Die Inzidenzwerte steigen und das exponentiell. Die vierte
Welle der Corona-Pandemie hat uns fest im Griff, und mancher spricht
schon von der fünften und sechsten, die bevorstehe. Die Zahl der
Erkrankten steigt, die Intensivstationen der Krankenhäuser füllen sich,
und in einigen Bundesländern denkt man schon über die Verlegung von
Patienten in andere Bundesländer nach, weil die eigenen Kapazitäten
absehbar nicht ausreichen werden. Jens Spahn (CDU), der
geschäftsführende Bundesgesundheitsminister, erklärte Anfang dieser
Woche: „Wahrscheinlich wird am Ende dieses Winters jeder geimpft,
genesen oder gestorben sein.“
Was die Genesung
betrifft, haben wir kaum Einflußmöglichkeiten. Was das Sterben infolge
oder unter Einfluß von Covid-19 betrifft, gibt es immerhin Optionen. Was
die Impfung angeht, ganz gewiß. Denn auch wenn die Impfung keinen
absoluten Schutz bietet, es „Impfdurchbrüche“ gibt und der Geimpfte
selbst ansteckend bleiben kann, bietet sie doch relative Sicherheit und
mildert die Krankheitsverläufe.
Schon deshalb liegt die
Einführung einer Impfpflicht nahe. Warum wurde die offene Erwägung
dieser Möglichkeit trotzdem so lange vermieden? Die Gründe liegen auf
der Hand: Die Politische Klasse neigt zur Entscheidungsflucht, man
hoffte, daß die Pandemie nach der „Sommerpause“ allmählich auslaufen
werde, man wollte den Kritikern einer „Gesundheitsdiktatur“ keine
Argumente bieten und den heiklen Eingriff in Grundrechte vermeiden.
Freiheit beruht auf Ordnung
Jetzt
hat nur noch der letzte Punkt Gewicht. Tatsächlich ist damit zu
rechnen, daß Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Impfzwangs zu
juristischen Auseinandersetzungen mit erheblicher Tragweite führen. Vor
allem aber wird in Teilen der Bevölkerung – nicht nur unter Querdenkern,
Querulanten und denen, die glauben, das Opfer einer großen Verschwörung
zu sein – der Eindruck entstehen, hier gehe der Staat über das Maß des
Erlaubten hinaus.
Entscheidend wird deshalb sein,
dieser Gruppe etwas deutlich zu machen, was über sehr lange Zeit
systematisch verschleiert wurde: daß nämlich die Freiheit, die wir
genießen, weder Himmelsgabe noch Selbstverständlichkeit ist. Sie beruht
auf Bedingungen, vor allem dem Vorhandensein staatlicher Ordnung.
Das
Wesen solcher Ordnung ist, daß sie die Freiheit des Individuums
reguliert und einschränkt. Auch wenn das unter normalen Umständen kaum
spürbar ist, fügt sie den Menschen ein und zwingt ihn notfalls zum
Fügen. Man mag die Regeln in Frage stellen und kann trefflich darüber
streiten, wie das Einfügen konkret vonstatten zu gehen hat und darüber,
ob ein Notfall besteht oder nicht. Aber an dem Zusammenhang selbst
dürfte kein Zweifel bestehen. Auch daran nicht, daß er für einen
modernen Staat mit einer Massenbevölkerung eine besondere wichtige
Bedeutung hat.
Der Staats- und Verwaltungsrechtler
Ernst Forsthoff (1902–1974) sprach davon, daß der heutige Staat nicht
nur wie jeder Staat zuvor seine eigene Dauer sichere, sondern auch
„Daseinsvorsorge“ zu leisten habe. Zu den wesentlichen Bereichen solcher
„Daseinsvorsorge“ gehört die Volksgesundheit. Ist sie gefährdet, muß
der Staat eingreifen. Ist die Impfpflicht das Mittel der Wahl, um sie zu
schützen, dann hat der Staat sie durchzusetzen und darf über die
Vorbehalte, die Uneinsichtigkeit oder den Unwillen einzelner
hinweggehen, um das Gemeinwohl zu schützen. Also: Ärmel hoch!
Der Beitrag ist Teil eines Pro und Contras zum Thema Impfpflicht. Das Contra von Thorsten Hinz lesen Sie hier.
