Stationen

Freitag, 29. September 2023

Quirites apud Quirinal


 








Mittwoch, 27. September 2023

Vitalität

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Stefano Bollani 

Faesers Interessenkonflikte

Die Linke bekämpft den Kapitalismus nicht mehr, sie parasitiert ihn (Schwarzfahrer hört sich harmloser an als Parasit) und gibt sich zu diesem Zweck in ihrem Auftreten moderat. SPD und Grüne lassen sich bereitwillig bzw. hemmungslos von Superreichen kaufen. Das Einfallstor der Korruption in der BRD sind heute die, die vor langer Zeit einmal als strengste Wächter Korruption abwehrten: die Linken.

Laut CIA-Agenten wusste Scholz von der Sprengung


 

Es ist nur ein einziger Satz, den der US-Investigativreporter Seymour Hersh in seinem jüngsten Artikel zum Jahrestag der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee schreibt. Aber dieser Satz hat mehr Sprengkraft als der Sprengstoff, der die Gasröhren in die Luft jagte: «Einige Mitglieder des CIA-Teams gingen damals – und heute – davon aus, dass der deutsche Leader (Olaf Scholz) von den laufenden geheimen Planungen für eine Zerstörung der Pipelines wusste.»

Was der deutsche Kanzler nach den Recherchen von Hersh nicht wusste: Dass der Anschlag nicht, wie ursprünglich geplant, eine Warnung an Russland war, sondern gezielt das von ihm regierte Land, die Bundesrepublik Deutschland, treffen und einschüchtern sollte. Man habe verhindern wollen, dass Berlin angesichts des drohenden Winters die geschlossene Pipeline doch wieder öffnen würde.

Der berühmte amerikanische Enthüllungsjournalist beruft sich auf Gespräche mit einem ungenannten Mitglied der Administration von Präsident Joe Biden. Eindeutig erteilt er Spekulationen eine Absage, wonach der Anschlag von einem ukrainischen Team auf einer angemieteten Segeljacht durchgeführt worden sei, wie mehrere westliche Medien berichtet hatten. Der Terrorakt sei eindeutig von der Biden-Administration über Monate vorbereitet und dann ausgeführt worden.

Nach diesen Angaben forderte US-Sicherheitsberater Jake Sullivan die Geheimdienste schon Ende 2021 auf, Pläne auszuarbeiten, wie man den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammenzog, von einem Einmarsch abschrecken könne. Es sollte ein starkes Signal sein und zeigen, welche Möglichkeiten Amerika habe.

Der Grund, weshalb die Wahl auf die Nord-Stream-Pipelines fiel, sei naheliegend gewesen. Von den mehr als einem Dutzend Erdgas- und Erdölröhren, über die Russland Energie exportierte, waren Nord-Stream die einzigen, die nicht durch Drittländer verliefen. Das Weisse Haus habe Nord-Stream vorgeschlagen, «weil es die einzige (Pipeline) war, zu der wir Zugang hatten und die glaubhaft abstreitbar war», zitiert Hersh seine Quelle. «Wir lösten das Problem in ein paar Wochen, Anfang Januar, und sagten es dem Weissen Haus. Unsere Annahme war, dass der Präsident die Drohung gegen Nord-Stream als Abschreckung nutzen würde, um einen Krieg zu vermeiden.»

Deutschland war demnach zu diesem Zeitpunkt eingeweiht. Das geht aus Äusserungen der damaligen Staatssekretärin im US-Aussenministerium, Victoria Nuland, vom 27. Januar 2022 hervor. Falls Putin einmarschiere, werde «Nord-Stream 2 so oder so nicht vollendet», erklärte sie. Die Aussage schlug Wellen, liess aber den vorhergehenden Satz untergehen: «Wir führen weiterhin sehr starke und eindeutige Gespräche mit unseren deutschen Verbündeten.»

Die reisten in Gestalt von Olaf Scholz zwei Wochen später nach Washington. Der Kanzler stand neben Biden, als der Präsident die unverhohlene Drohung aussprach: «Falls Russland einmarschiert, wenn Panzer und Truppen die Grenze zur Ukraine wieder überschreiten, wird es keine Nord-Stream 2 mehr geben. Wir werden es beenden.» Und als ein amerikanisches (kein deutsches) Medium baff nachfragte, wie das denn mit einem deutschen Infrastrukturprojekt gehen solle, bekräftigte Biden: «Wir werden es tun, das verspreche ich. Wir können das.»

Scholz Antwort auf dieselbe Frage fiel schwammiger aus: «Wir handeln gemeinsam. Wir sind absolut geeint und wir werden keine unterschiedlichen Schritte unternehmen. Wir werden dieselben Schritte unternehmen und sie werden sehr, sehr hart für Russland sein.» An dieser Stelle des Berichtes teilte die Regierungsquelle Hersh mit, dass die CIA überzeugt gewesen sei, dass der Kanzler in die Pläne eingeweiht war

Doch kurz darauf änderte das Weisse Haus diese Pläne. Die Vorbereitungen für die Sprengung sollten zwar weitergehen, doch von einem Abschreckungsmanöver für Russlands Intentionen war nicht mehr die Rede. Mit Hilfe norwegischer Spezialeinheiten seien die Sprengsätze an den Rohrleitungen befestigt worden, zusammen mit einem Zünder. Er wurde erst im September betätigt, von einem Flugzeug der norwegischen Marine, das ein Sonargerät abwarf, das den Impuls sendete. Das würde erklären, warum keine verdächtigen Schiffe in der Nähe des Tatortes zum Zeitpunkt der Explosion gesichtet wurden.

Warum aber detonierte die Bombe so spät, erst im September? Es sei nicht mehr um Russland gegangen, sondern um Deutschland, so der Regierungsbeamte. «Wir erkannten, dass die Zerstörung der beiden russischen Pipelines nicht mit dem ukrainischen Krieg in Verbindung stand», erklärte er. «Sie war Teil der politischen Agenda der Neocons. Sie wollten verhindern, dass Scholz und Deutschland angesichts des bevorstehenden Winters und der zugedrehten Pipelines kalte Füsse bekämen und die geschlossene Nord-Stream 2 wieder aufdrehen würden.»  Wolfgang Koydl

 

 

 

Medusa als fleischgewordener Abschaum einer Epoche

 

 

Eine Sache beherrscht die deutsche Innenministerin Nancy Faeser besser als die meisten ihrer Kollegen: Sie kann dieses undurchdringliche Gesicht aufsetzen. Nicht nur deshalb erinnert sie an Angela Merkel. In der ARD-Talkshow von Anne Will zeigte sich Faeser wieder einmal in der Rolle der Stoikerin, die alles von sich abprallen lässt. Neben ihr sass Frank Rombey, parteiloser Bürgermeister von Niederzier in Nordrhein-Westfahlen, der angesichts des endlosen Migrantenstroms die gleichen Fragen stellte wie fast jeder Lokalpolitiker der Republik: «Wer soll das finanzieren? Wer soll die Arbeit vor Ort leisten?» Faeser hörte sich die Fragen mit regungsloser Miene an.

In vielen Orten entstehen Wohncontainer zur provisorischen Unterbringung, die Kleinstadt Odenthal in Rombeys Bundesland funktioniert gerade ihre Trauerhalle zur Asylbewerberunterkunft um. Aber selbst wenn es gelingt, den Neuankömmlingen ein behelfsmässiges Quartier zu verschaffen – es fehlen Betreuer, richtige Wohnungen, Geld. Die Kommunen melden in einem für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich deutlichen Tonfall eine restlose Erschöpfung ihrer Ressourcen nach Berlin. Dort hätte es Faeser in der Hand, den Zustrom mit Kontrollen an der Ostgrenze wenigstens zu drosseln. Denn über diese Route kommen zurzeit Tag für Tag illegale Migranten. Unmittelbar an der Grenze kontrollieren darf nur die Bundespolizei, die der Innenministerin untersteht. Bisher wischte Faeser den dringenden Wunsch der Regierungen von Brandenburg und Sachsen beiseite, ihren Beamtenapparat dafür in Gang zu setzen.

Diese Sturheit macht die Juristin aus Hessen zur grössten Reizfigur der deutschen Politik. Sie verkörpert wie niemand sonst in der Hauptstadt einen Politikstil, der aus zwei Elementen besteht: Gegenüber ihren eigenen Bürgern fällt die Innenressortchefin immer wieder durch einen schroff autoritären Ton auf, besonders dann, wenn es um den von ihr sogenannten «Kampf gegen rechts» geht. Und gegen einen Spitzenbeamten, der ihr missfiel, ging sie in einer Art und Weise vor, die eher an Autokraten erinnert. In der Migrationsfrage, die das Land gerade politisch zu zerreissen droht, verfolgt Faeser das scheinbare Gegenteil, eine Laissez-faire-Politik, die sich darin erschöpft, Massnahmen anzukündigen, die vorzugsweise auf die völlig realitätsferne «europäische Lösung» hinauslaufen. Dieses Phantom führte schon Merkel gern zur Öffentlichkeitsberuhigung spazieren.

