Stationen

Mittwoch, 30. Juni 2021

Riccardo Muti hat fertig

 

Er sagt, er könne unserer Zeit nichts mehr abgewinnen, er könne sich darin nicht wiederfinden. Er sei als Gymnasiast von seinem Lateinlehrer einst gefragt worden, in welchem Fall das Wort "aqua" im Satz "pluit aqua" stehe. Und als er Nominativ statt Ablativ geantwortet habe, habe ihn der Lehrer an einem Ohr gefasst und daran gezogen, als wolle er eine Glocke läuten. Seit dem habe er nie wieder dumme Antworten gegeben, aber heute käme ein Lehrer wie dieser wegen Körperverletzung ins Kittchen oder müsste eine empfindliche Strafe zahlen.

Die jungen Dirigenten fuchtelten in der Luft herum und versuchten das Publikum mehr mit dem zu beeindrucken, was zu sehen sei als mit dem, was es zu hören gebe...

Strehler sei noch ein großartiger Regisseur gewesen, der immer die Schönheit gesucht habe, und zwar nicht als ästhetische Spielerei, sondern als Notwendigkeit wahrer Kunst.

Deshalb sage er manchmal, vielleicht übertreibend, er sei des Lebens überdrüssig. Er fühle sich als Fremder in einer Welt, die sämtliche Kultur und Ethik in der Kunst betreffende Prinzipien, die ihm seine Lehrer am Gymnasium und am Konservatorium vermittelt hätten, über den Haufen werfe.


Dienstag, 29. Juni 2021

Hanna

Bei Hanna handelt es sich nicht um einen Menschen aus Fleisch und Blut, sondern um eine Musterakademikerin, die sich vor Jahren irgendwer im Auftrag des Bundesforschungsministeriums ausgedacht hat. Das in unserer vorbilderarmen Zeit entworfene Vorbild Hanna ist eine Biologin, die ihre Wissenschaftskarriere frühzeitig plant, um nicht irgendwann im akademischen Mittelbau auf einer miserabel bezahlten Stelle hängenzubleiben.

Zur Vermittlung dieser Botschaft gab es einen „Erklärfilm zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz“ (kurz: WissZeitVG) vom 30. Juli 2018, der wie eine Parodie auf „Die Sendung mit der Maus“ wirkt: zeittypisch infantilisierter Sprachduktus, für den sich jede echte Naturwissenschaftlerin schämen würde. 

 

 

Man fragt sich, wie es dazu kommen konnte, dass drei Jahre nach Entstehung dieses Erklärfilms plötzlich ein Empörungssturm auf Twitter losbricht, und zwar ausgelöst durch den Hinweis, dass irgendwann selbst die längste Förderung durch den Staat zu Ende gehe.

 
Es dauerte jedenfalls gut drei Jahre, bis im Juni 2021 die Zielgruppe des Erklärfilms offenbar erreicht worden war und infolgedessen eine Flut von Jungakademikern und vor allem -akademikerinnen unter dem Hashtag #IchbinHanna ihre jammernden Anschuldigungen in den Twitterkanal ergoss.

Anja Reschke unterzeichnet eine Unterlassung

Letzte Woche feierte die Journalistin Anja Reschke den 60. Gründungstag der Sendung Panorama, die sie selbst seit 20 Jahren moderiert.

Diese Jubiläen waren der Anlaß für ein Interview mit Reschke, in dem sie sich selbst als kritische, unabhängige und gewissenhafte Journalistin darstellte und unter anderem mich als Gegenbild aufbaute. Sie behauptete, ich hätte wörtlich folgende Losung ausgegeben:

Wir möchten nicht am Diskurs teilnehmen, wir möchten ihn zerstören.

Normalerweise halten wir es hier ja mit Gottfried Benn, dem es völlig egal war, ob ihm einer "Sex mit Stubenfliegen" (so seine Wortwahl!) andichtete. Aber die Behauptung, ich wolle nicht am Diskurs teilnehmen, sondern ihn zerstören (und hätte dies sogar als Losung ausgegeben, also Menschen, die schon etwas länger oder auch erst seit kurzem in diesem Land leben, dazu aufgefordert, nicht mehr miteinander zu sprechen, schon gar nicht öffentlich): Dies mir zu unterstellen (dem nach allen Seiten offenen Dorfbrunnen der Neuen Rechten), schlug dem Faß den Boden aus.

Unterlassungsaufforderung also: Anja Reschke (diese lebende Ikone journalistischer Äquidistanz, unabhängig bis auf die paar Kröten, die aus dem öffentlich-rechtlichen Säckel ihr ausbezahlt werden) solle fortan so Schlechtes, mich Verkennendes nicht mehr über mich behaupten dürfen und habe dafür zu sorgen, daß es dort, wo es schon hunderttausende Leser gefunden habe, getilgt würde, verbunden mit einer Richtigstellung.

Alles in allem kein ungewöhnlicher Vorgang, jeder kann sich mal irren, kann einen raushauen, ohne nochmal genau nachgeschaut zu haben, ob Diskurszerstörung oder Konsensstörung gemeint war, ob also der Diskurs (ab jetzt: die Auseinandersetzung, das Gespräch, der Streit) abgelehnt oder eben nur in seiner um echt alternative Meinungen erweiterten Form für interessant befunden werde.

Letzteres natürlich, darauf wiesen wir Frau Reschke anwaltlich höflich hin, bloß: Sie sah es nicht so. Die beiden Zeitungen, die das Reschke-Interview auch online gebracht hatten, lenkten sofort ein und tilgten das Falschzitat, indem sie es durch eine schwammige Formulierung ersetzten. Der Hinweis, daß da zuvor eine miese Unterstellung gestanden hatte, unterblieb freilich.

Dafür kam ein Anwaltsschreiben, in dem die seit 2007 empört zitierte Passage aus meinem Büchlein Provokation (zum Glück vergriffen) erneut herhalten mußte:

Und so sind denn auch die Provokationen vieler Künstler, Quer-, In- und Vordenker von der Sorte Provokation, über die wir sprechen, zu unterscheiden. Für jene ist Provokation der Versuch, eine Einladung an die Futtertröge zu erhalten. Für uns ist Provokation keine Verkaufsstrategie, und die Hoffnung auf den Einbau in den satten Diskurs gäbe all unser Tun der Lächerlichkeit preis. Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform, nicht ein Mitreden, sondern eine andere Sprache, nicht der Stehplatz im Salon, sondern die Beendigung der Party.

Das kursiv markierte ist jener unvollständige Satz, den die Kanzlei zitierte, um Reschkes Unterstellung zu rechtfertigen. Bloß wäre selbst dann, wenn man Sätze ganz zu lesen und zu verstehen nicht fähig ist, die richtige Zitierweise eben diese gewesen und nicht die erfundene "Losung" aus dem Interview. Man sollte aber als kritische, tolle Journalistin auf sensiblem Feld überhaupt nicht verkürzt zitieren. Für die Doofen dieses Berufsstands:

Ich trinke nie Alkohol

ist etwas anderes als

Ich trinke nie Alkohol vor dem Mittagessen.

oder? Gut. Und weil hier einer nicht nie Alkohol trinkt, sondern zum und ab dem Mittagessen vielleicht sogar jede Menge, ist die aus drei Wörtern bestehende Einschränkung "vor dem Mittagessen" eigentlich eine Ausweitung vielleicht sogar ins Exzessive hinein.

Zurück zum Dorfbrunnen:

Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende

ist etwas völlig anderes als

Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform.

Und vor allem: Es könnte sogar die Ausweitung des Gesprächsbedarfs bis ins Exzessive hinein sein, denn stellen wir uns einmal vor, es gäbe plötzlich echte Debatten. Die Konsensdiskurse, dieses 4 gegen 0 bei Maischberger oder Will, dieses Gerede mit nur einer Meinung, dieses Diskurs-Gespiele, Debattenvortäuschen, Mündigkeitstheater - es wäre abgelöst. Das ist es, dessen Ende nicht nur ich mir wünsche, sondern die vielen Millionen Leute ebenso, die trotz des Dauerfeuers aus den Panoramakanonen von Reschke und Co. ihr Kreuzchen dort gemacht haben, wo sie die dringend notwendige Ergänzung und Aufmischung des "Diskurses" vermuten.

Leute wie Reschke betreiben, was sie uns unterstellen: Diskursverhinderung. Indem sie die Lüge verbreiten, wir hätten kein Interesse an einem Gespräch, einer Auseinandersetzung, einem Wortgefecht, in dem sich tatsächlich einmal zwei oder vier Leute mit ganz unterschiedlichen Auffassungen duellieren, stehen sie selbst als die Wächter der Demokratie, der Meinungsfindung, der offenen Gesellschaft und der Gesprächsbereitschaft da. Dabei sind sie vor allem eines: Umbauhelfer und Sturmgeschütze der Cancel Culture.

Ich saß ja nun gestern mit meinem Anwalt vier Stunden über dem Schriftsatz, der am Donnerstag unseren Sieg vor Gericht in Halle an der Saale hätte herbeiführen sollen. Aber dann flatterte auf den Abend die gerichtliche Nachricht ein, daß Frau Reschke nun doch den Rechtsstreit nicht mehr fortsetzen wolle, sondern die Unterlassung unterzeichnet habe.

Damit die Arbeit an unserem Schriftsatz nicht ganz umsonst war, hier die entscheidenden Auszüge:

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Der Antragsteller wird zum Beleg für seine möglicherweise mangelnde Bereitschaft zum Diskurs mit folgender Aussage aus seinem Buch "Provokation" (2007) zitiert:

Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform.

Das vollständige Zitat, immer noch ohne den davor und danach ganze Buchseiten umfassenden Kontext lautet:

Unser Ziel ist nicht die Beteiligung am Diskurs, sondern sein Ende als Konsensform, nicht ein Mitreden, sondern eine andere Sprache, nicht der Stehplatz im Salon, sondern die Beendigung der Party.“

Das entscheidende, vom Antragsteller auf Nachfrage stets erläuterte, von politischen Gegnern stets unterschlagene Wort lautet "Konsensform". Der Antragsteller ist der Auffassung, daß über wesentliche Themen öffentlich nicht debattiert werden sollte, indem man beispielsweise in einer Talkrunde vier Teilnehmer mit grundsätzlich derselben Auffassung sprechen lassen sollte. Das Motto der Diskursbeteiligung des Antragstellers ist "Konsensstörung", also das Einbringen alternativer, streitbarer, nicht von vornherein auf den Konsens ausgerichteter Auffassungen und Standpunkte. Daß es ihm darum geht und nicht um die Zerstörung des Diskurses, zeigen die folgenden drei (von noch viel mehr möglichen) Punkten.

1. Der Antragsteller hat im August des vergangenen Jahres den Erlös aus dem Verkauf einer Festschrift für eine Veranstaltung bereitgestellt, auf der er und einige seiner Mitarbeiter dezidiert mit weltanschaulich links verortete Wissenschaftlern ins Gespräch kommen wollen. Bisher ist es dem Antragsteller nicht gelungen, geeignete Gesprächspartner aufzutreiben. Die Absagen weisen im Tenor stets auf das Phänomen der sogenannten Cancel Culture hin, das in den vergangenen Monaten in der politischen Kultur kontrovers diskutiert wurde: Man wolle sich durch eine Zusage zur Diskussion mit dem Antragsteller nicht den Mechanismen der Cancel Culture aussetzen. Cancel Culture herrscht dort, wo Vertreter abweichender Meinungen nicht mehr am Diskurs beteiligt werden sollen. Prominente Beispiele der jüngeren Zeit, die zu Diskussionen über die Legitimität der Cancel Culture führten, sind:

+ die Ausladung des Malers Axel Krause von der Leipziger Jahresausstellung 2019,

+ die Löschung eines Beitrags von Dieter Nuhr zum 100. Jahrestag der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Frühjahr 2020 und

+ die Ausladung der der Kabarettistin Lisa Eckhart vom Harbour-Literatur-Festival in Hamburg, ebenfalls 2020.

Cancel Culture als Diskussionsverhinderungsstrategie lehnt der Antragsteller nicht zuletzt deshalb ab, weil er selbst, wie soeben ausgeführt, Leidtragender dieser Machttechnik wurde.

+ So hat auf Druck von Politik und Medien der ehemalige Innenminister des Landes Sachsen-Anhalt, Holger Stahlknecht, seine Zusage zu einer öffentlichen Debatte mit dem Antragsteller in Magdeburg im November 2016 wieder zurückziehen müssen.