Und hier:
Vollständig gegen Corona geimpft sind die Bewohner Gibraltars, des britisch regierten Landzipfels an der Südküste Spaniens. Trotzdem steigen dort die Infektionszahlen, öffentliche Veranstaltungen wurden abgesagt.
Irland, das sich gleichfalls einer vorbildlichen Impfquote rühmt, wurde
gerade als Hochrisikogebiet eingestuft. In Deutschland, wo 68 Prozent –
wie es offiziell heißt – „vollständig geimpft“ sind, liegen die
Infektionszahlen aktuell höher als zu Beginn der Impfkampagne im
Dezember 2020.
Fazit: Die Impfung hat nicht gehalten,
was die Regierenden sich und den Regierten von ihr versprachen. Weder
schützt sie vollständig vor Ansteckung, noch verhindert sie gänzlich die
Weitergabe des Virus. Auch doppelt Geimpfte liegen auf der
Intensivstation. Und Saarlands Innenminister Bouillon (CDU) hat sich
trotz einer dritten Impfung infiziert.
Die Impfung
verringere zumindest die Gefahr eines schweren Krankheitsverlaufs, heißt
es nun, und beuge so auch der Überlastung der Krankenhäuser vor. Dieses
Argument wiegt schwer. Dagegen stehen freilich die Nebenwirkungen der
im Eilverfahren zugelassenen Impfstoffe, die in der Berichterstattung
unterschlagen oder bagatellisiert werden. Sogar bei Fußballern, die der
Inbegriff körperlicher Robustheit sind, ist es nach Impfungen vermehrt
zu Herzerkrankungen gekommen.
Gänzlich unterbelichtet
bleibt die Gefahr von Langzeitfolgen. Die spezielle Art der Impfung
bedeutet einen Eingriff, der nach Meinung versierter Immunologen zu
Tumor- und Autoimmunerkrankungen führen kann. Das überlastete – und
unterbezahlte – medizinische Personal ist indes Folge einer
kostenintensiven, aber fehlgeleiteten Gesundheitspolitik.
Das Impfen wird damit weitgehend zum Selbstzweck, der die
Legitimität des politisch-medialen Komplexes sichert. Was die
Zweitimpfung nicht geleistet hat, soll jetzt die dritte, ganz gewiß aber
die vierte, fünfte, sechste Impfung besorgen. Die Bürger werden seit
Monaten in einem Dauerzustand zwischen Angst, Hoffnung und Enttäuschung
gehalten. Zur Entlastung wird ihnen die „Tyrannei der Ungeimpften“ als
Sündenbock angeboten. Die Propaganda bewegt sich teilweise auf dem
Niveau impliziter Gewaltaufrufe, die durch öffentlich-rechtliche und
staatliche Autorität gedeckt werden.
Eine Impfpflicht
wäre der Befehl an jeden, sich total, auf Gnade oder Ungnade, in die
Hände einer zweifelhaften Obrigkeit zu begeben und sich seine
Unterwerfung in den Körper einschreiben zu lassen. Die sich
abzeichnenden Umrisse eines Totalitarismus im Gewand der Biopolitik
würden weiter geschärft. Bereits jetzt ist das öffentliche und private
Leben in ein biopolitisches Abstraktum, in ein System aus magischen
Formeln – 2G, 2G-plus, 3G –, gepreßt, in dem der einzelne sich als
ohnmächtiges Atom wiederfindet.
Wenn Politiker, welche
die Gesetze beschließen und exekutieren, zusätzlich die Funktion des
Arztes übernehmen, der die medizinische Diagnose erstellt und die
Therapie anordnet, dann kann potentiell jeder Bürger auf das nackte,
gegen den Zugriff der Macht absolut schutzlose Leben reduziert werden.
Die Tatsache, daß die nationalen Machthaber als Transmissionsriemen einer globalen Mechanik agieren, macht die Sache noch furchterregender.
Der
Verfasser dieses „Nein zur Impfpflicht“-Plädoyers ist ein doppelt
Geimpfter. Als allergischer Asthmatiker wäre er durch eine
Corona-Infektion besonders gefährdet, weshalb er sich auf dringenden
ärztlichen Rat und nach gründlicher Risikoabwägung für die Impfung
entschieden hat. Das war seine individuelle, seine freie Entscheidung.
