Donnerstag, 14. März 2013
Pro Berlusconi
Die Italiener sind glücklich, dass sie den deutschen Papst endlich wieder los sind, und obwohl das Land im Moment immer noch von Monti regiert wird, fühlen sich alle, als hätten sie auch "Mario Monti an den Absender zurückgeschickt". Womit Angela Merkel gemeint ist.
Dass sich in Deutschland mal jemand inhaltlich mit Berlusconis Vorstellung von Demokratie, mit seinen politischen Zielen, mit seinen Ideen, mit seinem Vorwurf der Befangenheit, den er Teilen der italienischen Justiz macht, befasst, kommt ja nicht vor. Aber jetzt wurden immerhin mal ganz normale Menschen gefragt, weshalb sie ihn wählen. Zu spät.
Ich hatte diesen Eindruck der Befangenheit bereits, als ich mich mal mit den italienischen Juristen befasste, die dem Ruf des 3. Russell-Tribunals "zur Situation der Menschenrechte in der BRD" gefolgt waren, um über die Behandlung der RAF durch bundesdeutsche Gerichte ein böses Urteil zu fällen; denn diese Richter waren Mitglieder der KPI-nahen Magistratura Democratica, die Parteilichkeit sogar in ihrem Statut festgeschrieben hatte.
Die italienische Justiz ist genauso reformbedürftig wie das Wahlsystem und die Verfassung. Deutschland, wach endlich auf! Nessun dorma!! Berlusconis Glaubwürdigkeit ist dahin, weil er seine richtigen Ideen vor 10 Jahren nicht energisch genug durchsetzte, als es noch möglich gewesen wäre, aber die Notwendigkeit der einst beabsichtigten Reformen ist geblieben und die Befangenheiten der italienischen Justiz bestehen ebenfalls weiter, sei es gegen links (seit Jahrzehnten wird die manus longa der Geheimdienste hinter vielen Ereignissen vermutet, z.B. hinter den Freisprüchen von Piazza Fontana, der Verschleierung der Umstände des Flugzeugabschusses von Ustica und vielleicht der Verurteilung Adriano Sofris), sei es gegen rechts (Magistratura democratica im Besonderen und die Tatsache, dass der Ankläger der 1. Instanz in 2. oder 3. zum Richter werden kann, im Allgemeinen).
Nach den ersten 15 Jahren Italien hatte ich manchmal das Gefühl, in Italien laufe jede Wahl letztlich darauf hinaus, zwischen Kommunismus und Mafia zu wählen, zwischen Pest und Cholera. Denn Dalla Chiesa wurde allein gelassen. Die Mafia besteht noch heute und häutet (heutet) sich schneller, als sich die Polizei modernisieren kann. Aber dass die KPI von Moskau finanziert wurde, kam erst im Zusammenhang mit Tangentopoli ans Licht; da bestand sie dem Namen nach schon seit Jahren nicht mehr...
Zwischen Mafia und Kommunismus, bzw, zwischen effizienten Formen der Korruption (Mafia) und einer Korruption, die nicht mal effizient ist (KPI->PD + Kooperativen + Kommunalverwaltungen + Versicherungen... und seit 2005 + Unipol, IntesaSanpaolo und MPS. Ich weiß noch, wie einer der Direktoren der Bank, die damals von der Linken übernommen wurde, morgens auf dem Weg nach Bologna, zu mir sagte: "Wir wechseln den Rock! Legen sie sich auch einen roten Schlips zu!")
Showdown 1 und Showdown 2
Berlusconi hat es unter anderem immer deshalb geschafft, dass die Menschen an seinen Lippen hingen, weil er sich rar machte. Also durch geschickte Nicht-Nutzung seiner Medienmacht und wohl dosierte scharfsinnige Ideen. Genau das ist es, was Grillo jetzt noch besser macht als Berlusconi: er weigert sich mit italienischen Journalisten zu sprechen und empfängt nur ausländische Journalisten. Im Gegensatz zu Post-, Ex- und Nochkommunisten hat Grillo (wie Berlusconi) begriffen, dass Stille lauter sein kann als Medienpräsenz, wenn man etwas zu sagen hat.