Ihre Berufung zur Innenministerin verdankt die frühere Generalsekretärin der hessischen SPD einem einzigen Grund: Sie soll – so lautete jedenfalls 2021 das Kalkül von Kanzler Olaf Scholz – das Bundesland für die Sozialdemokraten bei der Wahl am 8. Oktober 2023 zurückerobern. Das Schlüsselministerium in Berlin mit Durchgriff auf Bundespolizei, Inlandsgeheimdienst und viele kleine Behörden dient ihr seitdem als eine Art Trainingslager. Ihr linksautoritäres Politikverständnis stösst zwar bei vielen Bürgern auf Ablehnung, bisweilen auch auf Wut, genauso wie ihre Entscheidung, die Migration weitgehend unkontrolliert laufenzulassen. Für viele Mandatsträger und auch für Wähler von SPD und Grünen passt beides allerdings geradezu logisch zwingend zusammen: eine Einwanderung unter der Formel «Menschlichkeit kennt keine Obergrenze» und der «Kampf gegen rechts», der sich vor allem gegen eine gerade wegen der Migration erstarkende AfD richtet, aber eigentlich gegen alle Kräfte rechts der Mitte einschliesslich ihrer Wähler. 

Ausserdem gibt es in vielen deutschen Medien für diese Mischung aus innenpolitischer Härte und weicher Grenze begeisterte Zustimmung, besonders beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das, glaubten Faeser und ihr Förderer Scholz, sollte für einen politischen Aufstieg reichen. Dieser Plan stammt allerdings aus einer Zeit vor der Wirtschafts- und Asylkrise – und vor dem Niedergang der SPD auf Werte deutlich unter 20 Prozent. Das System Faeser läuft trotzdem weiter. Vorerst jedenfalls.

Mit welchen Gesellschaftsvorstellungen sie ins Amt kam, machte sie Ende 2021 per Twitter deutlich: «Wer im Netz Hass und Hetze verbreitet», teilte sie der Öffentlichkeit mit, «bekommt es mit der Polizei zu tun.» Natürlich weiss die Juristin, dass ein Straftatbestand namens «Hass und Hetze» nicht existiert und dass die Strafverfolgung nicht in den Händen der Polizei liegt. Als 2022 Bürger gegen Corona-Massnahmen und die geplante Impfpflicht auf die Strasse gingen, legte sie nach. «Jeder hat das Recht, sich friedlich zu versammeln», twitterte sie: «Wir ziehen die Grenzen da, wo es um Hass und Hetze geht. Rechtsextremisten missbrauchen die Corona-Demos zunehmend für ihre Ideologie gegen den Staat. Wir werden dort mit konsequenter Strafverfolgung hart durchgreifen.»

Zwischen «Ideologie gegen den Staat» und «Strafverfolgung» versucht Faeser im Amt eine feste Verbindung herzustellen. Auch mit Hilfe des Inlandsgeheimdiensts, unter Thomas Haldenwang, der die Grenzen für bedenkliche Staats- und Regierungskritik so weit steckte wie kein anderer an der Verfassungsschutzspitze. Haldenwangs Amt erfand unter wohlwollender Ermutigung durch Faeser mit der «verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates» ein ganz neues Beobachtungsfeld. Dabei geht es genau genommen nicht einmal nur um staatliche Institutionen. Diejenigen, die Innenministerin und Geheimdienst in den Blick nehmen, so heisst es in einer Erklärung des Verfassungsschutzes, «versuchen, das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie, in staatliche Institutionen sowie in Wissenschaft und Medien zu untergraben». Für dieses Vertrauen, meint Faeser, stehen die Bürger in der Pflicht, nicht Politiker und Medien. Woher der Vertrauensverlust kommt – diese Frage stellt die Innenministerin nicht, zumindest nicht öffentlich.

Den Nachrichtendienst mobilisierte sie auch gegen einen Spitzenbeamten, den Chef des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, Deutschlands obersten Cyberabwehr-Experten. Zwischen Schönbohm und der Politikerin gab es unterschiedliche Ansichten zum Umgang mit Sicherheitslücken von Mobilfunk-Plattformen. Er plädierte dafür, die Unternehmen darauf aufmerksam zu machen und ihnen Gelegenheit zu geben, sie zu schliessen. Faeser wünschte das nicht – denn diese Lücke erlaubt es auch Geheimdienst und Polizei, heimlich mitzulesen (und ausländischen Diensten natürlich auch). Verdächtigungen gegen Schönbohm und einen engen Bekannten von ihm, sie würden indirekte Kontakt zu einem russischen Nachrichtendienst unterhalten, kursierten schon länger. Nachforschungen des Inlandsgeheimdiensts brachten dafür aber keine konkreten Anhaltspunkte. Als der ZDF-Komiker Jan Böhmermann die alten Vorwürfe im Oktober 2022 ohne einen einzigen neuen Fakt noch einmal aufkochte, griff Faeser nach der Gelegenheit: Sie verbot Schönbohm wegen eines angeblichen Vertrauensverlusts die Dienstgeschäfte. Ihr Staatssekretär bot ihm an, sich freiwillig eine andere Stelle zu suchen, und drohte ihm gleichzeitig ein langes, zermürbendes Disziplinarverfahren an. Dann schob die Ministerin den Spitzenbeamten auf einen sehr viel kleineren Posten ab, und es geschah etwas Merkwürdiges: Trotz den Vorwürfen – angebliche Kontakte zu Russen, schwere Fehler in der Amtsführung – liess sie kein Disziplinarverfahren gegen ihn einleiten. Weil sie wusste, dass es nichts Substanzielles gab? Die Verfahrenseinleitung besorgte der Beamte selbst; es erledigte sich schnell, da es keinerlei Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten gab. Faeser wollte trotzdem um jeden Preis etwas Belastbares gegen Schönbohm in die Hand bekommen. In einem vertraulichen Vermerk ihres Ministeriums heisst es zu Faeser und Causa: «Sie [die Ministerin] fand die Dinge, die wir ihr zugeliefert haben, zu ‹dünn› – wir sollten nochmals BfV [Bundesamt für Verfassungsschutz] abfragen und alle Geheimunterlagen zusammentragen.» Der Beamte sicherte zu, ihr ein Dossier «ausserhalb des Dienstwegs» zukommen zu lassen. Zusammengefasst lautete die Aufforderung: «Finden Sie irgendwas.»

Ein solcher Vorgang in Ungarn oder in Polen würde garantiert zu den heftigsten Ermahnungen durch Berliner Politiker führen, ausserdem zu breiten Medienberichten. In den meisten deutschen Zeitungen und den öffentlich-rechtlichen Sendern blieb es sehr ruhig, was die Innenministerin-Affäre anging. Auch deshalb, weil sich viele Redaktionen zu diesem Zeitpunkt immer noch mit dem hetzerischen Flugblatt befassten, dass der bayerische Wirtschaftsminister und Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, als Sechzehnjähriger in der Schultasche trug. Faeser kam mit ihrer Versicherung durch, sie habe nie rechtswidrig nachrichtendienstliche Mittel gegen Schönbohm eingesetzt. Den Vermerk ihres Hauses, der etwas anderes nahelegt, konnte sie nicht so recht erklären. 

Falls noch mehr Unterlagen an die Öffentlichkeit dringen, muss sie mit einem Untersuchungsausschuss des Parlaments rechnen. Die grössere Bedrohung für ihre Karriere lauert allerdings in Hessen. Für den Wahlkampf muss sie vom Raumschiff Berlin in die Provinz herabsteigen, dorthin, wo die Bürgermeister den Zustrom immer neuer Migranten nicht mehr bewältigen. Würde sie tatsächlich Ministerpräsidentin, sässe sie plötzlich ganz nah an den Orten, in denen Wut und Unverständnis über eine planlose Einwanderungspolitik gären. Noch liegt die Wahrscheinlichkeit nicht: In Umfragen erreicht die SPD in Hessen mit Faeser als Spitzenkandidatin nur 18 ​Prozent. Es wäre das schlechteste Ergebnis ihrer Partei in dem Bundesland seit 1946.

Vermutlich weiss selbst die Innenministerin, dass Deutschland die Politik der ungeschützten Grenze nicht mehr lange durchhält, zumal sich die Bundesrepublik innerhalb der EU mehr und mehr isoliert. Aber hier ist sie Gefangene der deutschen Sozialdemokratie: Sie wagt es nicht, als linke Partei eine Migrationspolitik zu beenden, die eine CDU-Kanzlerin vor acht Jahren in Gang setzte. Für die Grünen gilt das erst recht. Um den Weg der dänischen Sozialdemokraten zu gehen, bräuchte die SPD andere Politiker als eine Nancy Faeser, die alles von ihrer Partei aus denkt, egal ob Gesellschaft, Bürger oder Einwanderung. In ihrem stoischen Verhalten, ihrem Vorgehen gegen missliebige Männer und in ihrer Ausrichtung auf Medienzuspruch ähnelt sie Merkel. Aber eben nicht in der Fähigkeit, ihrer Partei eine scharfe Kehrtwende aufzuzwingen.

Am Ende dürfte Faeser die Fähigkeit helfen, alles von sich abperlen zu lassen. Selbst nach einem miserablen Ergebnis bei der Wahl werkelt sie in Berlin vermutlich einfach weiter, obwohl sie jetzt schon als schlechteste Figur an der Spitze des Innenressorts seit Beginn nach dem Zweiten Weltkrieg gilt. Und obwohl ihre Art, Politik zu betreiben, die ohnehin mageren Werte der SPD noch weiter herunterzieht. Einigen Genossen wäre es am liebsten, an ihre Stelle würde ein pragmatischer Nachfolger treten, ähnlich wie Boris Pistorius, der auf die diskreditierte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht folgte und seitdem die Tabelle der beliebtesten Politiker anführt. Aber als linke Frau geniesst Faeser den Status der Unstürzbarkeit. Sie bleibt, sofern sie nicht aus freier Stücken verschwindet.