Bei der muß es bleiben. Und zwar für alle. Hinz
Martin Lichtmesz kommentiert die Gegenrede von Thorsten Hinz:
Dies
ist die Schlüsselstelle:
Eine Impfpflicht wäre
der Befehl an jeden, sich total, auf Gnade oder Ungnade, in die Hände
einer zweifelhaften Obrigkeit zu begeben und sich seine Unterwerfung
in den Körper einschreiben zu lassen. Die sich abzeichnenden Umrisse
eines Totalitarismus im Gewand der Biopolitik würden weiter
geschärft. Bereits jetzt ist das öffentliche und private Leben in
ein biopolitisches Abstraktum, in ein System aus magischen Formeln –
2G, 2G-plus, 3G –, gepreßt, in dem der einzelne sich als
ohnmächtiges Atom wiederfindet.
Wenn Politiker, welche
die Gesetze beschließen und exekutieren, zusätzlich die Funktion
des Arztes übernehmen, der die medizinische Diagnose erstellt und
die Therapie anordnet, dann kann potentiell jeder Bürger auf das
nackte, gegen den Zugriff der Macht absolut schutzlose Leben
reduziert werden. Die Tatsache, daß die nationalen Machthaber als
Transmissionsriemen einer
globalen Mechanik agieren, macht die Sache noch furchterregender.
Weißmanns Beitrag hingegen ist eine Apologie der “staatlichen
Ordnung”, ohne die es nach klassisch konservativer Auffassung keine
Freiheit geben kann, was auch “Querdenker”, “Querulanten” und
all jene, “die glauben, das Opfer einer großen Verschwörung
zu sein” endlich kapieren müssen. Er kritisiert den Staat wegen
seiner Laschheit und “Entscheidungsflucht” vor der Impfpflicht,
deren Durchsetzung seiner Meinung nach überfällig ist.
Damit liegt Weißmann auf einer zielgeraden Linie mit den
Leitartiklern des Mainstreams, die schon seit geraumer Zeit ihre
autoritäre Ader entdeckt haben, ganz besonders glühend im
linksliberalen Sektor, wo man alle Hemmungen lustvoll hinter sich
gelassen hat. An seinem Staat hat der deutsche
Durchschnittsjournalist nur mehr auszusetzen, daß er nicht hart
genug gegen “Corona” und “Coronaleugner” vorgeht (früher
waren es “Rechtsextremisten”, “Rechtspopulisten” usw), umso
giftiger ist er jedoch gegenüber Bürgern, die dem Staat nicht
ausreichend gehorchen. Er buckelt nach oben und tritt nach unten, und
hat nun dank Weißmann Schützenhilfe “von rechts” bekommen.
Auch die Juristen tun, was sie gegenüber der Macht schon immer
getan haben und schaffen fleißig Legitimationen heran. Der
Verfassungsrechtler Christoph Möllers erklärte die “Impfpflicht”
in einem
Interview mit der Zeit für grundgesetzkonform, und warf
den Politikern, ähnlich wie Weißmann, Entscheidungsschwäche und
Konfliktscheue vor:
ZEIT: Das ist jetzt weniger eine
juristische, eher eine politische Frage: Gegen die Impfpflicht wird
immer wieder eingewandt, sie führe zu einer Spaltung der
Gesellschaft oder vertiefe die Spaltung der Gesellschaft. Sehen Sie
solche Gefahren?
Möllers: Ich finde, so ein Argument ist
immer eine Prämie für Radikalisierung. Das Argument belohnt es ja,
wenn Leute sich besonders aggressiv gegen etwas zur Wehr setzen, was
mehrheitlich als richtig anerkannt wird, und dann mit Spaltung
drohen. Wenn man sich darauf einlässt, schaff man einen
eigentümlichen Anreiz: Wer am lautesten schreit, gewinnt am meisten
Einfluss. (…) Ich halte das Spaltungsargument für eine Fiktion,
mit der Politiker Konflikte vermeiden wollen.
In derselben Zeitung schreiben Kolumnisten Artikel mit Titeln wie
“Die
Gesellschaft muß sich spalten!”, Zitat:
Was es jetzt braucht, ist nicht mehr Offenheit, sondern
ein scharfer Keil. Einer, der die Gesellschaft spaltet. Wenn davon
die Rede ist, entsteht schnell ein Zerrbild im Kopf, als würde das
Land in zwei gleich große Teile zerfallen. Doch so ist es nicht.