Wie immer ist Dirk Schümer auf einem Auge völlig blind:
"Nun soll Präsident Napolitano per Ukas die Vorladungen, Befragungen und, in extremis, auch eine Inhaftierung Berlusconis verbieten, was ein klares Licht auf die inexistente Gewaltenteilung in Berlusconistan wirft. Zwanzig Jahre geduldete Machenschaften und Illegalität werden jetzt als Gewohnheitsrecht eingeklagt."
Dirk Schümer ist ein weltfremder Trottel, der sich nie die Mühe gemacht hat, die italienische Feudaldemokratie auch nur im Ansatz zu verstehen. In seinen Augen stellt Charon Mario Monti "die wahre Elite Italiens" dar, und wenn man Kommissar Brunetti zum italienischen Regierungschef wählen könnte, würde Dirk Schümer schnurstracks die italienische Staatsbürgerschaft beantragen, um wählen zu dürfen. Dass er Berlusconi nun auch noch die fehlende Gewaltenteilung, die dieser seit 20 Jahren beklagt (ohne je eine Mehrheit für eine Verfassungsreform, wie sie Marcello Pera vorschwebt, zu finden), in die Schuhe schieben möchte, ist ein Gipfel. Schwer zu sagen, ob es sich nur um Dreistigkeit oder doch um Dummheit handelt. Ich tippe auf letztere.
Aber selbst ein Dirk Schümer sollte ab und zu einmal ein Korn Wahrheit aufpicken und nachdenklich werden, wenn Italiens moderatester Altkommunist, der schon zu Berlinguers Zeiten zusammen mit Amendola der sozialdemokratischste Politiker der KPI war, dadurch aber gewiss noch lange nicht zum Freund Berlusconis wird, die italienische Justiz zu Fairness auffordert...
Wobei das Augenmerk von uns Deutschen auf die Tatsache gerichtet sein sollte, dass der Staatspräsident - der, seit Richard Weizsäckers Freund Francesco Cossiga abtrat, immer aus den Reihen der Linken hervorging - in Italien auch der Präsident des Consiglio Superiore della Magistratura ist! Der CSM (man erlaube mir angesichts der immer noch bestehenden italienischen Verhältnisse, die Worte "consiglio superiore" mit "oberstem Sowjet" zu übersetzen) ist eine Art Miniparlament, das völlig autonom ist und eben nicht - im Gegensatz zu deutschen Staatsanwälten - dem Innenministerium untersteht (und somit auch nicht zu Berlusconistan gehören kann), sondern seit Bestehen der italienischen Republik das höchste Organ der italienischen Justiz darstellt und in seiner Unabhängigkeit nun einmal sozusagen implizit eine Portion Exekutive besitzt und also (am Rande der Verfassungskonformität) Politik machen kann und dies auch tut, was im Moment besonders deutlich ist, insofern man versucht, Berlusconi auf Grund der Veröffentlichung einer einzigen Telefonüberwachung einzulochen, während gleichzeitig -zig Telefonüberwachungen von Gesprächen Berlusconis, die lange zuvor von Berlusconis (und Deutschlands) hartnäckigstem politischem Gegner Carlo De Benedetti veröffentlicht wurden (er ist Mehrheitsaktionär von L'Espresso und La Repubblica) und sogar immer noch im Netz stehen. Diese Tatsachen werden in den deutschen Medien meines Wissens mit keinem Wort erwähnt. Der Gedanke, dass Berlusconi - mit all seinen nicht zu übersehenden Fehlern - in all diesen Jahren das kleinere Übel gewesen sein könnte, wird immer noch nicht gedacht, weil er so schrecklich ist. Und besonders Schümer wiederholt brav, was Claudio Magris, Umberto Eco und Eugenio Scalfari, ihm einreden.