Auch darin ähnelt sie Angela Merkel: Solange die ihr wohlgesonnenen Medien sie nicht fallenlassen, muss sie wenig befürchten.

 

Dreist - unerschütterlich - abgebrüht - gewissenlos

 

Seit Monaten strömen – oft illegal – Hunderttausende in unser Land, und Sie tun: nichts. Sie schauen zu, wie sich sogenannte Asylanten Strassenschlachten liefern und mit Nagelbrettern auf unsere Ordnungskräfte einschlagen. Die Kommunen senden Hilferufe wegen Überfüllung, aber Sie stellen auf Durchzug. «Die kriegen doch genug Geld», sagen Sie schnippisch.

«Quousque tandem, Catilina, abutere patientia nostra?» Das schleuderte einst Cicero dem Verschwörer Catilina im Senat entgegen. Übersetzt in die Gegenwart, hiesse das: Wie lange, Nancy Faeser, wollen Sie noch unsere Geduld missbrauchen?

Wer sind Sie? Was ist Ihre Agenda?

Ihr Vater war SPD-Bürgermeister in einem Provinznest, Sie haben Jura studiert und von der Weltrevolution geträumt und sich durch die Partei nach oben gerackert. Mehr weiss man nicht über Sie. Nur eben, dass Sie der fleischgewordene sozialdemokratische Apparatschik sind.

An der WM in Katar wirkten Sie mit Ihrer «One Love»-Armbinde in der Stadionloge wie eine Ordnerin aus Wokeistan und verärgerten die muslimischen Gastgeber, während unten auf dem Rasen die deutschen Leistungsverweigerer im Zeichen des Regenbogens mal wieder alles vergeigten.

Jetzt wollten Sie das kommunale Wahlrecht installieren für alle Syrer, Eritreer, Afghanen, die sich länger als sechs Jahre bei uns aufhalten. Erwarten Sie sich von denen in Zukunft jene Stimmen, die Ihnen derzeit im Wahlkampf in Hessen fehlen?

Wer sind Sie, dass Sie glauben, Sie könnten einen verdienten Beamten mit Hilfe des TV-Clowns Böhmermann abschiessen? Und als das nicht klappte, den Inlandsgeheimdienst missbrauchen? Sie mieteten sich bei einem Ihrer Abteilungsleiter ein, liessen ihm die Wohnung auf Steuerkosten renovieren und vervierfachten sein Gehalt, als seien Sie Marie-Antoinette vor der Revolution.

Liebe Nancy Faeser, erlösen Sie uns! Treten Sie endlich zurück. Oder noch besser: Klammern Sie sich ans Amt, damit Ihre obsolet gewordene Partei weitere Prozente verliert.

In diesem Sinne stets der Ihre
Matthias Matussek

 


 
Perseus

Am 18. November in Koblenz

 


Chrupalla durfte ausnahmsweise mit am Tisch sitzen

 


 

Keiner der Anwesenden spricht mit Chrupalla. Er kommt kaum mal in der über eine Stunde dauernden Sendung zu Wort. Ab und zu wird vor seinen Augen über ihn gesprochen wie über ein unartiges Kind. Eine Situation der verächtlichen Missachtung, die ich im französischen, italienischen und britischen Fernsehen noch nie erlebt habe. Auch im amerikanischen nicht, das ich allerdings weniger kenne.
 

Hier die ganze Folge von "Hart aber fair" und hier die Doku "Hört uns zu!", die Anlass zu dieser Folge gegeben hatte.

Und nicht vergessen, was immer wieder betont werden muss: Was man sich in Deutschlands staatlichem (so muss es genannt werden) Fernsehen erlaubt - nämlich, dass man einer im Parlament vertretenen Oppositionspartei weniger Sendezeit als den Regierungsparteien zur Verfügung stellt -, wäre in Italien illegal. In Italien wurden manchmal schon sogar die Minuten der Sprechzeit in einer Sendung gezählt! Audiatur et altera pars ist im italienischen TV - im staatlichen wie im privaten - eine eherne, gesetzlich verankerte Regel. Und zwar nicht nur einmal audiatur!!

Genial

 

Das hatte gerade noch gefehlt

 


Einer der letzten Deutschen, der zu recht als Bildungsbürger bezeichnet werden kann, verfällt in die Italienschwärmerei und verklärt, was in Wirklichkeit nur die Bevorzugung der Familie gegenüber dem Staat ist (d a s ist Italiens wahrer Segen, und d a v o n könnten wir tatsächlich viel lernen) zum anarchistischen Volkscharakter. 

Nicht der ewig scheiternde Anarchist soll unser Vorbild sein, sondern der freimütige Anarch. Immerhin hat Herles verstanden, dass der Begriff "Anarchie" in Deutschland irgendwann eine verfälschende Umdeutung seitens einer Spießerkaste erfuhr, die mit Freiheit nichts anfangen konnte. Leider denkt Herles aber die Dinge nie zuende und erkennt auch die Zusammenhänge seiner durchaus gültigen, ja oft sogar wertvollen Beobachtungen nur sporadisch. Es führt nie zu etwas Gutem, wenn die Deutschen den Erfindern des "technischen Fouls", wie italienische Fußballexperten es nennen, nacheifern. Dann verlieren sie unvermeidlich ihre sowieso schon völlig ramponierte Identität. Man kann die deutsche Gesichts- und Geschichtslosigkeit nicht dadurch überwinden, dass man zu noch mehr Gesichtslosigkeit auffordert. Das Ehrlichste am mittlerweile durch und durch verlogenen Deutschen ist immer noch seine Liebe zur Beachtung von Regeln. Da aber zur Zeit, selbst hohe deutsche Gerichte das Recht hemmungslos beugen, ist anzustreben, wieder dafür zu sorgen, das Gesetze befolgt werden und, wo nötig, zu Gunsten des deutschen Volkes geändert werden. Der Versuchung, das deutsche Volk zu Italienern umzuerziehen, hätte Herles widerstehen müssen.

Herles übersieht seit wer weiß wieviel Jahrzehnten offenbar, dass die Italiener das Chaos lieben und dass sie sich durch Chaos vor anderen Nationen schützen.

"Non si può avere la botte piena e la moglie ubriaca", besagt ein italinisches Sprichwort: Man kann nicht ein volles Fass haben und dazu auch noch eine beschwipste Frau.



Klimabewusstsein

 

Vor 80 Jahren

 

4 Tage von Neapel

4 giornate di Napoli

BöhmermannRepublikDeutschland

 Immerhin 25 Jahre lang - von 1989 bis 2014 - habe ich mich meines Landes nicht geschämt. Aber seit 2014 (seit PEGIDA einstimmig verleumdet wurde und Verlage gegenüber Sarrazin und Pirincci ohne mit der Wimper zu zucken vertragsbrüchig wurden und sogar Bibliotheken Pirinccis Bücher aussortierten und Lanz, ohne sich je zu entschuldigen Pirincci verleumdete) schäme ich mich nicht nur meines Landes (und ethnischer Deutscher mit italienischem Pass wie Lanz), die Scham wird sogar seit 2014 täglich unerträglicher, da jeden Tag neue Auswüchse der in den letzten 50 Jahren entstandenen ("konstruierten") Perversionen auftauchen.

Die Deutschen können einem Leid tun. Abgesehen davon ist der gesamte Westen aus gedankenlosem Übermut zu einer Hölle geworden.

Denk ich an Deutschland am hellen Tag,
ist mehr und mehr mir so, dass ich speien mag.

 

BuschmannRepublikDeutschland oder BöhmermannRepublikDeutschland, gehupft wie gesprungen.

 

 

In Italien ist die Malerei noch lebendig und gesund

 

100 Jahre Giacomo Bergomi

Dienstag, 26. September 2023

Die Italienerin, für die Tennesee Williams ein Stück schrieb

Anna Magnani

Das himmlische Kind

 

Giorgio Napolitano ist am 22. 9. gestorben

Er war ein feiner, sehr gebildeter Mann. In den 80-er Jahren, als die KPI ihren Namen noch nicht geändert hatte, schien er mir der einzige wirklich kluge Kopf mit authentisch demokratischer Gesinnung in der Kommunistischen Partei zu sein. Heute bin ich mir sicher, dass er tatsächlich der beste Mann in der KPI war und einer der besten Politiker Italiens. Schön, dass diese Rede von Ravasi gehalten wurde, der seit dem Tod von Tonini, Martini und Ratzinger mein Lieblingkardinal ist.

Ich wusste schon 1973, dass es so kommen würde

 und dass uns kein Datenschutzgesetz davor bewahren würde. Seit den 90-er Jahren habe ich auf diesen Moment gewartet.


Ronald Reagan war nicht dumm! Er meinte, die Informationstechnologien würden der Freiheit zum Triumph verhelfen und die autoritären Regime zum Einsturz bringen. Ich dagegen glaube, dass sie intrinsisch freiheitsfeindlich sind. Ich hoffe immer noch, dass Reagan am Ende recht behält. Aber bisher gibt die Entwicklung mir recht.

Heimat Natur


 Hier der ganze Film

Wer hat Angst vorm blauen Mann?

