestens beim Abschied hat man verstanden, wie sie ihr Reich zusammenhält.
In Berlin umfasst es außer den Theatern und Opern praktisch alles. Das BKM finanziert nicht nur die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) mit ihren 17 Museen, mit Bibliotheken und Archiven. Sondern auch das Jüdische Museum, die Akademie der Künste, das Deutsche Historische Museum (DHM), die Deutsche Kinemathek, den Gropius-Bau, die Berlinale, das Haus der Kulturen der Welt, die Berliner Festspiele und alle Gedenkstätten.
Auch jenseits von Berlin ist das BKM aktiv. Es finanziert das Literaturarchiv in Marbach, die Deutsche Nationalbibliothek und die Bundeskunsthalle in Bonn, es fördert die Stiftung Weimarer Klassik, das Bauhaus, die Bayreuther Festspiele und die Ruhrtriennale. Monika Grütters untersteht die deutsche Filmförderung, die Villa Massimo in Rom und das Deutsche Studienzentrum in Venedig. Sie verleiht die Filmpreise, aber auch Preise für Schriftsteller, Übersetzer, Theater, Kinos, Filmverleiher. Mit dem fünften von ihr neu ausgelobten Preis will sie Verlage auszeichnen.

Preis des Machterhalts: Die besten Köpfe der deutschen Kultur können nicht offen sprechen

Geht man die lange Liste von Institutionen durch, staunt man über vieles, was in ihre Zuständigkeit fällt - warum ist sie Chefin der Deutschen Welle? - aber auch über vieles, was bei anderen Ministerien angesiedelt ist. Das Goethe-Institut beim Auswärtigen Amt, Archäologie beim Wissenschaftsministerium, Integration beim Sozialen, Politische Bildung beim Inneren. Ein improvisierter Ressortzuschnitt ist zu einer Dauerlösung geworden. Auch das ist Teil des Problems.
Ebenso erstaunlich ist aber Grütters' Ungreifbarkeit. Die 56-Jährige kommt aus Münster, aber geht als alte Berlin-Pflanze durch. Sie ist seit der Pubertät in der CDU, aber weniger konservativ als viele SPD-Leute. Sie hat Kunstgeschichte studiert, aber sie ist Hardcore-Politikerin. Ihr nächstes Karriereziel: Regierende Bürgermeisterin. Diese Mischung qualifiziert sie wie kaum jemanden für ihren Job. Wer interessierte sich bislang in der Politik schon für Kultur? Wer sonst investiert dafür seine Karriere, um am Ende nicht mal ein Ministeramt zu bekommen?

Grütters Einfluss beschränkt sich nicht auf ihre Häuser

Viele rühmen ihre Liberalität. Sie sprach sich für das umstrittene Megaprojekts Dau aus und kritisierte die jüngste Absage des Konzerts von Feine Sahne Fischfilet in Dessau. Andere bemängeln ihre Fixierung auf Repräsentationskultur. Kürzlich hat das BKM etwa den Berliner Anteil der Förderung der Berliner Philharmoniker übernommen, obwohl niemand verstand, warum. "Sie will sich mit denen zeigen", erklärt der Chef eines Hauses. Beides ist richtig, beides trifft nicht den Punkt. Grütters hat keine kulturelle Agenda, oder: Ihre kulturelle Agenda ist Funktion ihrer politischen Agenda und die lautet, Freunde gewinnen, Feinde neutralisieren, den eigenen Einfluss mehren, um am Ende politische Erfolge vorweisen zu können. Da sie den Geldhahn zu- oder aufdrehen kann, da sie über die Vergabe der meisten Posten entscheidet, fällt ihr das nicht schwer.
Doch sie begnügt sich nicht mit den "Zuwendungen". Sie oder ihre Beamten sitzen selbst in den Aufsichtsgremien der Institutionen. Diese Praxis, sonst undenkbar, ist im deutschen Kulturbetrieb nicht unüblich, problematisch ist sie dennoch. In der SPK etwa ist Grütters Vorsitzende des Stiftungsrats, im DHM ist ihre rechte Hand, Günter Winands, Vorsitzender des Kuratoriums. "Er ist der eigentliche Direktor", heißt es aus BKM-Kreisen. "Das DHM ist eine Regieveranstaltung der Regierung."
Grütters weist das weit von sich: "Wir mischen uns in die Inhalte aus Respekt vor der Autonomie der Häuser grundsätzlich nicht ein." Und erklärt, nur so ließen sich die Häuser kontrollieren: "Eine Aufsicht über die Finanzströme und eine good governance muss der, der die finanzielle Hauptlast trägt, schon führen." Andere sehen es umgekehrt. Nicht nur hemme man so die Entwicklung der Institutionen, auch eine "effektive Kontrolle ist so nicht möglich". "Der Staat hat sich rauszuhalten."
Doch der Einfluss von Grütters beschränkt sich nicht auf ihre eigenen Häuser. Sie sitzt in zwei Dutzend Gremien und ist Schirmherrin etlicher Kulturinitiativen. Ihre Beamten sitzen in 110 weiteren Kulturorganisationen. Zu denen gehören das Deutschlandradio und das Münchner NS-Doku-Zentrum, das Bauhaus-Archiv und die Thomas-Mann-Villa in L.A., der Deutsche Musikrat und die DFB-Kulturstiftung. Und da Grütters' Untergebene ihrerseits in weiteren Gremien sitzen - wie die Leiterin der Bundeskulturstiftung, Hortensia Völckers, bei der Documenta - pflanzt sich ihr Einfluss fort. Ziel ist maximale Verflechtung. "Das System ist eine Spinne", heißt es aus BKM-Kreisen.
Ein Produkt dieses Systems ist die betuliche Doku "Schatzkammer Berlin", die im Frühjahr in die Kinos kam und dort vor leeren Sälen lief. Sie feiert die SPK, wurde koproduziert von der Deutschen Welle und erhielt Geld von der Filmförderung. Alles aus einer Hand - und grandios misslungen.

"Disruption" dient bei ihr weniger der Innovation, sie ist Teil einer Strategie des Herrschens

Das System setzt Konsens und Goodwill voraus. Grütters aber, die gestalten und Macht ausüben will, nützt es nun für ihre eigenen Zwecke. Als Anfang des Jahres die Neubesetzung der Berlinale-Leitung anstand, plante Grütters, den Nachfolger von Dieter Kosslick ganz allein zu küren. 80 Filmschaffende protestierten, sie forderten einen transparenten Prozess, eine Findungskommission. Doch die Kommission, die Grütters schließlich einberief, bestand statt aus unabhängigen Experten nur aus drei Personen: Grütters selbst, einem Berliner Staatssekretär und Mariette Rissenbeek, der Chefin von German Films, der "Auslandsvertretung" des deutschen Films. Alle drei gehörten dem Aufsichtsrat der Kulturveranstaltungen des Bundes an, der Muttergesellschaft der Berlinale, dem Gremium, das über die Berufung entscheidet, und deren Vorsitzende Grütters ist.
Und wer bekam einen der zwei Posten? Rissenbeek selbst (der andere ging an Carlo Chatrian aus Locarno). Die meisten vergaßen das absurde Verfahren, weil sie sich über das Ergebnis freuten. Doch Grütters hat daraus nicht gelernt. Sie schimpft bis heute auf die Filmleute und behauptet, sie hätte alleine dieselbe Wahl getroffen. "Man darf auch mal unterstellen, dass es Kulturminister gibt, die wissen, was sie tun, die ein breites Netzwerk haben, die sich in der Szene gut auskennen."

Auch sonst entscheidet sie am liebsten allein. Als sie das von ihrem Vorgänger ignorierte Humboldt Forum in Fahrt bringen wollte, brauchte sie einen prominenten Kopf. Sie fand ihn in Neil MacGregor und erklärte ihn zu einem von drei "Gründungsintendanten". Dass MacGregor nur einen Beratervertrag hatte, keinerlei Entscheidungshoheit, und zwei Drittel seiner Zeit für die BBC und für ein Museum in Indien arbeitete, nahm sie zugunsten des Star-Effekts in Kauf.

"Strategische Überlegungen existieren nicht"

MacGregors Ernennung und Scheitern illustrieren aber auch gut, wie sehr sie oft auf Glamour und PR setzt, ohne Rücksicht auf Verluste. Eines ihrer aktuellen Lieblingsprojekte ist das Museum des 20. Jahrhunderts, das die Architekten Herzog & de Meuron auf das letzte freie Grundstück des Berliner Kulturforums bauen werden. Standort, Entwurf und Konzept des Museums wurden fast einhellig verrissen. Grütters peitschte das Projekt dennoch durch die Instanzen. Dass der Bau statt 200 Millionen Euro mehr als 400 Millionen kosten wird, ist der Preis für ihren Sieg.
Das Museum, eines von vielen Prestigeprojekten, wäre weniger umstritten, wenn es in den alten Häusern nicht an allem fehlte. "Für die Pflege des Altbestandes gibt es kein Geld, er bröselt weg." Gehe es so weiter, müssten in Berlin in absehbarer Zeit Häuser schließen. "Der Bund stattet seine Institutionen miserabel aus", sagt der Chef eines Hauses. "Er wird seiner Verantwortung nicht gerecht."