+ Ebenso konnte eine Diskussion des Antragstellers im Rahmen der Studienstiftung des Deutschen Volkes im Februar 2019 nicht durchgeführt werden. Unter dem Titel "Diskurs(-), Feindschaft und das Politische" sollte der Antragsteller sich in einer Arbeitsgruppe den Fragen von Studenten stellen und danach an einer Podiumsdiskussion teilnehmen. Der öffentliche Druck, medial inszeniert von der Frankfurter Rundschau, war so groß, daß sich die Studienstiftung zuletzt sogar für die Einladung entschuldigte.

2. Der Antragsteller war im April 2019 neben Hendryk M. Broder und zwei weiteren Diskussionsteilnehmern zu Gast in der Talkshow "Hangar 7" des österreichischen Senders Servus TV. Er nahm diese Einladung so selbstverständlich an, wie er auch Einladungen zum Talk in deutschen Fernsehsendern annehmen würde.

3. Der Antragsteller hat vor wenigen Wochen ein Buch veröffentlicht, das zwei Briefwechsel mit den Professoren Armin Nassehi und Claus Leggewie dokumentiert: Nassehi, ich und Leggewie, kaplaken 75. Diese Briefwechsel mit eher linksstehenden Persönlichkeiten sind in den Medien vielzitierte Belege für die Diskussionsbereitschaft des Antragstellers. Und mehr: Gerade an dieser Diskussionsbereitschaft wurde von den politischen Gegnern scharfe Kritik geübt: Man warf Nassehi und Leggewie wiederum ihre Bereitschaft zur Diskussion vor, weil man im Dialog eine Form von Öffnung für die Denkweise des Antragstellers sah und sieht.

Zusammengefaßt: Die Behauptung der Gegenseite, der Antragsteller habe die Losung ausgegeben, den Diskurs zu zerstören, entbehrt jeder Grundlage. Erschwerend kommt hinzu, daß "Losung" mehr ist als eine persönliche Meinung. Die Gegenseite hat damit behauptet, der Antragsteller habe nicht nur selbst kein Interesse am Diskurs, sondern habe darüber hinaus seine Leser und Zuhörer dazu aufgefordert, den Diskurs zu zerstören.

Diese Unterstellung hat vor dem Hintergrund der Mechanismen der Cancel Cultur, aufgrund der Prominenz und der medialen Reichweite der Gegenseite und der bisher nicht erfolgten Gegendarstellung die Diskurswilligkeit des Antragstellers öffentlich ins Gegenteil verkehrt – ein Beispiel für die subtile Zerstörung des Diskurses.

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Dem ist nicht viel hinzuzufügen, es steht hier wie immer fürs Protokoll.  GK

 

Über die Verhältnismäßigkeit in politischen Konfrontationen unserer Zeit auf Planet Terra

Am 27. Juni zelebrierte die Vereinigung „Juden in der AfD”, die im Gegensatz zum Zentralrat der Juden weder von der Bundesregierung anerkannt noch finanziert wird, also praktisch illegal ist, im Spiegelsaal zu Bamberg eine ihrer schwarzen Messen. Dort trat auch ein Goj auf, der mit seiner fatalen Neigung zu brunnenvergifterischen Vergleichen einen gewissen esoterischen Ruhm erlangt hat. Ungerührt und ungerügt trug er Folgendes vor:

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren,

Woody Allen wird das Bonmot zugeschrieben, ein Antisemit sei ein Mensch, der Juden stärker hasse als nötig. Was wäre dann ein Antirassist? Ein Mensch, der Rassisten stärker hasst als nötig?

Jeder Vernünftige wird jetzt sagen: Sie können doch nicht Juden und Rassisten in einem Atemzug nennen. Das stimmt. Der Rassist will sein Gegenüber entmenschlichen. Dasselbe will übrigens auch der Antirassist: Er will sein Gegenüber entmenschlichen, indem er ihm Rassismus unterstellt. Ob jemand Rassist ist, bestimmt derjenige ja nicht selbst, das legen die Antirassisten fest, nach täglich strengeren Kriterien.

Nein, ich nenne nicht Juden und Rassisten in einem Atemzug – aber zwischen Antisemiten und Antirassisten entdecke ich eine Reihe von Gemeinsamkeiten.

Das Denken der Antisemiten kreist fanatisch um die Macht, den Reichtum und den Einfluss der Juden. Das Denken der Antirassisten kreist fanatisch um die Macht, den Reichtum und den Einfluss der Weißen. Natürlich ist die Macht „der“ Weißen auf dem Globus lange Zeit eine höchst reale gewesen – heute schwindet sie wie Schnee in der Sonne –, die Macht „der“ Juden war nur ein Teil davon und ansonsten vor allem ein feuchter Traum der Antisemiten. Aber das berührt unseren Vergleich nicht.

Antisemiten sind durchdrungen von der Idee, dass alle Übel der Welt auf die Juden zurückgehen. Antirassisten sind durchdrungen von der Idee, dass alle Übel der Welt auf die Weißen zurückgehen. Es ist derselbe Affekt, der Antisemiten und Antirassisten befeuert: das Ressentiment. Wer das Wort Ressentiment verwendet, ist automatisch bei Nietzsche; in dessen Nachlass fand sich die Bemerkung: „Antisemitismus: ein Name der Schlechtweggekommenen, die den Juden nicht vergeben wollen, dass sie Geist haben – und Geld.“

Hinter allen linken Gleichstellungsforderungen, hinter Feminismus, Multikulturalismus und dem Gender-Voodoo, blinzelt das Ressentiment hervor. Es ist verlässlich daran zu erkennen, dass die von ihm Befallenen Vortreffliches in Minderwertiges, Gelungenes in Missratenes umlügen – und umgekehrt. Der amerikanische Kolumnist Joseph Sobran schrieb anno 1997: „Der weiße Mann präsentiert ein Bild der Überlegenheit, auch wenn er sich dessen nicht bewusst ist. Überlegenheit erregt Neid. Die Zerstörung der weißen Zivilisation ist der innerste Wunsch der Liga der designierten Opfer, die wir Minderheiten nennen.”

Wenn ich hier von Antirassisten spreche, meine ich naturgemäß nicht weiße Männer wie William Wilberforce, die sich um die Abschaffung der Sklaverei verdient gemacht haben. Ich meine nicht all jene normalen Menschen, die Rassismus, echten Rassismus, für empörend halten. Wenn ich von Antirassisten spreche, meine ich die neomarxistischen, linksextremen, auf Beute lauernden sogenannten Aktivisten, die derzeit in sämtlichen westlichen Gesellschaften einen geistigen Bürgerkrieg gegen die westliche Zivilisation führen, weil diese großartigste aller Zivilisationen von Weißen geschaffen wurde – wie wir bei den „Black lives matters“-Randalen beobachtet haben, kann dieser geistige Bürgerkrieg jederzeit in einen wirklichen Bürgerkrieg umschlagen. Wenn ich von Antirassisten spreche, meine ich diejenigen, die mit ihrer Identitätspolitik das gesellschaftliche Klima vergiften, ethnisch-kulturelle Kollektive gegeneinander aufhetzen und die westlichen Gesellschaften entlang dieser Bruchlinien spalten – das heißt: in Stammesgesellschaften zurückverwandeln – wollen. Wenn ich von Antirassisten spreche, meine ich, mit einem Wort, antiweiße Rassisten.

Antisemitismus ist Neid auf Juden, Antirassismus ist Neid auf Weiße. Das Beneidete muss zerstört werden. Das zeigt die „Black lives matters”-Bewegung vordergründig mit ihrer Lust am Plündern, am Niederbrennen von Straßenzügen, das zeigt sie aber tiefgründiger mit ihren Angriffen auf die weißengemachte Kultur als solche, auf ihre Institutionen, ihre Wirtschaft, ihre Kunst. Das geht bekanntlich so weit, dass man sogar die Naturwissenschaften und die Mathematik für strukturell rassistisch erklärt – aber in den Genuss aller Technik und allen Komforts, die auf diesen Wissenschaften gründen, wollen unsere edlen Wilden schon kommen, so wie sie auch die westlichen Freiheitsrechte genießen wollen, um sie in Ruhe zertrümmern zu können.

Die Kehrseite des Neides ist das Minderwertigkeitsgefühl. Es gibt hinreichende Gründe für den Neid auf Weiße. Die weißen Völker haben in den vergangenen 500 Jahren praktisch die gesamte Welt neu erschaffen. Die industrielle Revolution, die Erschließung des Planeten bis in seinen letzten Winkel, des Himmels und schließlich sogar des Weltalls, die gesamte Moderne, all das war ihr Werk. Ein solcher planetarischer Generalumsturz hat naturgemäß seine düsteren und blutigen Seiten. Der antiweiße Rassismus kennt einzig und allein diese Seiten und formuliert daraus die Anklageschrift gegen die Bleichgesichter. Der Anklage soll die Verurteilung folgen. Die Eiferer träumen davon, dass es ein Todesurteil sein wird.

Unter den Protagonisten des antiweißen Rassismus befinden sich zahlreiche woke Weiße, die versuchen, sich rechtzeitig auf die sichere Seite zu schlagen. Sehr weit an der Spitze lag als gute liberale Jüdin Susan Sontag mit ihrer wenig zimperlichen Feststellung „The white race is the cancer of human history” – „Die weiße Rasse ist der Krebs der Menschheitsgeschichte” –, zu Papier gebracht im Jahre des Herrn 1967. Wie man mit einem Tumor verfährt, zumindest dort, wo sich die üble weiße Medizin durchgesetzt hat, ist bekannt. Inwieweit sich Frau Sontag als Weiße selbst aus dem Menschheitsleib heraustranchieren lassen wollte, stehe dahin.

Ich könnte ähnliche Beispiele in Hülle und Fülle zusammenbringen. Begnügen wir uns mit den Folgenden.

2002 erschien im Harvard Magazine ein Auszug aus dem Buch When Race Becomes Real. Black and White Writers Confront Their Personal Histories, in dem es, wie einer der Autoren schrieb, um die „Aufhebung von Weißsein“ geht. Die Redakteure erklärten: „Wir beabsichtigen, die toten weißen Männchen und die lebenden und auch die Weibchen so lange zu schlagen, bis das soziale Konstrukt, das als ‚die weiße Rasse‘ bekannt ist, zerstört ist – nicht ‚dekonstruiert‘, sondern zerstört.“

Robin DiAngelo, die an der University of Washington „Multikulturelle Erziehung“ lehrt, also ganz harte Wissenschaft, Frau DiAngelo beteuerte im März 2019 in einem Vortrag, dass sie selber „gern ein bisschen weniger weiß” wäre, „was nichts anderes heißt als weniger unterdrückerisch, selbstvergessen, ignorant und arrogant“ zu sein. Anschließend statuierte sie, dass „Weiße, die ihre Mitmenschen eher als Individuen ansehen und nicht aufgrund ihrer Hautfarbe beurteilen, wirklich gefährlich sind”.

Wer Menschen nach ihrer Individualität beurteilt und nicht nach ihrer Rasse, ist gefährlich: Das ist der lupenreinste rassistische Stoff, der momentan in Übersee gedealt wird – und das genaue Gegenteil dessen, wofür sich schwarze Bürgerrechtler wie Martin Luther King einstmals einsetzten: eine Welt, in der Menschen als Individuen, also nach ihren Fähigkeiten und Eigenschaften bewertet werden, und in der ihre Rasse bzw. Hautfarbe keine Rolle spielt.

Wenn sich schon Weiße so aggressiv gegen ihresgleichen wenden, fällt das Echo aus der schwarzen Community entsprechend unsentimental aus. Yusra Khogali, Mitgründerin des „Black Lives Matter“-Ablegers Toronto, erklärte im Juli 2020, Weiße seien „sub-human“ – zu deutsch: Untermenschen –, es handle sich bei ihnen um eine genetische Entartung des Schwarzseins.

Sasha Johnson, eine britische BLM-Vorturnerin, twitterte im selben Jahr: „Der Weiße wird nicht unseresgleichen sein, sondern unser Sklave.” Im Mai 2021 wurde ihr in den Kopf geschossen. Von einem Schwarzen.

Es geht hier nicht darum, solchen Sumpfblüten eine übergroße Wichtigkeit beizumessen. Es geht um die Welttendenz, die sie verkörpern. Aus diesen jungen schwarzen Circen spricht der Rassestolz – hui! – sozialverträglicher formuliert: die emanzipatorische Zuversicht von Frauen, die den demographischen Druck einer explosiv wachsenden schwarzen Weltbevölkerung hinter sich spüren. Allein in Afrika werden 2050 ungefähr 2,5 Milliarden Menschen leben, 2100 bis zu vier Milliarden, während das ohnehin nicht mehr blütenweiße Europa bereits 2050 unter 700 Millionen schrumpft. Die Weißen werden zu einer Minderheit, und Minderheiten müssen sich in acht nehmen.