Vergangenes Wochenende wurde in Nordhausen gerade noch die Wahl eines AfD-Oberbürgermeisters verhindert. Dennoch geht die Angst um vor einer Regierungsbeteiligung der AfD. Auch mich treibt diese Angst um. Mit etwas Glück halten die Checks und Balances der deutschen Gesetze die AfD davon ab, gleich in den ersten Monaten ein Ermächtigungsgesetz zu erlassen. Es ist dennoch zu erwarten, dass sie alle legalen und halblegalen Wege ausschöpft, ihre Macht zu festigen.
Der Krieg wird in den Köpfen geführt, weshalb die AfD als erstes die Kontrolle über den ÖRR erlangen muss. Wichtige Stellen wie bspw. die Intendanten müssen mit parteieigenen Leuten besetzt werden. Um die Wahl des Intendanten nicht dem Zufall zu überlassen, müsste man die Gesinnungsgenossen in den Sendern in sogenannten Freundeskreisen organisieren. Aber auch der Nachwuchs sollte überwiegend bis ausschließlich nach Möglichkeit aus der Sache treuen Kandidaten bestehen. Hat man dann erst einmal die Macht das Programm zu bestimmen, nähert man sich dem Untertanen auf der einen Seite mit mindestens zwei stark ideologisch eingefärbten Satireformaten. Damit lässt sich dann sogar aktiv Politik machen und unliebsame Angestellte können öffentlich und ohne eine Chance sich zu wehren an den Pranger gestellt werden, bevor man sich ihrer entledigt. Schauprozesse ganz nach historischem Vorbild.
Für alle die es lieber etwas sachlich mögen gibt es die Polit-Talkshows. Am einfachsten wäre es natürlich in die Talkshows ausschließlich „Experten“, welche das eigene Narrativ vorbeten einzuladen – aber da fängt man sich doch leicht den Vorwurf der Befangenheit ein und die Wahrung des Scheins der Objektivität muss gewahrt werden. Also lädt man maximal einen Kandidaten der Gegenseite ein, den man dann genüsslich den 5 anderen linientreuen Gästen zum Fraß vorwirft.
Aber auch die Jüngeren möchten bedacht sein. So schleust man die politische Agenda schon in Sendungen für die ganz kleinen, auch wenn die Themen vielleicht noch nicht ganz altersgerecht sind. Aber nicht einmal davor wird die AfD zurückschrecken. Merken Sie sich meine Worte.
Für die etwas Älteren, die nicht mehr so auf lineares Fernsehen stehen, finanziert man einen Internetauftritt, in dem man linientreue Sendungen, unabhängig von ihrer Reichweite oder Beliebtheit mit Geld zuscheißt und ihnen ansonsten weitgehend freie Hand lässt. Journalistische Standards nimmt man dann da nicht so genau und falls mal offen antisemitische „Journalisten“ an Sendungen mitwirken, bietet man ihnen am besten einfach gleich einen Platz im Hauptprogramm an. Falls das dann doch auffliegt, kann man immer noch zurückrudern.
Apropos Kritik: Ist natürlich doof, dass heutzutage jeder über das Internet jeder die Unwahrheiten aufdecken kann, welche man in Umlauf bringt. Aber dafür wird man eine neue Institution ersinnen: Die sogenannten Faktenchecker, welche die von Amateuren ins Netz posaunten, aber leider eben auch oft gefährlichen Fakten einordnen. Teile der Fakten könnten die Bevölkerung verängstigen. So weiß der stramme AfD-Wähler immer, was er zu denken hat und vor allem, wem er zuzuhören hat. Und war man selbst doch mal zu ehrlich, löscht man den eigenen Beitrag einfach ohne weiteren Verweis*.
Aber man will ja das ganze nicht nur von oben herab gestalten, sondern auch zeigen, dass der gemeine Bürger auch linientreu denkt. Leider sind gerade bei komplexen Themen solche Leute schwer zu finden und da man die eigenen Mitarbeiter auch nicht überlasten will, lässt man sie kurzerhand andere Mitarbeiter interviewen.
Mit den Mitteln über welche die AfD in Regierungsverantwortung verfügen würde, könnte sie sich für jeden ihrer Talkingpoints einfach eine Studie maßschneidern lassen, bei der das Ergebnis schon im Vorfeld festgelegt wird. Beispielsweise bei heiß diskutierten Punkten wie Seenotrettung und Migrantenkriminalität, so dass auch jeder kleine Parteisoldat auf „Die Wissenschaft“ verweisen kann.
Darüber hinaus finanziert die AfD ihr treu ergebene Stiftungen und NGOs. Es wäre der AfD sogar zuzutrauen, dass Meldeportale eingerichtet werden, um abweichende Meinungen zu erfassen.
Hat man dann erst einmal Wissenschaft und Medien auf seiner Seite, sollte es für die AfD ein leichtes sein Oppositionsparteien als „Gefahr für die Demokratie“ zu framen und in die Bedeutungslosigkeit zu treiben. Oder?   Aischa Schluter
 
* Zum Beispiel der Faktencheck „Kein Bürgerkrieg, aber Probleme“ zur Migrantenkriminalität

 

Ein Rest echtes Westfernsehen

 

Nine/Twentysix

 

Heute, genau vor einem Jahr, wurden in der Ostsee die Nord-Stream-Pipelines gesprengt. Wer für den Anschlag verantwortlich ist, ist noch immer unklar. Wie sich der Tathergang ereignet haben könnte, beschreibt der US-Starjournalist Seymour Hersh in seiner Recherche. Dieser Text erschien erstmals in der Weltwoche vom 16. Februar 2023.

Das Tauch- und Bergungszentrum der Navy befindet sich an einem Ort, der so obskur ist wie sein Name – an einem ehemaligen Feldweg im ländlichen Panama City, einer heute boomenden Ferienstadt im Südwesten Floridas, siebzig Meilen südlich der Grenze zu Alabama. Der Komplex des Zentrums ist so unscheinbar wie sein Standort – ein trister Betonbau aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, der an eine Berufsschule im Westen Chicagos erinnert. Auf der anderen Seite der heute vierspurigen Strasse befinden sich ein Münzwaschsalon und eine Tanzschule.

Das Zentrum bildet seit Jahrzehnten hochqualifizierte Tiefseetaucher aus, die amerikanischen Militäreinheiten auf der ganzen Welt zugeteilt werden. Sie sind in der Lage, technische Tauchgänge durchzuführen, um sowohl das Gute zu tun – mit C4-Sprengstoff Häfen und Strände von Trümmern und nicht explodierten Sprengkörpern zu befreien – als auch das Schlechte, wie das Sprengen ausländischer Öl-Plattformen, das Verschmutzen von Einlassventilen für Unterwasserkraftwerke und das Zerstören von Schleusen an Schifffahrtskanälen.

Das Zentrum in Panama City, das über das zweitgrösste Hallenbad Amerikas verfügt, war der perfekte Ort, um die besten und wortkargsten Absolventen der Tauchschule zu rekrutieren, die im vergangenen Sommer 260 Fuss unter der Oberfläche der Ostsee erfolgreich das taten, wozu sie autorisiert worden waren.

Im vergangenen Juni brachten die Taucher der Navy im Rahmen einer weithin bekannten Nato-Sommerübung namens Baltops 22 die fernausgelösten Sprengsätze an, die drei Monate später drei der vier Nord-Stream-Pipelines zerstörten, so eine Quelle mit direkter Kenntnis der Einsatzplanung. Zwei der Pipelines, die unter dem Namen Nord Stream 1 bekannt sind, versorgten Deutschland und weite Teile Westeuropas seit mehr als einem Jahrzehnt mit billigem russischem Erdgas. Ein zweites Paar von Pipelines, Nord Stream 2 genannt, wurde bereits gebaut, war aber noch nicht in Betrieb. Nun, da sich russische Truppen an der ukrainischen Grenze sammelten und der blutigste Krieg in Europa seit 1945 drohte, sah Präsident Joseph Biden in den Pipelines ein Mittel für Wladimir Putin, Erdgas für seine politischen und territorialen Ambitionen zu instrumentalisieren.

Adrienne Watson, eine Sprecherin des Weissen Hauses, schrieb in einer E-Mail: «Das ist falsch und völlig frei erfunden.» Tammy Thorp, eine Sprecherin der Central Intelligence Agency, schrieb ebenfalls: «Diese Behauptung ist komplett und völlig falsch.»

Bidens Entscheidung, die Pipelines zu sabotieren, fiel nach mehr als neun Monaten geheimer Debatten innerhalb der nationalen Sicherheitsgemeinschaft in Washington darüber, wie dieses Ziel am besten zu erreichen sei. Die meiste Zeit über ging es nicht um die Frage, ob die Mission durchgeführt werden sollte, sondern darum, wie sie durchgeführt werden konnte, ohne dass klar war, wer dafür verantwortlich war.

Es gab einen wichtigen bürokratischen Grund, sich auf die Absolventen der Tauchschule des Zentrums in Panama City zu verlassen. Die Taucher gehörten ausschliesslich der Navy an und nicht dem amerikanischen Kommando für Sondereinsätze, dessen verdeckte Operationen dem Kongress gemeldet und der Führung des Senats und des Repräsentantenhauses – der sogenannten Gang of Eight – im Voraus mitgeteilt werden müssen. Die Biden-Administration tat alles, um undichte Stellen zu vermeiden, als die Planung Ende 2021 und in den ersten Monaten des Jahres 2022 stattfand.