Grütters tut das als Weinerlichkeit ab. "Ich habe bei der SPK immer wieder Millionensummen draufgelegt." Sie will statt Klagen mehr Ehrgeiz, mehr Blockbuster, mehr Innovation, mehr Führung. Sie mag teils recht haben, aber sehr konstruktiv wirken ihre Machtspiele mit SPK-Chef Hermann Parzinger nicht.
Auch die Entscheidung, im Humboldt Forum keinen Eintritt zu verlangen, und die übrigen Museen damit in einen Preiskampf zu zwingen, ist so ein PR-Stunt. "Da muss ich mir doch ein grundsätzliches Modell überlegen", sagt ein Kulturpolitiker. Ein anderer sieht hier ein größeres Defizit. "Sie fragt nicht: Was tut langfristig gut? Strategische Überlegungen existieren nicht." Grütters beteuert, sie habe mit den Beteiligten gesprochen, außerdem sei mehr Konkurrenz unter den Institutionen und innerhalb dieser durchaus gesund.
Doch disruption dient bei ihr weniger der Innovation, sie ist Teil einer Strategie des Teilens und Herrschens. Besonders wenn sie persönlich involviert ist, gibt sie Kommandos und erwartet Gehorsam, auch wenn es nicht immer ausgesprochen werden muss. Das konnte man an der Ausstellung "Bestandsaufnahme Gurlitt" ablesen, die Grütters bei der Bundeskunsthalle in Auftrag gab. Selbstverständlich konnten die Kuratoren die problematische Rolle des BKM dort nicht zum Thema machen. Selbstverständlich beteten sie das offizielle Narrativ von der Raubkunstsammlung nach und taten alles, um zu verschleiern, dass unter den mehr als 2000 Werken nur sechs Raubkunstfälle waren.
Grütters festigt ihre marktbeherrschende Stellung immer mehr, bläht ihren Apparat immer weiter auf. Doch da sie ideologisch so ungreifbar bleibt, da ihre Einmischungen nur strategischer Art sind, und da die "Zuwendungsempfänger" weiter auf Zuwächse hoffen können, üben sie sich in Duldsamkeit. Politik und Presse sehen nicht so genau hin. Kultur ist gut, mehr Kultur ist besser, wo ist das Problem? Ohnehin sind die großen Scheine, mit denen sie den Betrieb füttert, kleine Münzen, verglichen mit dem, was für Autobahnen, Waffen oder Renten ausgegeben wird.
Doch es kann nicht richtig sein, wenn es keinen Wettbewerb um wichtige Stellen gibt, wenn Posten heute noch auf Lebenszeit besetzt werden, wenn die besten Köpfe in der deutschen Kultur nicht offen über ihre Arbeit sprechen können, weil sie fürchten, in Berlin sonst nie wieder einen Job zu finden. Die intellektuelle Lähmung ist schon jetzt spürbar.
Und was, wenn die jetzige Schönwetterperiode endet? Wenn die Etats sinken? Oder wenn Grütters' Job nach der nächsten Wahl an die AfD geht? Dann fände ihr Nachfolger beim Amtsantritt perfekte Strukturen vor, um den deutschen, vor allem den Berliner Kulturbetrieb ideologisch auf seine Linie zu bringen.
Auch Grütters selbst ist übrigens Opfer einer Kulturpolitik, in der Machtausbau auf Kosten der Offenheit geht. Kein Thema, erzählt sie, beschäftige sie gerade so wie der Umgang mit den Objekten aus der Kolonialära. Doch die guten, aufregenden Ideen dazu, die am Telefon aus ihr heraussprudeln, will sie hier nicht gedruckt sehen. Das wäre zu gefährlich.   Süddeutscher Beobachter


Wer die Affäre Hubertus Knabe verstehen will, also die Absetzung des langjährigen Direktors der Stasiopfer-Gedenkstätte Hohenschönhausen durch den linken Kultursenator Berlins Klaus Lederer, sollte bei Walter Ulbricht nachschlagen.
„Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben.“ Auf diese Weise organisierte der Stalinist ab Anfang Mai 1945 die kommunistische Machtübernahme in Ostdeutschland.
Ob Lederer das Zitat kennt, ist nicht bekannt. Jedenfalls nimmt er sich ein Beispiel daran, denn gegen Knabe, den strikt antikommunistischen Historiker, verfährt der Kultursenator nach einem leicht abgewandelten Prinzip: „Es muss alles rechtsstaatlich aussehen …“

Doch rechtsstaatlich ist Lederers Vorgehen wirklich nicht. Schon der ursprüngliche Vorwand für die Absetzung, Knabe sei nicht entschieden genug gegen Vorwürfe sexuellen Missbrauchs vorgegangen, hat sich als falsch herausgestellt. Angeblich konnte die Senatskulturverwaltung die entsprechende Akte nicht finden.
Jetzt hat Lederer eine einstweilige Entscheidung des Berliner Landgerichts von einer anderen, mit der Sache überhaupt nicht befassten Kammer aushebeln lassen. Eine derartige Missachtung des Rechtsstaates müsste zu seiner Entlassung durch den Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) führen.
Sollten Gerüchte zutreffen, laut denen die Senatsjustizverwaltung unter dem grünen Justizsenator Dirk Behrendt in dieser Sache Druck auf das Landgericht ausgeübt habe, Lederer zu unterstützen, wäre auch Behrendt reif für den Rücktritt – oder gleich der gesamte rot-rot-grüne Senat. Es ist aber noch schlimmer.

Auch die christdemokratische Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat sich zu sehr von Lederers politischem Feldzug gegen Knabe einnehmen lassen. Sie hat immerhin noch eine Chance.
Ein Bericht der mit Knabe persönlich verfeindeten früheren Stasiunterlagen-Beauftragten Marianne Birthler hat offenbar nur üble Nachrede zutage gefördert und scheint entlastende Aussagen zu ignorieren. Das gäbe Grütters die Möglichkeit, Knabe in sein Amt zurückkehren lassen.
Allerdings: Die Reputation der Stasiopfer-Gedenkstätte ist massiv beschädigt. Das ist genau das, was Klaus Lederer vermutlich wollte. Es sollte nur alles rechtsstaatlich aussehen.  Sven Felix Kellerhoff







Ein Leserbrief an Alexander Wendt

Lieber Alexander Wendt,
Ihren Text “Rausch und Reinheit” habe ich heute auf der Achse des Guten gelesen, und ich verdanke Ihnen die Lösung eines Rätsels. Ich bin Schriftstellerin, Jahrgang 42, DDR-Gewächs und als solches schon vor 1989 unrühmlich aufgefallen. Vor zwei drei Monaten klickte ich in meinem Wikipedia-Eintrag aus Zufall auf “Diskussion” und fand dort den Eintrag, daß ich zu den Unterzeichnern der Erklärung 2018 gehöre. Große Verwunderung, was das soll. Jetzt weiß ich, was das soll und wundere mich auch nicht mehr über die “Zurückhaltung” der Leute im Literaturgeschäft, seien es Verlage oder Buchhandlungen.
Was Sie über “rechte Bücher” in Buchhandlungen schreiben, trifft auch auf Bibliotheken zu, so in Potsdam 2017. Dazu schrieb ich einen Leserbrief, den die Potsdamer Neuesten Nachrichten auch veröffentlichten:
Leserbrief
“Ich habe den Bericht „Umstrittene Bücher in der Bibliothek“ (PNN, 27. 12.) mehrmals gelesen, weil ich nicht glauben wollte, was da stand. Es war wie ein déjà vu – Erlebnis. In welchem Land, in welcher Stadt, in welcher Zeit lebe ich eigentlich, fragte ich mich verwundert. Mein Mann, gelernter Bibliothekar, hat die Verbreitung des Braunbuchs über den Reichstagsbrand 1933 mit vier Jahren Zuchthaus, anschließend KZ und  Strafbataillon bezahlt. In der DDR wurde er wegen seines Einsatzes für Meinungsfreiheit mehrmals schwer gemaßregelt und starb schließlich nach seinem letzten Parteiverfahren wegen der Einfuhr von Büchern wie Solshenizyns „Archipel Gulag“ und Rosa Luxemburgs „Die russische Revolution“ an einem Herzinfarkt. Als Studentin der Kulturwissenschaft an der Humboldt-Uni scheiterte ich regelmäßig an dem „Giftschrank“ der Staatsbibliothek, wenn ich Bücher wie Egon Friedells „Kulturgeschichte der Neuzeit“ oder Titel von Arnold Toynbee entleihen wollte. Weder der Nationalsozialismus noch der Sozialismus gewährten die Freiheit der Gedanken, der Rede, der Presse. „Freiheit des Andersdenkenden“ war eine Hauptforderung der Bürgerbewegung in den achtziger Jahren, die wir mit dem Mauerfall endlich, endlich erreicht zu haben glaubten. Und jetzt kommen wieder wie einst sich als Volkserzieher aufspielende Ideologen daher, die uns diesmal im Namen von Toleranz und Demokratie das Denken abgewöhnen und uns vor dem „Bösen“ bewahren wollen. Bücher, die ihrer beschränkten Weltsicht widersprechen, werden einfach als rechtsextrem verteufelt. Von dem italienischen Schriftsteller Ignazio Silone (1900-1978) stammt das Wort: „Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: ‘Ich bin der Faschismus.’ Nein, er wird sagen: ‘Ich bin der Antifaschismus.´”
Sigrid Grabner”

Lieber Herr Wendt, ich hätte mir 1990 nicht träumen lassen, wohin die Reise im vereinigten Deutschland geht. Die Demokratie im Würgegriff wahnsinnig gewordener Ideologen. Ich bin inzwischen alt, und wenn ich nicht mehr gedruckt und zu Lesungen eingeladen werde, kann ich damit leben. Die noch verbleibende Spanne ist überschaubar. Sie aber sind noch jung. Bleiben Sie standhaft, machen Sie weiter. Ich danke Ihnen und wünsche Ihnen Kraft.
Ihnen herzlich verbunden
Sigrid Grabner    Publico

Ulmer Spatzen



Diese Spatzen schützen jetzt den Ulmer Weihnachtsmarkt vor Terror. Immerhin sind sie schöner als die grässlichen Bronzeskulpturen von Botero, der auch am Flughafen von Florenz einen Obesitas-Spatz aufgestellt hat, der bisher noch nicht in die Luft gesprengt wurde.



(nur Satire)


Mit diesen das Augenlicht beleidigenden Spatzen "protestiert" Botero gegen Gewalt

Mittwoch, 28. November 2018

Jan Nolte & Maximilian T.




Nach langer Wartezeit durfte ich heute meinen Mitarbeiter Maximilian T. im Bundestag willkommen heißen. Alle Vorwürfe gegen ihn wurden fallen gelassen und sein Mitarbeiter-Ausweis konnte ihm nach mehrwöchiger Prüfung endlich ausgestellt werden. Frau von der Leyen darf nun gerne Verbindung mit dem Büro Nolte aufnehmen, um sich persönlich bei ihm zu entschuldigen. Unsere Türen stehen offen.

Atemberaubende Unverfrorenheit

Sehr aufschlussreich ist dieser Bericht der Tagesschau vom 11. August 1998. "Nach Merkels Worten bringen alternative Energien absehbar nur begrenzten Nutzen", heißt es dort über die Umweltministerin, das eigentliche Thema der Meldung damals war allerdings "der Streit um die Atomenegie, eines der wenigen heißen Wahlkampfthemen" (wie idyllisch). Die Physikerin Merkel, zugleich Ministerin für Reaktorsicherheit, hielt den Atomausstieg damals für "sicherheitstechnisch absolut nicht geboten" und für "wirtschaftlich unsinnig". Das war nach dem Unglück von Tschernobyl (ca. 50 unmittelbare Todesopfer, ca. 9000 tödlich Strahlenkranke und ca. 25.000 Krebserkrankungen als Folge), aber vor der Riesenkatastrophe von Fukushima (0 Tote außerhalb des Kopfes von Claudia Kiping-Eckardt) und vor der spontanen Modernisierung der christdemokratischen Klientelakquisevorschriften.

