Stationen

Mittwoch, 27. September 2023

Medusa als fleischgewordener Abschaum einer Epoche

 

 

Eine Sache beherrscht die deutsche Innenministerin Nancy Faeser besser als die meisten ihrer Kollegen: Sie kann dieses undurchdringliche Gesicht aufsetzen. Nicht nur deshalb erinnert sie an Angela Merkel. In der ARD-Talkshow von Anne Will zeigte sich Faeser wieder einmal in der Rolle der Stoikerin, die alles von sich abprallen lässt. Neben ihr sass Frank Rombey, parteiloser Bürgermeister von Niederzier in Nordrhein-Westfahlen, der angesichts des endlosen Migrantenstroms die gleichen Fragen stellte wie fast jeder Lokalpolitiker der Republik: «Wer soll das finanzieren? Wer soll die Arbeit vor Ort leisten?» Faeser hörte sich die Fragen mit regungsloser Miene an.

In vielen Orten entstehen Wohncontainer zur provisorischen Unterbringung, die Kleinstadt Odenthal in Rombeys Bundesland funktioniert gerade ihre Trauerhalle zur Asylbewerberunterkunft um. Aber selbst wenn es gelingt, den Neuankömmlingen ein behelfsmässiges Quartier zu verschaffen – es fehlen Betreuer, richtige Wohnungen, Geld. Die Kommunen melden in einem für deutsche Verhältnisse ungewöhnlich deutlichen Tonfall eine restlose Erschöpfung ihrer Ressourcen nach Berlin. Dort hätte es Faeser in der Hand, den Zustrom mit Kontrollen an der Ostgrenze wenigstens zu drosseln. Denn über diese Route kommen zurzeit Tag für Tag illegale Migranten. Unmittelbar an der Grenze kontrollieren darf nur die Bundespolizei, die der Innenministerin untersteht. Bisher wischte Faeser den dringenden Wunsch der Regierungen von Brandenburg und Sachsen beiseite, ihren Beamtenapparat dafür in Gang zu setzen.

Diese Sturheit macht die Juristin aus Hessen zur grössten Reizfigur der deutschen Politik. Sie verkörpert wie niemand sonst in der Hauptstadt einen Politikstil, der aus zwei Elementen besteht: Gegenüber ihren eigenen Bürgern fällt die Innenressortchefin immer wieder durch einen schroff autoritären Ton auf, besonders dann, wenn es um den von ihr sogenannten «Kampf gegen rechts» geht. Und gegen einen Spitzenbeamten, der ihr missfiel, ging sie in einer Art und Weise vor, die eher an Autokraten erinnert. In der Migrationsfrage, die das Land gerade politisch zu zerreissen droht, verfolgt Faeser das scheinbare Gegenteil, eine Laissez-faire-Politik, die sich darin erschöpft, Massnahmen anzukündigen, die vorzugsweise auf die völlig realitätsferne «europäische Lösung» hinauslaufen. Dieses Phantom führte schon Merkel gern zur Öffentlichkeitsberuhigung spazieren.

Ihre Berufung zur Innenministerin verdankt die frühere Generalsekretärin der hessischen SPD einem einzigen Grund: Sie soll – so lautete jedenfalls 2021 das Kalkül von Kanzler Olaf Scholz – das Bundesland für die Sozialdemokraten bei der Wahl am 8. Oktober 2023 zurückerobern. Das Schlüsselministerium in Berlin mit Durchgriff auf Bundespolizei, Inlandsgeheimdienst und viele kleine Behörden dient ihr seitdem als eine Art Trainingslager. Ihr linksautoritäres Politikverständnis stösst zwar bei vielen Bürgern auf Ablehnung, bisweilen auch auf Wut, genauso wie ihre Entscheidung, die Migration weitgehend unkontrolliert laufenzulassen. Für viele Mandatsträger und auch für Wähler von SPD und Grünen passt beides allerdings geradezu logisch zwingend zusammen: eine Einwanderung unter der Formel «Menschlichkeit kennt keine Obergrenze» und der «Kampf gegen rechts», der sich vor allem gegen eine gerade wegen der Migration erstarkende AfD richtet, aber eigentlich gegen alle Kräfte rechts der Mitte einschliesslich ihrer Wähler. 