Transit durch die Ukraine umgangen

Präsident Biden und sein aussenpolitisches Team – der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan, Aussenminister Tony Blinken und Victoria Nuland, die Unterstaatssekretärin für Politik – hatten sich klar und deutlich gegen die beiden Pipelines ausgesprochen, die von zwei verschiedenen Häfen im Nordosten Russlands nahe der estnischen Grenze Seite an zur Story Meilen unter der Ostsee hindurch verlaufen und in der Nähe der dänischen Insel Bornholm vorbeiführen, bevor sie in Norddeutschland enden.

Die direkte Route, die den Transit durch die Ukraine umging, war ein Segen für die deutsche Wirtschaft, die in den Genuss eines Überflusses an billigem russischem Erdgas kam – genug, um ihre Fabriken zu betreiben und ihre Häuser zu heizen, während die deutschen Verteiler überschüssiges Gas mit Gewinn in ganz Westeuropa verkaufen konnten. Massnahmen, die auf die Regierung zurückgeführt werden könnten, würden gegen das Versprechen der USA verstossen, den direkten Konflikt mit Russland zu minimieren. Geheimhaltung war unerlässlich.

Von Anfang an wurde Nord Stream 1 von Washington und seinen antirussischen Nato-Partnern als Bedrohung der westlichen Vorherrschaft angesehen. Die dahinter stehende Holdinggesellschaft, die Nord Stream AG, wurde 2005 in der Schweiz in Partnerschaft mit Gazprom gegründet. Gazprom ist ein börsennotiertes russisches Unternehmen, das enorme Gewinne für seine Aktionäre erwirtschaftet und von Oligarchen beherrscht wird, von denen bekannt ist, dass sie im Bannkreis Putins stehen. Gazprom kontrollierte 51 Prozent des Unternehmens, während sich vier europäische Energieunternehmen – eines in Frankreich, eines in den Niederlanden und zwei in Deutschland – die restlichen 49 Prozent der Aktien teilten und das Recht hatten, den nachgelagerten Verkauf des preiswerten Erdgases an lokale Verteiler in Deutschland und Westeuropa zu kontrollieren. Die Gewinne von Gazprom wurden mit der russischen Regierung geteilt, und die staatlichen Gas- und Öleinnahmen machten in manchen Jahren schätzungsweise bis zu 45 Prozent des russischen Jahreshaushalts aus.

Die politischen Befürchtungen der Amerikaner waren real: Putin würde nun über eine zusätzliche und dringend benötigte wichtige Einnahmequelle verfügen, und Deutschland und das übrige Westeuropa würden von preiswertem, aus Russland geliefertem Erdgas abhängig werden – und gleichzeitig die Abhängigkeit Europas von Amerika verringern. Tatsächlich ist genau das passiert. Viele Deutsche sahen Nord Stream 1 als Teil der Befreiung von der Ostpolitik des ehemaligen Bundeskanzlers Willy Brandt, die es dem Nachkriegsdeutschland ermöglichen würde, sich selbst und andere europäische Nationen, die im Zweiten Weltkrieg zerstört worden waren, zu rehabilitieren, indem es billiges russisches Gas als Treibstoff für einen florierenden westeuropäischen Markt und eine florierende Handelswirtschaft nutzen würde.

«Ich bin sehr erfreut, zu wissen, dass Nord Stream 2 ein Brocken Metall auf dem Grund des Meeres ist.»

Bidens Rückzieher

Nord Stream 1 war nach Ansicht der Nato und Washingtons schon gefährlich genug, aber Nord Stream 2, dessen Bau im September 2021 abgeschlossen wurde, würde, wenn die deutschen Aufsichtsbehörden zustimmten, die Menge an billigem Gas verdoppeln, die Deutschland und Westeuropa zur Verfügung stünde. Die zweite Pipeline würde ausserdem genug Gas für mehr als 50 Prozent des jährlichen Verbrauchs in Deutschland liefern. Die Spannungen zwischen Russland und der Nato eskalierten ständig, unterstützt durch die aggressive Aussenpolitik der Biden-Administration.

Der Widerstand gegen Nord Stream 2 flammte am Vorabend der Amtseinführung Bidens im Januar 2021 auf, als die Republikaner im Senat, angeführt von Ted Cruz aus Texas, während der Anhörung zur Bestätigung Blinkens als Aussenminister wiederholt die politische Bedrohung durch billiges russisches Erdgas ansprachen. Bis dahin hatte ein vereinigter Senat erfolgreich ein Gesetz verabschiedet, das, wie Cruz zu Blinken sagte, «[die Pipeline, d. Red.] in ihrem Lauf aufhielt». Die deutsche Regierung, die damals von Angela Merkel geführt wurde, übte enormen politischen und wirtschaftlichen Druck aus, um die zweite Pipeline in Betrieb zu nehmen.

Würde Biden den Deutschen die Stirn bieten?

Blinken bejahte dies, fügte aber hinzu, dass er das Thema mit dem neuen Präsidenten nicht im Einzelnen erörtert habe. «Ich kenne seine feste Überzeugung, dass Nord Stream 2 eine schlechte Idee ist», sagte er. «Ich weiss, dass er möchte, dass wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um unsere Freunde und Partner, einschliesslich Deutschland, davon zu überzeugen, das Projekt nicht voranzutreiben.»

Ein paar Monate später, als der Bau der zweiten Pipeline kurz vor der Fertigstellung stand, machte Biden einen Rückzieher. Im Mai dieses Jahres verzichtete die Regierung in einer erstaunlichen Kehrtwende auf Sanktionen gegen die Nord Stream AG, wobei ein Beamter des Aussenministeriums einräumte, dass der Versuch, die Pipeline durch Sanktionen und Diplomatie zu stoppen, «schon immer aussichtslos» gewesen sei. Hinter den Kulissen drängten Beamte der Regierung laut Berichten den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, der zu diesem Zeitpunkt von einer russischen Invasion bedroht war, dazu, den Schritt nicht zu kritisieren.

Das hatte unmittelbare Folgen: Die Republikaner im Senat, angeführt von Cruz, kündigten eine sofortige Blockade aller von Biden nominierten Kandidaten für die Aussenpolitik an und verzögerten die Verabschiedung des jährlichen Verteidigungsgesetzes über Monate hinweg bis tief in den Herbst hinein.

Politico bezeichnete Bidens Kehrtwende in Bezug auf die zweite russische Pipeline später als «die einzige Entscheidung, die Bidens Agenda gefährdet hat – wohl noch mehr als der chaotische militärische Rückzug aus Afghanistan».

Wo steht Scholz?

Die Regierung geriet ins Trudeln, obwohl sie Mitte November einen Aufschub der Krise erhielt, als die deutschen Energieregulierungsbehörden die Genehmigung für die zweite Nord-Stream-Pipeline aussetzten. Die Erdgaspreise stiegen innerhalb weniger Tage um 8 Prozent.

In Deutschland und Europa wuchs die Befürchtung, dass die Aussetzung der Pipeline und die wachsende Möglichkeit eines Krieges zwischen Russland und der Ukraine zu einem sehr unerwünschten kalten Winter führen würden. In Washington war nicht klar, wo Olaf Scholz, der neuernannte deutsche Bundeskanzler, steht. Monate zuvor, nach dem Fall Afghanistans, hatte Scholz in einer Rede in Prag öffentlich die Forderung des französischen Präsidenten Emmanuel Macron nach einer eigenständigeren europäischen Aussenpolitik unterstützt – ein klarer Hinweis darauf, dass man sich weniger auf Washington und dessen wechselhaftes Handeln verlassen sollte.

Währenddessen wurden die russischen Truppen an den Grenzen der Ukraine stetig und bedrohlich aufgestockt, und Ende Dezember waren mehr als 100 000 Soldaten in der Lage, von Weissrussland und der Krim aus zuzuschlagen. In Washington wuchs die Besorgnis, und Blinken schätzte, dass diese Truppenstärke «in kurzer Zeit verdoppelt werden könnte».

«Die Uhr tickte, wir waren kurz davor, die Mission zu erfüllen.» Dann überlegte es sich Washington anders.

Die Aufmerksamkeit der Regierung richtete sich wieder einmal auf Nord Stream. Solange Europa von den Pipelines für billiges Erdgas abhängig blieb, befürchtete Washington, dass Länder wie Deutschland zögern würden, die Ukraine mit dem Geld und den Waffen zu versorgen, die sie brauchte, um Russland zu besiegen.

In diesem unruhigen Moment beauftragte Biden Jake Sullivan, eine behördenübergreifende Gruppe zusammenzustellen, die einen Plan ausarbeiten sollte. Alle Optionen sollten auf den Tisch gelegt werden. Aber nur eine würde sich durchsetzen.