Meine Damen und Herren, der Antirassismus ist ein Angriff auf die westliche Zivilisation, die im Wesentlichen auf dem Recht gründet – jüdisch: dem Gesetz. Der Gleichheit aller vor dem Gesetz stellen die Antirassisten die These des sogenannten strukturellen Rassismus entgegen und fordern Sonderrechte für bestimmte Gruppen, also Ungleichheit vor dem Gesetz im Namen der Gleichheit aller. Die Quoten – zum Beispiel die Forderung nach Bevorzugung Nichtweißer an den Universitäten – sind nur der Anfang.

Der strukturelle Rassismus ist ein Simulacrum, unbelegbar, aber auch schwer zu widerlegen, wenn er sich erst einmal in hinreichend vielen Gehirnen festgesetzt hat. Deshalb ist der wichtigste Hebel, um die These der strukturellen Diskriminierung durchzusetzen, die behauptete große Zahl derer, die angeblich darunter leiden. Hat man hinreichend vielen Leuten eingeredet, ihr bescheidener Lebenserfolg habe damit zu tun, dass man sie strukturell diskriminiert, kann darüber quasi per Abstimmung entschieden werden. Dann kann man dem Gewinner des 100-Meter-Laufs mitteilen, sein Sieg werde annulliert, weil die anderen Läufer strukturell benachteiligt wurden.

Der Antirassismus ist ein Affekt gegen Erfolg und Intelligenz, weshalb er sich übrigens in den USA jetzt auch gegen Asiaten zu richten beginnt, die beruflich längst erfolgreicher als Weiße sind und im Durchschnittseinkommen klar über ihnen liegen. Allerdings muss einem, global gesehen, um die Asiaten nicht bange sein, allein schon ihrer Masse wegen, aber auch, weil es in den asiatischen Ländern weder Antirassisten noch Poststrukturalisten in nennenswerter Zahl gibt. Speziell die Ostasiaten waren schlau genug, den westlichen Denk- und Technikfortschritt zuerst zu adaptieren und dann in eigener Regie weiterzuführen. Wakon yosai – „Japanischer Geist, westliche Technik” – lautete seit der späten Meiji-Zeit die Maxime in Japan. Aber sie sind nicht so töricht, diesen Prozess mit der Übernahme der westlichen Dekadenz zu bezahlen, von der sie seit mindestens fünfzig Jahren ziemlich genau wissen, wohin sie führen wird

In Asien fehlt jener innere Feind, der den Westen zersetzt. Anstatt Wirtschaftskriege gegen China zu führen, sollten die Amis dort vielleicht die Gründung einer grünen Partei fördern. Aber die Chinesen, man halte von ihrer Art zu leben, was man will, sind eben nicht blöd.

Das ist ein Stichwort, das uns nach Deutschland und mich zugleich an das Ende dieser kleinen Fingerübung über die partiellen Gemeinsamkeiten von Antisemiten und Antirassisten führt. Wenn wir blöd sind, führen wir den Rassismus im Namen des Antirassismus wieder ein. Wenn wir blöd sind, machen wir aus Deutschland ein Siedlungsgebiet für alle Welt und aus den Deutschen einen Stamm, der mit anderen Stämmen um die Ressourcen seiner einstigen Heimat kämpft. Soziologen würden das Retribalisierung nennen, aber ich würde nicht darauf wetten, dass es dann noch Soziologen gibt. Wenn wir klug sind, nehmen wir uns die Japaner oder noch besser die Israelis zum Vorbild, hören auf, unsere eigene Verdrängung zu begrüßen und Selbsterhaltung als Rassismus zu verteufeln. Als ein Freund der Vielfalt, der Buntheit und der heiligen Diversity möchte ich, dass die verschiedenen Völker noch lange leben, und dass Europa ein im Wesentlichen weißer Kontinent bleibt, so wie Afrika ein schwarzer. Es leben die Unterschiede!

Ich danke Ihnen.

 

PS: Du hättest, sagt Alexander Wendt, eine weitere Gemeinsamkeit hinzufügen sollen: Egal, was Juden oder Weiße tun, sie sind immer schuldig.   MK

 

Wenn schon, denn schon


 

Deutscher Mitmacheifer live

Es bietet sich dieser Tage allen halbwegs wachen Zeitgenossen die Gelegenheit, die ‚Zwölf Jahre’ endlich einmal erschöpfend richtig zu begreifen. Wer seine Eltern oder Großeltern nicht mehr fragen kann, warum sie damals alle brav den rechten Arm hoben, der frage jetzt seinen Nachbarn, warum er den Händedruck verweigert, der frage die Kirchenchorleiterin, warum sie die eigenen Kinder nur noch mit Maske ins Elternhaus lässt, der frage den Vereinsmusiker, warum er einen Netzstrumpf über das Blasinstrument stülpt, der frage den Pfarrer, warum er die Maske zur Predigt absetzt, jedoch zum Gesang, nachdem er sich allein in die hinterste Ecke des Chores zurückgezogen hat, wieder aufsetzt, der frage die Steuerberaterin, warum sie nichts dabei findet, am vorgeblich schönsten Tag ihres Lebens mit einem Stofffetzen (mit seidener Spitze!) im Gesicht vor den Altar zu treten, der frage schließlich alle diese Leute in zwanzig Jahren, wenn der ‚Konsens’ ihres bräsigen Milieus ein anderer sein wird, ob man das denn nicht schon seinerzeit habe wissen können, stelle sich aber schon einmal auf herabfallende Mundwinkel, versteinernde Mienen und selbstgerechte Empörung ein.

Montag, 28. Juni 2021

Jeder von uns



"Jeder von uns wird mit einer Aufgabe geboren, die er bewältigen muss, und diejenigen, denen er in seinem Leben begegnet, helfen ihm bei dieser Aufgabe, oder sie erschweren sie ihm:  Pech, wenn er nicht in der Lage ist, die einen von den anderen zu unterscheiden."   Christian Bobin

Ganz anders als "die Mannschaft"

die jetzt - egal welche Hautfarbe und Herkunft der einzelne Spieler hat - zum ersten Mal textsicher (also mit den passenden Lippenbewegungen) vor jedem Spiel eifrig, wenn auch ohne innere Teilnahme, die deutsche Nationalhymne sang, sang die Italienische Nationalmannschaft nach ihrem Sieg über Österreich voller Begeisterung die italienische Nationalhymne im Bus während der Rückfahrt nach Coverciano. Dass man bei einem solchen Gruppenerlebnis eine Gänsehaut bekommen kann, können sich die ausgelaugten, zermürbten, zerrütteten Deutschen gar nicht mehr vorstellen. Geschweige denn die wogenden Schauer, die den italienischen Spielern (sicher auch den Negern) bei ihrer letzten Busfahrt über den Rücken liefen.

Dass "die Mannschaft" jetzt ostentativ singt, könnte auf eine DFB-interne Maßnahme zurückzuführen sein. Aber dass sie nicht niederknien, um sich zu Black-lives-matter zu bekennen, ist glaube ich das Ergebnis einer direkt aus dem Kanzleramt stammenden Weisung.

Beim letzten Spiel, dem gegen England, hörte ich sagen, knieten sie nun schließlich doch.

Wieso knien sie erst nicht und dann auf einmal doch? Churchill sagte über die Deutschen, entweder lägen sie einem zu Füßen oder sie gingen einem an die Gurgel.

Die Deutschen, in deren Fernsehfilmen, immer wenn es gefühlig wird, damit zu rechnen ist, dass ein "Song" in englischer Sprache erklingt, weil sie in ihrer eigenen Sprache nicht mehr fähig sind, Gefühle zu artikulieren, weshalb sie inzwischen sogar im Alltag ihre Gefühle wie dressierte Hündchen oft auf englisch zum Ausdruck bringen (meist mit ironischem Unterton, sei es weil ihnen die Verfremdung durch die Fremdsprache noch nicht fremd genug ist, sei es weil sie instinktiv spüren, dass es peinlich ist, sich in einer Fremdsprache zu verstecken), diese Deutschen, diese ärmlichen Würstchen, die sich sogar Pseudoanglizismen ausdenken, die außerhalb Deutschlands kein Mensch versteht (Beamer, Basecap, ...), was in GB bereits vor Jahren als "linguistic submissivenest" diagnostiziert wurde, diese Deutschen, die inzwischen ständig der Welt versuchen zu zeigen, dass sie die besseren Amerikaner sind, empfinden gegenüber den Engländern wahrscheinlich gleichzeitig den Wunsch, vor ihnen niederzufallen und ihnen dabei an die Gurgel zu gehen. Jedenfalls knieten sie vor dem Spiel gegen England (man könnte den Verdacht haben, sie knieten vor den Engländern... Oder wollten sie dagegen protestieren, dass in Würzburg die Polizei einem Somalier ins Bein geschossen hat, der vor rassistischen Hetzjaden aus Chemnitz nach Würzburg geflohen war?), und prompt verloren sie. 

Es bewahrheitete sich, was ich nach der letzten WM vermutete, als dank der rassistischen Türken die Heuchelei des verlogenen bundesdeutschen Weltoffenheits- und Hypertoleranzprogramms (das die Retribalisierung der europäischen Gesellschaften flankiert) entlarvt worden war, mit dem Typen wie Merkel und Löw das Publikum einseifen: aus dieser peinlichen Nummer wird zumindest der Fußball so schnell nicht herauskommen, denn im Fußball ist es nicht so leicht zu mystifizieren wie in der deutschen Politik. Die Peinlichkeit wird noch lange auf den Bewegungen der Spieler lasten. Das heuchlerische Theater, mit dem talentierte Spieler einen deutschen Pass bekamen, wurde 2018 zu einer Last. In den 80-ern, als der deutsche Nichtnationalismus noch aufrichtig und tatsächlich gut gemeint und daher unbefangen war (was aber im Ausland völlig ignoriert wurde bzw. von niemandem bemerkt wurde, geschweige denn thematisiert), gelangte die deutsche Mannschaft immer bis ins Finale. Es wird lange dauern, bis ihr das wieder einmal gelingt. 

Thomas Müller sang übrigens nicht mit! Er deutete lieber eine spöttische Grimasse an. Ob das jetzt lobenswert oder tadelnswert ist, ist in diesem "Zusammenhang", in diesem so abgekarteten wie verzettelten Durcheinander nicht mehr zu erkennen.

Samstag, 26. Juni 2021

Ein Hoch auf Herbert Keller & Hans Naumilkat

 

Hans Naumilkat

Herbert Keller



Ehrlichkeit ist die große Ausnahme

Herr, wie Du willst, soll mir gescheh’n,
Und wie Du willst, so will ich geh’n.
Hilf Deinen Willen nur versteh’n.

Herr, wann Du willst, dann ist es Zeit,
Und wann Du willst, bin ich bereit.
Heut und in alle Ewigkeit.

Herr, was Du willst, das nehm’ ich hin,
Und was Du willst, ist mir Gewinn.
Genug, dass ich Dein Eigen bin.

Herr, weil Du’s willst, d’rum ist es gut,
Und weil Du’s willst, d’rum hab’ ich Mut.
Mein Herz in Deinen Händen ruht.      Rupert Mayer

Herr, schütze die wenigen, die der Wahrheit dienen,
die wagen zu widersprechen, wenn jemand zu unrecht verunglimpft wird,
die sich die Mühe machen,  zu recherchieren, wo sie Unstimmigkeiten beobachten,
die sich exponieren, um auf Lügennarrative hinzuweisen und sie zu widerlegen.




Neuer Einzelfall im "molekularen Bürgerkrieg" (Hans Magnus Enzensberger)

 Diesmal wieder in Unterfranken

Obwohl sie hochintelligent, bestens ausgebildet und politisch geschult sind, stoßen unsere Wahrheits- und Qualitätsjournalisten gelegentlich an die Grenzen ihrer beeindruckenden Welterklärungskompetenz.


Manche Rätsel werden wohl für immer ungeklärt bleiben.



Dafür erheben anlässlich des unerklärlichen Würzburger Zwischenfalls wenigstens diejenigen antideutschen Hetzer ihr grässliches Haupt, die mich daran erinnern, dass mich die Antideutschen gewiss zu ihrem Ehrenmitglied machen würden, wenn sie wüssten, wie sehr ich sie verachte.