Richtig und tief eingeschlagen, trennt er den gefährlichen vom
gefährdeten Teil der Gesellschaft.
Möllers’ Gaslichterei soll offenbar den Spaltern ein gutes
Gewissen verschaffen. Wir kennen das Muster aus anderen
Zusammenhängen, etwa aus der “Flüchtlingskrise”: Die Regierung
setzt eine radikale, extremistische Politik durch und versucht diese
mit Hilfe der Medien zu “normalisieren”. Wer dagegen protestiert,
wird als “Radikaler” und “Extremist” gebrandmarkt und
ausgegrenzt. Die Radikalisierung der Regierung hingegen wird
geleugnet und schöngeredet. Folgt man Möllers Argument, so wäre
überhaupt keine oppositionelle Einflußnahme und kein Gegendruck
mehr erlaubt (am “lautesten schreien” nebenbei immer noch die
Massenmedien). Übrig bleibt die laufende Eingewöhnung an einen
offen autoritären Regierungssstil, wie er sich seit März 2020 in
der westlichen Welt schleichend durchsetzt.
Der
Blogger Eugyppius beschreibt die Art der Herrschaft, die sich
schon lange vor “Corona” im Westen etabliert hat und die sich im
Zeichen der Pandemiebekämpfung zum totalitären System zuspitzt, so:
Die Demokratien der Ersten Welt sind alles andere als
Systeme, die den Willen des Volkes kanalisieren. Vielmehr sind sie
durch den Aufstieg der Massenmedien und der Massengesellschaft zu
ausgeklügelten Konsensfarmen geworden. Die westlichen
Regierungssysteme sind historische Unikate, die sich der Massenmedien
bedienen, um das Phänomen der öffentlichen Meinung zu erzeugen, die
durch eine Kombination aus Propaganda und politischer Partizipation
zu einem Regierungs- und Konsensinstrument eigener Art geformt wird
[dessen Autoritarismus sich von Systemen wie Faschismus, Kommunismus
oder Sozialismus unterscheidet. – ML]
Auf diese Weise wird die Mehrheit zunächst an die Agenda
des Staates gewöhnt und dann zur Durchsetzung von
Regierungsanweisungen und zur Unterdrückung von Andersdenkenden,
Nonkonformen und zunehmend auch von Desinteressierten mobilisiert.
Die Corona-Eindämmung ist ein offensichtliches Produkt dieses
Systems, das sich auf eine weit verbreitete Konsenspolitik stützt,
die weniger von der Polizei als von enthusiastischen, von
Journalisten beauftragten Mehrheiten durchgesetzt wird.
Wie stellt sich nun Weißmann die Umsetzung der Impfpflicht
konkret vor? Welche Mittel erscheinen ihm angemessen, um über die
“Uneinsichtigkeit oder den Unwillen einzelner hinwegzugehen”? Ist
ihm bewußt, daß von solchen Zwangsmaßnahmen der überwiegende
Großteil der rechten und konservativen Milieus betroffen wäre?
In meinem Heimatland Österreich werden die “Ungeimpften” von
der Regierung immer mehr an die Wand gepreßt, während sie von einer
hetzerischen, mit Staatsgeldern gefütterten Presse zu Sündenböcken
erklärt werden, die an der Fortdauer der “Pandemie” schuld
seien. Ein “Gesetzesentwurf”
zur Impfpflicht sieht folgendes vor:
Erst dann wird gestraft, dafür aber ordentlich:
Vorgesehen sind bis zu 3.600 Euro Geldstrafe oder vier Wochen
Ersatzfreiheitsstrafe bei Uneinbringlichkeit. Der Hammer: Die Strafe
kann sich auf bis zu 7.200 Euro verdoppeln, wenn jemand bereits zwei
Mal wegen des Verstoßes gegen die Impfpflicht bestraft wurde oder
wenn „aus der Verwaltungsübertretung eine schwerwiegende Gefahr
für Leben oder Gesundheit einer Person entstanden ist.“
Dies soll bereits für Jugendliche ab 14 Jahren gelten, über die
Dauer von drei (!) Jahren (!) hinweg. Die finanzielle Erpressung
bedroht vor allem die kleinen Leute und die sozial schwächeren
Schichten, die durch die Geldstrafen existentiell vernichtet werden
können. Genötigt werden auch frisch Genesene mit hohen
Antikörper-Werten und Doppelt-Geimpfte, die keinen “Booster”
mehr wollen.