Im Dezember 2021, zwei Monate bevor die ersten russischen Panzer in die Ukraine rollten, berief Jake Sullivan eine Sitzung einer neugebildeten Task-Force ein – Männer und Frauen des Vereinigten Generalstabs, der CIA, dem Aussen- und dem Finanzministerium – und bat um Empfehlungen, wie man auf Putins bevorstehende Invasion reagieren sollte. Es war das erste einer Reihe von streng geheimen Treffen in einem sicheren Raum im obersten Stockwerk des Old Executive Office Building, das an das Weisse Haus angrenzt und in dem auch das President’s Foreign Intelligence Advisory Board (PFIAB) untergebracht war. Es gab das übliche Hin-und-Her-Gerede, das schliesslich zu einer entscheidenden Vorfrage führte: Würde die Empfehlung, die die Gruppe dem Präsidenten übermittelte, reversibel sein – wie eine weitere Schicht von Sanktionen und Devisenbeschränkungen – oder irreversibel – das heisst, Aktionen, die nicht rückgängig gemacht werden könnten?

Laut der Quelle mit direkter Kenntnis des Prozesses wurde den Teilnehmern klar, dass Sullivan beabsichtigte, die Gruppe einen Plan für die Zerstörung der beiden Nord-Stream-Pipelines ausarbeiten zu lassen – so dass er den Wünschen des Präsidenten nachkam.

Erfahrungen von 1971

In den folgenden Sitzungen erörterten die Teilnehmer die Optionen für einen Angriff. Die Navy schlug vor, ein neu in Dienst gestelltes U-Boot einzusetzen, um die Pipeline direkt anzugreifen. Die Air Force diskutierte den Abwurf von Bomben mit verzögertem Zünder, die aus der Ferne gezündet werden könnten. Die CIA vertrat die Ansicht, dass der Angriff in jedem Fall verdeckt erfolgen müsse.

Allen Beteiligten war klar, was auf dem Spiel stand. «Das ist kein Kinderkram», sagte die Quelle. Wenn der Angriff auf die Vereinigten Staaten zurückgeführt werden kann, «ist das eine Kriegshandlung».

Zu dieser Zeit wurde die CIA von William Burns geleitet, einem sanftmütigen ehemaligen Botschafter in Russland, der als stellvertretender Aussenminister in der Obama-Regierung gedient hatte. Burns ermächtigte rasch eine Arbeitsgruppe der Agentur, zu deren Ad-hoc-Mitgliedern zufällig jemand gehörte, der mit den Fähigkeiten der Tiefseetaucher der Navy in Panama City vertraut war. In den nächsten Wochen begannen die Mitglieder der CIA-Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung eines Plans für eine verdeckte Operation, bei der Tiefseetaucher eingesetzt werden sollten, um eine Explosion entlang der Pipeline auszulösen.

So etwas war schon einmal gemacht worden. Im Jahr 1971 erfuhr der US-Geheimdienst aus noch unbekannten Quellen, dass zwei wichtige Einheiten der russischen Marine über ein im Ochotskischen Meer an der russischen Fernostküste verlegtes Unterseekabel miteinander kommunizierten. Das Kabel verband ein regionales Marinekommando mit dem Hauptquartier auf dem Festland in Wladiwostok.

Ein handverlesenes Team von Mitarbeitern des US-Geheimdienstes Central Intelligence Agency und der National Security Agency (NSA) wurde irgendwo im Grossraum Washington zusammengetrommelt und arbeitete unter Einsatz von Navy-Tauchern, umgebauten U-Booten und einem Tiefsee-Rettungsfahrzeug einen Plan aus, mit dem es nach vielen Versuchen und Irrtümern gelang, das russische Kabel zu lokalisieren.

Die Taucher brachten ein ausgeklügeltes Abhörgerät auf dem Kabel an, das den russischen Datenverkehr erfolgreich abfing und mit einem Abhörsystem aufzeichnete.

Pläne des CIA

Die norwegische Marine fand schnell die richtige Stelle in den flachen Gewässern der Ostsee.

Die NSA erfuhr, dass hochrangige russische Marineoffiziere, die von der Sicherheit ihrer Kommunikationsverbindung überzeugt waren, ohne Verschlüsselung mit ihren Kollegen plauderten. Das Aufzeichnungsgerät und das dazugehörige Band mussten monatlich ausgetauscht werden, und das Projekt lief ein Jahrzehnt lang munter weiter, bis es von einem 44-jährigen zivilen NSA-Techniker namens Ronald Pelton, der fliessend Russisch sprach, aufgedeckt wurde. Pelton wurde 1985 von einem russischen Überläufer verraten und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Die Russen zahlten ihm nur 5000 Dollar für seine Enthüllungen über die Operation sowie 35 000 Dollar für andere russische operative Daten, die er zur Verfügung stellte und die nie veröffentlicht wurden. Dieser Unterwasser-Erfolg, der den Codenamen Ivy Bells trug, war innovativ und riskant und lieferte unschätzbare Erkenntnisse über die Absichten und Planungen der russischen Marine.

Dennoch war die behördenübergreifende Gruppe anfangs skeptisch, was die Begeisterung der CIA für einen verdeckten Tiefseeangriff anging. Es gab zu viele unbeantwortete Fragen. Die Gewässer der Ostsee wurden von der russischen Marine stark patrouilliert, und es gab keine Ölplattformen, die als Deckung für eine Tauchoperation genutzt werden konnten. Müssten die Taucher nach Estland fahren, direkt an der Grenze zu den russischen Erdgas-Verladedocks, um für den Einsatz zu trainieren? «Das wäre ein Ziegenfick», wurde der CIA gesagt.

Während «all dieser Planungen», so die Quelle, «sagten einige Mitarbeiter der CIA und des Aussenministeriums: ‹Macht das nicht. Es ist dumm und wird ein politischer Albtraum sein, wenn es herauskommt.›» Dennoch berichtete die CIA-Arbeitsgruppe Anfang 2022 an Sullivans behördenübergreifende Gruppe: «Wir haben eine Möglichkeit, die Pipelines zu sprengen.»

Was dann kam, war verblüffend. Am 7. Februar, keine drei Wochen vor der scheinbar unvermeidlichen russischen Invasion in der Ukraine, traf sich Biden in seinem Büro im Weissen Haus mit Bundeskanzler Olaf Scholz, der nach einigem Wackeln nun fest auf der Seite der Amerikaner stand. Bei der anschliessenden Pressekonferenz sagte Biden trotzig: «Wenn Russland einmarschiert [. . .], wird es kein Nord Stream 2 mehr geben. Wir werden dem ein Ende setzen.»

Zwanzig Tage zuvor hatte Staatssekretärin Nuland bei einem Briefing des Aussenministeriums im Wesentlichen dieselbe Botschaft verkündet, ohne dass die Presse darüber berichtet hätte. «Ich möchte mich heute ganz klar ausdrücken», sagte sie als Antwort auf eine Frage. «Wenn Russland in die Ukraine einmarschiert, wird Nord Stream 2 so oder so nicht vorankommen.»

Mehrere an der Planung der Pipeline-Mission beteiligte Personen waren bestürzt über die ihrer Meinung nach indirekten Hinweise auf den Angriff. «Es war, als würde man eine Atombombe in Tokio auf den Boden legen und den Japanern sagen, dass wir sie zünden werden», sagte die Quelle. «Der Plan sah vor, dass die Optionen nach der Invasion ausgeführt und nicht öffentlich bekanntgegeben werden sollten. Biden hat es einfach nicht kapiert oder ignoriert.»

Bidens und Nulands Indiskretionen, wenn es denn welche waren, könnten einige der Planer frustriert haben. Aber sie schufen auch eine Gelegenheit. Laut der Quelle waren einige hochrangige CIA-Beamte der Ansicht, dass die Sprengung der Pipeline «nicht länger als verdeckte Option betrachtet werden konnte, weil der Präsident gerade bekanntgegeben hat, dass wir wüssten, wie man es macht».

Ist das noch eine verdeckte Operation?

Der Plan, Nord Stream 1 und 2 zu sprengen, wurde plötzlich von einer verdeckten Operation, die eine Unterrichtung des Kongresses erforderte, zu einer als streng geheim eingestuften Geheimdienstoperation mit militärischer Unterstützung der USA herabgestuft. Nach dem Gesetz, so die Quelle, bestehe «keine rechtliche Verpflichtung mehr, den Kongress über die Operation zu informieren. Alles, was sie jetzt tun mussten, war, es einfach zu tun – aber es musste immer noch geheim sein. Die Russen haben eine hervorragende Überwachung der Ostsee.»

Die Mitglieder der CIA-Arbeitsgruppe hatten keinen direkten Kontakt zum Weissen Haus und wollten unbedingt herausfinden, ob der Präsident ernst gemeint hatte, was er gesagt hatte, das heisst, ob die Mission nun genehmigt war. Die Quelle erinnerte sich: «Bill Burns kam zurück und sagte: ‹Tun Sie es.›»

Norwegen war der perfekte Ort für diese Mission. In den letzten Jahren der Ost-West-Krise hat das US-Militär seine Präsenz in Norwegen, dessen westliche Grenze 1400 Meilen entlang des Nordatlantiks verläuft und oberhalb des Polarkreises mit Russland zusammenfällt, erheblich ausgeweitet. Das Pentagon hat durch Investitionen in Höhe von Hunderten von Millionen Dollar in die Modernisierung und den Ausbau von Einrichtungen der amerikanischen Navy und der Luftwaffe in Norwegen hochbezahlte Arbeitsplätze und Verträge geschaffen, die vor Ort nicht unumstritten waren. Zu den neuen Arbeiten gehörte vor allem ein fortschrittliches Radar mit synthetischer Apertur weit im Norden, das tief in Russland eindringen kann und gerade zu dem Zeitpunkt in Betrieb genommen wurde, als die amerikanischen Geheimdienste den Zugang zu einer Reihe von Langstrecken-Abhörstationen in China verloren.