Unverinnerlichte Erinnerung

Kurz nachdem Guillaume le Bâtard zum König von England gekrönt worden war, fand am 30. Dezember 1066 in Granada/al-Andalus ein Massaker statt, das als erstes Pogrom auf europäischem Boden gilt. Eine muslimische Menschenmenge kreuzigte den jüdischen Wesir Joseph ibn Naghrela und massakrierte den Großteil der jüdischen Bevölkerung der Stadt. Etwa 4.000 Menschen wurden ermordet.

Eins kommt zum anderen

Nachdem zuerst A. Merkel die deutsche Schuld bis zurück auf den Ersten Weltkrieg ausgedehnt und sodann H. Maas die Vertreibung der Herero bzw. Nama in die Omaheke-Steppe als Völkermord anerkannt und samt Milliardenversprechen an die Nachkommen auf den sich demütig in alle Himmelsrichtungen neigenden deutschen Scheitel gehäuft hat, scheint ein tieferer Blick in den Schuldbrunnen der deutschen Vergangenheit geboten, dessen Sohle noch lange nicht erreicht sein kann. Vor Jahren schlug ein Freund vor, den Geschichtsunterricht in „Deutsche Verbrechenskunde” umzubenennen – merke Jean-Paul Sartre: "Wir bekommen unsere Vergangenheit nicht, sondern wir wählen sie"; merke Günter Maschke: "In Deutschland erhält nur Macht, wer an der Verstetigung der deutschen Ohnmacht arbeitet" –, und es ist in der Tat nicht einzusehen, warum sich dEUtschland noch nicht für die Emser Depesche und ihre schrecklichen Folgen oder für die eindeutig von einem Deutschen verursachten Reformationskriege entschuldigt und die Nachkommen der nichtdeutschen Opfer entschädigt hat. Auch in China leben Millionen Nachfahren der von scheelsüchtigen deutschen Truppen niedergemachten Boxer, die auf Entschädigungszahlungen dringend angewiesen sind!

Ein ebenfalls noch viel zu wenig beleuchtetes düsteres Kapitel in der Geschichte des deutschen Nationalhanges zur Diskriminierung und Ausgrenzung anderer Gruppen ist die Sverigophobie. Sie begann im 17. Jahrhundert und reicht bis in die Gegenwart, wie das Fortleben von Begriffen wie „Schwedenschanze”, „Schwedenlöcher”, „Schwedenbäume”, „Schwedenhöhlen”, „Schwedentürme”, „Schwedenkreuze”, „Schwedensagen”, des hetzerischen „Schwedentrunks” und überhaupt einer im Tätervolksmund so genannten „Schwedenzeit” beweist. Lieder und Gedichte, in denen gegen die Nordeuropäer mit gruppenbezogenen Vorurteilen gehetzt wurde, leben bis heute im kollektiven Gedächtnis, sie werden ungeniert zitiert und unzensiert gedruckt, etwa die berüchtigten Verse:

Bet, Kindlein, bet,
Morgen kommt der Schwed’!

Oder:

Schweden Krieg in fremden Landen
Macht das Teutsche Landt zu schanden.
Nirgendts Ruh noch Frieden bleibt,
Wo der Geitz den Schweden treibt.

Oder:

D’ Schweden san kumma,
ham alles mitgnumma.
(niederösterreichisch)

Diese Schwedenlieder – wie auch die sogenannten Schwedensagen, die schwedenfeindliche Stereotype verbreiten –, wurden jahrhundertlang gesungen oder erzählt, um Kinder zu erschrecken und ihnen zu drohen, weil es damals in Europa noch keine Afrikaner gab. Die Schweden wurden einerseits als böse, gewalttätig und religiös fanatisch beschrieben, andererseits als dumm und ungebildet. Wie heute die Muslime oder die Flüchtlinge verkörperten sie damals das Fremde, Bedrohliche und Parasitäre; nur durch ihren rechtzeitigen Rückzug entgingen sie der Vernichtung.

Deshalb leben heute auch kaum noch Schweden oder deren Nachkommen in Deutschland. Die beiden bekanntesten sind Heinrich Bedford-Strohm und Margot Kässmann.

"Das Duell verbessert die Manieren, die Zensur den Stil" Ernst Jünger

Arthur Conan Doyle (für Berliner Abiturienten: Das ist der Erfinder des Sherlock Holmes; für Hamburger Abiturienten: Sherlock Holmes ist eine literarische Kunstfigur aus dem späten 19. Jahrhundert, ein Detektiv; für Bremer Abiturienten: Literatur ist… – ach, vergessen Sie’s), Sir Arthur Conan Doyle benahm sich dem anderen, dem schönen Geschlecht gegenüber – damals gab es nur armselige zwei Geschlechter, die Juristen hatten das dritte noch nicht entdeckt, nach dem die Biologen bis heute vergeblich suchen – immer sehr ritterlich. Der Schriftsteller litt es nicht, wenn irgendwer in seiner Umgebung Frauen schlecht behandelte. Dabei kam ihm entgegen, dass er ein passabler Boxer war. Eine Anekdote berichtet, dass er im Theater eine Schlägerei mit mehreren Soldaten anzettelte, weil die eine Dame beleidigt hatten. Als er in Familie mit der Eisenbahn durch Südafrika reiste, erfrechte sich einer seiner (bereits erwachsenen) Söhne, über das Aussehen einer Frau zu lästern, die eben im Gang vorbeigekommen war; er hatte den Satz kaum beendet, als er sich eine Ohrfeige seines Vaters einfing, gefolgt von der Belehrung: „Merke dir mein Junge: Keine Frau ist hässlich!”

So weit, so reizend. Wie aber würde Conan Doyle heute auf eine Welt von Body Positivity und Fat shaming, von Weight stigma und der volkspädagogischen Allgegenwart übergewichtiger, unförmiger Models reagieren, in der sein gentlemanlike formulierter Satz vom Ressentiment umgelogen worden ist zu: Jede Frau ist schön?   MK am 25. Juni 2021

Es ist zu befürchten, dass er Eurabien resignierende Hoffnung entgegenbringen würde.

Freitag, 25. Juni 2021

Nicht die letzte Hinrichtung auf deutschem Boden, aber die letzte mit Gerichtsurteil

Der Henker war eigentlich bereits im Ruhestand. Doch am 26. Juni 1981 mußte Hermann Lorenz in Leipzig noch einmal ran. Der Scharfrichter im Rang eines Hauptmanns des Strafvollzugs führt die Mündung seiner 7,62iger Pistole vorsichtig in Richtung Hinterkopf des zum Tode Verurteilten; möglichst nah, doch ohne dessen Haut dabei zu berühren. Nur so konnte die Methode gelingen, der „unerwartete Nahschuß“, die in der DDR das Fallbeil als Vollstreckungsmethode abgelöst hatte.

Das Opfer, das auf diese Weise vor 40 Jahren starb, hieß Werner Teske und war Hauptamtlicher Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR, Dienstgrad Hauptmann. Seit 1969 hatte der promovierte Wirtschaftswissenschaftler für die Hauptverwaltung Aufklärung, die Auslandsspionage, gearbeitet.
Zehn Tage zuvor hatte der 1. Militärstrafsenat des Obersten Gerichts entschieden: „Der Angeklagte wird wegen vorbereiteter und vollendeter Spionage im besonders schweren Fall in Tateinheit mit vorbereiteter Fahnenflucht im schweren Fall zum Tode verurteilt.“ Teske habe trotz „anfänglichen Erfolgen in seiner verantwortungsvollen Tätigkeit“ schließlich „in seiner politischen Haltung keine innere Bindung zum Staat der Arbeiter und Bauern“ aufgebaut.
„Den Argumenten des imperialistischen Feindes zugänglich, gab er zunehmend seine Klassenposition auf und bezweifelte die Politik von Partei und Regierung. In seiner Überheblichkeit entwickelte er sich, unter grobem Mißbrauch des in ihn gesetzten Vertrauens, zu einem Renegaten, der es verstand, seine wahre Einstellung zu verschleiern. Schließlich stellte er sich auf die Seite des Feindes der Deutschen Demokratischen Republik und übte Verrat am sozialistischen Staat.“

Teske hatte zunächst eine vielversprechende Karriere begonnen. Wirtschaftsstudium an der Humboldt-Universität, danach dort wissenschaftlicher Assistent und Promotion. „Mein eigentliches Berufsziel war es, später einmal als Wissenschaftler und Hochschullehrer zu arbeiten, auch einmal Professor zu werden“, berichtet er seinen Vernehmern später. Dennoch habe er dann das Angebot, ins MfS zu gehen, angenommen. 1969 beginnt er dort, wird als Leutnant eingestellt. Er betreut als operativ arbeitender Offizier „Patrioten“, die in der Bundesrepublik für die DDR spionieren. Teske reist daher oft in den Westen.
Im Laufe der Jahre frustrierte ihn die Arbeit bei der Stasi. Der Doktor der Ökonomie vermißte das wissenschaftliche Arbeiten. Es häuften sich dienstliche Unregelmäßigkeiten, disziplinarische Sanktionen werden gegen ihn verhängt. Weil ihm klar ist, daß er als Hauptamtlicher nicht einfach „aussteigen“ kann aus dem Geheimdienst, und eine unehrenhafte Entlassung zur Folge gehabt hätte, daß ihm danach auch eine wissenschaftliche Laufbahn verwehrt bliebe, trug er sich mit Fluchtgedanken.

Verbotenerweise nahm er MfS-Unterlagen mit nach Hause, um nach einer Fahnenflucht den westlichen Geheimdiensten etwas „anbieten“ zu können. Aber obwohl er häufig auf Dienstreise „in der BRD“ war, setzte er sich nicht ab, sondern kehrte stets in die DDR zurück. Doch als sein Fehlverhalten entdeckt und er unter dem Vorwand einer dienstlichen Besprechung ins Ministerium beordert wurde, gestand Teske nach tage- und nächtelangen Verhören schließlich seine Fluchtpläne.
Am Ende des geheim abgehaltenen Prozesses bat Teske, „mir noch einmal die Chance einzuräumen, mir noch einmal die Möglichkeit zu geben, ein Leben mir einzurichten, in dem ich voll den gesellschaftlichen und gesetzlichen Normen der DDR entspreche“. Doch das Gnadengesuch des Verurteilten lehnte man ab. „Unter Berücksichtigung des hohen Grades der Gesellschaftsgefährlichkeit der verbrecherischen Handlungen ist die gegen Dr. Teske ausgesprochene Höchststrafe gerechtfertigt.“ Von einer Begnadigung sei daher abzusehen.

Bereits im Januar 1980 hatte Stasi-Chef Erich Mielke anläßlich der Flucht des MfS-Offiziers Werner Stiller in den Westen in einem Schreiben an seine Untergebenen klargemacht: „Verrat ist das schwerste Verbrechen, welches ein Angehöriger des MfS begehen kann. Die Partei und die Arbeiterklasse haben unserem Ministerium wichtige Aufgaben zum Schutz der Arbeiter- und Bauern-Macht anvertraut, haben bedeutsame Machtmittel in unsere Hände gelegt. Wer dieses große Vertrauen durch schmählichen Verrat hintergeht, den muß die härteste Strafe treffen.“
Am 26. Juni 1981 wurde der 39jährige Ex-Hauptmann mit einem grauen fensterlosen Transporter der Marke Barkas von Berlin nach Leipzig gebracht. Ziel: Die ehemalige Hausmeisterwohnung des Gefängnisses in der Arndtstraße. Hier lag im Verborgenen die Hinrichtungsstätte des Arbeiter- und Bauernstaates. Die Verurteilen wurden in den leeren und fensterlosen Raum gebracht. Die Wärter traten etwas zurück und der Henker, der sich schon im Raum befand, leise an den Hinzurichtenden heran, um dann abzudrücken. So auch im Fall von Werner Teske.
Henker und Vorruheständler Lorenz bekam, nachdem er abgedrückt und so sein Werk vollbracht hatte, die übliche Prämie von 150 Mark. Die Leiche Teskes wurde in einen einfachen Fichtenholzsarg gelegt, verbrannt und auf dem Leipziger Südfriedhof anonym bestattet.

