Stationen

Sonntag, 28. Februar 2021

Die wahre Macht

Der einzige Grund, weshalb ich bereue, nicht Informatik studiert zu haben, ist, dass ich jetzt nicht das Kriegsgeschehen zwischen den verschiedenen Informatikerformationen verfolgen kann. Aber es ist immerhin eine Genugtuung, dass meine seit 1973 bestehenden Erwartungen die Telematik und ihre antidemokratische Natur betreffend völlig richtig waren und immer noch ins Schwarze treffen. 

Ronald Reagan war nicht dumm. Und seit er prognostizierte, das Internet werde die autoritären Regime zum Einsturz bringen, hoffte ich, mich zu irren und dass er recht habe. Aber bisher sieht es mehr und mehr so aus, dass Reagan sich irrte. Das Fernsehen ist intrinsisch demokratiefördernd. Massendemokratie wird eigentlich durch das TV erst möglich, und je mehr Sender es gibt, desto besser. Man sollte sogar an den Gymnasien im Deutschunterricht lernen, wie man fernsieht!! Aber das Internet ist intrinsich demokratiedrosselnd und latent autoritär. Um ein Gegengewicht zu dieser intrinsischen Tendenz zu schaffen, muss die Figur des Volkstribuns eine neue Gestalt annehmen, müssen völlig neue Institutionen geschaffen werden. Die herkömmlichen Gewerkschaften und die Tribunale reichen nicht aus.

Mittlerweile ist Merkel nicht nur in einem Zusammenhang diktatorisch

 

Zunächst einmal hätte ich an Gaulands Stelle vor allem darauf hingewiesen, dass die Entwicklung zu immer mehr Praktiken, die einer Demokratie unwürdig sind und einer Blockwartmentalität Raum geben, durch die immer mehr kleine Diktatoren in ihrem jeweiligen Umfeld (Redaktionen, Universitätsverwaltungen etc.) Abweichler, die ihnen nicht passen, schikanieren auch in anderen westlichen Ländern stattfindet (gerade eben z.B. in Schottland). Es ist leider Gottes inzwischen ein allgemeiner Trend. Man kann quasi sagen, Merkel ist schon 2011 auf unwürdige Weise auf einen Zug aufgesprungen, der ihr ein Siegeszug zu sein schien.

Aber in Deutschland kommt durch die Berührungsangst mit der eigenen Vergangenheit eine Verkrampftheit und Verbissenheit hinzu, durch die die Polarisierung paroxystisch wird: das gebrannte Kind scheut das Feuer, fällt ins Wasser und ertrinkt.


Allein die Tatsache, dass Merkel seit 10 Jahren bei jeder Weichenstellung Entscheidungen trifft, die dem Anwachsen des Chaos zupass kommen, lässt eine Situation entstehen, in der Bürgerinitiativen entstehen werden, die sich nach einem Polizeistaat sehnen. Wer den dann errichtet, der wird Merkel auch ein Denkmal auf dem Angela Merkel Platz in Berlin setzen.

Bereits die Umstände, unter denen Merkel mit Sarkozy die Griechenlandrettung aushandelte, waren ein kolossaler Rechtsbruch, wie er sonst nur bei Alleinherrschern üblich ist.

Die bisherigen Höhepunkte von Merkels "Wir wollen mehr Demokratur wagen"-Programm sind die Rückgängigmachung der Wahl in Thüringen (wobei Verhandlungsgremien entstanden, die vom Gesetz gar nicht vorgesehen sind) und die Änderung des Seuchenschutzgesetzes.

Was Lanz betrifft: er hat in Italien gelernt, wie man Gespräche führt. Brillant! Aber demokratischen Anstand hat er versäumt, dort zu lernen. Deswegen arbeitet er auch nicht im italienischen Fernsehen, im Gegensatz zu manchem in Deutschland aufgewachsenen Gastarbeitersohn und im Gegensatz zu Lilli Gruber, die es schafft, im Gespräch mit Maischberger über den italienischen Machismo zu jammern, sich dann aber (nach einer kurzen Saison beim Bayerischen Rundfunk) doch lieber weiterhin wie Michelle Hunziker von Italienern die Türen zu den Studios öffnen lässt.

Genaueres hier






Vor 100 Jahren rebellierten Matrosen gegen Lenin

 Matrosenaufstand gegen die Unglaubwürdigkeit 

Als sich am 28. Februar 1921 in Kronstadt nahe St. Petersburg Matrosen gegen die bolschewistische Diktatur erhoben, um ausgerechnet mit der Parole der Oktoberrevolution „Alle Macht den Räten!“ genau diese Macht der Räte einzufordern, war das peinlich und gefährlich für die Parteispitze um Lenin. Er antwortete schnell und brutal. Wie Napoleon bei der Ermordung des Herzogs von Enghien. Nur noch viel schlimmer, ganz zu schweigen von allem, was daraufhin noch folgen sollte.

Was die französische Revolution angeht, soll an dieser Stelle daran erinnert werden, dass nicht die Nazis damit anfingen, Menschenhaut zu gerben, um Lampenschirme daraus zu machen, sondern die Jakobiner (woran Ivan Ivanji ehrlicherweise erinnert), falls es nicht noch früher schon geschah.

Und daran, dass der aus dieser Revolution hervorgegangene General und Kaiser in den Antillen nicht nur die Sklaverei wiedereinführte, sondern Tausende derer, die sich nicht in ihr Schicksal fügen wollten, vergasen ließ. Auch hier stammt die Unbefangenheit der Idee aus Frankreich.

Heidegger meinte, die enorme Ausweitung der Massaker im 20. Jahrhundert sei nur eine Folge der industriellen Entfaltung, genau wie die Produktionssteigerung in der Landwirtschaft.

Ich finde, damit hat er recht. Egal ob man nach Russland, China oder Kambodscha schaut. Oder nach Deutschland.