Hardliner Stoltenberg

«Wenn Russland einmarschiert,wird es kein Nord Stream 2 mehr geben. Wir werden dem ein Ende setzen.»

Ein neu eingerichteter amerikanischer U-Boot-Stützpunkt, der seit Jahren im Bau war, wurde in Betrieb genommen, und mehr amerikanische U-Boote konnten nun eng mit ihren norwegischen Kollegen zusammenarbeiten, um eine russische Nuklearstation 250 Meilen östlich auf der Halbinsel Kola auszuspionieren. Die Amerikaner haben ausserdem einen norwegischen Luftwaffenstützpunkt im Norden ausgebaut und der norwegischen Luftwaffe eine Flotte von Boeing-Poseidon-Patrouillenflugzeugen zur Verfügung gestellt, um die Langstreckenspionage gegen Russland zu verstärken.

Im Gegenzug verärgerte die norwegische Regierung im November letzten Jahres die Liberalen und einige gemässigte Abgeordnete im Parlament mit der Verabschiedung des ergänzenden Abkommens über die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich (SDCA). Das neue Abkommen sieht vor, dass die US-Justiz in bestimmten «vereinbarten Gebieten» im Norden für amerikanische Soldaten zuständig ist, die ausserhalb des Stützpunktes eines Verbrechens beschuldigt werden, sowie für norwegische Bürger, die beschuldigt oder verdächtigt werden, die Arbeit auf dem Stützpunkt zu stören.

Norwegen gehörte zu den Erstunterzeichnern des Nato-Vertrags im Jahr 1949, in den Anfängen des Kalten Krieges. Heute ist der Oberbefehlshaber der Nato, Jens Stoltenberg, ein überzeugter Antikommunist, der acht Jahre lang norwegischer Ministerpräsident war, bevor er 2014 mit amerikanischer Unterstützung auf seinen hohen Nato-Posten wechselte. Er war ein Hardliner in Sachen Putin und Russland und hatte seit dem Vietnamkrieg mit den amerikanischen Geheimdiensten zusammengearbeitet. Seitdem hat man ihm voll und ganz vertraut. «Er ist der Handschuh, der auf die amerikanische Hand passt», sagte die Quelle.

Die Planer in Washington wussten, dass sie nach Norwegen gehen mussten. «Sie hassten die Russen, und die norwegische Marine war voller hervorragender Seeleute und Taucher, die seit Generationen Erfahrung in der hochprofitablen Tiefsee-Öl- und Gasexploration hatten», sagte die Quelle. Ausserdem konnte man darauf vertrauen, dass sie die Mission geheim halten würden. (Die Norweger könnten auch andere Interessen gehabt haben. Die Zerstörung von Nord Stream – falls die Amerikaner es schaffen sollten – würde es Norwegen ermöglichen, weitaus mehr eigenes Erdgas nach Europa zu verkaufen.)

Irgendwann im März flogen einige Mitglieder des Teams nach Norwegen, um sich mit dem norwegischen Geheimdienst und der Marine zu treffen. Eine der wichtigsten Fragen war, wo genau in der Ostsee der beste Ort für die Anbringung des Sprengstoffs ist. Nord Stream 1 und 2, die jeweils über zwei Pipelines verfügen, waren auf ihrem Weg zum Hafen von Greifswald im äussersten Nordosten Deutschlands grösstenteils nur durch eine Meile voneinander getrennt.

Die norwegische Marine fand schnell die richtige Stelle in den flachen Gewässern der Ostsee, nur wenige Meilen vor der dänischen Insel Bornholm. Die Pipelines verliefen in einem Abstand von mehr als einer Meile entlang eines Meeresbodens, wo das Meer nur 260 Fuss tief war.

Glamourfreie Minenkriegsführung

Das wäre in Reichweite der Taucher, die von einem norwegischen Minenjäger der Alta-Klasse aus mit einem Gemisch aus Sauerstoff, Stickstoff und Helium aus ihren Tanks tauchen und C4-Ladungen in Form von Betonschutzhüllen an den vier Pipelines anbringen sollten. Es war eine mühsame, zeitraubende und gefährliche Arbeit, aber die Gewässer vor Bornholm hatten einen weiteren Vorteil: Es gab keine grösseren Gezeitenströmungen, die das Tauchen erheblich erschwert hätten.

Nach ein paar Nachforschungen waren die Amerikaner voll dabei. An diesem Punkt kam wieder einmal die obskure Tiefseetauchergruppe der Navy in Panama City ins Spiel. Die Tiefseeschulen in Panama City, deren Absolventen an Ivy Bells teilgenommen hatten, werden von den Eliteabsolventen der Marineakademie in Annapolis, die in der Regel den Ruhm anstreben, als Seal, Kampfpilot oder U-Boot-Fahrer eingesetzt zu werden, als unerwünschtes Hinterland angesehen. Wenn man ein «black shoe» werden muss, ein Mitglied des weniger begehrten Überwasserschiffkommandos, gibt es immer mindestens einen Dienst auf einem Zerstörer, Kreuzer oder Amphibienschiff. Am wenigsten glamourös ist die Minenkriegsführung. Ihre Taucher tauchen weder in Hollywoodfilmen noch auf den Titelseiten von Publikumszeitschriften auf.

«Die besten Taucher mit Tieftauchqualifikationen sind eine enge Gemeinschaft, und nur die allerbesten werden für den Einsatz rekrutiert und darauf hingewiesen, dass sie sich darauf einstellen müssen, zur CIA in Washington gerufen zu werden», so die Quelle.

Die Norweger und Amerikaner hatten einen Ort und die Agenten, aber es gab noch eine andere Sorge: Jede ungewöhnliche Unterwasseraktivität in den Gewässern vor Bornholm könnte die Aufmerksamkeit der schwedischen oder dänischen Marine auf sich ziehen, die darüber berichten könnten.Dänemark gehört ebenfalls zu den ursprünglichen Nato-Unterzeichnern und ist in Geheimdienstkreisen für seine besonderen Beziehungen zum Vereinigten Königreich bekannt. Schweden hat einen Antrag auf Mitgliedschaft in der Nato gestellt und sein grosses Geschick bei der Verwaltung seiner Unterwasserschall- und Magnetsensor-Systeme bewiesen, mit denen es erfolgreich russische U-Boote aufspürte, die gelegentlich in den entlegenen Gewässern der schwedischen Schären auftauchten und an die Oberfläche gezwungen wurden.

Die Norweger schlossen sich den Amerikanern an und bestanden darauf, dass einige hochrangige Beamte in Dänemark und Schweden in allgemeiner Form über mögliche Tauchaktivitäten in dem Gebiet unterrichtet werden müssten. Auf diese Weise konnte ein höherer Beamter eingreifen und einen Bericht aus der Befehlskette heraushalten und so die Pipeline-Operation isolieren. «Was ihnen gesagt wurde und was sie wussten, war absichtlich unterschiedlich», sagte die Quelle (die norwegische Botschaft, die um einen Kommentar zu dieser Geschichte gebeten wurde, hat nicht geantwortet).

Nord Stream 1 war nach Ansicht der Nato und Washingtons schon gefährlich genug.

Die Norweger waren der Schlüssel zur Überwindung anderer Hürden. Es war bekannt, dass die russische Marine über eine Überwachungstechnologie verfügte, die in der Lage war, Unterwasserminen aufzuspüren und auszulösen. Die amerikanischen Sprengsätze mussten so getarnt werden, dass sie für das russische System als Teil des natürlichen Hintergrunds erscheinen würden – was eine Anpassung an den spezifischen Salzgehalt des Wassers erforderte. Die Norweger hatten eine Lösung.

Ideale Tarnung

Die Norweger hatten auch eine Lösung für die entscheidende Frage, wann die Operation stattfinden sollte. Seit 21 Jahren veranstaltet die amerikanische 6. Flotte, deren Flaggschiff in Gaeta (Italien) südlich von Rom stationiert ist, immer im Juni eine grosse Nato-Übung in der Ostsee, an der zahlreiche Schiffe der Alliierten aus der Region teilnehmen. Die aktuelle Übung wurde als Baltic Operations 22 oder Baltops 22 bezeichnet. Die Norweger schlugen vor, dies sei die ideale Tarnung für das Verlegen der Minen.

Die Amerikaner steuerten ein entscheidendes Element bei: Sie überzeugten die Planer der 6. Flotte, eine Forschungs- und Entwicklungsübung in das Programm aufzunehmen. An der Übung, die von der Navy bekanntgegeben wurde, war die 6. Flotte in Zusammenarbeit mit den «Forschungs- und Kriegsführungszentren» der Navy beteiligt. Bei der Übung, die vor der Küste der Insel Bornholm stattfinden sollte, sollten Taucherteams der Nato Minen verlegen, während die konkurrierenden Teams die neueste Unterwassertechnologie einsetzten, um die Minen zu finden und zu zerstören.