Martin Sellner kommentierte auf Telegram:
Der Impfzwang ist ein staatlich verordneter Venflon, also
ein gesetzlicher Venenkatheter, durch den die biopolitischen
Technokraten 3 Jahre lang in beliebiger Häufigkeit beliebige
Substanzen in unseren Organismus jagen dürfen.
Wer durch ökonomischen, juristischen und sozialen Zwang gebeugt
wird, sich den Impfstoff in regelmäßigen Abständen gegen seinen
Willen in den Körper injizieren zu lassen, wird dies nicht anders
als Erniedrigung, Vergewaltigung, Tyrannei zu erleben, was es
zweifellos auch ist.
Niemand wird dadurch zur höheren Einsicht gelangen, daß die
staatliche Ordnung zum Zwecke des “Gemeinwohls” die “Freiheit
des Individuums regulieren und einschränken” soll (Weißmann),
insbesondere in diesem spezifischen Bereich, der zu gefügiger
Einsicht keinerlei Anlaß und Grund bietet. Stattdessen wird sich in
einem großen Teil der Bevölkerung ein explosiver Zorn aufstauen,
der noch den letzten vorhandenen Rest unseres Gemeinwesens
zerrütten wird.
Schlimmer noch: Ein beträchtlicher Teil der Gepreßten, tausende,
zehntausende, vielleicht noch mehr, wird als Folge der Impfung
erhebliche gesundheitliche Schäden erleiden, viele
werden daran sterben. Wen wird man dafür zur Verantwortung
ziehen? Die Hersteller haben sich dagegen legal abgesichert.
Der sich täglich verschärfende Tonfall der Presse und der
Politiker läßt keinen Zweifel zu, daß das Establishment den
“Ungeimpften” den Bürgerkrieg erklärt hat. “Freund” und
“Feind” werden nun schärfer unterschieden als in den schönsten
Blütezeiten des “Kampfes gegen Rechts”. Das einschlägige
Gekreische ist so laut, daß Weißmann es unmöglich überhören
kann, wenn er nicht gerade seinen Kopf in einen Symbolkundewälzer
oder ähnliches versenkt hat.
Mit seinem Aufruf stellt er sich auf die Seite von Merkel, Söder,
Spahn, Scholz, Laschet, Ramelow, Kretschmann, Kretschmer, Bouffier,
Animata Touré, Lauterbach, Montgomery (der von einer “Tyrannei der
Ungeimpften” sprach), Wieler, Drosten, an die Seite von Sascha
Lobo, Böhmermann, Marina Weisband, Olaf Gersemann und Nikolaus
Blome, und, von einer erweiterten Perspektive aus gesehen, an die
Seite von Bill Gates, Klaus Schwab und Albert Bourla, um nur ein paar
wenige Namen zu nennen. Weißmanns Fähigkeit zur
Freund-Feind-Erkenntnis hat hier aufs Gröbste versagt. Er heult im
Chor mit unseren schlimmsten Feinden, und dient sich ihnen mit
“konservativen” Argumenten an.
Dies ist die Schlüsselstelle von Weißmanns Artikel:
Der Staats- und Verwaltungsrechtler Ernst Forsthoff
(1902–1974) sprach davon, daß der heutige Staat nicht nur wie
jeder Staat zuvor seine eigene Dauer sichere, sondern auch
„Daseinsvorsorge“ zu leisten habe. Zu den wesentlichen Bereichen
solcher „Daseinsvorsorge“ gehört die Volksgesundheit. Ist sie
gefährdet, muß der Staat eingreifen. Ist die Impfpflicht das Mittel
der Wahl, um sie zu schützen, dann hat der Staat sie durchzusetzen
und darf über die Vorbehalte, die Uneinsichtigkeit oder den Unwillen
einzelner hinweggehen, um das Gemeinwohl zu schützen. Also:
Ärmel hoch!