Die Hinrichtung des Stasi-Offiziers war die letzte Vollstreckung eines von einem deutschen Gericht verhängten Todesurteils. In Westdeutschland war es damit schon Jahrzehnte vorher vorbei. Im Februar 1949 wurde in Tübingen der 28jährige Raubmörder Richard Schuh per Fallbeil hingerichtet, kurz bevor mit Verkündung des Grundgesetzes die Todesstrafe in der Bundesrepublik abgeschafft wurde.
Vollstreckt wurden auf bundesdeutschem Boden bis Anfang der fünfziger Jahre indes noch die Todesurteile alliierter Gerichte gegen als Kriegsverbrecher verurteilte Deutsche. In West-Berlin wurde im Mai 1949 der Raubmörder Berthold Wehmeyer hingerichtet, hier wurde die Todesstrafe erst 1951 per Gesetz abgeschafft.
In der DDR wurden mindestens 170 Menschen zum Tode verurteilt und hingerichtet. Zunächst durch das Fallbeil, später durch den unerwarteten Nahschuß von hinten. Der letzte hingerichtete Zivilist war 1972 der Kindermöder Erwin Hagedorn. Ein Jahr vor Teske traf das Schicksal einen anderen Militärangehörigen, den Fregattenkapitän der DDR-Volksmarine Winfried Baumann. Er hatte, bevor er wegen Alkoholismus 1970 entlassen worden war, im Verteidigungsministerium in Ost-Berlin gearbeitet – und nebenbei für den Bundesnachrichtendienst spioniert. Er starb im Juli 1980 durch Genickschuß.

Werner Teskes Frau erreichte im Jahr 1993 die nachträgliche Rehabilitierung ihres Mannes. Das rechtswidrige Urteil – Teske war schließlich weder geflohen, noch hatte er westlichen Nachrichtendiensten Staatsgeheimnisse oder anderes verraten – wurde annulliert.

Die Todesstrafe hatte der Staatsrat in Ost-Berlin erst im Juli 1987, kurz vor dem Bonn-Besuch von Staats- und Parteichef Erich Honecker, in der DDR abgeschafft. An ihrer Grenze freilich wurde noch weiter geschossen – und gestorben. Christian Vollradt

Offenbar derselbe Eventmanager

 


Donnerstag, 24. Juni 2021

Schutz der Kinder vor "progressiven" Pädagogen

Der polnische Botschafter in Deutschland, Andrzej Przylebski, hat Ungarn gegen Angriffe wegen dessen Homosexuellen-Gesetz verteidigt. „Das Recht des ungarischen Parlaments, Schulkinder vor der Beschäftigung mit der homosexuellen Problematik gesetzlich zu schützen“, sei „evident und unbezweifelbar“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Des weiteren betonte der polnische Diplomat, daß es dabei nicht um Intoleranz, die Verfolgung von Schwulen und Lesben oder eine Einschränkung ihrer Rechte gehe. Das entsprechende Gesetz sei seines Wissens nach auf die Schule begrenzt und solle Kinder vor einer Frühsexualisierung schützen.  JF

Gute Nachricht!

Passend zum 35. Jubiläum der JUNGEN FREIHEIT erstritten wir ein wichtiges Urteil vor dem Verwaltungsgericht Düsseldorf, das den Verfassungsrang der Pressefreiheit erneut unterstreicht. Mit ihrer seit der vergangenen Woche vorliegenden schriftlichen Entscheidung verurteilten die Richter den NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) dazu, negative Warnungen vor der JF zu unterlassen.
Ferner ist Reul dazu gezwungen, gegenüber den Extremismusbeauftragten der Polizeibehörden seine vor einem Jahr getätigte Äußerung als rechtswidrig zu widerrufen, nach der JF-Lektüre als Warnsignal für eine rechtsextreme Gesinnung gewertet werden könne.

Immer wieder Nordrhein-Westfalen: Schon einmal zogen wir gegen das Land vor Gericht – nur daß der Prozeß zehn Jahre und über mehrere Instanzen dauerte. Vor 16 Jahren, am 24. Mai 2005, fällte das Bundesverfassungsgericht eine bahnbrechende Entscheidung gegen das NRW-Innenministerium, das die JF ab 1995 in seinen Verfassungsschutzberichten erwähnt hatte. Diese „Verdachtsberichterstattung“ wurde als schwerer Eingriff in die Pressefreiheit gewertet – und damit beendet.
Karlsruhe schrieb dem Innenminister schon damals ins Stammbuch, welches hohe Gut Pressefreiheit im Verfassungsstaat darstellt und welche diskriminierenden Folgen es für eine Zeitung haben kann, wenn ein zur politischen Neutralität vepflichteter Minister sich durch Warnungen in den Wettstreit der Meinungen einmischt.

Eigentlich müßte das jüngste Düsseldorfer Urteil über politische Grenzen hinweg ein gewisses Echo finden. Schließlich soll Deutschland ein ganz besonderer Hort von Demokratie und Pressefreiheit sein. Doch es herrscht bis auf FAZ und Welt betretenes Schweigen. Besonders laut schweigen die Branchendienste der Medien, die sonst jede Elternzeitunterbrechung eines taz-Redakteurs als Eilmeldung über den Ticker jagen.
Bei allem Gerede von „mehr Buntheit“ und „Toleranz“, „Diversität“ und „Vielfalt“ tendiert unsere Medienwelt zu politisch-korrekter Monotonie. Im Zuge dessen macht sich unverhohlene Freude breit, wenn konservative oder rechte Medien staatlicherseits diskriminiert werden.

Vielleicht sind die Äußerungen des NRW-Innenministers Reul einer der vielen Gründe, weshalb sich beim jüngsten Allensbach-Monatsbericht für die FAZ noch nie so viele Deutsche wie seit 60 Jahren* beklagt haben, nicht mehr frei ihre Meinung politisch äußern zu können: Fast jeder zweite äußert sich so. Ein alarmierendes Signal.   Dieter Stein

*Vor 60 Jahren? Also im Morgengrauen der Spiegel-Affäre.

 

Gegen Grütters, Merkel & Borchardt ist kein Kraut gewachsen

Barbara Borchardt - Von Jonas Rogowski - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=26757824

 

Mehr als 111 Kilometer Stasi-Unterlagen, Tausende Fotos und Tonträger sind vergangene Woche offiziell in die Verantwortung des Bundesarchivs überführt worden. Die Stasi-Unterlagenbehörde, die die Daten knapp 30 Jahre lang verwaltete, ist geschlossen. Doch noch immer warten rund 15.500 Säcke zerrissener Stasi-Unterlagen auf ihre Rekonstruktion. Aber seit einigen Jahren steht der Prozeß still – und das wirft Fragen auf.
Daß es die geschredderten Papiere überhaupt noch gibt, ist Verdienst und Vermächtnis jener DDR-Bürger, die ab dem 4. Dezember 1989 Stasi-Dienststellen besetzten, um die heimliche Aktenvernichtung zu verhindern. Die Stasi hatte Anfang November begonnen, in großem Umfang Dokumente zu zerstören, um beispielsweise kompromittierende oder illegale Praktiken zu vertuschen sowie geheime Quellen oder andere inoffiziellen Verbindungen zu schützen.

Die sogenannten Verkollerungsanlagen reichten jedoch nicht aus, um die Masse an Dokumenten in kürzester Zeit für immer zu vernichten. Also begannen die Mitarbeiter im Staatssicherheitsdienst, die Akten per Hand zu zerreißen. Die Schnipsel sollten anschließend in Garagen und Höfen mit Wasser übergossen und zu Papierbrei verarbeitet werden. Zudem wurden Dokumente verbrannt oder per Reißwolf geschreddert. Durch die Besetzung der Stasi-Dienststellen konnten 16.000 Säcke zerrissener Akten gerettet werden. Ab 1995 begannen vorwiegend Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf)* im bayerischen Zirndorf mit der händischen Rekonstruktion der Akten. 2015 wurden diese jedoch wegen der Flüchtlingswellen ins Bamf zurückbeordert. In den zehn Jahren konnten 500 Säcke per Hand gepuzzelt werden. Experten rechneten aus, wie lange es dauern würde, wenn jeder Mitarbeiter etwa drei Säcke pro Jahr rekonstruieren könnte: 640 Jahre.

Bereits im Jahr 2000 stimmte der Bundestag dafür, die Erschließung durch den Einsatz von IT-Verfahren zu erleichtern. Vier Jahre später konnte das Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) erste Erfolge mit dem sogenannten ePuzzler nachweisen. Nach weiteren drei Jahren erhielt das Institut einen entsprechenden Forschungsauftrag.
Seitdem geriet die digitale Rekonstruktion aber immer wieder ins Stocken, seit 2018 passiert nichts mehr. Das Fraunhofer IPK wandte sich vor rund zwei Wochen in einem Brief an den Kulturausschuß des Bundestags. In dem Papier, das der JUNGEN FREIHEIT vorliegt, informiert Institutsleiter Eckart Uhlmann die Abgeordneten über den Stand der virtuellen Rekonstruktion der Unterlagen.
Das Schreiben liest sich teilweise wie eine diplomatisch formulierte Kritik an den involvierten Politikern in Bundestag und Bundesregierung sowie an der Stasiunterlagenbehörde. Der Projektverlauf sei „stets durch lange Unterbrechungen gekennzeichnet“ gewesen, was „in hohem Maße die Entwicklung einer neuartigen und weltweit einzigartigen Technologie“ erschwert habe. Dennoch sei es den Technikern 2014 gelungen, die Fertigstellung des ePuzzler 2014 erfolgreich abzuschließen.

 

Mitarbeiter sortiert 2011 Schnipsel von Stasi-Unterlagen Foto: picture alliance / AP Images | Michael Sohn

Damals sei es das Ziel des Fraunhofer IPK gewesen, den alten Vertrag zum Abschluß zu bringen und für die weitere Projektphasen einen neuen auszuhandeln. „Trotz der Zusagen des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen dies genauso umzusetzen, ist bis heute der alte Vertrag nicht abgeschlossen worden. Die letzten Zahlungen an das Fraunhofer IPK erfolgten 2014, obwohl wir bis 2016 Lektorenplätze aufrechterhalten und betreuen mußten und im Verlauf der letzten Jahre mehrere Male umfangreiche Projektskizzen erstellt haben.“ 2018 habe das Institut den jüngsten Projektvorschlag unterbreitet, dieser sei aber mittlerweile wieder veraltet.
Uhlmann betont in seinem Brief die Relevanz eines speziell entwickelten Scanners, um die Schnipsel zu digitalisieren. Zuvor sei eine schnellere Rekonstruktion nicht an der Software, sondern am Scanner gescheitert. Ab 2013 konzipierte das Institut deshalb auf Bitten des Bundestags drei Varianten einer Scanstraße, wovon das Parlament Ende 2014 die „mittlere Variante“ für sechs Millionen Euro wählte. Doch weil der Bundestag nur zwei Millionen genehmigte, konnte die Scanstraße 2015 nicht wie geplant verwirklicht werden.

Stattdessen entwickelte das Fraunhofer IPK im selben Jahr ein neues Projektszenario mit einer reduzierten Scananlage für zwei Millionen Euro. Im September stoppte der Bundesrechnungshof allerdings die virtuelle Rekonstruktion. Die Kosten seien zu hoch und unkalkulierbar, hieß es. Nachdem das Prüfverfahren Ende 2017 abgeschlossen war, legte das Institut Anfang 2018 ein weiteres Projektszenario vor. 

Seit Herbst 2019 laufen erneut Vertragsverhandlungen – bislang ohne Ergebnis.
Am Ende seines Briefes weist Uhlmann noch einmal auf den Erfolg der Scantechnologie hin, mit der beispielsweise vor kurzem zerstörte Banknoten für die Bundesbank rekonstruiert worden seien. Dies kann auch als Wink an die verantwortlichen Politiker verstanden werden: Schaut her, wir können unseren Teil der Abmachung erfüllen, nun gebt uns endlich den Auftrag und einen neuen Vertrag. Uhlmann war auf Anfrage der JF bislang nicht zu erreichen.
Der forschungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, Götz Frömming, bezeichnet die „jahrelange Verschleppung“ der Rekonstruktion gegenüber der JUNGEN FREIHEIT als „politischen Skandal“. Trotz anderslautender Zusagen, wonach die Stasi nicht das letzte Wort darüber haben dürfe, welche Dokumente der Nachwelt erhalten bleiben und welche nicht, „wurde das Projekt an die Wand gefahren“.
Daß dem Fraunhofer-Institut der schwarze Peter zugeschoben werden soll, versteht der AfD-Politiker nicht. Das Institut habe die Funktionsfähigkeit des ePuzzlers nachgewiesen und auch die vertragsrechtlichen und finanziellen Hürden hätten überwunden werden können. „Dafür fehlte den Verantwortlichen in der Stasi-Unterlagenbehörde und der Bundesregierung aber offensichtlich der politische Wille. Man muß sich fragen, welche Geheimnisse die Stasi-Säcke bergen, von denen wir nichts erfahren sollen.“
Daß in den geschredderten Akten brisante Informationen enthalten sein könnten, ist durchaus wahrscheinlich. Die Stasi hatte aus ihrer Sicht relevante Dokumente zuerst zu vernichten versucht. Wenn das Fraunhofer-Institut keine nennenswerte Schuld daran trägt, daß es mit der Rekonstruktion der Akten so schleppend vorangeht, bleiben nur noch zwei Akteure übrig: Die Stasi-Unterlagenbehörde, die es nicht mehr gibt, und die Bundesregierung.   Lukas Steinwandter

*Ausgerechnet das Bamf

Matteo Pessina

 

Aus Gründen, die mit Fußball nichts zu tun haben, ist dies derzeit mein Lieblingsspieler. Zum Beispiel, weil eins seiner Hobbys die lateinische Sprache ist (er selbst teilt mit, die Lektüre lateinischer Texte sei ein mentales Training, das ihm helfe, taktische Prioritäten beim Fußballspiel zu setzen).