Great Reset

Ich habe mir angewöhnt, weite Strecken durch Wien zu Fuß zurückzulegen.

Einerseits des Maskenzwangs in öffentlichen Verkehrsmitteln wegen, andererseits um sorgsam über die Zeichen der Zeit zu wachen.

So flaniere ich also und sehe immer mehr Geschäfte eingehen. Straßenzugweise ist jedes dritte Geschäft oder Lokal für immer zugesperrt, besonders die alteingesessenen, mittelgroßen und kleinen und die in Seitengassen gelegenen (die FAZ berichtet dasselbe über die Berliner Kantstraße).

I will never financially recover from this las ich an einem kleinen Kaffeehaus, es muß ein Zitat aus einem Film sein, Kind kannte den abgebildeten zitierten Schauspieler. Überall radeln E-Bikes von „Lieferando“ und „Mjam“, parken vor hippen Vegan-bowl-pop-up-Shops genauso wie vor den globalistischen Schnellfutterketten, und auch selten mal vor dem Italiener, in dessen Fenster jeden Tag dieselbe frustrierte Frau stundenlang auf ihr Handy stiert.

Derzeit sind in Wien gewöhnliche Ladengeschäfte wieder offen, dürfen aber je nach Größe nur einzelne Kunden mit FFP2-Maske einlassen, was einer hinausgezögerten Pleite gleichkommt, denn staatliche „Coronahilfen“ stehen ihnen nun freilich nicht mehr zu.

Was soll daraus werden? Man sieht von der Straße hineinlugend noch nicht endgültig, wie es um Wiens Kaffeehäuser steht, doch "Nespresso" wirbt bereits auf Großplakaten damit, sich die „Kaffeekulturen der Welt" nach Hause zu holen.   (weiter hier)


Der linke Obskurantismus

 "In [meinem Aufsatz ’Die Grenzen überschreiten: Auf dem Weg zu einer transformativen Hermeneutik der Quantengravitation’] [Transgressing the Boundaries: Toward a Transformative Hermeneutics of Quantum Gravity] erkläre ich ohne den geringsten Beweis oder ein Argument, dass ’physische ’Realität’ (beachten Sie das Angstzitat) im Grunde genommen ein soziales und sprachliches Konstrukt ist.’“

Die Begründung des Autors hatte zwar nichts mit Naturwissenschaften zu tun, gefiel der Redaktion der Fachzeitschrift “Social Text“ aber so gut, dass sie den Aufsatz 1996 ohne Nachfrage druckte. „Tiefe konzeptionelle Veränderungen innerhalb der Wissenschaft des 20. Jahrhunderts“, hieß es da, „haben die kartesianisch-newtonsche Metaphysik untergraben. Dadurch wurde immer deutlicher, dass die physische Realität, nicht weniger als die gesellschaftliche, im Grunde ein soziales und sprachliches Konstrukt ist, dass wissenschaftliche Erkenntnis alles andere als objektiv ist, sondern die herrschenden Ideologien und Machtverhältnisse der Kultur, die sie hervorgebracht hat, widerspiegelt und verschlüsselt.“

Diese Sätze schrieb jemand, der als Mathematiker und Physiker über die Schwerkraft gut Bescheid wusste, als Linker über den Dekonstruktivismus und dessen Folgen. Der 1955 in Boston geborene Alan Sokal litt in den 1990er Jahren darunter, wie die Linke, die sich früher „mit der Wissenschaft und gegen den Obskurantismus identifizierte“, nach und nach die Seiten gewechselt hatte – hin zu einem neuen, linken Obskurantismus.

Zu diesem obskurantistischen Umbruch an den amerikanischen Universitäten und Colleges kam es durch den Erfolg der French Theorie, die in den Geisteswissenschaften schnell alles andere an den Rand drängte. Der von dem französischen Philosophen Jacques Derrida begründete und von anderen weiterentwickelte Dekonstruktivismus schaffte zumindest in seiner vulgarisierten Form die Wirklichkeit ab. So etwas wie Objektivität, lautete der Kern der Theorie, gebe es nicht und könne es nicht geben – sondern nur Deutung, Zuschreibung, Konstruktion. Was umgekehrt bedeutet: Mit Begriffen lässt sich die Welt auch nahezu beliebig neu justieren.
Sehr spät, 1994, mahnte der 1930 geborene Derrida, nicht jeder Begriff dürfe zerlegt werden, es gebe durchaus eine Grenze. Das „klassische Ideal der Emanzipation“ sei keinesfalls überholt; wer es abschaffen wolle, gehe die „schlimmsten Allianzen“ ein. Seine Warnung kam reichlich spät. Der Dekonstruktivismus hatte sich zu diesem Zeitpunkt längst erst in den US-Universitäten und dann als Re-Import in den westeuropäischen Hochschulen ausgebreitet. Auf diesem Weg war er sehr viel gröber und orthodoxer geworden. Es handelte sich gewissermaßen um eine erfolgreiche Mutante.

„Das konstruktivistische Credo“ hätten „Kulturwissenschaftler offenbar mit der Muttermilch aufgesaugt“, schrieb der FAZ-Journalisten Richard Kämmerlings 1999 in seinem Text „Ein Besuch bei den Plapperkrähen“. In diesen akademischen Kreisen – konkret ging es um die Deutsche Gesellschaft für Volkskunde – glaube man, „dass das Natürliche stets ein ‚soziales Konstrukt’ ist, dass sogar die Naturgesetze selbst nicht ‚entdeckt’, sondern um eines sinistren Machtanspruchs willen von den ‚exakten Wissenschaften’ zusammengestoppelt wurden“.