Das ist eine abstrakte, rein theoretische Ableitung, die der Lage
nicht angemessen ist, und somit eine erschütternde Bankrotterklärung
für einen ehemaligen “Vordenker”, der sich stets als nüchterner,
den Tatsachen verpflichteter Realist oder “Verist” präsentiert
hat. Sein Text liest sich, als hätte Robert
Neumann eine stilechte Weißmann-Parodie geschrieben. Der bemüht
stramme, professorale Duktus mit passenden Zitaten
(Geburtsjahr-Sterbejahr) wirkt wie ein gespenstisches Relikt aus
einer Welt, die längst nicht mehr vorhanden ist, und dies nicht erst
seit 2020.
In einem Artikel für die Druckausgabe der Sezession
(“notfalllibertär”, August 2021) bin ich auf die Frage
eingegangen, wie sich eine konservative Weltsicht mit einer Kritik an
den Corona-Maßnahmen vereinigen läßt. Die Antwort ist simpel:
Liegt tatsächlich der Ernstfall im eminenten
Sinne vor, etwa eine „epidemische Lage nationaler Tragweite“,
dann müssen einleuchtenderweise entsprechende Maßnahmen ergriffen
werden, auch in einem liberalen Staat. Liegt dieser Ernstfall nicht
vor – dann eben nicht. Nun muß freilich irgendjemand
entscheiden (ewig kann man es nicht ausdiskutieren), ob der Ernstfall
vorliegt, und wer dies kann, erweist sich als souverän. Und das war
in Deutschland unglücklicherweise dieselbe Kanzlerin, die 2015 die
Grenzen öffnen ließ.
In meinem Artikel schrieb ich:
Es trifft zu, daß manche Rechte im Frühstadium der
Coronavirus-Krise auf eher antiliberale und antiglobalistische
Konsequenzen gehofft haben. Das Szenario schien uns von der
Flüchtlingskrise her vertraut: Von außen rollt eine Gefahr auf
unser Land zu, und der schwache, ernstfallblinde Staat ist nicht
imstande, es davor zu schützen, etwa durch Einreisestopps oder
Grenzschließungen.
Heute erkennen wir deutlich,
daß wir es mit einem medial induzierten Kollektivwahn zu tun haben,
der eine beispiellose globalistische Machterweiterung ermöglicht
hat. In diesem Manöver spielen die Nationalstaaten die Statthalter
einer Weltregierung in spe, indem sie die ihnen aufgetragenen
repressiven Maßnahmen vor Ort durchsetzen und rechtfertigen.
Sämtliche Institutionen wurden nach totalitärer Manier in den
Dienst des Regimes gestellt: das Gesundheitssystem, die Schulen, die
Kirchen, die Polizei. Langfristiges Ziel scheint eine Art
Menschheitsformatierung durch gentherapeutische Massenimpfungen
zu sein.
Die Antwort auf den Spott von Linken und Liberalen, warum
wir Rechten als Fans der souveränen staatlichen Durchsetzungskraft
und als Kritiker des Individualismus uns nun beklagen, ist also recht
einfach: Die Behauptung, daß es eine „epidemische Lage von
nationaler Tragweite“ gäbe, trifft schlichtweg nicht zu. Damit
entbehren die staatlichen Maßnahmen, inklusive der Einschränkung
der Grundrechte auf unbestimmte Zeit, jeglicher Legitimität und
Verhältnismäßigkeit. Man ist keinem Staat Gehorsam schuldig, der
sein Volk vorsätzlich in Panik versetzt, belügt und in die
Irre führt.
Noch vor einem Jahr beantwortete Weißmann in der JF die Frage
“Was
ist rechts?” mit dem Schlagwort “Begreifen, was ist, und
gegensteuern!” In diesem Aufsatz finden sich auch ein paar Sätze
über den “Staat der Neuzeit”:
Seine Auflösung im Namen von Globalisierung und
Grenzenlosigkeit war aus der Sicht der Veristen genauso ein Irrtum
wie die Bereitschaft, ihn den Verbänden und allen möglichen
Ambitionen der Gesellschaft auszuliefern. Der Verist ist unbedingt
für den starken Staat, „den Staat oberhalb … der Interessenten“
(Alexander von Rüstow), den Staat, der seine Handlungsfreiheit
bewahrt und – in weiser Selbstbeschränkung – den Bürger vor
seiner – fiskalischen, pädagogischen, religiösen –
Zudringlichkeit.