Es ist unerträglich geworden, Fußballspiele im deutschen Fernsehen zu verfolgen. Schon in den 70er Jahren drehte mein Vater den Ton des Fernsehgeräts leise und schaltete die Radioübertragung ein, weil das lahme, lustlose, langweilige, belanglose Geschwafel des TV-Moderators nicht zu ertragen war, im Radio dagegen die Spiele noch hervorragend beschrieben und gleichzeitig blitzschnell und informativ kommentiert wurden. Das war regelrecht eine eigene Literaturgattung!!

Inzwischen hat sich die Situation in Deutschland weiter verschlechtert. Unsäglich das kumpelhaft plumpe Geröhre, mit dem sich diese "Journalisten" bei den proletarischen Fans anbiedern, schlimmer noch, wenn es eine Frau ist, die mit kehliger Stimme zu verstehen gibt, dass sie mehr Testosteron im Blut hat als alle gerade auf dem Platz herumlaufenden Spieler. Und dieses konfuse Brunftgebaren spielt sich auch noch vor dem Hintergrund einer Ideologisierung des Alltags ab, wo alle und jeder zu bunten Kälbern werden sollen. Peinlicher geht nicht.

Ganz anders - wenigstens während dieser Meisterschaften - ist es in Italien, wo die wichtigen Spiele immer von zwei Moderatoren kommentiert werden, die plaudernd, einander ergänzend das Geschehen auf dem Rasen lebhaft, kompetent, sympathisch kommentieren und taktisch-technische Details erläutern und dabei wie normale Menschen reden, ohne anlassbedingt ihren Kehlkopf unter Druck zu setzen. Übrigens, oft bestehen diese Duos aus einem Mann und einer Frau! Besonders angenehm  Stefano Bizzotto und Katia Serra, er männlich, sie weiblich.

Und ein Mann und eine Frau sind auch Paola Ferrari und Marco Tardelli, die die Spiele danach kompetent, nüchtern und doch passioniert besprechen. Oder Danielle Madame mit Marco Lollobrigida. Alles sehr fein und angemessen und ohne vermännlichte Pseudofrauen mit Transgendersendungsbewusstsein. Zusammenfassend ist festzustellen, so unseriös und ineffizient die italienische Politik ist, so ernst und effizient (wenn auch nicht seriös) ist der italienische Fußball. Allein das ist ein sonderlicher Albtraum. Schlimmer ist aber, dass die deutsche Politik mittlerweile noch unseriöser ist als die italienische. Man könnte meinen, Deutschland existiere nur, um sich von Italien verarschen zu lassen.

Mittwoch, 23. Juni 2021

Islamisch sozialisierte, jugendliche Schläger werden als "Teenie-Gang" bezeichnet

Wie ein Polizeisprecher erklärte, war der 15jährige Junge mit einem 16 Jahre alten Freund gegen 21.45 Uhr in Essen-Borbeck unterwegs, als die beiden von einer Gruppe von sechs bis sieben Jugendlichen angesprochen und „nach Geld gefragt” wurden.
„Als sie wegliefen, seien sie von der Gruppe verfolgt worden, so die Polizei. Aus Angst vor den Verfolgern habe der 16-Jährige dann sein letztes Bargeld ausgehändigt und hoffte, die Gruppe so loszuwerden. Doch sie ließen dennoch nicht von ihnen ab. An einer Grundstückseinfahrt umzingelten sie den 15-Jährigen, stießen ihn zu Boden und traten gemeinsam auf ihn ein. Einer der mutmaßlichen Täter zog ein Messer und stach auf das am Boden liegende Opfer ein. Als der 16-Jährige seinem Freund zu Hilfe kommen wollte, wurde ihm ein Messer an den Hals gehalten.”

Dann entfernte sich die „Gruppe”. Täterbeschreibung: alle etwa 12 bis 14 Jahre alt und dunkeldeutsch, Verzeihung, ‑häutig.

Die beiden malträtierten Jungen sind auf Jahre traumatisiert. Die Täter sind nach deutschem Recht Kinder und nicht strafmündig. Sie werden mit einem Dudu! davonkommen, vielleicht mit Sozialstunden und Betreuern, die ihnen sagen, dass man so etwas nicht machen darf („Strafdelikte sind bei uns verboten”, wie die Haupthereinwinkerin in ihrer unsterblichen Art formulierte). Die Eltern, sofern sie überhaupt in Deutschland leben und wir es nicht mit Schutzflehenden aus dem von Ihrer Bundesregierung mit Ihren Steuermilliarden gesponserten Rettungsprogramm für „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge” zu tun haben, wird man nicht haftbar machen können.
„Das Problem hinter der Straftat eines Migranten ist die politische Verantwortung dafür”, sprach der zu recht gemaßregelte Hans-Georg Maaßen. Deshalb wird kein Journalist zu den beiden Opfern laufen, ihre Leiden schildern und eine flammende Anklage gegen diejenigen niederschreiben, die für solche Taten die indirekte Verantwortung tragen; eher werden sie die Instrumentalisierung der neubunten Alltagsmesserei durch die „Rechten” beklagen („ein gefundenes Fressen für rassistische Hetzer”).

Ich finde, dass eine einzige solche Tat ausreichen würde, um die sogenannte Willkommenskultur zu desavouieren, denn die Politiker in der Regierung haben einen Amtseid geschworen, der sie verpflichtet, Schaden von deutschen Staatsbürgern abzuwenden. Die schlauen Grünen wissen wie immer die Lösung: Einbürgern, einbürgern, einbürgern. Dann passt es auch wieder mit dem Amtseid. Die beiden Jungs – es wird sie immer und immer wieder geben – waren dann halt zur falschen Zeit am falschen Ort.

Le unghie dell'Ungheria

 


Schön und gottgefällig ist es, wenn achtbare, stolze, unverhetzte Magyaren den gehirngewaschenen, heuchlerischen, millionenschweren, konformistischen Niederknieern und (auf Befehl aus dem Kanzleramt vom Niederknien absehenden) Zeichensetzern der allen Ernstes immer noch sogenannten „Mann”schaft ein paar Tore einschenken. Schade, dass es nicht ein Tor mehr war! (so wird man aus Patriotismus zum vaterlandslosen Gesellen)

Wie schön, dass es die Budapester Zeitung gibt! 

Viktor Orbán dürfte trotz des starken Spiels der eigenen Nationalmannschaft nicht mit seiner Entscheidung hadern, auf die Reise nach München verzichtet zu haben. Er wurde massenmedial zur Persona non grata stilisiert, weil er gesetzlich (und grundgesetzlich) die Kernfamilie als bewahrenswerte Institution einer Gemeinschaft begreift. Aber wer weiß? Wäre er angereist, hätte das ungarische Team womöglich gewonnen! Diese Dinge sind unwägbar.

Grüne Politik

Demokratie –> Gynokratie –> Geokratie –> Kosmokratie








Antifa & "Verfassungsschutz" gemeinsam gegen patriotischen Widerstand

 Diesmal ist es Antaios

Gloria von Thurn und Taxis & Sarah Wagenknecht

Zwei kluge Frauen, die gemeinsam etwas auf die Beine stellen sollten. Mit Boris Palmer.

 

Dienstag, 22. Juni 2021

Wenn wir die Ungarn nicht hätten

Liebe Ungarn, liebe mitteleuropäische Nachbarn, in den 80er Jahren erstand ich ein Abonnement der Budapester Rundschau und erfuhr auf diese Weise zweiwöchentlich auf Deutsch recht aktuell, wie sich in Ungarn die Freiheit Bahn bricht. Imre Poszgay und Miklós Németh waren für mich die ungarischen Lichtgestalten der Hoffnung auf Befreiung aus dem sowjetischen Kolonialsystem. Miklós Németh konnte ich 2014 anlässlich der Verleihung des „Point Alpha Preises“ persönlich Danke sagen. Ich weiß, auch Viktor Orbán gehörte zu den mutigen Ungarn jener Zeit. Ich vergesse das alles nicht.

Ich kann nur allen Ungarn ans Herz legen: „Bleibt fest! Lasst euch nicht von Leuten maßregeln, denen Erfahrungen, Kenntnisse, Kultur und Lebensansichten ihrer vermeintlichen Partner völlig egal sind. Nicht ihr seid die Störenfriede in der Europäischen Union. Im Gegenteil, ihr tut das, was ihr schon oft getan hattet: Europas Werte hochhalten und schützen. Eure schärfsten Kritiker sind drauf und dran, aus der starken Idee einer Gemeinschaft europäischer Staaten ein Umerziehungs- und Gleichmachungsungetüm zu formen. Ungarn und Polen sind notwendige Korrektive!

Vergleiche ich die Europäische Union mit einem großen Zelt, dann stelle ich fest, es wird gerade in kultureller Hinsicht eingerissen. Gäbe es die Visegrád-Staaten, das Baltikum und Österreich nicht, dieses Zelt würde infolge der an großdeutsche Überheblichkeit erinnernden Merkelschen Multikultipolitik, die auf nichts anderes als auf eine gesichts- und geschichtslose Homogenisierung der europäischen Nationen und Völker hinausläuft, einstürzen, wie das alte Westrom vor 1.500 Jahren sang- und klanglos untergegangen ist.

Wer Europa, wer die Europäische Union liebt, der sollte die Gemeinschaft schützen und stärken. Die Anziehungskraft der europäischen Idee erwächst aus ihren gemeinsamen Wurzeln, aus ihrer nationalen und kulturellen Vielfalt, aus ihren gemeinsamen Schutz- und Verteidigungsinteressen und aus der Fairness aller Mitglieder im Umgang mit allen Mitgliedern.

Die Europäische Union ist eine Gemeinschaft Freiwilliger, Zwang hat sie weder zusammengeführt, noch kann Zwang sie erhalten. Der Zusammenhalt bedarf allseitigen Interesses und allseitiger Mitwirkung. Die Europäische Union ist kein Zentralstaat mit der Hauptstadt Brüssel oder einer Ersatzhauptstadt Berlin. In Brüssel werden die Interessen der Europäischen Union von den Mitgliedsländern und ihren Entsandten ausgehandelt. In Brüssel wird verhandelt, demokratisch entschieden und verkündet, was die Mitgliedsländer gemeinsam wollen. Nicht mehr, nicht weniger!

Wer demokratische Prozesse eines Mitgliedslandes mit dem Geldhahn durchdrücken will, verhält sich diktatorisch. Brüssel hat nicht die Wahrheit gepachtet, schon gar nicht hat dies das Sendegebiet von Radio Luxemburg. Ohne das beherzte Eingreifen Viktor Orbáns im Herbst 2015 wären die Brüsseler Erpresser samt der Regierung Merkel in Deutschland längst Geschichte. Statt den Ungarn zu danken, werden sie unanständig beschimpft.

Als ob es nicht genügt, dass sich Großbritannien wegen des historisch unfassbaren Versagens von Merkel-Europa aus der Europäischen Union verabschiedet. Dieser Tage äußerte Tom Bower, unter anderem Autor einer Biographie über Boris Johnson, in einem Spiegel-Interview Folgendes: „Im Übrigen bin ich überzeugter Europäer, ich habe seinerzeit gegen den Brexit gestimmt. Aber ich sage Ihnen etwas: Mein Gefühl ist, dass die wahre Schurkin in diesem ganzen Brexit-Drama Angela Merkel ist.“

Mir als Ostdeutschem treibt es die Schamröte ins Gesicht, wenn ich fast täglich miterleben muss, wie oftmals historisch eher ungebildet erscheinende Europa- und Landespolitiker über Ungarn und Polen herfallen.