An dieser Überzeugung setzte Sokals Experiment vor 25 Jahren an, mit dem er Wissenschaftsgeschichte schrieb. Er fabrizierte aus originalen Bausteinen postmoderner Wissenschaftler einen Text, den, wie der Physiker meinte, jeder Mathematikstudent im ersten Semester sofort als Parodie erkennen musste. „Nicht nur unsere Theorien der physischen Realität, sondern die Realität selbst“ sei eine Kopfgeburt, lautete Sokals zentrale Schlussfolgerung. Sein Beitrag über die Entlarvung der Schwerkraft als Konstruktion erschien in einer Ausgabe von “Social Text“ mit dem schönen Titel “Science Wars“. Das Buch „Eleganter Unsinn“, in dem Sokal mit seinem belgischen Kollegen Jean Bricmont enthüllte, „wie die Denker der Postmoderne die Wissenschaften missbrauchen“, löste ein Beben im akademischen Betrieb aus. Der Sokal Hoax machte seinen Urheber schlagartig berühmt. In dem selbstgefälligen und selbstbezüglichen Treiben der dekonstruktivistischen Geisteswissenschaftler erschien der Physiker aus Boston wie das Kind in Andersens Märchen, das feststellt: „Der Kaiser ist ja nackt.“

„Die Ziele meiner Kritik“, schrieb Sokal, „sind zu einer sich selbst erhaltenden akademischen Subkultur geworden, die begründete Kritik von außen ignoriert.“
Fünfundzwanzig Jahre nach seinem brillanten Streich lebt der Dekonstruktivismus allerdings nicht nur immer noch, er dominiert Universitäten in den USA und Westeuropa stärker denn je. Er bestimmt inzwischen nicht nur das, was Sokal „akademische Subkultur“ nannte, sondern zunehmend auch Politik und Medien.

Wie stark die Ideologie mittlerweile vorherrscht, alles sei Konstrukt und konstruierbar, demonstrierte die Wiederauflage des Sokal Hoax mehr als zwanzig Jahre später. Eine subversiv-intelligente Wissenschaftlergruppe um die britische Literaturwissenschaftlerin Helen Pluckrose heckten zwischen 2017 und 2018 mehrere Nonsense-Texte aus, und verschickte sie an sozialwissenschaftliche Fachzeitschriften. Diesmal ging es nicht um Schwerkraft, sondern um Rasse, Geschlecht und intersektionalen Feminismus.
Pluckrose und ihre Komplizen James A. Lindsay und Peter Boghossian fabrizierten beispielsweise einen mit den entsprechenden French-Theory-Klingelwörtern gespickten Aufsatz über rape culture bei Hunden, verbunden mit der Aufforderung, Männer besser zu erziehen. Der nächste Text empfahl Männern, sich von ihrer Transphobie durch die anale Einführung von Sexspielzeug zu kurieren. Ein anderer Beitrag bestand in einer feministischen Umschreibung von Hitlers „Mein Kampf“, bei der die Autoren das Wort ‚Juden’ durch ‚Männer’ ersetzten.
Als die Gruppe ihr Troll-Unternehmen 2018 öffentlich machte, hatten Fachjournale vier ihrer Texte publiziert (unter anderem den über Männer und Hunde), weitere drei bereits im Peer-Review-Verfahren akzeptiert, sieben Aufsätze befanden sich noch im Prüfverfahren. Abgelehnt wurden nur sechs. In die Wissenschaftsgeschichte ging die Aktion unter „Sokal squared“ ein, also Sokal hoch zwei.
Bemerkenswerterweise unternahm in Deutschland bisher niemand einen bekannt gewordenen Versuch wie Sokal und die Pluckrose-Gruppe. (Möglicherweise erlebt die staunende Fachwelt aber demnächst die Auflösung eines noch laufenden Streichs.)

 

Ein phantastischer Zaubertrick

Was macht die French Theory eigentlich so verführerisch? Sie erweist sich bei richtiger Anwendung als phantastischer Zaubertrick, sich die Wirklichkeit nach der Vorstellung nahezu beliebig zurechtzubasteln. Wer die Prämisse gelten lässt, dass der Mensch ohne genetische Vorprägung als unbeschriebenes Blatt auf die Welt kommt, kann die Geschlechter hinter der Vorstellung verschwinden lassen, dass Mann und Frau keine biologischen Tatsachen repräsentieren, sondern durch Erziehung oder auch nur durch ‚Zuschreibung’ erst zu dem gemacht werden, was sie zu sein glauben.
Was vor 25 Jahren noch als reines Textgebilde an Universitäten herumschwirrte, bestimmt heute Teile der Politik. Zu den ersten Amtshandlungen des neuen US-Präsidenten Joseph Biden gehörte ein Dekret, das alle Schulen, die Bundesmittel erhalten, dazu zwingt, Schüler beim Schulsport in den Wettbewerben des Geschlechts antreten zu lassen, dem sie sich durch reinen Willensakt zugehörig fühlen. Biologische junge Männer, die sich als Frauen deklarieren, können auf diese Weise beim Sprint gegen biologische Mädchen antreten (und die Medaillen abräumen), sie können sie beim Kampfsport buchstäblich niederringen. Denn auch wenn Geschlecht zum Konstrukt erklärt wird – physische Kraft und Hebelwirkung sind es offensichtlich nicht.

Wem es nicht angenehm ist, sich in der reichen Bundesrepublik mit Armut konfrontiert zu sehen, der kann jedes Problemviertel jeder beliebigen Großstadt dadurch entproblematisieren, dass er die Presse beschuldigt, sie würde durch ständige Berichte über Armut diesen Zustand in einer Art „Zuschreibung“ erst erzeugen.
Überhaupt erlaubt der Dekonstruktivismus, reale Probleme auf die sprachliche Ebene zu verschieben. Eine ganze Reihe von intersektionalen Feministinnen und Ethnologinnen erklären beispielsweise die Wendung female genital mutilation“, also Genitalverstümmelung bei Frauen für „stigmatisierend“. Der Begriff „Verstümmelung“ diskriminiere die Betroffenen, vor allem drücke sich darin eine „westliche Dominanz“ aus. Die grausame Praxis verschwindet auf diese Weise unter einem schicken und übrigens rein westlichen Diskursteppich.