Planlos

Der stets klarsichtige Markus Vahlefeld macht sich kluge, vielleicht allzukluge Gedanken daüber, warum das Merkel-Syndikat den Aufstieg der AfD "hingenommen" habe, wie der andere aktuelle Rivale von Merkel II. seiner Truppe vorwirft. Das Schlüsselwort heiße "asymmetrische Wählermobilisierung", führt Vahlefeld aus. Die Merkel-CDU habe vor Zeiten kosende Blicke auf die sogenannten urbanen Wählerschichten zu werfen begonnen, die Angehörigen der linksgrünen Großstadtschickeria, die einer globalistischen Umwelt- und Humanitätsreligion folgen und "nichts von dem ausbaden müssen, was sie an politischen Katechismus in die Welt posaunen". Atomausstieg und Grenzöffnung waren "grandiose Schachzüge, um diese Wähler der CDU zuzuführen". Die rigide Klientelumschichtung, die Merkel ihrer Partei verschrieb, brachte natürlich auch einen Klientelschwund mit sich, die CDU büßt seither konstant sogenannte Wählergunst ein, freilich weniger als die auf ähnlichen Pfaden wandelnde SPD, doch vor dem Hintergrund, dass auch eine schwindende Union die stärkste Kraft der "demokratischen Mitte" bleibt – Vahlefeld schreibt "ewig", darauf würde ich nicht wetten –, stünden ihr Koalitionen mit allen Parteien offen, sogar mit der Linkspartei. Damit habe die Union das Monopol auf Regierung und Kanzlerschaft, und mehr wollen Parteien bekanntlich nicht, wenn sie erst einmal verstanden haben, wie illusionslos der demokratische Hase läuft.

Das Diktum von Franz Josef Strauß, dass es rechts der CDU keine demokratisch legitimierte Partei geben dürfe, "wurde ja bisher so interpretiert, dass die Union eben auch diese hässlichen rechten Wähler an sich binden müsse", notiert Vahlefeld. "Erst Angela Merkel interpretierte es ästhetisch schöner: Wir als CDU verzichten auf diesen hässlichen rechten Wähler, lassen eine neue rechte Partei zu, sprechen ihr in der Folge aber einfach die demokratische Legitimation ab. Und siehe: Die CDU wurde für diese urbanen Wählerschichten auf einmal vom hässlichen Entlein zum schönen Schwan."

Von hier ab ist es Vahlefelds Spekulation, die hässlich wird, was ihre Plausibilität nicht tangiert. Die vielbeklagte Spaltung der Gesellschaft, die bekanntlich nicht nur in Deutschland den Rechtspopulisten in die Schuhe geschoben wird, sei kein Kollateralschaden, sondern vielmehr "politisch geplant" gewesen, schreibt er. Wer Macht wolle, benötige einen Feind, einen möglichst diabolischen, aber besiegbaren Feind, dessen Niederwerfung die Macht legitimiere, notfalls auch ihren Missbrauch. Die bis zum letzten Provinzkabarettisten durchgesetzte Stigmatisierung der Opposition als Paria-Truppe soll garantieren, dass sie Minderheit bleibt, aber in den gelenkten Medien zugleich als große Gefahr dargestellt werden kann, wobei es witzigerweise die Landesverräter sind, die Verrat! schreien, diesmal eben nicht mehr Verrat an Volk, Führer und Vaterland, sondern an der Demokratie, den Menschenrechten und dem Fortschritt insgesamt. Da das "moralisch geläuterte, grenzenlose und pazifistische Deutschland" keine äußeren Feinde mehr akzeptiere, habe der Feind "ins Innere transformiert" werden müssen. "So pazifistisch sich die Gutmeinenden geben, in letzter Konsequenz wollen sie nicht den Krieg, sondern den Bürgerkrieg gegen diesen inneren Feind." Dessen Vorboten seien sichtbar. Auch das gehöre zu Merkels Vermächtnis.

Ich habe keinen Einwand gegen die These, dass die Kanzlerin der Herzen den Bürgerkriegsindex in 'schland signifikant erhöht hat (und die Endphase der Nerobefehle läuft ja eben erst an). Mein einziger Einwand gegen diese Art Theorie ist der, dass sie die Intelligenz der Akteure sehr hoch veranschlagt und ihnen eine prognostische Sicherheit unterstellt, der sie folgen wie ein bei starkem Nebel landendes Flugzeug dem Leitstrahl. Ich meine vielmehr, dass Merkel aus Feigheit, Schwäche und Opportunismus (und fehlender Loyalität ihrem Land gegenüber) in diese Situation geraten ist und dass sie den Karren aus Gründen von Sturheit, Rechthaberei und Ätschbätsch nun weiter gegen die Wand fährt. Gewollt hat sie es, frei nach Karl Kraus, womöglich nicht; es ist ihr bloß gelungen.   MK am 28.


Dem wäre nur noch hinzuzufügen, dass Merkeln sich nicht einmal - obwohl das oft behauptet wird - an Meinungsumfragen orientiert. Nein, sie orientiert sich nur an den von den Medien veröffentlichten Meinungen. Genau darauf weisen Kernkraftausstieg und Grenzöffnung hin! Und die Medien danken es ihr. Es ist so einfach, dass es keiner glauben kann.

Illusionen


Eins.
Die Eltern von Maria Ladenburger – zur Erinnerung: Es handelt sich um ein neunzehnjähriges Kollateralopfer der Willkommenkultur, das zu Freiburg von einem Geflüchteten zu Tode ge..., nun, Sie wissen schon –, die Eltern von Maria Ladenburger wollen sich von der "tiefen Erfahrung von Unmenschlichkeit durch Marias Tod" nicht desillusionieren lassen. (Einschub: "Ich habe gefunden, es soll nicht sein", sagt Adrian Leverkühn im "Faustus", und auf die Frage, was nicht sein solle, erwidert er bekanntlich: "Das Gute und Edle, was man das Menschliche nennt, obwohl es gut ist und edel." Eine Vergewaltigung, das lehren tausende Jahre Geschichte, ist zutiefst menschlich, wenngleich es zivilisatorische Abstufungen gibt, die zur Kenntnis zu nehmen in moralisch erlauchten Kreisen wohl unter Rassismus fiele.) Die Ladenburgers also haben eine Stiftung zur Unterstützung von Studierenden (früher: Studenten) mit Behinderungen gegründet, die aber auch Studierenden zugute kommen soll, die zugleich Geflüchtete sind, meldet die Bild-Zeitung. Der Vater wird mit den Worten zitiert: "Maria hätte sich nie durch Hass und Hetze davon abbringen lassen, ihre Möglichkeiten zu nutzen, Gutes zu tun. Sie war zupackend, hoffnungsvoll, solidarisch und weltoffen." Ob sie in ihren letzten Minuten ihre Meinung geändert hat, werden wir nie erfahren, aber wir wissen immerhin, dass die Illusionen der Eltern in die Kategorie der regierungsoffiziell erwünschten und zivilgesellschaftlich akklamierten Illusionen gehören.

Zwei.
Die 65jährige Christina Öberg aus Jönköping muss wegen "Hetze gegen Volksgruppen", ein Delikt, das in Schweden zunehmend verfolgt wird, seit dort gewisse Einzelfälle gegen die Volksgruppe der Schweden und vor allem Schwedinnen nicht wirklich registriert werden, ins Gefängnis. Pikant daran ist, dass die ältere Dame vor zwei Jahren von "unbegleiteten Minderjährigen" zusammengeschlagen und ernsthaft verletzt wurde. Seitdem hat sie Probleme mit dem Gedächtnis, was sie freilich nicht hinderte, ein Absinken des schwedischen Durchschnitts-IQ durch die Aufnahme von Migranten zu behaupten, was zwar nicht falsch, aber Hetze ist, zumal sie behauptete, es werde auf dermaleinst Goldfischniveau fallen. Außerdem rief sie dazu auf, Moscheen abzureißen. In diesem Fall ist es mit den erwünschten Illusionen also einstweilen gründlich schiefgegangen, weshalb Härte angezeigt ist, aber vielleicht lernt die schimpfende Vettel im Knast ein paar nette Goldfische kennen, die sie bekehren.

Drei.
Was uns die Schweden an Toleranz noch voraus haben, spornt deutsche Engagierte an. Die Amadeu-Antonio-Stiftung will nun möglichst früh zu Vielfalt, Buntheit, Weltoffenheit, Teilhabe und Respekt erziehen. Dafür hat die dortige "Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus" eine "Handreichung" namens "Ene, mene, muh und raus bist du!' – Zum Umgang mit Rechtspopulismus und Menschenfeindlichkeit in Kitas" fabriziert, die keinen Zweifel daran lässt, wer nach dem Ab- oder Anzählen "raus" muss. "Gesellschaftliche Konflikte machen auch vor der Kitatür nicht halt", heißt es dort. Pluralismus im Parlament ist ja übel genug! "Rechtspopulist*innen versuchen auch und gerade in Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit, ihre Ideologien durchzusetzen und menschenfeindliche Positionen zu verbreiten. Gleichzeitig sind (antimuslimischer) Rassismus, Antisemitismus sowie Homo-und Transfeindlichkeit keine Phänomene des rechten Rands, sondern längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Diskriminierung und Ausgrenzung betreffen auch Kinder in der Kita, die Erfahrungen von Ungleichbehandlung machen. Eltern und Erzieher*innen bringen ihre Weltanschauung und Vorurteile mit in die Kita, die eigentlich ein Ort der Vielfalt und Akzeptanz sein sollte."

Wenn Sie gerade, wie ich, an Ihrer Steuererklärung sitzen, denken Sie immer daran: Sie arbeiten nicht zuletzt, um Vielfalt und Akzeptanz zu sponsern, "antimuslimischen Rassismus" zu bekämpfen und den außerparlamentarischen Opportunismus (APO 2.0) zu stärken. Ihre Kinder und deren Erzieher werden es Ihnen danken!

Die Broschüre, heißt es weiter, "sensibilisiert" gegenüber "Strategien rechter Akteure" und wirke einer "Normalisierung rechtsextremer und menschenfeindlicher Einstellungen im frühkindlichen Bildungsbereich entgegen". Weiter lesen Sie hier; ich breche ab, denn ich kenne den Text ohnehin, weil er von dort stammt, wo ich herkomme.

"Sollen Kindergärten die politische Gesinnung der Eltern überprüfen?" fragt allen Ernstes die BZ. Als ob da noch Fragen offen wären; IM "Victoria" wartet nun schon 30 Jahre darauf!  MK am 28.


Der Weise streift die Illusionen nacheinander ab, indem er sie wie eine Reihe von Gemächern durchschreitet und zum Schluss im Adyton ankommt. Bei Kafka ist es genau umgekehrt: jedes Gemach führt in eine irrere Wahnvorstellung und schließlich in die Hölle. Wenn man bedenkt, mit welcher Bravur Kafka dabei die spröde deutsche Sprache anwendet, kommt man zu dem Schluss, dass eigentlich nur der Teufel selbst seine Texte geschrieben haben kann.