Die Großzügigkeit, mit der der charmante Berlusconi junge arabische Damen verwöhnt, sollte man nicht von Ilda Bocassini kommentieren lassen, sondern von Alice Baronin von Einem. Und die Tatsache, dass gerade diejenigen, die in Deutschland das Wahlalter gerne auf 16 herabsetzen würden, dieselben sind, die auch am meisten gegen Berlusconi hetzen, weil die Damen, die er zu seinen Parties einlädt, manchmal noch nicht das 18. Lebensalter erreicht haben, kommentiert sich von selbst.
Hinzukommt ein charakteristischer Aspekt der romantischen Auffassung, wie sie in den angelsächsichen Ländern, Skandinavien und dem deutschsprachigen Raum überwiegt: Berlusconi ist nach dieser Auffassung schädlich, Christian von Boetticher nicht. Im Süden sieht man das nicht so. Andere Länder, andere Sitten.
Wenn es etwas gibt, was der italienischen Justiz seit über einem halben Jahrhundert nur stümperhaft gelingt, dann ist es Gerechtigkeit und die Wahrung von Recht und Ordnung. Und genau deshalb ist sie so politisiert. Es ist ein Teufelskreis, dessen Ende nicht absehbar ist. Unterdessen sind die Gefängnisse überfüllt, obwohl 95% aller Straffälle unbestraft bleiben, die Prozesse 10 oder gar 20 Jahre dauern (was ausländische Investoren natürlich abschreckt) und Italien 10 mal soviel Gesetze hat wie Frankreich. Corruptissima republica, plurimae leges, sagte schon Tacitus.
Die Telefonüberwachung, die Berlusconi nun zum Verhängnis werden soll, betraf eben diese Bank, die in der Feudaldemokratie Italien beim Wechsel ihres Besitzers ins linke politische Lager überwechselte: "Abbiamo una banca", so die Worte des telefonüberwachten Großkopferten der Linken, der heute Bürgermeister von Turin ist.
Nochmal: die Telefonüberwachung, die Berlusconi nun zum Verhängnis werden soll, betraf eben diese Bank, die in der Feudaldemokratie Italien beim Wechsel ihres Besitzers ins linke politische Lager überwechselte: "Abbiamo una banca", so die Worte von Piero Fassino.
Und wie wenig es auch bei den Linken nicht mit rechten Dingen zugeht, sollte wenigstens jetzt, nach dem Skandal der Bank Monte Paschi di Siena, auch in Deutschland endlich klar sein und an die große Glocke gehängt werden. Es geschieht aber nicht. Dasselbe gilt für die Sexualpraktiken der italienischen Linken. 2009 wurde bekannt, dass 4 Carabinieri den Ministerpräsidenten der Region Latium Piero Marrazzo erpressten, weil er es nicht bleiben lassen konnte, sich mit Transsexuellen zu verlustieren. Einer der Transsexuellen kam kurz nach den Enthüllungen ums Leben, als seine Wohnung verbrannte. Eine andere Person, die den Erpressern ein Video zugespielt hatte, starb an einer Überdosis Kokain.
Die Berichterstattung der FAZ zu all diesen Themen ist eines Landes wie Deutschland nicht würdig. Es handelt sich um einen Fall freiwilliger, im Kern antiitalienischer Gleichschaltung, wobei für die Berichterstattung nur die linksdrehenden Enatiomere Beachtung finden. Und selbst die FDP hat es nie gewagt, Berlusconi zu verteidigen, obwohl niemand sich in Italien mehr für den Liberalismus eingesetzt hat als er.