Konstruktivismus ist eine Doktrin, die uns einreden will, die gesamte reale Welt wäre nichts als der Diskurs, der über sie geführt wird. Diese Doktrin ist notwendig für jeden Woken, also bereits Erwachten, der das Menschengeschlecht zum Besseren erziehen will. Denn nur, wenn der Mensch unbedarft in die Welt entlassen ist, kann man ihn als formbares Rohmaterial behandeln. Walter Benjamin schreibt in „Erfahrung und Armut“ 1933 von „Unerbittlichen“, „die erst einmal reinen Tisch“ machen, weil sie „einen Zeichentisch“ für den Entwurf ihrer neuen Welt schaffen müssten. Er nannte sie folgerichtig „Konstrukteure“.

Sokal wusste schon bei der Wahl seinen Nonsense-Titels ”Transgressing the Boundaries: Toward a Transformative Hermeneutics of Quantum Gravity” genau, was er tat. Mit jedem Wort drückte er bei denen, die er vorführen wollte, eine Taste.

„Transgressing“
Etwas überschreiten, über Bekanntes hinausgehen – das ist es, was das Herz aller Linken öffnet: Als Visionär an der Speerspitze der Avantgarde marschieren, Ewiggestriges bloßstellen und überwinden. Voranschreiten, immer auf dem Weg zur besseren Welt.

„Boundaries“
Grenzen erkennen, als alt, überholt und schädlich markieren, durchlässig machen, eliminieren.

„Toward“
„Hin zu“ heißt immer auch: „Weg von“. Weg von allem Schlechten, dass irgendwer konstruiert hat, um sich selbst zu nutzen und den Schwachen dieser Welt zu schaden. Die biologischen Geschlechter beispielsweise: Ein patriarchales Instrument der White Supremacy zur Unterdrückung aller möglichen Minderheiten.

„Transformative“
Verändern ist das Zauberwort überhaupt: Entstehen soll der neue Mensch, idealerweise die Weltgemeinschaft, in der sich alle Widersprüche verflüchtigen.

 

„The Great Reset“

Die Vorstellung einer am Zeichentisch neu entworfenen Weltgesellschaft findet sich schon seit geraumer Zeit bei Jürgen Habermas und seiner „Politischen Verfassung für die pluralistische Weltgesellschaft“.

Die Idee einer am leergeräumten Tisch neukonstruierten Gesellschaft präsentierte 2020 jemand, der die Weltelite zu sich einlädt, nämlich Weltwirtschaftsforum-Gründer Klaus Schwab in seinem Buch „The Great Reset“. Schon im ersten Satz in Schwabs Reset-Buch mischen sich Größenphantasie mit unfreiwilliger Komik: „Seit seinem Eintritt auf die Weltbühne hat COVID-19 das bestehende Skript, wie man Länder regiert, mit anderen zusammenlebt und an der globalen Wirtschaft teilnimmt, dramatisch zerrissen.“
Wer hätte eigentlich dieses ‚Skript’ geschrieben? Und wie haben wir uns ein Virus vorzustellen, das etwas hoch Abstraktes wie ein Lebensskript für die ganze Welt zerreißt?

„Mit Blick auf die Zukunft werden die Regierungen höchstwahrscheinlich entscheiden, dass es im besten Interesse der Gesellschaft ist, einige der Spielregeln neu zu schreiben und ihre Rolle dauerhaft zu stärken“, schreibt Schwab. Abgesehen vom Zirkelschluss einer Rollenstärkung der Gesellschaft in der Gesellschaft: Er folgt ganz selbstverständlich dem Kern der neuen Gesellschaftstheorie, nämlich der Annahme, jemand könnte von einem Punkt aus die „Spielregeln der Gesellschaft“ wie ein Computerprogramm neu verfassen.

Wie sich der Diskurs zur eigentlichen Wirklichkeit aufschwingt, erleben Millionen zurzeit auch ganz praktisch und mit sehr realen Konsequenzen. Auch nach einem Jahr Covid-19 gibt es, wie der Mediziner Matthias Schrappe immer wieder kritisiert, kaum brauchbare Daten über den Stand der Infektionen, weil viele Gesundheitsämter mit großem Vollzug melden, Tests nicht standardisiert stattfinden und deren Zahl außerdem schwankt. Was statt der Fakten und Evidenzen zählt, sind Begriffe beziehungsweise Ziffern.
Eben wurde von der Politik noch eine Inzidenz von 50 genannt, ab der Leben wieder stattfinden darf. Ist die 50 irgendwie auf wackliger Basis mehr zusammengereimt als errechnet, gilt die 35 als neue Ziellinie. Wenn die 35 erreicht ist wie in München seit letzter Woche, steht die Zehn im Raum, dann Null. Selbst bei Null würde es wahrscheinlich heißen: ‘Wir müssen wachsam sein – die x-te Welle baut sich auf.’

Wie groß ist die Infektionsgefahr wirklich? Wie hoch das Risiko zu erkranken, zu sterben? Wie verhalten sich diese Risiken zu anderen Lebensrisiken? Wie verteilt sich das Risiko in der Gesellschaft? Welche Alternativen gäbe es zu einem Lockdown? Darauf geben die 50, 35 oder die 10 kaum Antworten. Trotzdem dominieren sie die Politik. Vor allem konstruieren sie eine Genauigkeit und Planbarkeit, die in Wirklichkeit nicht existiert.