Dies war sowohl eine nützliche Übung als auch eine raffinierte Tarnung. Die Jungs aus Panama City würden ihre Arbeit tun, und die C4-Sprengsätze würden bis zum Ende von Baltops 22 an Ort und Stelle sein, mit einem 48-Stunden-Timer versehen. Alle Amerikaner und Norweger würden bei der ersten Explosion längst verschwunden sein. Die Tage vergingen. «Die Uhr tickte, und wir waren kurz davor, die Mission zu erfüllen», sagte die Quelle. Und dann: Washington überlegte es sich anders. Die Bomben würden immer noch während Baltops gelegt werden, aber das Weisse Haus befürchtete, dass ein Zeitfenster von zwei Tagen für ihre Detonation zu kurz vor dem Ende der Übung sein würde, und es wäre offensichtlich, dass Amerika beteiligt sei.

Stattdessen hatte das Weisse Haus eine neue Anfrage: «Können sich die Jungs vor Ort etwas einfallen lassen, um die Pipelines später auf Kommando zu sprengen?»

Einige Mitglieder des Planungsteams waren verärgert und frustriert über die scheinbare Unentschlossenheit des Präsidenten. Die Taucher in Panama City hatten wiederholt geübt, C4 an den Pipelines anzubringen, wie sie es bei Baltops tun würden, aber nun musste das Team in Norwegen einen Weg finden, um Biden zu geben, was er wollte – die Möglichkeit, einen erfolgreichen Ausführungsbefehl zu einem Zeitpunkt seiner Wahl zu erteilen. Mit einer willkürlichen Änderung in letzter Minute beauftragt zu werden, ist etwas, womit die CIA vertraut war. Allerdings wurden dadurch auch die Bedenken einiger Beteiligter hinsichtlich der Notwendigkeit und Rechtmässigkeit der gesamten Operation erneuert. Die geheimen Befehle des Präsidenten erinnerten auch an das Dilemma der CIA in den Tagen des Vietnamkriegs, als Präsident Johnson angesichts der wachsenden Anti-Vietnamkriegs-Stimmung die Agentur anwies, gegen ihre Charta zu verstossen, die es ihr untersagte, innerhalb Amerikas zu operieren, indem sie Kriegsgegner ausspionierte, um festzustellen, ob sie vom kommunistischen Russland kontrolliert wurden.

Problem Fernzündung

Die CIA willigte schliesslich ein, und im Laufe der 1970er Jahre wurde deutlich, wie weit sie zu gehen bereit war. Nach den Watergate-Skandalen enthüllten die Zeitungen, dass die Agentur amerikanische Bürger ausspioniert hatte, an der Ermordung ausländischer Staatsoberhäupter beteiligt war und die sozialistische Regierung von Salvador Allende unterminiert hatte.

Diese Enthüllungen führten Mitte der 1970er Jahre zu einer Reihe dramatischer Anhörungen im Senat unter der Leitung von Frank Church aus Idaho, bei denen deutlich wurde, dass Richard Helms, der damalige Direktor der CIA, akzeptierte, dass er verpflichtet war, die Wünsche des Präsidenten zu erfüllen, auch wenn dies einen Verstoss gegen das Gesetz bedeutete.

In einer unveröffentlichten Zeugenaussage hinter verschlossenen Türen erklärte Helms reumütig, dass «man fast eine unbefleckte Empfängnis hat, wenn man etwas auf geheime Anweisung eines Präsidenten tut». «Ob es nun richtig ist, dass Sie es haben sollten, oder falsch, dass Sie es haben sollen, [die CIA, d. Red.] arbeitet nach anderen Regeln und Grundregeln als jeder andere Teil der Regierung.» Damit erklärte er den Senatoren, dass er als Leiter der CIA für die Krone und nicht für die Verfassung arbeite.

Die Amerikaner, die in Norwegen im Einsatz waren, arbeiteten mit der gleichen Dynamik und begannen pflichtbewusst mit der Arbeit an dem neuen Problem – der Fernzündung des C4-Sprengstoffs auf Bidens Befehl. Die Aufgabe war anspruchsvoller, als man in Washington dachte. Das Team in Norwegen konnte nicht wissen, wann der Präsident den Knopf drücken würde. Würde es in ein paar Wochen, in vielen Monaten oder in einem halben Jahr oder länger sein?

Medien verwedeln die Spur

Das an den Pipelines angebrachte C4 würde durch eine kurzfristig von einem Flugzeug abgeworfene Sonarboje ausgelöst werden, aber das Verfahren erforderte die modernste Signalverarbeitungstechnologie. Einmal an Ort und Stelle, könnten die an jeder der vier Pipelines angebrachten Zeitverzögerungsgeräte versehentlich durch die komplexe Mischung von Meeresgeräuschen in der stark befahrenen Ostsee ausgelöst werden – durch nahe und entfernte Schiffe, Unterwasserbohrungen, seismische Ereignisse, Wellen und sogar Meerestiere. Um dies zu vermeiden, würde die Sonarboje, sobald sie an Ort und Stelle wäre, eine Abfolge einzigartiger tieffrequenter Töne aussenden – ähnlich denen einer Flöte oder eines Klaviers –, die vom Zeitmessgerät erkannt und nach einer voreingestellten Verzögerung von mehreren Stunden den Sprengstoff auslösen würden. «Sie brauchen ein Signal, das robust genug ist, damit kein anderes Signal versehentlich einen Impuls senden kann, der den Sprengstoff zündet», erklärte mir Dr. Theodore Postol, emeritierter Professor für Wissenschaft, Technologie und nationale Sicherheitspolitik am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Postol, der als wissenschaftlicher Berater des Chefs der Marineoperationen im Pentagon tätig war, sagte, das Problem, dem sich die Gruppe in Norwegen wegen Bidens Verzögerung gegenübersehe, sei eine Frage des Zufalls: «Je länger der Sprengstoff im Wasser ist, desto grösser ist das Risiko eines zufälligen Signals, das die Bomben auslöst.»

Am 26. September 2022 warf ein P-8-Überwachungsflugzeug der norwegischen Marine bei einem scheinbaren Routineflug eine Sonarboje ab. Das Signal breitete sich unter Wasser aus, zunächst zu Nord Stream 2 und dann zu Nord Stream 1. Wenige Stunden später wurde der C4-Hochleistungssprengstoff ausgelöst, und drei der vier Pipelines wurden ausser Betrieb gesetzt. Innerhalb weniger Minuten konnte man sehen, wie sich Methangas, das in den stillgelegten Pipelines verblieben war, an der Wasseroberfläche ausbreitete, und die Welt erfuhr, dass etwas Unumkehrbares geschehen war.

Unmittelbar nach dem Bombenanschlag auf die Pipeline behandelten die amerikanischen Medien den Vorfall wie ein ungelöstes Rätsel. Russland wurde wiederholt als wahrscheinlicher Schuldiger genannt, angespornt durch kalkulierte Indiskretionen aus dem Weissen Haus – ohne jedoch jemals ein klares Motiv für einen solchen Akt der Selbstsabotage zu finden, das über einfache Vergeltung hinausgeht. Als sich einige Monate später herausstellte, dass die russischen Behörden in aller Stille Kostenvoranschläge für die Reparatur der Pipelines eingeholt hatten, bezeichnete die New York Times diese Nachricht als «Erschwerung der Theorien darüber, wer hinter dem Anschlag steckt». Keine grosse US-Zeitung ging auf die Drohungen gegen die Pipelines ein, die von Biden und Unterstaatssekretärin Nuland ausgesprochen worden waren.

Während nie klar war, warum Russland versuchen sollte, seine eigene lukrative Pipeline zu zerstören, kam eine aufschlussreichere Begründung für die Aktion des Präsidenten von Aussenminister Blinken. Auf einer Pressekonferenz im September zu den Folgen der sich verschärfenden Energiekrise in Westeuropa befragt, beschrieb Blinken den Moment als einen potenziell guten: «Es ist eine enorme Chance, die Abhängigkeit von russischer Energie ein für alle Mal zu beenden und damit Wladimir Putin die Waffe der Energie als Mittel zur Durchsetzung seiner imperialen Pläne zu entziehen. Das ist sehr bedeutsam und bietet eine enorme strategische Chance für die kommenden Jahre, aber in der Zwischenzeit sind wir entschlossen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um sicherzustellen, dass die Folgen all dessen nicht von den Bürgern in unseren Ländern oder in der ganzen Welt getragen werden müssen.»

«Der Kerl hat Eier»

Kürzlich äusserte sich Nuland erfreut über das Scheitern der Pipelines. Bei einer Anhörung des Ausschusses für auswärtige Beziehungen des Senats Ende Januar sagte sie zu Senator Ted Cruz: «Wie Sie bin auch ich, und ich denke, die Regierung ist es auch, sehr erfreut, zu wissen, dass Nord Stream 2 nun, wie Sie sagen, ein Brocken Metall auf dem Grund des Meeres ist.»

Die Quelle sah Bidens Entscheidung, mehr als 1500 Meilen der Gazprom-Pipeline zu sabotieren, während der Winter näherrückte, nüchterner. «Nun», sagte er über den Präsidenten, «ich muss zugeben, dass der Kerl Eier hat. Er hat gesagt, er würde es tun, und er hat es getan.» Auf die Frage, warum die Russen seiner Meinung nach nicht reagierten, antwortete er zynisch: «Vielleicht wollen sie die Möglichkeit haben, dasselbe zu tun, was die USA getan haben.»

«Es war eine schöne Tarngeschichte», fuhr er fort. «Dahinter steckte eine verdeckte Operation, bei der Experten vor Ort eingesetzt wurden und Geräte, die mit einem verdeckten Signal arbeiteten.Der einzige Makel war die Entscheidung, es zu tun.»   Seymour Hersh