Selbst in Italien trauen sich mittlerweile die Menschen nicht, in Meinungsumfragen zuzugeben, dass sie Berlusconi wählen, weshalb die Meinungsforscher zu Meinungsspekulanten verkamen und sich am Kopf kratzen, um irgendwie, wie die etruskischen Auguren bei der Leberbetrachtung, ins Gespür zu bekommen, wieviel sie bei Gaius Julius Silvius Berlusconi hinzurechnen müssen. Umso mehr im rigolettofeindlichen, latraviataduseligen Deutschland! Sie deklarieren alle ihr Entsetzen über Berlusconi, die in Deutschland lebenden Italiener (und Italienerinnen!!!). Und kein einziger deutscher Journalist konfrontiert sie mit der in Italien bekannten Tatsache, dass die Auslandsitaliener überwiegend rechts wählen. Ein Armutszeugnis für den deutschen Journalismus in einem für die Zukunft Europas so wichtigen Moment der Weichenstellungen.
Leider hat auch die kluge Maibritt Illner erst jetzt, wo es zu spät ist, mit Flaminia Bussotti endlich einmal jemanden eingeladen, der klarstellen konnte 1. dass Italien zu den Nettozahlern gehört, 2. die deutsche Wiedervereinigung dadurch mitfinanziert hat (was in Deutschland ständig vergessen wird) und 3. präzisieren konnte, dass Monti die Wahl nicht trotz seiner Reformen, sondern auf Grund seiner Reformen verlor. Der Vollständigkeit halber hätte sie 4. noch hinzufügen müssen, was unser Erzfeind Carlo De Benedetti seit damals nicht müde wird zu wiederholen: zusätzlich wurde die deutsche Wiedervereinigung auch dadurch von Italien mitfinanziert, dass die Bundesbank unter Helmut Schlesinger im Sommer 92 den Leitzins um einen halben Punkt erhöhte und dadurch unzählige italienischer Betriebe in die Insolvenz trieb.
De Benedetti sagte damals wutentbrannt: "Es geht nicht, dass wir hier in Italien die Kosten der deutschen Wiedervereinigung bezahlen" und schlug sogar vor, die DM solle solange aus dem Europäischen Währungssystem austreten, bis Deutschland seine Probleme gelöst habe.
Karl Popper gab damals De Benedettis "La Repubblica" ein eine ganze Seite langes Interview, in dem er die Ansicht vertrat, es sei in einem demokratischen Europa ein Unding, wenn ein einziger Mann (der nicht einmal gewählt wurde) über so viel Macht in ganz Europa verfüge.
Der deutsche Michel will nicht hören
Dialektik: ich bin mir einerseits nicht sicher, ob es letztendlich wirklich am besten ist, Italien und Griechenland, oder wen auch immer, aus dem Euro hinauszudrängen. Diese Länder hätten nie dazugehören dürfen (Stoiber sah das völlig richtig, setzte sich aber leider nicht gegen Waigel und Kohl durch), und 2008 hätte Griechenland sofort und ultimativ aufgefordert werden müssen, den Währungsverbund zu verlassen, solange das Land seine Probleme nicht in den Griff bekommt. Mittlerweile scheint es zu spät für klare Positionen und Forderungen zu sein. Durch das opportunistische Primat der Politik gegenüber der Legalität hat Deutschland und Europa seine Glaubwürdigkeit verloren. Ich bin mir auch nicht sicher, dass Deutschland wirklich besser zur DM zurückkehrt oder mit den Ost- und Nordseeländern einen Gulden einführt. Stoiber und Dohnanyi meinen, wir müssen uns in der Zwangsjacke Euro jetzt zusammenraufen.
Aber ich bin festenfels davon überzeugt, dass diese Partei im Moment die einzige ist, die ein realistisches Bild der Lage im Süden hat, und dass nur durch Wahlerfolge der Alternative für Deutschland - also nur wenn Italien und Griechenland gezwungen sind zu entscheiden, ob sie lieber mit Tunesien eine Mittelmeerunion bilden oder doch lieber zu Europa gehören wollen - eine Kurskorrektur in die richtige Richtung in Europa, in Deutschland und vor allem im Süden erfolgen kann. Nur wenn die Südländer merken, dass wir ernsthaft darüber nachdenken, uns zurückzuziehen, werden sie vielleicht einsichtig.
Auch eine verspätete Einsicht
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