Sokals Fazit über den Glauben an beliebige Konstruierbarkeit lautete vor einem Vierteljahrhundert:
„Das Problem mit solchen Lehren ist, dass sie falsch sind. Es gibt eine reale Welt; ihre Eigenschaften sind nicht nur soziale Konstruktionen; Fakten und Beweise sind wichtig (facts and evidence do matter).“

Alan Sokal könnte seinen Text im Jahr 2021 aus gegebenem Anlass ‘Facts and Evidence matter’ nennen. Vor 25 Jahren machte der Physiker allen, die etwas anderes meinten, ein Angebot:
„Jeder, der glaubt, dass die Gesetze der Physik bloße soziale Konventionen sind, ist eingeladen, diese Konventionen aus den Fenstern meiner Wohnung zu übertreten. (Ich wohne im 21. Stock).“


Jürgen Schmid ist Historiker und freier Autor. 


Siehe auch hier

Samstag, 27. Februar 2021

Schon wieder wird die Lehrfreiheit mit Füßen getreten. Diesmal in Schottland!

An Univer­si­tä­ten wird derzeit viel über die soge­nann­te Cancel Cultu­re und Zensur disku­tiert. Nun ist ein neuer Fall zu verzeich­nen: Ein Vortrag des renom­mier­ten Wirt­schafts­his­to­ri­kers Grego­ry Clark an der Adam Smith Busi­ness School der schot­ti­schen Univer­si­tät Glas­gow wurde abge­sagt, weil sich Clark weiger­te, den Titel des Vortrags zu ändern. Darin fand die Uni-Leitung eine Anspie­lung auf ein umstrit­te­nes Buch, das an der Hoch­schu­le nicht erwähnt werden solle. Der Titel der Vorle­sung sollte lauten: „For Whom the Bell Curve Tolls: A Line­age of 400000 Indi­vi­du­als 1750–2020 Shows Gene­tics Deter­mi­nes Most Social Outco­mes“. Auf Deutsch über­setzt: „Wem die Glocken-Kurve schlägt: Eine Abstam­mung(-sana­ly­se) von 400000 Indi­vi­du­en aus der Zeit 1750 bis 2020 zeigt, dass die Gene­tik die meis­ten sozia­len Ergeb­nis­se bestimmt.“
Aus Sicht des Dekans der Glas­gower Busi­ness School war der Titel eine Anspie­lung auf das Buch „The Bell Curve“ des ameri­ka­ni­schen Sozi­al­wis­sen­schaft­lers Charles Murray und des Harvard-Psycho­lo­gen Richard Herrn­stein, das Mitte der neun­zi­ger Jahre eine schar­fe Kontro­ver­se auslös­te, weil Murray und Herrn­stein darin über die Vertei­lung und Vererb­bar­keit von Intel­li­genz sowie IQ-Unter­schie­de zwischen verschie­de­nen ethni­schen Grup­pen schrie­ben. Dies wurde als rassis­tisch skan­da­li­siert. Gegen Clarks Vorle­sung in Glas­gow erho­ben nun einige Sozio­lo­gen und Studen­ten Einspruch. Clark, der Profes­sor an der Univer­si­tät von Kali­for­ni­en in Davis ist und auch als Gast­pro­fes­sor an der London School of Econo­mics lehrt, wurde vom Glas­gower Dekan gedrängt, die Worte „Bell Curve“ (Glocken-Kurve) aus dem Titel zu streichen.
Der Vorfall hat in der Wissen­schafts­ge­mein­de in Großbri­tan­ni­en und Ameri­ka und in Medien eine neue Debat­te über Zensur an Hoch­schu­len ange­facht. Erst vor kurzem hat die Regie­rung ein Stra­te­gie­pa­pier für Meinungs­frei­heit und gegen die „Cancel Cultu­re“ an Univer­si­tä­ten vorge­legt. Ausge­la­de­ne Dozen­ten sollen Scha­den­er­satz verlan­gen können.
Gegen­über der F.A.Z. erklär­te Clark: „Ich nehme den Titel nicht so wich­tig, aber ich weige­re mich, dass mir ein akade­mi­scher Verwal­ter diktiert, welche Worte ich verwen­den darf.“ Darauf­hin sei die Vorle­sung ganz gestri­chen worden. Als Erste hatte die Zeitung „The Times“ in einem großen Arti­kel über den Vorfall berich­tet. Sie sieht ihn in einer länge­ren Reihe von Vortrags­ab­sa­gen – teils auf Druck von poli­ti­schen Grup­pen. Clark wurde vorge­wor­fen, er verwen­de eine „euge­ni­sche“ Argu­men­ta­ti­on. Ein Spre­cher der Univer­si­tät Glas­gow sagte, die Vorle­sung sei nur „verscho­ben“ worden. Der an der Hoover Insti­tu­ti­on der Univer­si­tät Stan­ford forschen­de Histo­ri­ker Niall Ferguss­on kommen­tier­te den Fall auf Twit­ter mit den Worten „Greg Clark einen 'Euge­ni­ker' zu nennen ist grotesk. Er ist ein bril­lan­ter und origi­nel­ler Wirt­schafts­his­to­ri­ker, dessen Buch ich stark empfehle.“
Vor eini­gen Jahren hatte Clarks wirt­schafts­his­to­ri­sche Studie „A Fare­well to Alms“ (Abschied von Almo­sen) in der Wissen­schaft Aufse­hen erregt. Er verbin­det in dieser großen Wirt­schafts­ge­schich­te demo­gra­phi­sche Studi­en mit Inno­va­tions- und Human­ka­pi­tal­fra­gen sowie Aspek­ten von Max Webers Arbeits­ethik-Thesen und darwi­nis­ti­schen Gesell­schafts­mo­del­len. Sein nächs­tes Buch „To Whom The Bell Curve Tolls“ (was auch an Heming­ways Erzäh­lung „Wem die Stunde schlägt“ erin­nert) basiert auf acht Jahren Forschungs­ar­beit und analy­siert beruf­lich-mate­ri­el­len Erfolg von Fami­li­en aus unter­schied­li­chen Ethni­en. Clark hat dafür Daten von fast einer halben Milli­on Menschen ausge­wer­tet und kommt zum Schluss, dass Erbgut eine größe­re Rolle spiele als viel­fach ange­nom­men. Wie Clark gegen­über der F.A.Z. erklär­te, wurde ihm von der ameri­ka­ni­schen Natio­nal Science Founda­ti­on eine Finan­zie­rung für seine Forschung und Daten­ar­beit verwei­gert, weil er gene­ti­sche Fakto­ren untersuche.
Die Absage des Vortrags sieht der 67-jähri­ge Ökonom als exem­pla­ri­schen Eingriff in die Wissen­schafts­frei­heit. „Die Cancel Cultu­re ist für die Sozi­al­wis­sen­schaf­ten inzwi­schen ein großes Problem, weil sie eine erheb­li­che Schief­la­ge bewirkt, was noch veröf­fent­licht wird, welche Forschung noch erlaubt ist und welche Themen die Leute auswäh­len“, sagte Clark der F.A.Z. Es gebe eine „Bias“ (Schief­la­ge) zuguns­ten von Forschung, die aussagt, dass sozia­le Ergeb­nis­se durch die Poli­tik gut beein­fluss­bar seien.
In der angel­säch­si­schen Welt haben Fälle von Cancel Cultu­re zuletzt stark zuge­nom­men. In Großbri­tan­ni­en traf es mehr­fach femi­nis­ti­sche Histo­ri­ke­rin­nen oder Auto­rin­nen wie die Oxford-Histo­ri­ke­rin Selina Todd, die nicht mit der „Gender-Theo­rie“ konform gehen. Aber auch der bekann­te athe­is­ti­sche Evolu­ti­ons­bio­lo­ge Richard Dawkins wurde von einem Vortrag an der Uni Dublin ausge­la­den, nach­dem islam­kri­ti­sche Äuße­run­gen bekannt gewor­den waren. Die Univer­si­tät Edin­burgh hat vergan­ge­nes Jahr den Aufklä­rungs­phi­lo­so­phen David Hume aus dem 18. Jahr­hun­dert „gecan­celt“, nach­dem eine Gruppe Studen­ten wegen einer Fußno­te in einem Essay über die angeb­li­che „natür­li­che Infe­rio­ri­tät“ von Schwar­zen protes­tiert hatte. Der Name des Philo­so­phen und Ökono­men, der mit dem „Vater der Markt­wirt­schaft“, Adam Smith, befreun­det war, wurde darauf­hin von einem Gebäu­de entfernt.
Clark, der aus Schott­land stammt, sieht die Errun­gen­schaf­ten der Aufklä­rung mitt­ler­wei­le in Gefahr: „Es ist eine Ironie der Geschich­te, dass die Univer­si­tät Glas­gow einst das Zentrum der schot­ti­schen Aufklä­rungs­be­we­gung im 18. Jahr­hun­dert war, die auf offe­nen Debat­ten über neue Ideen und Theo­ri­en über die Gesell­schaft basier­te.“ Er fügte hinzu: „Es ist auch ironisch, dass der Ort, wo ich jetzt nicht reden darf, die Stadt ist, in der ich aufwuchs.“    Philip Plickert
 