Ausserdem gibt es in vielen deutschen Medien für diese Mischung aus innenpolitischer Härte und weicher Grenze begeisterte Zustimmung, besonders beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das, glaubten Faeser und ihr Förderer Scholz, sollte für einen politischen Aufstieg reichen. Dieser Plan stammt allerdings aus einer Zeit vor der Wirtschafts- und Asylkrise – und vor dem Niedergang der SPD auf Werte deutlich unter 20 Prozent. Das System Faeser läuft trotzdem weiter. Vorerst jedenfalls.

Mit welchen Gesellschaftsvorstellungen sie ins Amt kam, machte sie Ende 2021 per Twitter deutlich: «Wer im Netz Hass und Hetze verbreitet», teilte sie der Öffentlichkeit mit, «bekommt es mit der Polizei zu tun.» Natürlich weiss die Juristin, dass ein Straftatbestand namens «Hass und Hetze» nicht existiert und dass die Strafverfolgung nicht in den Händen der Polizei liegt. Als 2022 Bürger gegen Corona-Massnahmen und die geplante Impfpflicht auf die Strasse gingen, legte sie nach. «Jeder hat das Recht, sich friedlich zu versammeln», twitterte sie: «Wir ziehen die Grenzen da, wo es um Hass und Hetze geht. Rechtsextremisten missbrauchen die Corona-Demos zunehmend für ihre Ideologie gegen den Staat. Wir werden dort mit konsequenter Strafverfolgung hart durchgreifen.»

Zwischen «Ideologie gegen den Staat» und «Strafverfolgung» versucht Faeser im Amt eine feste Verbindung herzustellen. Auch mit Hilfe des Inlandsgeheimdiensts, unter Thomas Haldenwang, der die Grenzen für bedenkliche Staats- und Regierungskritik so weit steckte wie kein anderer an der Verfassungsschutzspitze. Haldenwangs Amt erfand unter wohlwollender Ermutigung durch Faeser mit der «verfassungsschutzrelevanten Delegitimierung des Staates» ein ganz neues Beobachtungsfeld. Dabei geht es genau genommen nicht einmal nur um staatliche Institutionen. Diejenigen, die Innenministerin und Geheimdienst in den Blick nehmen, so heisst es in einer Erklärung des Verfassungsschutzes, «versuchen, das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie, in staatliche Institutionen sowie in Wissenschaft und Medien zu untergraben». Für dieses Vertrauen, meint Faeser, stehen die Bürger in der Pflicht, nicht Politiker und Medien. Woher der Vertrauensverlust kommt – diese Frage stellt die Innenministerin nicht, zumindest nicht öffentlich.