SPD




Lauterbach kennt seinen Marx und dessen Arbeitswerttheorie. Nur ist die eben so falsch wie das Geozentrische Weltbild. Der Gewinn des einen ist eben nicht der Verlust des anderen. Es gibt aber offenbar Leute, denen 90 Minuten der Zeit von Michelle Obama mehr wert sind, als eben die 800K. Und Frau Obama ist ihre Zeit so kostbar, dass sie sie für weniger nicht verkauft. Sowas nennt man einen Markt, Herr Lauterbach, und der funktioniert nur, wenn es win-win-Geschäfte gibt. Dass die Obamas dessen Mechanismen nutzen, macht sie nicht gierig, sondern scheinheilig. Denn sie predigen ja etwas gänzlich anderes.

Tja, das werdet ihr Kartoffeln euch wohl anhören müssen




Ab Minute 2:30!

Gesichtslosigkeit und historische Demenz

Wer den hiesigen Geschichtsunterricht, vielleicht sogar das deutsche Schulsystem insgesamt skizzieren will, kann auf die oft abgründige amerikanische Zeichentrickserie »Die Simpsons« zurückgreifen. Dort wird Rektor Skinner von einer jungen Lehrerin zur Rede gestellt, weil er aus Kostengründen alte Gymnastikmatten schreddern und unters Schulessen mischen lässt. »Sie ruinieren die Zukunft unserer Kinder«, empört sich die Kollegin, woraufhin Skinner antwortet: »Diese Kinder haben doch gar keine. Daran arbeiten wir schließlich jeden Tag!«
Was als böser Witz gemeint war, beschreibt die Wirklichkeit. Selbst Abiturienten können kaum einfache mathematische Aufgaben lösen, ihre Kenntnis von Orthografie und Kommasetzung ist bestenfalls rudimentär. Immer mehr Schulabgänger sind funktionale Analphabeten – also Personen, die zwar die Buchstaben ihrem Namen nach kennen, aber nach 9, 10 oder 12 Jahren Schule nicht so lesen können, dass sie den Sinn eines Textes erfassen. Das Handwerk stöhnt über Lehrlinge, die nicht wissen, wie viele Zentimeter einen Meter ergeben oder wie man ein Drittel von 90 Kilo berechnet; Professoren über Studenten, die trotz »Hochschulreife« nicht ansatzweise die Voraussetzungen für ein Studium erfüllen.
Vernünftige Lehrer, die es durchaus gibt, warnen schon seit Jahren vor dem keineswegs schleichenden Niedergang des einst führenden Bildungssystems der Welt. Nun allerdings ist das Werk von Gleichheitswahn, Bildungsreformen und Gewerkschaftseinfluss weitgehend vollendet.

Die deutsche Schule ist das bildungspolitische Pendant zum Berliner Flughafen BER: Eine Ruine, die nur noch zum Abriss taugt!

 

Nirgends wird das so deutlich wie im Geschichtsunterricht, seit jeher das Ziel fast jeder Attacke linker Schulpolitik. Schon der sozialdemokratische Kultusminister Ludwig von Friedeburg, verantwortlich für die nachhaltige Ruinierung des hessischen Bildungssystems in den 1980er-Jahren, wollte den Geschichtsunterricht abschaffen. Seit 1945, so meinte er, wisse man, auf welcher Seite falsch und richtig stünden. Eine Unterrichtung in Sachen Historie sei daher überflüssig; stattdessen sollte Sozial- oder Gemeinschaftskunde gestärkt werden.
Der Vorschlag verbarg die eigentliche Absicht. Wer in Geschichte bewandert ist, weiß nicht nur um Orts- und Zeitgebundenheit der eigenen Meinung oder um die Ambivalenzen der menschlichen Existenz. Er weiß, dass in der Historie kaum etwas eindeutig ist, dass sie fast nie richtig oder falsch kennt und sich allen Planungen gegenüber vehement verschließt. »Die Notwendigkeit ruft und der Zufall antwortet.«
Linken Gesellschaftsreformern war diese prinzipielle Offenheit, aber auch die mit jeder historischen Kenntnis einhergehende Skepsis und Relativierung der eigenen Position immer ein Graus. Denn guter Geschichtsunterricht macht ideologieresistent. Das aber ist genau das Gegenteil von dem, was die Vertreter von Multikulti, Gender, Klimawandel oder offenen Grenzen gebrauchen können.

So war der Geschichtsunterricht immer die wichtigste Säule konservativer Bildung, die gestürzt werden musste. Wer keinen Halt in der Vergangenheit hat und keine historischen Maßstäbe, ist jeder Einflüsterung hilflos ausgesetzt; wer das tausendfache Scheitern linker Utopien nicht kennt, die millionenfachen Morde auf dem Weg zur immer neuen klassenlosen oder gerechten Gesellschaft, wird die heutigen Sirenengesänge nicht als solche erkennen.
Ältere Geschichtslehrer winken längst ab. Was sich heute an Schulen Geschichtsunterricht nenne, habe damit kaum noch etwas zu tun. Immer neue Reformen, oft im Jahrestakt, habe jede verlässliche Lehrplanstruktur zerstört. Das Bestehen auf abrufbaren Geschichtsdaten sei als »Faktenhuberei« verpönt, ebenso jede Chronologie. Stattdessen werde Weltgeschichte als Potpourri gelehrt: hier ein Krieg, dort Kolonialisierung, da der Weber­aufstand, hier die Reformation. Über das bloße Ereignis hinaus habe nichts eine Wirkung, Zusammenhänge gebe es nicht. Dass Vergangenheit nie vergangen ist, sondern in die Gegenwart wirkt, bleibt auf diese Weise unverständlich. So ist Geschichte nur ein Flickenteppich, wo sie Trapeznetz sein sollte: Mit klaren Verbindungslinien und Strukturen, die im Notfall Halt geben.

Hinzu, so viele Pädagogen, käme ein Lehrmaterial, das nicht einmal mehr den Versuch mache, den Eindruck von Ideologisierung und Voreingenommenheit zu verdecken.

 

Wurden früher Geschichtsbücher für den Unterricht von ausgesuchten Professoren entworfen und von Kollegen gewissenhaft geprüft, lasse man heute den wissenschaftlichen Mitarbeitern der Verlage weitgehend freie Hand. Das zeige sich dann in der Qualität der Lehrwerke. Nicht wenige wimmelten von Fehlern, seien in Gewichtung und Schlussfolgerungen fraglich oder schlicht irreführend. So fände beispielsweise die Geschichte der DDR so gut wie gar nicht statt, ebenso wenig wie die Verbrechen des Kommunismus. Sie seien wie ausgeblendet. Und das wohl mit Willen.
Schließlich, auch das ist oft zu hören, habe die Herrschaft der Didaktik den Geschichtsunterricht zerstört. In dem voranschreitenden Bemühen, den Noten­durchschnitt zu erhöhen, werde immer weiter simplifiziert: Geschichte als Extrakt im Sinne von Reader‘s Digest, als »Häppchen-Historie«. Alles werde »empfängergerecht« aufbereitet, jede Anstrengung vonseiten der Schüler vermieden. Die früher selbstverständliche Hausaufgabe, übers Wochenende 30 oder 50 Seiten zu lesen und zusammenzufassen, sei heute völlig undenkbar. Schüler würden sich sofort beschweren, ebenso die Eltern. Auch unter ihnen seien viele, die den Zweck der Schule vor allem darin sähen, es den Schülern leicht zu machen. Und der Sinn von Geschichtsunterricht liege für nicht wenige völlig im Dunkeln. Sie habe auch ohne Kenntnis der Französischen Revolution ihr Leben gemeistert, meinte eine Zahnärztin. Für den Brotberuf mag das richtig sein; aber als Staatsbürger scheiden solche Leute aus.

Zusammen mit der Umformung des Geschichtsunterrichts wurden auch andere Fächer abgeschafft, die für Verwurzelung in Traditionen stehen. Während in vielen Ländern der Unterricht mit dem gemeinsamen Singen heimatlicher Lieder beginnt, herrscht in dem Land, das überall außerhalb der Landesgrenzen für sein Liedgut bewundert wird, tiefe Stille. Jeder halbwegs gebildete Europäer ist selbstverständlich in der eigenen Kultur zu Hause, ob Italiener, Engländer oder Pole. Hier kennen immer weniger Schüler die Werke von Kleist oder Novalis, können Gotik nicht von Barock unterscheiden, Dürer nicht von Holbein, Bach nicht von Beethoven. Dass an vielen Schulen Kunstunterricht als Malen und Basteln verstanden wird, nicht aber als Kunstgeschichte, ist ebenfalls Teil der linken Entwurzelung.
Freuen kann das nur Zyniker. Denn der entwurzelte Mensch ist immer der amoralische Mensch. Wer die Vergangenheit und sein Herkommen nicht kennt oder schätzt, wird auch der Zukunft gegenüber gleichgültig eingestellt sein. In der Politik führt das immer in die Katastrophe.   Nicolaus Fest

Die Kompetenzfestungen und die Bastion der Inkompetenz


Der Schickeria-Islam







Gazelle und Gucci


(Laila Mirzo)