Das Max Planck Institut wird mit Genugtuung zur Kenntnis geommen haben, dass man in Schottland so fortschrittlich ist, denn an diesem Institut leugnet man ja inzwischen nicht nur, dass individueller Erfolg mit Genetik zusammenhängen könnte, sondern sogar, dass es Menschenrassen gibt (meiner Seel, wie ist diese angesehene Einrichtung in die Tiefe gestürzt! Man kann nur noch beschämt wegschauen, obwohl gerade in Deutschland das Wegschauen so eine heikle Sache ist). Vielleicht treten die Schotten ja der EU bei, wenn Franziskus I. Wahlkampf für Merkel macht und sie zum 5. Mal Kanzlerette wird.

 

Der ÖRR muss dringend reformiert werden (aber die AfD faselt von Abschaffung der GEZ)

Dass Fusionierung wünschenswert ist, bezweifle ich. Im Gegenteil, wir brauchen eine Reform, die mehr Pluralität und mehr Pluralismus gewährleistet. Das parlamentarische Spektrum ist breiter geworden! Und der ÖRR muss dieses Spektrum abbilden!! Die Mehrheitsverhältnisse in den Gremien des ÖRR müssen denen im Bundestag entsprechen. Und denen in den Landtagen!! Wenn die NPD oder die DKP Landtagssitze hat, dann muss es in einer Demkratie eine Selbstverständlichkeit sein, dass Vertreter dieser Parteien ein Recht darauf haben, im ÖRR ihre Ansichten darzulegen. In Deutschland ist es aber keine Selbstverständlichkeit, weil die Deutschen immer noch nicht recht begriffen haben, was eine Demokratie im Wesentlichen ausmacht. Am liebsten hätten die Deutschen, es wäre keine Opposition nötig, "weil Oppositionelle ja nur unzufriedenen Nörgler" sein können in diesem Land. 

In einer Demokratie ist die Opposition aber wichtiger als die Regierung! Die Deutschen begreifen es nicht. Aber die Seele der Demokratie ist nicht "die demokratisch gewählte Regierung", sondern die Opposition. Wo es keine Opposition gibt, gibt es keine Demokratie. Und wo die Opposition vom Verfassungsschutz ausgeschaltet werden soll und "beobachtet" wird, als handele es sich um eine kriminelle Vereinigung, ist der Staat nicht wirklich demokratisch, sondern potentiell autoritär, wenn nicht gar latent autoritär. Die Opposition ist das Salz der Demokratie, sie allein ist es. Parteien verbieten zu wollen, die es mit der Opposition übertreiben, ist die üble deutsche Angewohnheit, technische Lösungen zu suchen, wo politische Lösungen die einzig sinnvollen sind.