Daß sich die politische Entwicklung der letzten
Jahrzehnte immer weiter von diesem Ideal entfernt hat, weckt das
Mißtrauen und die Sorge der Veristen. Denn die „liberale
Demokratie“ ist offenbar je länger je weniger in der Lage, ihre
Gefährdung zu erkennen und abzuwehren. Ihren Bestand garantiert
heute nur noch eine unheilvolle Mischung aus Utopismus, Konsum und
social engineering. Die vorpolitischen Grundlagen, auf denen sie
errichtet wurde, hat sie rücksichtslos vernutzt. Daß dem niemand
Einhalt gebietet, hat mit der Macht der „Nonsensdenker“ (Roger
Scruton) zu tun, aber auch mit dem „Massenwahn“ (Douglas Murray),
der die vielen gierig hören läßt, daß es gut geht und noch besser
gehen wird.
Der Verist weiß, wie schwer es ist, diese Lage zu
verändern und die existentielle Bedrohung des Gemeinwesens
abzuwenden. Denn die Institutionen, denen seine Neigung gehört,
stehen unter feindlicher Kontrolle, und ihm fehlt das Zutrauen der
Aufklärer in den zwanglosen Zwang des besseren Arguments.
Was ist aus all diesen Einsichten geworden, insbesondere, daß die
Institutionen, mithin der Staat selbst “unter feindlicher Kontrolle
stehen”? Was aus dem “unbedingten” Eintreten für die Bewahrung
des Bürgers vor unbotmäßiger staatlicher Zudringlichkeit?
Stattdessen übernimmt Weißmann in seinem Impfpflicht-Pläydoyer
allen Ernstes, ohne einen Milimeter Distanz, das jämmerliche
Propagandanarrativ der Regierung, und zitiert etwa Jens Spahn:
„Wahrscheinlich wird am Ende dieses Winters jeder geimpft, genesen
oder gestorben sein.“
Der Staat der Bundesrepublik Deutschland, und das dürfte Weißmann
bekannt sein, ist ganz offensichtlich weder am “Volk” (ein
mittlerweile verfassungsfeindlicher Begriff, insofern damit eine
gemeinsame Abstammung impliziert wird) noch an seiner “Gesundheit”
in irgendeiner Weise interessiert. Das Programm der “Ampelkoalition”
sollte keinen Zweifel daran lassen, daß dieser Staat vielmehr im
Zeichen der Auflösung des Volkes steht (soviel zur
“Daseinsvorsorge”) und seines totalen Ausverkaufs an
globalistische Interessen und Doktrinen (wozu auch die Einführung
vom Impfpässen und digitalen Identitäten zählt).
Diesem Staat, dieser Regierung, mit ihrem Gruselkabinett an
verkommenen, korrupten, verlogenen, infantilen, inkompetenten,
ridikülen, machthungrigen Gestalten traut Weißmann zu, ausgerechnet
im Bereich “Corona” das Richtige zu kennen, zu wollen und zu tun?
Diesem traurigen und unwürdigen Personal, das sein dezidierter
politischer Feind ist, will er eine beispiellose Verfügungsgewalt
über die Körper von Millionen Menschen in die Hand geben?
Der „retour au réel“ (Gustave Thibon, 1903–2001) des
“Gegenaufklärers” Weißmann ist auf peinliche Weise gescheitert.
Seine Begründung für die Notwendigkeit einer generellen Impfpflicht
ist beschämend dünn:
Was die Genesung
betrifft, haben wir kaum Einflußmöglichkeiten. Was das Sterben
infolge oder unter Einfluß von Covid-19 betrifft, gibt es immerhin
Optionen. Was die Impfung angeht, ganz gewiß. Denn auch wenn die
Impfung keinen absoluten Schutz bietet, es „Impfdurchbrüche“
gibt und der Geimpfte selbst ansteckend bleiben kann, bietet sie doch
relative Sicherheit und mildert die Krankheitsverläufe. Schon
deshalb liegt die Einführung einer Impfpflicht nahe.