Dienstag, 27. November 2018

Aust kommt zur Vernunft




Der Migrationspakt – eine Einladung an alle?
Der UN-Migrationspakt spaltet Deutschland – wie schon die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Doch die Folgen des Regelwerks werden viel gravierender sein als die Entscheidung Angela Merkels 2015, die Grenzen nicht zu schließen.
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Es war einmal eine Stadt in einem Land am Rande des großen Meeres, die war so schön, dass sie ihren Besuchern wie ein Traum aus „Tausendundeiner Nacht“ erschien. Erhabene Zinnen thronen über verschlungenen Gassen und farbenprächtigen Basaren. Eine Metropole wie ein Märchen. Eine Stadt, wie gemacht für ein Treffen der Völkergemeinschaft. In Marrakesch wird am 10. und 11. Dezember der UN-Migrationspakt feierlich verabschiedet. Von Staatschefs oder den Gesandten aus über 180 Ländern.
Auch aus Deutschland, wenn alles nach dem Plan der Kanzlerin läuft. Drei Tage nach ihrem Rückzug vom Parteivorsitz und drei Jahre vor ihrem geplanten Abschied als Bundeskanzlerin. Einige Länder, bis jetzt die USA, Österreich, Ungarn, Australien, Israel, Polen, Tschechien, Bulgarien und Estland, werden nicht an Bord sein, wenn die Arche Noah der Vereinten Nationen in See sticht – als ultimative Rettungsmission für alle Migranten dieser Welt, die sich auf den Weg zu den wohlhabenden Staaten machen –, Deutschland ganz vorneweg.
Wenn die Kanzlerin klug ist, wird sie sich danach so schnell wie möglich aus der aktiven Politik zurückziehen, um die Folgen des Migrationspaktes nicht mehr in Amt und Würden miterleben zu müssen. Denn nach dem Strom der Asylbewerber dürfte es jetzt zu einem weiteren Strom kommen, dem der Migranten aus wirtschaftlichen Gründen. Und die müssen noch nicht einmal auf ihre Anerkennung warten.
„Eine Situation wie die des Spätsommers 2015 kann, soll und darf sich nicht wiederholen“, sagte Angela Merkel auf dem CDU-Parteitag am 6. Dezember 2016 in Essen und meinte damit die De-facto-Öffnung der Grenzen für einen Flüchtlingstreck aus Ungarn über Österreich am 5. September 2015. „Wir haben diese Entscheidung aus humanitären Gründen gefällt“, hatte sie diese Entscheidung damals drei Tage später im Bundestag gerechtfertigt.
Sie hatte gesagt: „Diejenigen, die als Asylsuchende zu uns kommen oder als Kriegsflüchtlinge anerkannt werden, die brauchen unsere Hilfe, damit sie sich schnell integrieren können.“ Die Kanzlerin stellte aber auch klar: „Diejenigen, die nicht vor politischer Verfolgung oder Krieg flüchten, sondern aus wirtschaftlicher Not zu uns kommen, werden nicht in Deutschland bleiben können.“ Hilfe ja, Massenmigration aus wirtschaftlichen Gründen nein.
Das soll sich nun offenbar ändern. Der UN-Migrationspakt weitet de facto die Rechte von Asylsuchenden und Kriegsflüchtlingen auf all jene aus, die aus – nachvollziehbaren – wirtschaftlichen Gründen ihre Heimatländer verlassen und ihr Wohl in den reichen Regionen der Welt, vornehmlich in Europa suchen. Es handelt sich nicht um ein im völkerrechtlichen Sinne verbindliches Abkommen, sondern um Absichtserklärungen, Leitlinien, sogenannte Soft Laws.
Doch diese entwickeln erfahrungsgemäß ihre eigene Dynamik, werden von den mächtigen NGOs (Nichtregierungsorganisationen) als Maßstab für die Beurteilung von Regierungshandeln genutzt und dürften Stück für Stück in die entsprechenden Gerichtsverfahren zu Asyl und Abschiebung einsickern. Konsequenterweise hat schon jetzt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages unter Bezugnahme auf das Außenministerium wörtlich erklärt: „Die Bundesregierung strebt ein politisch, nicht jedoch rechtlich verbindliches Abkommen an.“ Die Formulierung jedenfalls sollte ähnlich an noch offiziellerer Stelle auftauchen. Und: Im Endeffekt dürfte es wohl auf dasselbe hinauslaufen.
Die Entstehungsgeschichte des Migrationspaktes zeigt das überdeutlich. So schrieben im April 2018 die Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik Steffen Angenendt und Nadine Biehler über den „Zero Draft“, eine Art Vorentwurf des Paktes, es sei „ein guter, aber noch kein hinreichender Schritt“; er sei zwar positiv zu bewerten, aber noch nicht ambitioniert genug. Und dann kommen die beiden Autoren zur Sache: „Weltweit steigt die Zahl von Flüchtlingen und Migranten, und beide Gruppen vermischen sich zunehmend.“
Viele Regierungen seien angesichts der „gemischten Wanderungen“ nicht fähig oder nicht willens, ihre Schutzverpflichtungen gegenüber Flüchtlingen zu erfüllen. „Abschottung und nationale Alleingänge nehmen zu – mit der Folge, dass der globale Flüchtlingsschutz erodiert.“ Dem soll nun offenbar mit dem Migrationspakt entgegengewirkt werden: Unbegrenzter Zuzug und gleiche Rechte für alle.
Ausnahme, die zum Dauerzustand wurde
Die Stiftung Wissenschaft und Politik ist nicht irgendeine Stiftung, sondern praktisch der Thinktank der Bundesregierung. Sie wird auf Vorschlag des Bundestages aus dem Haushalt der Kanzleramtes finanziert. Kern des UN-Migrationspakts, das wird immer deutlicher, ist es, die unübersichtliche Einwanderung von Asylbewerbern, Flüchtlingen aus Kriegsgebieten und anderen Migranten dadurch zu regeln, dass man illegale Migration legalisiert. Anscheinend soll in der Migrationsfrage die Politik die Oberhand über das Gesetz haben.
Eine solche Vorgehensweise hatte Angela Merkel am 4. September 2015 vorexerziert, als sie – offenbar in Ausübung ihrer Richtlinienkompetenz als Bundeskanzlerin – einer im Marsch befindlichen Flüchtlingsgruppe von anfangs 2000 Personen, die sich aus Ungarn über Österreich in Richtung deutsche Grenze zubewegte und unterwegs immer größer wurde, die Einreise offiziell erlaubte.
Am Münchner Hauptbahnhof kamen am nächsten Morgen fast 7000 Asylsuchende an. Am 11. September 2015 erklärte Merkel dazu in einer Pressekonferenz gemeinsam mit dem österreichischen Bundeskanzler Faymann: „Wir haben... in einer akuten Notsituation eine Entscheidung getroffen, die ja auch als eine humanitäre Ausnahme bezeichnet wurde, um Menschen zu helfen.“ Es war eine Ausnahme, die zum Dauerzustand wurde: Bis Ende 2016 kamen mehr als eine Million Flüchtlinge nach Deutschland.
Die Kanzlerin hatte damit praktisch den Artikel 16a des Grundgesetzes außer Kraft gesetzt: (1) „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.“ (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Genfer Konvention gilt. Dazu diente Absatz 5, nach dem das europäische Recht den Grundgesetzartikel überlagern kann.
Das sogenannte „Selbsteintrittsrecht“ eines EU-Staates, als Ausnahmeregelung konzipiert, wurde zur Regel. Zwar wurden schon vorher keine Asylbewerber aufgehalten, die unerlaubt nach Deutschland weiterreisten. Doch Merkel erteilte dieser illegalen Masseneinwanderung den regierungsamtlichen Segen.
Der international renommierte Bonner Völkerrechtler Matthias Herdegen formuliert das eleganter, aber im Ergebnis ähnlich hart: Die Bundesregierung habe diese Einschränkungen des Grundgesetzartikels 16a „und auch die Sicherung des europäischen Asylsystems in Deutschland, gewissermaßen gegen die eigenen Interessen handelnd, zerstört. Das europäische Asylsystem liegt in Trümmern. Ein neues System ist nicht absehbar“.
Am 13. September 2015 untersagte Innenminister Thomas de Maizière nach kurzen Telefonaten mit seiner Kanzlerin dem Präsidenten der Bundespolizei, die Grenze nach Österreich zu kontrollieren und Asylbewerber, die aus einem sicheren Drittland kamen, dorthin zurückzuweisen. Auch als später Spitzenbeamte des Innenministeriums in einem sogenannten Non-Paper feststellten, dass es keine juristischen Hindernisse für eine Rückweisung gegeben habe, wurde diese Politik nicht geändert. Das Papier wurde geheim gehalten.
Der Grundgesetzartikel 16a wurde weder vom Parlament geändert oder gestrichen noch von irgendeinem Gericht kassiert. Er verschwand gleichsam in der rechtsstaatlichen Versenkung.
Drei Jahre nach der Nacht der offenen Grenze erklärte Angela Merkel, die Dublin-Verordnung, die eigentlich regelt, dass Migranten in dem Land Asyl beantragen und dort bis zum Abschluss des Verfahrens bleiben sollen, in dem sie erstmals EU-Territorium erreicht haben, sei „nicht funktionsfähig“. Denn, so Merkel, „nach der Theorie dürfte nie ein Migrant oder ein Flüchtling in Deutschland ankommen“.
Verträge missachtet
Tatsächlich wurde Dublin nie eingehalten, sodass die meisten Ankommenden weiterzogen, aber nicht in ihr europäisches Ankunftsland rücküberstellt wurden. Die Dublin-Verträge sahen auch vor, dass Deutschland für viele an den EU-Küstenstaaten Ankommende zuständig würde – etwa wenn schon Verwandte hier leben. Die Lage wurde immer verworrener. Aber der gute rechtsstaatliche Brauch, sich wenigstens um die Einhaltung von Verträgen zu bemühen, bis sie geändert sind, wurde abrupt beendet.
Merkel entschied sich dazu, die Missachtung der aus ihrer Sicht nicht funktionsfähigen Verträge zur offiziellen Politik zu erklären und widerlaufende Bestimmungen im deutschen Recht zu ignorieren. Der UN-Migrationspakt atmet diesen Geist, und wie mit Aladins Wunderlampe verzaubert, werden illegal Zugereiste zu legalen Einwanderern mit vollem Zugriffsrecht auf die Leistungen des Sozialstaats. Der Lockruf des Geldes dürfte nachhaltige Folgen haben: auf die Zahl der Zuwanderer und damit auch auf die Stabilität des Sozialstaates.
Der UN-Migrationspakt gießt die Herbstformel von 2015 „Refugees Welcome“ in ein 32-seitiges Papier, das weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit seit gut eineinhalb Jahren ausgehandelt wurde. Schon am 19. September 2016 hatten die 193 Mitgliedsstaaten der UN in ihrer „New Yorker Erklärung“ beschlossen, bis Ende 2018 zwei neue Rahmenwerke zu erstellen.
Das erste, ein „Globaler Pakt für Flüchtlinge“, sollte einer verbesserten Unterstützung für die Hauptaufnahmeländer von Menschen dienen, die nach den Kriterien der Genfer Flüchtlingskonvention Schutz in einem anderen Land suchten. Teil davon ist ein „Resettlement“, eine Umsiedlung, nach der schon jetzt jährlich gut 10.000 Flüchtlinge nach Deutschland umgesiedelt werden.