Davon abgesehen muss der ÖRR reformiert werden, weil dort Halunken irrsinnige Beträge einsacken, nichts anderes gelernt haben, als Indoktrinierung, politischer Opportunismus, Postengeschacher und Kungelei. Einsparungen sind dringend notwendig. Eine Abschaffung - auch eine partielle, wie sie durch die Fusionierung zustande käme - des ÖRR lehne ich ab. Ich glaube, dass für ein Gemeinwesen, ein öffentliches TV-Forum genauso wichtig ist wie das Parlament! Aber das Management muss dringend reformiert werden. Diese Leute schwimmen in Geld und werfen es zum Fenster raus, weil sie ineffizient arbeiten.

Schlimmer aber ist, dass beim ÖRR Praktiken üblich sind, die in einem Rechtstaat nicht vorkommen dürften.

 

 

 

 

 

The ghost of Tom Joad is back again

 

God bless Joe Biden 

Freitag, 26. Februar 2021

Wer mit Gott ist, ist nie allein

Ein Solitär ist er zeitlebens gewesen. Die Fähigkeit zu unerschrockenen Alleingängen hat der 75-jährige Kardinal Robert Sarah aus Guinea im Lauf seines Lebens immer wieder unter Beweis gestellt. Als einziges Kind eines zum Christentum bekehrten Ehepaars folgte er dem Ruf zum Priester – eine dem afrikanischen Lebensgefühl schwierig vermittelbare Entscheidung, da seine Eltern die Hoffnung auf Enkel somit begraben mussten. Zur Priesterweihe 1969 trat er als Einziger vor seinen Bischof – alle anderen Kandidaten waren zuvor abgesprungen. 1979 wurde er der weltweit jüngste katholische Erzbischof und bewies im Umgang mit politischen Tyrannen Rückgrat.

Johannes Paul II. und Benedikt XVI. förderten diesen kompromisslosen Hirten. In der Kurie fiel Sarah nicht nur als afrikanische Stimme und traditionsbewusster Liturge auf. Er verkörperte einen selten anzutreffenden Bischofstyp: Neben ausgezeichneter akademischer Bildung brachte der Kardinal auch praktische Erfahrungen als Seelsorger mit. Neben der barocken Fülle manches europäischen Pupurträgers wirkt der asketische und polyglotte Sarah erfrischend anders. Der Präfekt der Gottesdienstkongregation kennt sich in der Welt außerhalb der Universitäten aus und hat jahrelang unter den Armen gewirkt. Diese Erfahrung bewahrt ihn vor der lebensfernen Vorstellung, Liturgien könnten von Lehrstuhlinhabern am grünen Tisch konzipiert werden.

Sarahs klarer Blick auf die nachkonziliare liturgische Krise verband ihn mit dem emeritierten Papst Benedikt und schuf Konfliktpotenzial in der Zusammenarbeit mit Papst Franziskus. Dass der Präfekt die lateinische Tradition ebenso schätzt wie die Volksfrömmigkeit, prädestinierte ihn gewissermaßen zu konkreten Vorschlägen für die von Papst Benedikt empfohlene, aber nur teilweise eingeleitete Reform der Liturgiereform. Im Pontifikat des Jesuitenpapstes zeigte sich allerdings bald überdeutlich, dass dieses Thema auf der Agenda unerwünscht war.

Zudem machte er sich als scharfer Kritiker der säkularisierten westlichen Gesellschaften einen Namen, manche Spitze wurde als Papstkritik verstanden. Sarah pflegte Klartext, je länger er in Rom war, desto deutlicher. Jedes seiner während der Amtszeit als Präfekt erschienenen Bücher ist eine Philippika gegen die Dekadenz einer verweltlichten Kirche. Als Leiter der Gottesdienstkongregation konnte er wenig bewegen. Nun hat der Papst seinen Rücktritt angenommen. Je stärker die Bruchlinien in der Kirche zutage treten, desto mehr aufmerksame Gläubige dürften Kardinal Sarahs Stimme Gehör schenken.  Tagespost

 

Wie man die Sprache durch den Fleischwolf dreht

Wörter müssen doch meistens gar nicht geändert werden. Sie nehmen neue Inhalte einfach in sich auf. Beispiel: War früher „öko“ ein Schimpfwort, so ist es heute ein Gütesiegel. Die „Schublade“ bei Ikea ist eine andere als die in unserem Kopf. Waren früher Wähler nur Männer, läuft heute eine buntgemischte Menge vor dem inneren Auge zur Wahlurne. Und ja, der Plural ist männlich. Aber das ist unsere Historie! Früher war die Welt nun mal stark männerdominiert. Warum die Worte um diese Information berauben? Lassen wir ihnen doch die Vergangenheit und füllen wir sie mit zusätzlichem Inhalt! Das passiert doch laufend: So kann heute ein reiner Frauenabend (noch!) ohne Unterton als herrlich empfunden werden. Oder wer denkt noch an Hunde, wenn er die Sprache verhunzt?

Wenn ich an Schlittschuhläufer auf einem See denke, so stelle ich mir Frauen, Männer und Kinder in Winterkleidung vor, die über das Eis gleiten, auf den Popo fallen usw. Wenn künftig von Schlittschuhläufern und Schlittschuhläuferinnen die Rede ist, sehe ich keine Menschengruppe mehr. Die Kinder fehlen. Die Diversen übrigens auch. Ich sehe eine Gruppe von männlichen und eine Gruppe von weiblichen Schlittschuhläufern. Ich muss bei den Frauen stehen und die Männer sind woanders – ja, plötzlich geht es gar nicht mehr um den Winter! Durch das Gendern werden wir plötzlich sexualisiert. Bilder im Kopf werden aufgelöst. Dabei war die männliche Pluralform doch schon längst für uns alle da. Warum trennt man uns plötzlich wieder?