Den Nachrichtendienst mobilisierte sie auch gegen einen Spitzenbeamten, den Chef des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, Deutschlands obersten Cyberabwehr-Experten. Zwischen Schönbohm und der Politikerin gab es unterschiedliche Ansichten zum Umgang mit Sicherheitslücken von Mobilfunk-Plattformen. Er plädierte dafür, die Unternehmen darauf aufmerksam zu machen und ihnen Gelegenheit zu geben, sie zu schliessen. Faeser wünschte das nicht – denn diese Lücke erlaubt es auch Geheimdienst und Polizei, heimlich mitzulesen (und ausländischen Diensten natürlich auch). Verdächtigungen gegen Schönbohm und einen engen Bekannten von ihm, sie würden indirekte Kontakt zu einem russischen Nachrichtendienst unterhalten, kursierten schon länger. Nachforschungen des Inlandsgeheimdiensts brachten dafür aber keine konkreten Anhaltspunkte. Als der ZDF-Komiker Jan Böhmermann die alten Vorwürfe im Oktober 2022 ohne einen einzigen neuen Fakt noch einmal aufkochte, griff Faeser nach der Gelegenheit: Sie verbot Schönbohm wegen eines angeblichen Vertrauensverlusts die Dienstgeschäfte. Ihr Staatssekretär bot ihm an, sich freiwillig eine andere Stelle zu suchen, und drohte ihm gleichzeitig ein langes, zermürbendes Disziplinarverfahren an. Dann schob die Ministerin den Spitzenbeamten auf einen sehr viel kleineren Posten ab, und es geschah etwas Merkwürdiges: Trotz den Vorwürfen – angebliche Kontakte zu Russen, schwere Fehler in der Amtsführung – liess sie kein Disziplinarverfahren gegen ihn einleiten. Weil sie wusste, dass es nichts Substanzielles gab? Die Verfahrenseinleitung besorgte der Beamte selbst; es erledigte sich schnell, da es keinerlei Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten gab. Faeser wollte trotzdem um jeden Preis etwas Belastbares gegen Schönbohm in die Hand bekommen. In einem vertraulichen Vermerk ihres Ministeriums heisst es zu Faeser und Causa: «Sie [die Ministerin] fand die Dinge, die wir ihr zugeliefert haben, zu ‹dünn› – wir sollten nochmals BfV [Bundesamt für Verfassungsschutz] abfragen und alle Geheimunterlagen zusammentragen.» Der Beamte sicherte zu, ihr ein Dossier «ausserhalb des Dienstwegs» zukommen zu lassen. Zusammengefasst lautete die Aufforderung: «Finden Sie irgendwas.»

Ein solcher Vorgang in Ungarn oder in Polen würde garantiert zu den heftigsten Ermahnungen durch Berliner Politiker führen, ausserdem zu breiten Medienberichten. In den meisten deutschen Zeitungen und den öffentlich-rechtlichen Sendern blieb es sehr ruhig, was die Innenministerin-Affäre anging. Auch deshalb, weil sich viele Redaktionen zu diesem Zeitpunkt immer noch mit dem hetzerischen Flugblatt befassten, dass der bayerische Wirtschaftsminister und Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, als Sechzehnjähriger in der Schultasche trug. Faeser kam mit ihrer Versicherung durch, sie habe nie rechtswidrig nachrichtendienstliche Mittel gegen Schönbohm eingesetzt. Den Vermerk ihres Hauses, der etwas anderes nahelegt, konnte sie nicht so recht erklären. 

Falls noch mehr Unterlagen an die Öffentlichkeit dringen, muss sie mit einem Untersuchungsausschuss des Parlaments rechnen. Die grössere Bedrohung für ihre Karriere lauert allerdings in Hessen. Für den Wahlkampf muss sie vom Raumschiff Berlin in die Provinz herabsteigen, dorthin, wo die Bürgermeister den Zustrom immer neuer Migranten nicht mehr bewältigen. Würde sie tatsächlich Ministerpräsidentin, sässe sie plötzlich ganz nah an den Orten, in denen Wut und Unverständnis über eine planlose Einwanderungspolitik gären. Noch liegt die Wahrscheinlichkeit nicht: In Umfragen erreicht die SPD in Hessen mit Faeser als Spitzenkandidatin nur 18 ​Prozent. Es wäre das schlechteste Ergebnis ihrer Partei in dem Bundesland seit 1946.

Vermutlich weiss selbst die Innenministerin, dass Deutschland die Politik der ungeschützten Grenze nicht mehr lange durchhält, zumal sich die Bundesrepublik innerhalb der EU mehr und mehr isoliert. Aber hier ist sie Gefangene der deutschen Sozialdemokratie: Sie wagt es nicht, als linke Partei eine Migrationspolitik zu beenden, die eine CDU-Kanzlerin vor acht Jahren in Gang setzte. Für die Grünen gilt das erst recht. Um den Weg der dänischen Sozialdemokraten zu gehen, bräuchte die SPD andere Politiker als eine Nancy Faeser, die alles von ihrer Partei aus denkt, egal ob Gesellschaft, Bürger oder Einwanderung. In ihrem stoischen Verhalten, ihrem Vorgehen gegen missliebige Männer und in ihrer Ausrichtung auf Medienzuspruch ähnelt sie Merkel. Aber eben nicht in der Fähigkeit, ihrer Partei eine scharfe Kehrtwende aufzuzwingen.