Im zweiten Pakt ging es um Migranten, die vor allem aus wirtschaftlichen Gründen ihre Länder verlassen. Welche Rolle die Bundesregierung dabei spielte, geht aus einem in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannten Dokument des Auswärtigen Amtes vom August 2018 hervor, veröffentlicht im Oktober.
In dem 144-seitigen Bericht mit der Überschrift „Flucht und Migration“ heißt es auf Seite 71: „Die Bundesregierung hat 2016 und 2017 ihre Zusammenarbeit mit den VN-Organisationen im Bereich Flucht und Migration weiter intensiviert. Zur Unterstützung von Flüchtlingen, Migranten und Binnenvertriebenen in Herkunfts-, Transit- und Zielländern hat die Bundesregierung substanziell die Arbeit der in diesem Bereich tätigen VN-Organisationen unterstützt.“
Und weiter in dem offiziellen Text: „Auf Basis der New Yorker VN-Erklärung vom 19. September 2016 treibt die Bundesregierung zudem die Prozesse zur Erarbeitung eines Globalen Paktes für Flüchtlinge (Global Compact on Refugees, GCR) und eines Globalen Paktes für sichere, geordnete und reguläre Migration (Global Compact on Migration, GCM) politisch, inhaltlich, personell und finanziell voran und unterstreicht dadurch ihre internationale Gestalterrolle im Bereich Flucht und Migration.“
Der Pakt für Flüchtlinge (GCR) ziele auf eine gerechtere internationale Verantwortungsteilung in großen Flüchtlingssituationen ab, der Pakt für Migration (GCM) solle Grundlage für eine global gesteuerte, sichere und reguläre Migration werden. Geradezu stolz wird auf die eigene Rolle dabei hingewiesen: „Deutschland hat die Ausgestaltung der beiden Pakte durch Textvorschläge aktiv mitgestaltet.“
Und dann heißt es in großer Offenheit, worauf es wirklich ankommt: „Beide Pakte sind als rechtlich nicht bindend, aber politisch verpflichtend konzipiert.“ Das verweist alle Beteuerungen von Politikern, dass der Pakt nicht bindend sei, zumindest in den Bereich der Halbwahrheit. Dafür wird von den Befürwortern des Pakts immer betont, dass es darum geht, die umfassenden Rechte, die Migranten heute schon in Deutschland genießen, zur globalen Regel zu machen, wohl in der vagen Hoffnung, dass auch andere Staaten die deutschen Standards einführen und damit den Migrationsdruck auf die Bundesrepublik mindern.
Mit Zuwanderung gegen Bevölkerungsrückgang
Ein klarer Fall von Wunschdenken. Die bisherigen Erfahrungen sprechen nicht gerade dafür – die nordeuropäischen Sozialstaaten Dänemark und Schweden machen beim „Refugees Welcome“ schon längst nicht mehr mit und schicken Migranten zurück, meist nach Deutschland.
Woher der Wind wehte, wurde schon aus einer Studie deutlich, die von der Abteilung für Bevölkerungsfragen der UN im Jahr 2000 veröffentlicht wurde. Titel: „Bestandserhaltungsmigration: Eine Lösung für abnehmende und alternde Bevölkerungen?“ Im englischen Original heißt das „Replacement Migration“, was auch als Ersatz-Zuwanderung übersetzt werden könnte.
Die Bedeutung jedenfalls wurde beschrieben als „Zuwanderung aus dem Ausland, die benötigt wird, um den Bevölkerungsrückgang, das Schrumpfen der Erwerbsbevölkerung sowie die allgemeine Überalterung der Bevölkerung auszugleichen“. Das wurde dann am Beispiel verschiedener Länder durchgespielt. Für Deutschland berechnete man ein Szenario, welche Zuwanderung den Bevölkerungsrückgang ausgleichen könnte: Von 1995 bis 2050 sollte es eine Nettoimmigration von 25,2 Millionen Menschen sein, wobei die Gesamtzahl der in Deutschland Lebenden auf immerhin 92 Millionen hochgerechnet wurde.
Es ging hier also nicht um eine Planung etwa der deutschen Regierung, der Bürger oder der Parteien, wie der Bevölkerungsrückgang möglicherweise durch Einwanderung von Arbeits- oder Fachkräften ausgeglichen werden könnte, sondern durch einen Plan der großen Weltbehörde, sozusagen von oben herab.
UN-Generalsekretär António Guterres wurde auch jetzt nicht müde, die Vorteile einer globalen Völkerwanderung zu preisen. Der Migrationspakt sei eine „beispiellose Gelegenheit für die politisch Verantwortlichen, die schädlichen Mythen gegenüber Migranten anzugehen und eine gemeinsame Vision zu entwickeln, durch die Migration für all unsere Nationen funktionieren kann …“
Kein Zweifel: Der Pakt sollte auch der Volkserziehung dienen. Die dahinter stehende UN-Logik: „Migranten, denen legale Einreisemöglichkeiten verwehrt werden, greifen unweigerlich auf illegale Methoden zurück. Legale Einreise zu ermöglichen, ist der beste Weg, das Stigma der Illegalität und des Missbrauchs von Migranten zu beenden.“ Der Plan besteht also darin, die Grenzen legal zu öffnen, damit sie nicht illegal überschritten werden müssen – und zwar von jedermann, aus welchen Gründen und in welcher Zahl auch immer.
Schon in einem Papier vom Dezember 2017 unter dem Titel „Migration zum Nutzen aller“ hatte UN-Generalsekretär Guterres die Zahl internationaler Migranten auf gegenwärtig 258 Millionen geschätzt – all diese sollten nach seiner Auffassung Platz in anderen, vorwiegend wohl europäischen Ländern finden.
Von solchen Zahlen ist in der jetzt vorliegenden Fassung nicht mehr die Rede, vermutlich um die abschreckende Wirkung der globalen Umsiedlungsplanung zu mindern. Der Begriff „Umsiedlung“ wird übrigens in einer Kurzinformation des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages genannt: „Resettlement (wörtlich: Umsiedlung) ist der Transfer von Flüchtlingen von einem Asylland in ein Drittland, das sich zu dauerhafter Aufnahme bereit erklärt hat.“
António Manuel de Oliveira Guterres kennt sein Thema. Er ist seit dem 1. Januar 2017 Generalsekretär der Vereinten Nationen, war von 1992 bis 2002 Generalsekretär der portugiesischen Partido Socialista (PS), von 1995 bis 2002 Premierminister Portugals und von 1999 bis 2002 Präsident der Sozialistischen Internationale. Danach amtierte er als Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen.
Unter Gleichgesinnten
Der Mann weiß offenbar genau, was er politisch anstrebt – in dem von Sozialdemokraten geführten Außenministerium der Bundesrepublik hat er erkennbar Gleichgesinnte gefunden. Doch nicht nur dort.
Auf dem Posten des Ständigen Vertreters der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen sitzt seit 2017 der Diplomat und Spitzenbeamte Christoph Heusgen, der zuvor seit 2005 der außen- und sicherheitspolitische Berater der Bundeskanzlerin war.
Wenige Wochen nachdem „Merkels Mann für heikle Missionen“ (FAZ) im November 2016 für das Amt in New York nominiert wurde, schickte er am 21. Dezember noch von seiner E-Mail-Adresse im Kanzleramt eine Nachricht an die mit ihm befreundete künftige Kabinettschefin von UN-Generalsekretär Guterres. Darin bat Heusgen um eine Stelle für seine Frau Ina bei den UN und hängte deren Lebenslauf an.
n der Mail, die der „Spiegel“ später enthüllte, hieß es: „Wenn man bedenkt, welchen Beitrag Deutschland zur Uno leistet, könnte es attraktiv für dich sein, jemanden in deinem Stab zu haben (auf der Gehaltsstufe P5, die, wie ich höre, für Ina passen würde), der beides hat: einen direkten Draht zum Kanzleramt und zum Büro des Außenministers (und zu Deutschlands künftigem Botschafter bei der UN, der die Ambition hat, 2019/2020 im Sicherheitsrat zu sitzen).“ Mit dem künftigen Botschafter wies Heusgen, ganz Diplomat, auf sich selbst hin. Am Ende bekam seine Frau tatsächlich die Stelle bei den UN in New York.
Die Schwelle zwischen Vetternwirtschaft und Korruption scheint hier ähnlich nebulös zu verlaufen wie die zwischen Flüchtlingen und Migranten. Nach Bekanntwerden der Familienaffäre Heusgen erklärte das Auswärtige Amt, die Anstellung von Frau Heusgen sei „im außenpolitischen Interesse der Bundesregierung“.
Genau drei Monate nach Verabschiedung der New Yorker Erklärung, am 19. Dezember 2016, fand beim deutschen UN-Botschafter Christoph Heusgen ein Empfang des Global Forum on Migration & Development (GFMD) statt. Den Vorsitz des neu gegründeten Forums hatten die beiden UN-Mitgliedstaaten Deutschland und Marokko übernommen. Die Organisation wollte eine Plattform bieten, auf der sich die Staaten über die „Zusammenhänge von Migration und Entwicklung“ austauschen können, und zwar „informell, nicht bindend“ und „freiwillig“.
Dafür war die Konferenz, die wenige Monate später in Berlin stattfand, ziemlich hochkarätig besetzt: Die Eröffnungsrede hielt der damalige Außenminister Sigmar Gabriel, für das Kanzleramt stand Merkels neuer außenpolitischer Chefberater Jan Hecker auf der Teilnehmerliste, ebenso wie Entwicklungshilfeminister Gerd Müller. „Wer illegale Migration eindämmen will, der muss legale Einwanderungsmöglichkeiten schaffen“, so Gabriel in seiner Rede.
Der Außenminister verlangte ein „radikales Umdenken in der Migrationspolitik“, die Regeln für diesen „globalen Gesellschaftsvertrag“ sollten „die Bedürfnisse zuallererst der Migranten, ihrer Heimatstaaten und der Zielstaaten miteinander vereinen“. Die Rangfolge blieb erhalten.
Das Interesse der Bevölkerung, die möglicherweise gern gefragt würde, wen und wie viele Zuwanderer sie tragen und ertragen will, spielte in den Überlegungen der Bundesregierung dagegen ganz offensichtlich eine eher untergeordnete Rolle, wie vom UN-Generalsekretär in seinem Papier vom Dezember 2017 vorgegeben.
Vage Erwartung an Ausreiseländer
Zwar hätten die Staaten und ihre Bürger „berechtigte Gründe, sichere Grenzen zu verlangen und darüber zu entscheiden, wer ihr Hoheitsgebiet betreten und darin bleiben darf“. Dieses Recht kommt aber sofort wieder unter die humanitären Räder, weil eine „Politik, die Migration einschränken will“, von Guterres zur „kontraproduktiven Politik“ erklärt wird, die „die Verwundbarkeit der Migranten“ erhöhe.
Auf diese dialektische Weise wird auch in dem Pakt jeweils eine eher vage Erwartung an die Ausreiseländer mit einer konkreten Forderung und Verpflichtung an die Zielländer verbunden.