So wie jüngst etwa Katarina Barley: „Wir müssen ihn finanziell aushungern. Er braucht das Geld‘“. Später sprach sie von europäischen Steuergeldern, die dann „an Regime wie das von Orbán und Kaczynski“ gehen. Diese würden sich laut der ehemaligen Bundesministerin „vor allen Dingen Geld in die eigene Tasche schaufeln, aber ihre Länder zu Demokratien umbauen, die mit den Werten der EU nichts mehr zu tun haben“. Diese Tonlage gehört ganz sicher nicht zu den Werten, die Frau Barley zu verteidigen vorgibt.

Was Frau Barley über „Regime von Orbán und Kaczynski“ absondert, diskreditiert sie eher selber. Orbán und Kaczynski muss man nicht mögen, anders als Frau Barley haben die beiden aber regelmäßig gewaltige Mehrheiten der eigenen Bevölkerung hinter sich. Frau Barley sitzt dagegen im EU-Parlament, nicht weil sie so brillant ist, sondern weil sie per kompetenzunabhängigem Quotengeschacher bei der letzten Europawahl ganz oben auf der SPD-Liste stand.

Orbán und Kaczynski können mit Fug und Recht für Ungarn und Polen handeln. Frau Barley fehlt es an Anstand, Geschichtswissen und Selbstreflexion. Nationalstaaten unter Druck zu setzen, ist so ziemlich das Dümmste, was einer Politikerin einfallen sollte. Zumal, wenn es um Staaten geht, die Europa mehr als einmal gerettet haben. Frau Barleys Gendarmensprache ist leider kein Solitär im deutschen Sprachraum. Martin Schulz entblödete sich ebenfalls des Öfteren nicht, mit seinem Orbán- und Ungarn-Bashing in Erscheinung zu treten.

Die Europäische Union gilt mit Fug und Recht als Friedensprojekt. Meine Ziele 1989 waren Freiheit, Demokratie, soziale Markwirtschaft, deutsche Einheit, Mitgliedschaft in EWG und NATO als irreversibler Schutz vor möglicherweise wiederkehrenden Gelüsten aus Moskau. Und ich wollte eine europäische Gemeinschaft, in der neben uns Ostdeutschen selbstverständlich auch die Völker Mitglied sein sollten, denen wir auch unsere Freiheit verdanken: Ungarn, Polen, Balten, Tschechen, Slowaken, Rumänen und Bulgaren. Wir haben eine gemeinsame Freiheitsgeschichte, von der die Barleys, Schulzes, Webers etc. nicht die Spur einer Ahnung zu haben scheinen.

Falls Sie sich jetzt fragen, wie kommt der Mann dazu, sein Land und seine Politiker im Ausland zu kritisieren, dann sage ich Ihnen, ich bin sehr zornig über die Behandlung, die den Ungarn gerade von deutschen Politikern verschrieben wird. Weil ich weiß, wem ich meine Freiheit zu verdanken habe. Im Zweifel weiß ich auch, wer uns besser beschützen würde: die Ungarn.

Übrigens, in Deutschland gibt es eine zunehmende Einengung des Meinungskorridors. Eine freie Meinungsäußerung kann sich nur noch leisten, wer existenziell unabhängig ist. Alle anderen werden immer vorsichtiger, ihre Meinung in der Öffentlichkeit zu äußern. Es steht keine Strafe und kein Gefängnis auf abweichende Positionen. Insofern ist Deutschland keine Diktatur. Auch die Gerichte arbeiten noch unabhängig. Doch was nützt das alles, wenn der Einzelne Angst um seinen Job haben muss? Das gesellschaftliche Klima war in Deutschland schon mal angenehmer.

Inzwischen werden hier Wahlen rückgängig gemacht. Einfach so auf Zuruf der Bundeskanzlerin von Südafrika aus. So geschehen in Thüringen im Februar 2020. In Deutschland haben sich Bundestag und Länderparlamente weitgehend aus der Debatte um den Umgang mit Corona herausgenommen. Bezüglich Ungarn und Orbán sprachen deutsche Politiker und viele Medien vor einem halben Jahr von Orbáns Ermächtigungsgesetz. Jetzt, wo dieselben Leute für Deutschland das genauso beschlossen haben, sprechen sie aber nicht von Ermächtigung. Fehlende Selbstreflexion oder Heuchelei? Machen Sie sich selbst ihren Reim darauf.

Liebe Ungarn, wer das traumatische Gepäck zweier Diktaturen binnen eines Jahrhunderts in sich trägt, der spürt Gefährdungen der Freiheit, der Demokratie und der Sicherheit eher und stärker. Und er sucht immer die politische Mitte, die im Moment in der öffentlichen Diskussion in der Europäischen Union, demokratietheoretisch verfremdet, leider als rechts verunglimpft ist. Ich denke, in diesen unterschiedlichen Erfahrungen liegen viele Ursachen für den aktuellen Konflikt, unter dem nicht nur die Ungarn leiden. 

Dieser Text vom 3. März 2021 erschien zuerst in der ungarischen Tageszeitung Magyar Nemezet (Ungarische Nation“). Die ungarische Fassung finden Sie hier.

 

Gunter Weißgerber war 1989 Gründungsmitglied der Sozialdemokratischen Partei in der DDR (SDP) und mehrfach Redner bei den Leipziger Montagsdemonstrationen. Derzeit ist er unter anderem tätig als Herausgeber des liberalen Diskussionsforums Globkult Magazin. 

Die Grünen haben Höckes Forderung entsprochen

 und Wolffsohn schnappt endgültig über.

Heute vor 80 Jahren kam die Wehrmacht der Roten Armee zuvor

Sie griff an.

Beide totalitäre Regime hatten, abgesichert durch den Nichtangriffspakt vom Sommer 1939, bereits regional begrenzte Kriege geführt und fast alle gewonnen:

Die Sowjetunion war in Polen einmarschiert, hatte den östlichen Teil besetzt und dabei rund 25000 Offiziere, Polizeibeamte und Intellektuelle in den Wäldern um Katyn ermordet und verscharrt.

1940 besetzte sie die baltischen Staaten und Bessarabien, das zuvor zu Rumänien gehört hatte. Den "Winterkrieg" gegen Finnland, der vom November 1939 bis zum März 1940 dauerte, gewann die Sowjetunion zwar unter erheblichen Verlusten, konnte aber ihre ursprünglichen Pläne nicht durchsetzen: Finnland blieb unabhängig und kämpfte später an deutscher Seite, um die Gebietsverluste des Winterkriegs wettzumachen und die Gefahr eines erneuten Okkupationsversuchs präventiv abzuwehren.

Das Deutsche Reich hatte nach dem Sieg über Polen zunächst keinen weiteren Krieg zu führen. Die Kriegserklärungen durch Frankreich und England blieben folgenlos, beide Nationen hatten Polen nicht beigestanden und im Westen keine zweite Front eröffnet. 1940 hatte Deutschland den Wettlauf um Norwegen (und damit um den Erzhafen Narvik) knapp gewonnen. Im Mai und Juni 1940 warf es Frankreich nieder.

Im April und Mai 1941 sah sich das Deutsche Reich gezwungen, den britischen Einfluß auf dem Kontinent zurückzudrängen und den militärischen Pfusch Italiens auszubügeln: Der Balkanfeldzug endete an der Seite Bulgariens und Rumäniens mit Siegen über Jugoslawien und Griechenland. Erfolglos blieb Deutschland im Luftkrieg um England.

Das deutsche Reich und die Sowjetunion – das bedeutete bis Mitte 1941: Aufteilung der Machtsphären, Sicherung des Nachschubs an Rohstoffen, Meereszugänge, Bereinigung auf Nebenkriegsschauplätzen. Die eigentliche Auseinandersetzung würde gegeneinander geführt werden, als Weltanschauungskrieg, als Krieg ums Sein oder Nichtsein und um den Status der dominierenden europäisch-kontinentalen Weltmacht.

Es war nicht zuletzt der junge Schweizer Armin Mohler, der am Morgen des 22. Juni 1941 vom Angriff der Wehrmacht auf die Sowjetunion hörte und wußte, daß es nun "um die Wurst" gehe, eben um alles oder nichts und nicht nur um Elsaß-Lothringen oder Posen oder eine Einflußsphäre in Skandinavien.

Es war das Unvermeidliche, das in Gang kam und das auf beiden Seiten mit aller Härte ausgeführt wurde. Unvermeidlich: Das haben die Sieger nach dem Krieg bestritten, erst leise, dann laut, und am lautesten bestreiten es nun die Deutschen selbst, die längst jede Siegererzählung bis ins Vokabular hinein übernommen haben und mittlerweile einander mit allen Spielarten von Schuldstolz, nachgereichter Verurteilung, Wiedergutmachungswettlauf und antideutscher Zukunftsverhinderung überziehen - und tatsächlich glauben, daß nicht das nationalsozialistische Regime widerlegt worden sei, sondern die Deutschen, sie selbst also, an sich.

Wir, also die Deutschen, waren in der Debatte um den deutsch-sowjetischen Krieg schon einmal weiter, viel weiter. Diejenigen Nationen, die nach dem Ende des Kriegs unter den sowjetischen Einfluß gerieten oder sogar einverleibt wurden (allen voran die baltische Staaten), betonen seit 1990 zumindest den antitotalitären Konsens, mit deutlicher Gewichtung gegen den roten Terror, der ihre Länder beinahe ausgelöscht hätte.

Aber bei uns kippte alles zurück in eine unhistorische Eindimensionalität. Und so hoffte man im Rahmen des alternativen Aufbruchs auch auf alternative Erzählungen, auf geschichtspolitische Souveränität. Dr. Alexander Gauland im Bundestag:

 

 

Dr. Stefan Scheil reagierte zunächst auf Facebook, hier nun erweitert:

Am 9. Juni veranstaltete der deutsche Bundestag eine aktuelle Stunde zum achtzigsten Jahrestag des deutschen Angriffs auf die UdSSR im Jahr 1941. Für die Bundestagsfraktion im deutschen Bundestag wurde es eine Stunde der Wahrheit.

Man musste ja nicht unbedingt erwarten, daß Alexander Gauland als Fraktionssprecher der AfD vor dem Bundestag in heikle Geschichtskontroversen einsteigt oder gar den Angriff auf Russland als Präventivangriff bezeichnet. Es wäre aber beispielsweise möglich gewesen, den russisch-deutschen Krieg etwa als Tragödie zweier Völker zu bezeichnen (die beide gleichzeitig selbst mit einer Diktatur im Inneren zu kämpfen hatten) und als Ausdruck von politischen Konflikten, die damals mit Mitteln ausgetragen werden sollten, die wir heute bitte nicht wieder sehen wollen.

Bei Bedarf ließen sich auch andere allgemeine Worte finden.

Was Gauland jedoch statt dessen auf geradezu überschießende Art und Weise vorgetragen hat, unterstützte tatsächlich die Wiederbelebung stalinistischer Propaganda von 1939-1953. Diese wird vom russischen Präsidenten Wladimir Putin seit Jahren allen Ernstes wieder belebt und in Europa verbreitet. Etliche deutsche Geschichtsprofessoren wurden von staatlichen russischen Stellen persönlich angeschrieben, wie der Kriegsausbruch von 1939 und die Jahre danach zu sehen seien.

Gauland ist praktisch komplett den aktuellen Vorgaben aus Moskau gefolgt, die in Stichworten lauten: "Hitler war der Aggressor, der Westen feige, Stalin clever und er tat das Nötige. Polen war mitschuld". Der Fraktionssprecher hat zugleich den Deutschen auf eine wirklich spektakuläre Art eine Kollektivschuldschelle verpaßt und einen historischen Maulkorb umgehängt.

Das läßt sich kaum anders denn als unnötig, peinlich und politisch schädlich bezeichnen. Es sei denn, die AfD möchte sich dauerhaft als die "russische Partei" in Deutschland inszenieren. Dafür bekäme sie dann aus Moskau zur Belohnung die Feststellung einer - 1939 zweifellos vorhandenen - polnischen Mitschuld geliefert, müßte sich aber weiter unverdrossen "faschistischer" deutscher Verbrechen schuldig bekennen, während von den Kriegstreibern und Massenmördern in Moskau bitteschön zu schweigen sei. Das ist sachlich völlig falsch und auch politisch nicht klug.

Leider stellt Gaulands Vortrag keinen Einzelfall dar, und so spricht manches dafür, daß Gauland und die Fraktionsführung in der Tat davon Abstand nehmen (oder die Phantasie dazu gar nicht haben) tatsächlich eigene Akzente beim Blick auf die Jahre 1939 bis 1941 zu setzen. Man sieht nur die Wahl zwischen der westlichen Variante und der sowjetischen "Meistererzählung" und entscheidet sich für den Osten. Das ist zu wenig, um eine Alternative zu sein.