Wo soll man hier anfangen? Eine bloße “Milderung von
Krankheitsverläufen”, bei einer Krankheit, deren Risiko
stark stratifiziert ist, und die für die meisten Menschen nicht
besonders gefährlich ist, kann kein ernsthaftes Argument für einen
derart massiven Eingriff wie eine generelle Impfpflicht sein. Die
Impfung dient allenfalls zum Selbstschutz, eine kollektive
Durchimpfung kann allenfalls bei den “Risikogruppen”
gerechtfertigt werden, und selbst dort gibt es erhebliche Bedenken
und Einwände.
Die Apologeten der Impfpflicht versprechen indes weitaus mehr als
nur gemilderte Verläufe. Sie behaupten, daß die “Pandemie” nur
dann beendet werden könne, wenn möglichst viele Menschen geimpft
sind, aber die Kriterien, anhand derer man das Ende der “Pandemie”
erkennen kann (Inzidenzien? Hospitalisierungen? Impfquoten?
“Zero Covid”?), bleiben im Ungewissen und in ständiger Bewegung.
Hohe Durchimpfungsraten haben nirgendwo eine Besserung der
Corona-Gesamtlage bewirkt, in manchen Aspekten sind sogar deutliche
Verschlechterungen zu beobachten.
Wir wissen inzwischen, daß die Impfstoffe nicht lange wirken, daß
sie nicht sehr gut wirken und daß sie enorme Nebenwirkungen haben,
die von den Gesundheitsbehörden konsequent ignoriert werden (siehe
meine – bereits veralteten – Bilanzen hier
und hier).
Hinzu kommen etliche andere Komplikationen, die noch nicht
ausreichend erforscht sind, etwa welchen Einfluß die Massenimpfungen
auf die evolutionäre Entwicklung aggressiverer “Varianten”
haben, die wiederum die Impfstoffe außer Kraft setzen.
Ist Weißmann dies alles nicht bekannt? Beispielsweise auf der
Achse des Guten haben sich seit März 2020 drei, vier Ärzte
zu diesem Thema die Finger wund geschrieben, wie auch über den
gesamten Rest des aus China importierten Corona-“Franchise” wie
Lockdowns, Masken und Tests. Die kritische Literatur über die
medizinischen, politischen, psychologischen Aspekte des Virenspuks
ist inzwischen turmhoch, und kann nicht mit ein paar
Forsthoff-Zitaten aus der Konservendose vom Tisch gefegt werden.
Weißmann ist ein intelligenter Mensch und ein bedeutender
konservativer Kopf. Was ist hier geschehen? Geistige Versteinerung,
verbunden mit der Unfähigkeit, die eigenen Theoriegebäude einer
fundamental veränderten Wirklichkeit anzupassen? Anbetung des
“starken Staats” um seiner selbst willen, auch wenn er
“feindlicher Kontrolle” unterliegt? Schiere Paralyse angesichts
der Umwälzungen, deren ohnmächtige Zeugen wir heute sind,
“Nichtwahrhabenwollen”, daß die alten Koordinantensysteme
nicht mehr passen?
Es gibt noch eine andere Möglichkeit: Weißmann weiß womöglich
sehr wohl, was geschieht, und fügt sich schon mal vorauseilend in
ein als unabwendbar erkanntes Schicksal, hoffend, daß er in einer
Nische überleben und weiterhin seine Beamtenpension beziehen kann –
man muß ja schließlich realistisch bleiben! Erkenne die Lage! Was
sollen die kommenden halbjährlichen mRNA-Pflichtimpfungen bis in
alle Ewigkeit schon ausmachen? Was hätte Macchiavelli getan? Was
Thukydides, David Hume, Ernest Renan, Georges Sorel, Vilfredo Pareto,
Max Weber, Oswald Spengler, Hermann Heller und Julien Freund? Was hat
Schmitt nach 1933 getan? Da beißt man eben in den sauren Apfel!
In beiden Fällen hätte Weißmann sein Publikum auf
unverzeihliche Weise betrogen (unverzeihlich, denn ein Mann seines
Kalibers hat keine Entschuldigung mehr für die unkritische
Reproduktion des Corona-Narrativs). Es braucht Orientierung, Wahrheit
und Klarheit, keine zwar gelehrte, aber bestürzend fadenscheinige
Irreführung.
Und es ist wohl auch nicht im Sinne seines großen Lehrmeisters
Arnold Gehlen, sich aktiv an der Errichtung des “Reichs der Lüge”
zu beteiligen.