Der „Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ kommt, wie das bei den Vereinten Nation üblich ist, ziemlich pathetisch daher und nimmt die Annahme vorweg: „Wir, die Staats- und Regierungsoberhäupter und Hohen Beauftragten, zusammengetreten am 10. und 11. Dezember 2018 in Marokko, in Bekräftigung der New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten und entschlossen, einen bedeutenden Beitrag zur verstärkten Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Migration in allen ihren Dimensionen zu leisten, haben den nachstehenden Globalen Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration angenommen.“
In der Präambel wird Bezug genommen auf die Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, die Erklärung der Menschenrechte, die bürgerlichen und politischen Rechte, den Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die Vereinbarung gegen grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, Zusatzprotokolle gegen Menschenhandel, Schleuser, gegen Sklaverei, Klimaänderung, Wüstenbildung sowie die Förderung menschenwürdiger Arbeit und Arbeitsmigration.
Alles, wozu sich die Mitgliedsstaaten der UN verpflichtet haben – und woran sich wohl nur die Minderheit dieser Staaten hält –, liegt dem Pakt zugrunde. Wobei die Veränderung der Gesellschaftsstrukturen der Zielländer, mögliche kulturelle und religiöse Konflikte, unterschiedliche Prägung etwa hinsichtlich der Beziehung zwischen den Geschlechtern und der Familienstrukturen, mangelnde Bildung, unzureichende berufliche Qualifikation, hohe Belastung der Sozialsysteme und eine Beeinträchtigung der inneren Sicherheit fast vollständig ausgeblendet wurden.
Der Pakt fasst zunächst in 23 Punkten die „Ziele für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ zusammen. Von Selbstverständlichkeiten wie der Ermittlung korrekter Daten (1) und der Verminderung der Migrationsursachen (2) geht es dann weiter zu Punkten, die erkennbar Migration erleichtern sollen, etwa der „Bereitstellung korrekter Informationen in allen Phasen der Migration“ (3), sowie der „Sicherstellung dessen, dass alle Migranten über den Nachweis einer rechtlichen Identität und ausreichende Dokumente verfügen“ – eine Passage, die offenbar berücksichtigt, dass jedenfalls die Asylbewerber in Deutschland zu etwa zwei Dritteln über keinerlei Personalpapiere verfügen.
Dass viele davon ihre Pässe weggeworfen haben, um ihre Herkunft zu verschleiern oder eine Abschiebung mangels Ausweispapieren zu erschweren, findet im Migrationspakt keinen Widerhall.
Passage 4 dient der „Verbesserung der Verfügbarkeit und Flexibilität der Wege für reguläre Migration“, der „Förderung einer fairen und ethisch vertretbaren Rekrutierung von Arbeitskräften ...“ (6), der „Minderung prekärer Situationen“ im Rahmen der Migration (7), der „Rettung von Menschenleben ...“ und koordinierten Maßnahmen „betreffend vermisste Migranten“ (8).
Die Punkte 9 und 10 sind dem Kampf gegen Schleuser und Menschenhändler gewidmet, die Punkte 11 und 12 dienen wieder dem verbesserten Ablauf der Migration, durch ein „integriertes, sicheres und koordiniertes Grenzmanagement“ sowie eine „Stärkung der Rechtssicherheit und Planbarkeit bei Migrationsverfahren“. Der Punkt 13 legt fest, dass „Freiheitsentziehung bei Migranten nur als letztes Mittel“ dienen soll.
Medien sollen beeinflusst werden
Bei Punkt 14 geht es dann um „Verbesserung des konsularischen Schutzes“, Punkt 15 behandelt die „Gewährung des Zugangs von Migranten zu Grundleistungen“, Punkt 16 die „Verwirklichung der vollständigen Inklusion und des sozialen Zusammenhalts“ und Punkt 17 die „Beseitigung aller Formen der Diskriminierung und Förderung eines auf nachweisbaren Fakten beruhenden öffentlichen Diskurses zur Gestaltung der Wahrnehmung der Migration“.
Auf den folgenden Seiten des Pakts, der die einzelnen Punkte unter der Überschrift „Ziele und Verpflichtungen“ detailliert darstellt, steht dann genauer, wie die Autoren sich das „unter voller Achtung der Medienfreiheit“ vorstellen: „durch Sensibilisierung und Aufklärung von Medienschaffenden hinsichtlich Migrationsfragen“, durch „Investitionen in ethische Standards der Berichterstattung“ und durch „Einstellung der öffentlichen Finanzierung oder materiellen Unterstützung von Medien, die systematisch Intoleranz, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung gegenüber Migranten fördern“. Es geht also um die Beeinflussung der Medien.
Wie so etwas – in einem eher milden Fall – aussehen könnte, zeigte das federführende Auswärtige Amt kürzlich bei einer Anfrage des Berliner „Tagesspiegels“, der wissen wollte, welche Kompromisse das Amt in Bezug auf seine ursprünglichen Verhandlungspositionen eingegangen sei. Das Auswärtige Amt verweigerte die Antwort, und ein Sprecher erklärte, nähere Informationen dazu würden gegenüber Medienvertretern ausschließlich vertraulich und nur „im Hintergrund“ erfolgen.
Mit diesem Vorgehen, auf das sich das Auswärtige Amt regelmäßig zurückzieht, macht das Ministerium den Medien behördlich so bezeichnete „Verwendungsvorgaben“ für Informationen. Im Klartext heißt das: Informationen gibt es nur, wenn der Journalist im Sinne des Amtes schreibt. Es ist offenbar eine sehr eigene Form der Pressefreiheit, die hier unter „voller Achtung der Medienfreiheit“ behördlich reglementiert werden soll.
Unter Punkt 18 geht es um Aus- und Weiterbildung von Migranten und die „Erleichterung der gegenseitigen Anerkennung von Fertigkeiten, Qualifikationen und Kompetenzen“ – was bedeutet, die „Beschäftigungsfähigkeit von Migranten“ in den Zielländern zu optimieren, und das heißt wohl nichts anderes, als ausländische Qualifikationen oder Ausbildungszeugnisse oder Prüfungsergebnisse aufzuwerten.
In Punkt 19 geht es eher vage um Bedingungen, unter denen Migranten zur „nachhaltigen Entwicklung“ in allen Ländern beitragen können. Punkt 20 soll die Rücküberweisung von Geld in die alte Heimat sicherer und kostengünstiger machen. In Punkt 21 geht es um die Ermöglichung einer „sicheren und würdevollen“ Rückkehr, in Punkt 22 um die Übertragbarkeit von erworbenen Sozialleistungsansprüchen und am Ende in Punkt 23 wieder ganz global um die internationale Zusammenarbeit und Partnerschaft für eine sichere, geordnete und reguläre Migration.
Die Regelungen beschreiben überwiegend eine Bringschuld des Ziellandes, das den Migranten einen Status einräumen soll, der sich kaum von dem eines anerkannten Asylbewerbers oder eines Kriegsflüchtlings unterscheidet. Er erweckt in weiten Teilen den Eindruck, als sei Migration ein allgemeines Menschenrecht, er listet so viele Schutzregeln und Hilfsversprechen für reguläre und illegale Migranten auf, dass die Zielstaaten praktisch jeden Ankommenden rundum versorgen, schützen und unterhalten müssen.
Was sich in Grenzen hält, sind vor allem die Pflichten der Zuwanderer. Die Rechte der Bevölkerung eines Zielstaates spielen praktisch keine Rolle. Das auf Flüchtlinge bezogene „Refugees Welcome“ wird umgewandelt in ein globales „Migrants Welcome“. Dabei wird vollkommen unterschlagen, dass es zwischen den Ausreiseländern, den Transitländern und den Zielländern gewaltige Interessenunterschiede gibt. Der Pakt ist geprägt von den Bedürfnissen der Auswanderungsländer, vor allem in Afrika.
Die Sogwirkung des Papiers dürfte mindestens so groß sein wie die der Willkommenskultur im Herbst 2015 inklusive der Selfies mit Kanzlerin. Die wesentlichen Gründe für den Migrationsdruck werden ausgeklammert: die Bevölkerungsentwicklung in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern, die Ausplünderung der eigenen Bevölkerung durch korrupte Regimes, die Machtkämpfe und von innen und außen verursachte Bürgerkriege zum Sturz autoritärer Regierungen und die Resultate derselben, die nur selten zu Besserungen führen.
Einladung an die Herkunftsstaaten
Der Pakt geht von einer Gleichrangigkeit der Sitten, Gebräuche, Rechtsformen, von Demokratieverständnis und kulturellen und gesellschaftlichen Verhaltensformen in den gastgebenden Ländern und denen der Migranten aus. Er unterschlägt in seinem gut gemeinten Regelungswahn die Realität der gegenwärtigen Migration und ihrer Schattenseiten.
Der Pakt ist eine Einladung an die Herkunftsstaaten, ihre internen Probleme wie Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Menschenrechte, Bevölkerungswachstum, Korruption, Devisenknappheit et cetera durch den Export von Teilen ihrer Bevölkerung zu lösen. Er ist eine Einladung an die Bevölkerung, sich auf die große Reise zu machen – und damit auch eine Aufforderung an die Schlepper und Menschenhändler, ihr Geschäftsmodell weiter auszubauen.
Keine Frage: Der Pakt trägt die Handschrift der mächtigen Flüchtlings- und Migrantenorganisationen in Brüssel und Genf, der Regierungen der Herkunftsstaaten sowie von Berufsdiplomaten, deren Verantwortung für die innere Sicherheit ihrer Länder sich in Grenzen hält.
Als Gastgeber für die hochkarätig besetzte Verabschiedung des Pakts bot sich Marokko an – eine erstklassige Wahl. Kaum ein anderes Land der Welt eignet sich vor allem aus deutscher und europäischer Sicht so perfekt als Präzedenzfall für fehlgeschlagene Migrationspolitik wie das Königreich an Atlantik und Mittelmeer.
In Marokko hat sich die Bevölkerung seit 1956 auf inzwischen 35 Millionen Menschen verdreifacht. 62 Prozent von ihnen leben in den städtischen Zentren des Landes. Das Durchschnittsalter beträgt 28 Jahre (Deutschland: 46 Jahre). Selbst nach offiziellen Zahlen liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 18 Prozent. Und die realen Zahlen dürften eher doppelt so hoch sein. Islamistische Gruppen haben Zulauf. Das Königreich reagiert mit verstärkter Repression. Fast fünf Millionen Marokkaner haben ihr Land in den letzten Jahren verlassen. Fast alle in Richtung Europa.