Am Ende dürfte Faeser die Fähigkeit helfen, alles von sich abperlen zu lassen. Selbst nach einem miserablen Ergebnis bei der Wahl werkelt sie in Berlin vermutlich einfach weiter, obwohl sie jetzt schon als schlechteste Figur an der Spitze des Innenressorts seit Beginn nach dem Zweiten Weltkrieg gilt. Und obwohl ihre Art, Politik zu betreiben, die ohnehin mageren Werte der SPD noch weiter herunterzieht. Einigen Genossen wäre es am liebsten, an ihre Stelle würde ein pragmatischer Nachfolger treten, ähnlich wie Boris Pistorius, der auf die diskreditierte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht folgte und seitdem die Tabelle der beliebtesten Politiker anführt. Aber als linke Frau geniesst Faeser den Status der Unstürzbarkeit. Sie bleibt, sofern sie nicht aus freier Stücken verschwindet.

Auch darin ähnelt sie Angela Merkel: Solange die ihr wohlgesonnenen Medien sie nicht fallenlassen, muss sie wenig befürchten.

 

Dreist - unerschütterlich - abgebrüht - gewissenlos

 

Seit Monaten strömen – oft illegal – Hunderttausende in unser Land, und Sie tun: nichts. Sie schauen zu, wie sich sogenannte Asylanten Strassenschlachten liefern und mit Nagelbrettern auf unsere Ordnungskräfte einschlagen. Die Kommunen senden Hilferufe wegen Überfüllung, aber Sie stellen auf Durchzug. «Die kriegen doch genug Geld», sagen Sie schnippisch.

«Quousque tandem, Catilina, abutere patientia nostra?» Das schleuderte einst Cicero dem Verschwörer Catilina im Senat entgegen. Übersetzt in die Gegenwart, hiesse das: Wie lange, Nancy Faeser, wollen Sie noch unsere Geduld missbrauchen?

Wer sind Sie? Was ist Ihre Agenda?

Ihr Vater war SPD-Bürgermeister in einem Provinznest, Sie haben Jura studiert und von der Weltrevolution geträumt und sich durch die Partei nach oben gerackert. Mehr weiss man nicht über Sie. Nur eben, dass Sie der fleischgewordene sozialdemokratische Apparatschik sind.

An der WM in Katar wirkten Sie mit Ihrer «One Love»-Armbinde in der Stadionloge wie eine Ordnerin aus Wokeistan und verärgerten die muslimischen Gastgeber, während unten auf dem Rasen die deutschen Leistungsverweigerer im Zeichen des Regenbogens mal wieder alles vergeigten.

Jetzt wollten Sie das kommunale Wahlrecht installieren für alle Syrer, Eritreer, Afghanen, die sich länger als sechs Jahre bei uns aufhalten. Erwarten Sie sich von denen in Zukunft jene Stimmen, die Ihnen derzeit im Wahlkampf in Hessen fehlen?

Wer sind Sie, dass Sie glauben, Sie könnten einen verdienten Beamten mit Hilfe des TV-Clowns Böhmermann abschiessen? Und als das nicht klappte, den Inlandsgeheimdienst missbrauchen? Sie mieteten sich bei einem Ihrer Abteilungsleiter ein, liessen ihm die Wohnung auf Steuerkosten renovieren und vervierfachten sein Gehalt, als seien Sie Marie-Antoinette vor der Revolution.

Liebe Nancy Faeser, erlösen Sie uns! Treten Sie endlich zurück. Oder noch besser: Klammern Sie sich ans Amt, damit Ihre obsolet gewordene Partei weitere Prozente verliert.

In diesem Sinne stets der Ihre
Matthias Matussek

 


 
Perseus

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