Wo stehen wir also geschichtspolitisch? Ordnen wir eine deutsche Sicht auf den Krieg mit der Sowjetunion heutigen bündnisstrategischen Erwägungen unter? Oder einer Parteitaktik? Oder geben wir einer Sehnsucht nach Ruhe an der geschichtspolitischen Front nach?

Manchmal hat man den Eindruck, als hätten Scheil und Weißmann, Schultze-Rohnhof und Hinz nur so zum Spaß geschrieben und darauf beharrt, daß man den Schlägen mit der Faschismuskeule nicht dadurch ausweichen könne, indem man mitschlägt.

Alternativ sein bedeutet manchmal: mindestens schweigen.         GK

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Vertieft hat Stefan Scheil den Forschungsaspekt zum Präventivkrieg in seinem knappen, bereits in der 5. Auflage vorliegenden Bändchen Präventivkrieg Barbarossa (hier bestellen) und in seinem Buch Die Eskalation des Zweiten Weltkriegs (hier bestellen).

Alle vier Studien Scheils zu Brennpunkten der Kriegsausweitung sind zum Paketpreis hier erhältlich.

Den besten Überblick über den Kriegsverlauf bietet (samt Kartenmaterial) Heinz Magenheimers Buch Die deutsche militärische Kriegsführung im II. Weltkrieg (hier erhältlich).


Zitat des Tages: „Andererseits, als Hitler einmal da war, war die einzige Gegenmacht Hitler gegenüber die Sowjetunion, jetzt der Molotow-Pakt mit eingerechnet, denn der Molotow-Pakt war ein sehr geschickter Schachzug, um den Westkrieg und damit die Lebensnotwendigkeit für die Westmächte zu schaffen, sich gegen Hitler zu wenden.

Georg Lukács, „Ästhetik, Ontologie, Marxismus.” Ausgewählte Texte. Frankfurt 2021, S. 533

 

Götz Aly

Montag, 21. Juni 2021

Das kurzlebige Zweite Reich

338 zu 320 Stimmen: So knapp fiel die Entscheidung zugunsten Berlins als Sitz von Bundestag und Bundesregierung aus. Der 20. Juni 1991 kannte nur diesen einen Tagesordnungspunkt, fast zwölf Stunden lang dauerte die Debatte im ehemaligen Bonner Wasserwerk. Der aufgehobene Fraktionszwang ermöglichte ein facettenreiches Bild. Daß die CDU sich mehrheitlich für Berlin entschied (146:126), war nicht zuletzt auf Fürsprecher wie Helmut Kohl, Wolfgang Schäuble oder Richard von Weizsäcker zurückzuführen; die Schwesterpartei CSU stimmte dagegen als einzige Partei eindeutig für Bonn (8:40).

Die Union als Ganzes bevorzugte demnach – trotz aller „sanften Empfehlungen“ der Parteispitze – den Verbleib am Rhein. Ganz ähnlich forcierte die SPD-Führung mit Willy Brandt und Hans Jochen-Vogel den Umzug an die Spree, während eine Mehrheit der Sozialdemokraten der Beethovenstadt treu blieb (110:126). Der vielleicht unbekannteste historische Fakt zuerst: Daß Berlin heute Regierungssitz der Bundesrepublik ist, ist parteigeschichtlich ein Verdienst von Abgeordneten der FDP (53:26) und PDS (17:1).

Die damalige Anspannung ist heute nahezu vergessen. Bonn hatte es schon bei seiner Wahl zum provisorischen Regierungssitz nicht leicht, das Abstimmungsergebnis Bonn kontra Frankfurt (33:29) war nicht weniger knapp als das für Berlin rund 40 Jahre später. Der Spiegel brachte die Stimmung so auf den Punkt: „Für Berlin läßt sich laut trommeln und werben, für Bonn nicht.“

Schon damals fiel der übermäßige Spott gegen das „kleine, katholische Beamtenstädtchen mit beigefügter Universität und angebautem Regierungsviertel“ auf, indes jede Kritik an Berlin als Majestätsbeleidigung galt: „Gegen Bonn zu sein ist chic, gegen Berlin unpatriotisch, unhistorisch und gemein.“

Das bestechende Sachargument für Bonn, nämlich die gerade erst beschlossene Vergrößerung, Erweiterung und Modernisierung des Regierungsviertels – die Sitzung fand im Wasserwerk statt, weil der neue Plenarsaal erst 1992 bezugsbereit war – spielte im Pathos keine Rolle mehr, sondern machte Platz für noch monumentalere Bauphantasien in Berlin. Kein Opfer zu groß, wenn es der Sache dienlich war, ohne Rücksicht auf Kosten oder Planungen: die Bonner Republik hatte bereits der Berliner Geist angesteckt, bevor die Entscheidung gefallen war.

Ähnlich sah es mit der konstatierten Gefahr einer Zentralisierung des Föderalstaates aus. Staaten mit föderaler Grundordnung tendieren zur Auslagerung des politischen Bereiches – Beispiele dafür sind die Schweiz, die Niederlande oder die USA, in der die Regierung ganz bewußt nicht in der größten Stadt residiert. Konrad Adenauers Unterstützung für Bonn resultierte nicht zuletzt aus der Sorge, das traditionell „rote“ Frankfurt könne auch auf die Bundesregierung abfärben.

Überspitzt: Wer zu lange dem Berliner Gomorrha ausgesetzt ist, akzeptiert irgendwann die Zustände in Gomorrha als Normalität. Der Historiker und Kohl-Berater Michael Stürmer hatte Zweifel an Berlin, ähnlich wie der Bismarck-Biograph Lothar Gall, der einen „Zentralisierungsprozeß“ befürchtete. Auch solche Gedanken galten in der Einigungseuphorie als kleingeistig. Berlinkritische Ministerpräsidenten – wie Johannes Rau oder Walter Wallmann – verstummten jäh, als die Parteiführung die Richtung vorgab. Antipreußische Polemiken hin oder her: in der Hauptstadtfrage wurde Deutschland neuerlich von oben geeint.

Daß immerhin 15 von 39 sächsischen Abgeordneten für den Verbleib in Bonn stimmten, veranschaulicht nicht nur, daß die Abstimmung keine Auseinandersetzung zwischen Ost und West war, oder daß allein eine genuin bundesrepublikanische Identität „Bonn-Gefühle“ erweckt hätte. Auch in Thüringen gab es eine starke Minderheit für Bonn: 6 von 17 Abgeordneten gaben einem für sie unbekannten „westdeutschen Provisorium“ gegenüber der Hauptstadt der DDR den Vorzug.

Ein solches Abstimmungsverhalten ist kaum mit dem Topos erklärbar, bei den Bonn-Anhängern hätte es sich vornehmlich um ahistorisch denkende Westdeutsche gehandelt, die es sich am Rhein gemütlich gemacht hätten und vor der Rückkehr eines großdeutschen Militarismus warnten. Die mißlungene Apologie Bonns durch Norbert Blüm oder die überstrapazierten Mahnungen eines Günter Grass vor der deutschen Einheit erleichterten jedoch die zeitgenössische wie spätere Beurteilung der möglichen Verhinderung Berlins als Versuch gärtnerkonservativer Befindlichkeiten oder gleich als Antipathie gegenüber der deutschen Wiedervereinigung.

Daß eine Verhinderung Berlins unterschwellig als Absage an die Wiedervereinigung als Ganzes interpretiert wurde, macht nicht zuletzt der Antrag der Berlin-Befürworter deutlich, der nicht etwa die Frage des Regierungssitzes, sondern die „Vollendung der Einheit Deutschlands“ zum Titel des Papiers machte.

Keine Frage: über Jahrzehnte hatte die deutsche Politik im Fall der Einheit die Rückkehr nach Berlin bekräftigt. Daran rüttelte auch die nachhaltige geografische Veränderung nichts, die Berlin von seiner zentralen Position im ehemaligen Reich in eine abgelegene Position gerückt hatte – bis heute von den restlichen urbanen Zentren Deutschlands entfernt und damit immer der Illusion verfallen, die einzige große und bedeutende Stadt zu sein, die notgedrungen Zentrum sein müßte.

Viel wichtiger fiel die „historische“ Bedeutung aus: Berlin als historischer Sitz des Reichstags, Berlin als historische Hauptstadt des Deutschen Reiches, Berlin als Schicksalsstadt Deutschlands per se. Nicht nur Ort, sondern auch Gebäude wurden überhöht, die Rückkehr in den Reichstag galt als verheißungsvolle Erfüllung deutscher parlamentarischer Geschichte – und das, obwohl das Gebäude schon damals entkernt war und auch die Umbaupläne wenig von dem Original übrigließen, als vielmehr eine neudeutsche Version lieferten, die nicht der Historie, sondern dem Zeitgeschmack Genüge tat.

Mit derselben Gewißheit hätte man von der Rekonstruktion einer deutschen Innenstadt träumen können, nur, um in diese anschließend dieselben Discounterläden, Handygeschäfte und 1-Euro-Shops einziehen zu lassen, wie sie auch die häßlichen Nachkriegsbauten der Weststädte schmückten – und darauf zu bestehen, es handele sich um historische Kontinuität oder gar um einen historischen Geist, der hinter den bloßen Fassaden wehe. Eine Mentalität, die später auch das Stadtschloß heimsuchte. Dem schlagenden Geschichtsargument hat dies bis heute keinen Abbruch getan.

Vergessen sind dafür die historischen Bewertungen der 50er Jahre, die in Bonn nicht ein Exil, sondern eine „Rückkehr“ an den Rhein sahen – dem eigentlichen deutschen „Kernland“ (Eugen Ewig). Nicht Preußen, sondern das Mittelalter war die Geburtsstätte Deutschlands: ob Merowinger, Franken, Salier oder Staufer, der Schwerpunkt der Reichsgeschichte konzentrierte sich über Jahrhunderte auf den südlichen und westlichen Teil Deutschlands.

Selbst für die sächsischen Ottonen endete die Welt an der Elbe. Berlin war dagegen in der „Streusandbüchse“ des Heiligen Römischen Reiches höchstens Nebenschauplatz. Der Historiker Eugen Ewig, führender Kopf eines solchen abendländisch-deutschen Verständnisses, gab dementsprechend sein Bundesverdienstkreuz im Jahr 1991 zurück.

Folgerichtig war die Entscheidung für Berlin eine Entscheidung für den Nationalstaat von 1871. Das erscheint aus gegenwärtiger Perspektive als Zustimmung zur historischen Kontinuität. Es war allerdings zugleich eine Absage an die eigentlichen Wurzeln deutscher Kultur, die bedeutend älter und fortlebender sind als das kurzlebige Zweite Reich oder gar Weimar.   Marco F. Gallina


Dass ein Katholik oder auch ein Italiener (selbst wenn dieser kein Katholik sein sollte) den rheinischen Westen Deutschlands als deutsches Kernland ansieht, ist nicht verwunderlich. Vor Luther war der Westen in der Tat das Kernland, denn die ältesten Städte Deutschlands waren ursprünglich römische Siedlungen am Rhein. Der Rheingau und die fruchtbare Wetterau (auf die die Römer nicht verzichten wollten, weshalb der Limes an dieser Stelle nicht den Wasserläufen folgt) sind in der Tat Deutschlands älteste Kulturlandschaft, dort steht das Graue Haus, dort wurde das Nibelungenlied geschrieben, dort ist Deutschlands älteste_Weinrechnung erhalten, dort war der Hafen von Mainz für Deutschland schon vor 2000 Jahren das, was heute der Frankfurter Flughafen für Europa ist: Drehscheibe für Handel und Verkehr, damals auch für Informationen.

Aber mit Meister Eckhart in Erfurt, mit Doktor Luther in Erfurt beginnt der Osten allgemein und Thüringen insbesondere Gewicht zu bekommen. Der Potestantismus wird immer mehr zu einer Renaissance germanischer Absetzbewegungen gegen die römisch-katholische Tradition. Beethoven ist noch so ein katholischer Rheinländer. Aber Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach, Herder, Goethe sind eben keine Rheinländer. Schiller war erst eine Zeit lang am Rhein, aber dann in Weimar. Preußen verschob das Gewicht innerhalb Deutschlands endgültig nach Nordosten und begann die Ohnmacht zu beenden, in die Deutschland durch die Kleinstaaterei geraten war, indem es seine Fläche vergrößerte und begann, deutsche Lande zu erobern, bevor andere Mächte damit angefangen hätten. So war es auch kein Rheinbund, der Napoleon hätte aufhalten können, sondern der Osten. Das, was Gallina "die eigentlichen Wurzeln deutscher Kultur" nennt, sind nur die älteren Wurzeln, die römischeren Wurzeln.