Nach einem im Oktober bekannt gewordenen geheimen Lagebericht des Bundesnachrichtendienstes nimmt Marokko inzwischen eine Schlüsselposition bei der Schleusung von illegalen Migranten aus Afrika ein. Kriminelle Banden haben demnach den traditionellen Drogen- um den Menschenhandel erweitert. 6000 Personen können von ihnen monatlich über drei Routen nach Spanien gebracht werden, schätzt der BND. Ein millionenschweres Geschäft.
Die am 10. und 11. Dezember nach Marrakesch reisenden Diplomaten sollten sich nicht von den Sicherheitshinweisen des Auswärtigen Amtes irritieren lassen, die unverändert seit dem 5. Juli 2018 gelten. Es könnten sich spontan Demonstrationen entwickeln, die schon zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften geführt hätten: „Die Proteste entzünden sich meist an wirtschaftlichen und sozialen Missständen.“ Reisenden werde empfohlen, Menschenansammlungen zu meiden und die politische Lage aufmerksam zu verfolgen.
Ein Rat, der in der Silvesternacht 2015/16 auch in Köln am Platze gewesen wäre. Am Hauptbahnhof und auf der Domplatte war es zu zahlreichen sexuellen Übergriffen auf Frauen durch Gruppen junger Männer gekommen, vornehmlich aus dem nordafrikanischen und arabischen Raum, die meisten aus Marokko. Grapschen, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung, Raub und Diebstahl durch mehr als 1000 vor allem junge Männer, die zum Teil stark alkoholisiert und laut Polizeiangaben „völlig enthemmt und aggressiv“ auftraten, stoppten plötzlich die kollektive Begeisterung über die Willkommenskultur des Flüchtlingsherbstes.
Auswanderer stärken die heimische Wirtschaft
Gut 1,5 Millionen „Flüchtlinge“ sind seit Anfang 2015 bis heute ins Land gekommen, und jedes Jahr kommen gegenwärtig etwa 200.000 hinzu – so viele, wie die Stadt Mainz Einwohner hat. Nur eine Minderheit von ihnen ist kriminell, allerdings ist diese Minderheit in bestimmten, die Öffentlichkeit verstörenden Deliktfeldern wie etwa bei Mord oder schweren Sexualstraftaten in den Polizeistatistiken um ein Vielfaches stärker vertreten, als es dem Anteil der gesamten „Zuwanderer“ genannten Gruppe an der Bevölkerung in Deutschland entspricht. All das wäre durchaus ein Anlass, über internationale Abmachungen zur Migrationsfrage nachzudenken.
Für manche Staaten sind ihre eigenen Bürger zudem ein durchaus profitables Exportmodell, tragen die Auswanderer doch durch ihre Überweisungen nach Hause einen beträchtlichen Teil zu den Deviseneinnahmen des Landes bei. So heißt es in einem Papier der Stiftung für Wissenschaft und Politik unter der Überschrift „Migrationsstratege Marokko – Abschotter Algerien“ über die „willkommene Emigration“: „Die Auswanderer entlasten den Arbeitsmarkt und alimentieren die Volkswirtschaften in ihrem Herkunftsland.“
Auch die zögerliche Haltung der Regierungen bei der Rücknahme von Landsleuten wird eindringlich beschrieben: „Wer aus Europa abgeschoben wird, gilt… im Herkunftsland vornehmlich als wirtschaftliche und, sofern es sich um kriminelle und radikalisierte Rückkehrer handelt, auch als gesellschaftliche Hypothek.“
Ob die Verabschiedung des Migrationspaktes in Marokko das wesentlich ändern sollte, bleibt im Bereich des Wunschdenkens. Die Lage in den Ausreiseländern dürfte der Pakt nicht wesentlich verändern – die wirtschaftliche Interessenlage spricht dagegen.
All diese Fakten werden im großen Migrationspakt verschwiegen, beschönigt oder höchstens am Rande gestreift. Stattdessen wird das hohe Loblied der Migration angestimmt:
„Migration war schon immer Teil der Menschheitsgeschichte, und wir erkennen an, dass sie in unserer globalisierten Welt eine Quelle des Wohlstands, der Innovation und der nachhaltigen Entwicklung darstellt und dass diese positiven Auswirkungen durch eine besser gesteuerte Migrationspolitik optimiert werden können.“
Der Pakt rückt Flüchtlinge, die individuell verfolgt werden und Anspruch auf Asyl haben, Kriegsflüchtlinge, die „subsidiären Schutz“ genießen, und Wirtschaftsmigranten auf eine Stufe. Die Gleichstellung kommt auf leisen Sohlen. In der Präambel heißt es: „Flüchtlinge und Migranten haben Anspruch auf dieselben allgemeinen Menschenrechte und Grundfreiheiten, die stets geachtet, geschützt und gewährleistet werden müssen.“
Es handele sich bei ihnen um „verschiedene Gruppen“, die separaten Rechtsrahmen unterliegen. Lediglich Flüchtlinge hätten ein Anrecht auf den spezifischen internationalen Schutz, den das internationale Flüchtlingsrecht vorsieht. Dann aber heißt es: „Der vorliegende globale Pakt bezieht sich auf Migranten und stellt einen Kooperationsrahmen zur Migration in allen ihren Dimensionen dar“.
Im Folgenden wird der Unterschied zwischen Verfolgten und Wirtschaftsmigranten systematisch verwischt. Im Prinzip haben danach alle dieselben Rechte, was in dem Papier gründlich verklärt wird: „Dieser globale Pakt stellt einen Meilenstein in der Geschichte des globalen Dialogs und der internationalen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Migration dar.“ Vorsichtshalber heißt es unter Punkt 7 der Präambel: „Dieser globale Pakt stellt einen rechtlich nicht bindenden Kooperationsrahmen dar, der auf den Verpflichtungen aufbaut, auf die sich die Mitgliedstaaten in der New Yorker Erklärung für Flüchtlinge und Migranten geeinigt haben.“
Grenzen werden kaum kontrolliert
Diese Passage wird von den Verteidigern des Pakts immer wieder angeführt: Er sei ja rechtlich nicht bindend. Und tatsächlich heißt es in einem weiteren Punkt (15c): „Der globale Pakt bekräftigt das souveräne Recht der Staaten, ihre nationale Migrationspolitik selbst zu bestimmen, sowie das Vorrecht, die Migration innerhalb ihres Hoheitsgebietes in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht selbst zu regeln.“ Es wird ihnen sogar das Recht eingeräumt, innerhalb ihres Hoheitsbereichs zwischen „regulärem und irregulärem Migrantenstatus“ zu unterscheiden. Auch die Rechtsstaatlichkeit wird ausdrücklich anerkannt. Damit aber auch genug der Souveränität einzelner Staaten.
Die Realität in Deutschland sieht ohnehin anders aus. Das Grenzregime hat die Bundesrepublik spätestens im September 2015 praktisch aufgegeben.
Die Grenzen zu den europäischen Anrainerstaaten sind aufgrund des Schengener Abkommens offen. Sie werden auch nur im Ausnahmefall von der Bundespolizei, dem früheren Bundesgrenzschutz, überwacht und kontrolliert. Der Grundgesetzartikel 16a wurde de facto außer Kraft gesetzt – und damit auch die entsprechende Verpflichtung der Polizei zum Eingreifen.
Seitdem werden bei einem festgestellten und – laut Gesetzeslage – illegalen Grenzübertritt die persönlichen Daten genommen, und es wird pro forma ein Verfahren wegen illegalen Grenzübertritts eröffnet. Das aber läuft immer ins Leere und wird am Ende eingestellt. Diesem allgemeinen Chaos soll der Migrationspakt offenbar einen neuen Anstrich verpassen – und der lautet so wie der alte Slogan der anarchistischen Linken: Kein Mensch ist illegal.
Nach dem Pakt ist prinzipiell jeder Mensch auf der Welt ein potenzieller Migrant, der selbst entscheiden kann, ob er sein Land verlassen und sich in einem anderen Staat niederlassen will; unabhängig von seiner Motivation, seinem Alter, seiner Bildung, seinem Glauben, seinem Familienstand, seiner Absicht zu arbeiten oder vor allem Sozialleistungen zu beziehen, unabhängig davon, ob er in seinem Heimatland Straftaten begangen hat oder ob er sich in seinem Zielland einer kriminellen Gruppe anschließen will.
Die Interessenlage des Ziellandes spielt kaum eine Rolle, auch nicht die Gesamtzahl der Zuwanderer oder der Einreisenden aus bestimmten Regionen oder der Stand der Integration, die Möglichkeiten für Berufsausbildung oder Beschäftigung oder die Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Umfanges an Sozialleistungen oder Wohnraum. Es ist ein beispielloses Einwanderungsprogramm ohne Grenzen, eine Einladung an alle.
Damit wird auch der Paragraf 1, Absatz 1 des gegenwärtig geltenden deutschen Aufenthaltsgesetzes kurzerhand ausgehebelt. Darin heißt es: „Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland.“ Geht es nach dem Plan, dann wird nicht mehr gesteuert oder begrenzt, sondern akzeptiert und verwaltet.
Auch die heiß diskutierte Obergrenze für Zuwanderer, die im Koalitionsvertrag der GroKo nur noch als Schätzgröße von 200.000 pro Jahr auftauchte, ist damit praktisch hinfällig.
Der UN-Migrationspakt bettet alle ein in ein Wunschprogramm für die heile Welt der Wanderer. Und das ohne irgendeine Gesetzesänderung, ohne Verabschiedung einer Verfassungsänderung durch die vorgeschriebene Stimmenmehrheit im Bundestag, ohne Ratifizierung durch den Bundesrat, ohne die Gefahr, das Bundesverfassungsgericht könnte ein neues Gesetz für verfassungswidrig erklären.
Die Kanzlerin macht das Tor auf - sperrangelweit
So sieht ein „rechtlich nicht bindendes“, aber „politisch verpflichtend“ konzipiertes Abkommen aus. Es sind vor allem die Zielstaaten der Migration, die sich in dem UN-Pakt auf 32 Seiten 87-mal „verpflichten“ oder eine „Verpflichtung“ eingehen.
Und das soll auch kontrolliert werden. Allen Mitgliedstaaten wird nahegelegt, „sobald wie möglich ambitionierte nationale Strategien zur Umsetzung des globalen Paktes zu entwickeln“. Alle zwei Jahre soll dann der UN-Generalsekretär der Generalversammlung Bericht erstatten, alle vier Jahre sollen auf globaler Ebene Erörterungen stattfinden, um unter Beteiligung „aller relevanten Interessenträger“ die Umsetzung des globalen Pakts zu überprüfen.
Es müssen nur alle mitmachen – vor allem die Zielstaaten mit offenen Grenzen und offenen Armen. Deutschland soll ganz vorn dabei sein, wenn es nach der Bundeskanzlerin geht. Der Pakt sei „in nationalem Interesse“, erklärte Angela Merkel am 22. November vor dem Bundestag. Deutschland befinde sich damit in einer „Win-win-Situation“. Die Kanzlerin, die noch 2015 erklärt hatte, Migranten, die „aus wirtschaftlicher Not zu uns kommen, können nicht bleiben“, macht nun auch für sie das Tor auf, sperrangelweit.   Stefan Aust