Durch diese Unterteilung zwischen Mann und Frau gehen auch Kernaussagen verloren. Wenn ich sage: „Es gibt immer mehr Verlierer in unserer Gesellschaft.“, dann rede ich über die Kluft zu den Gewinnern. Wenn es künftig heißt: „Es gibt immer mehr Verliererinnen und Verlierer in unserer Gesellschaft“, geht der Fokus von den Gruppen Verlierer und Gewinner zu den Gruppen Frauen und Männer. Aber um die geht es doch gar nicht! Und wo sind auch hier übrigens die Kinder und auch die Diversen?

In der Ausbildung zur Journalistin habe ich gelernt, dass Sätze verständlicher werden, je genauer man die Handelnden benennt. Wenn der Schulleiter nun von Lehrkräften spricht, denke ich: Ich möchte nicht, dass mein Sohn von einer Kraft unterrichtet wird. Sollten Medien, Bildungseinrichtungen und Online-Wörterbüchern gelingen, dass generische Maskulinformen künftig als politisch unkorrekt gelten, so werden die Menschen dennoch versuchen, die lange Beid-Nennung zu umgehen. Die Folge wird sein, dass Menschen in unserer Sprache immer mehr „neutralisiert“ werden. Wollen wir das wirklich? Eine Welt voller Lehrkräfte, Gartenkräfte, Hilfskräfte, Führungskräfte, Pressepersonen, Gastpersonen, Reitpersonen, Schiffspersonen – und Diverse. Was macht das mit uns?

Dass die Verwendung des substantivierten Partizips falsch ist, kommt noch hinzu. Der Laufende ist eben etwas anderes als ein Läufer. So kann ich auf dem Weg zur Kita ab und zu durchaus als Sprintende bezeichnet werden, bin aber mit Sicherheit kein Sprinter.

Nachdem wir mit der Gendersprache also nichts gewonnen haben, verlieren wir am Ende auch noch so viel: Schönheit, Melodien und Historie. Den Zurseefahrenden fehlt im Gegensatz zu den Seefahrern jede Glorie! Dürfen künftig noch Engel über den Träumen unserer Kinder wachen? Wie soll es mit einer Gender-Sprache jemals wieder ein Gedicht geben, in dem Menschen vorkommen? Sollen Romane künftig wie mit Sonderzeichen-Passwörtern durchsetzt aussehen? Schlaflieder und Gedichte vorgetragen mit Genderpausen? Wieso dürfen Menschen ohne jegliches Sprachgefühl so viel Einfluss haben? Das darf nicht Erfolg haben!

Das häufigste Argument, was mir Gender-Befürworter gegenüber nennen: „Es gibt Menschen, die fühlen sich verletzt, wenn sie sich ausgeschlossen fühlen. Ich möchte jeden ansprechen!“ Abgesehen davon, dass mit der Nennung der Frauen ja die anderen wiederum erst recht ausgeschlossen werden (siehe oben Schlittschuhläufer), ist dieses Argument interessant.

Warum möchte jeder angesprochen werden? Muss jeder immer persönlich angesprochen werden? Warum denn eigentlich zum Geier? Wollen Frauen sich auch als Betrüger_Innen, Kinderschänder_Innen und Egoist_innen angesprochen fühlen? Reicht es nicht, wenn wir uns angesprochen fühlen, wenn wir angesprochen werden? Aber das, Ladies and Gentlemen, war doch auch schon vor der Gender-Sprache normal, dafür brauchen wir diese Zensur nicht.

Gender-Sprache fördert auch noch die zunehmende Egozentrik in unserer Gesellschaft, in der sich ja beinahe jeder mittlerweile als ein Opfer sieht, dem besondere Aufmerksamkeit geschenkt gehört. Es lebe die Achtsamkeit für mich selbst!

In diesem Moment beginnt die eingepflanzte Sprachreform übrigens eine Eigendynamik zu entwickeln. Schwuppdiwupp wird die Gender-Sprache zur Waffe in der Hand von Bürokraten, Self-Care-Extremisten und sonstigen unfreien Geistern. Plötzlich wird der herkömmliche Sprachgebrauch verpönt, schnell ist man Nazi oder frauenfeindlich. Es ist erschreckend, wie antiliberal die Debatte läuft.

Wie lange kann es sich ein Politiker noch leisten, nur von Wählern zu reden? Wird ein Verlag in der Zukunft noch ein Buch drucken, dass nicht genderinklusive Sprache verwendet? Vielleicht wird nichtgegenderte Literatur in der Schule lieber vermieden oder neu verlegt mit Gender-Sprache. Huch! Und schon haben wir tatsächlich eine der schönsten Sprachen der Welt zerstört und mit ihr Freiheit und Lebensgefühl. Und die Gendernden traben, die Gleichberechtigungsfahne schwenkend, durch die Straßen. Dazu sage ich: übelste Doppelmoral.

Die Entwicklung könnte weitergehen: Was ist eigentlich mit dem Design? Es wäre doch nur konsequent, in jeder Gestaltung Blau- und Rosatöne zu gleichen Anteilen zu verwenden – oder durch ein neutrales Grau zu ersetzen. Zumindest im öffentlichen Raum und bei ARD und ZDF sollte man mit gutem Beispiel vorangehen. Erste Projekte laufen schon an den Unis an: Eine Studentin hat in einer „wissenschaftlichen Arbeit“ das Kartenspiel untersucht: Der König steht hier über der Dame. Das konnte die Studentin erfolgreich ändern. Wie ihr gendersensibles Skatblatt aussieht, können Sie sich denken.   Rieke Hümpel

Visapflicht für Könige

Ein von der Linken angefordertes Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 8.1.2021 „Zur Frage einer Visumpflicht für Privataufenthalte des thailändischen Königs in Deutschland” (WD 2 – 3000 – 003/21), über das Nikkei Asia am 19.1. verdrehend berichtete (‚Thai king’s visa-free stay breaks German law: Bundestag research’) enthält in seiner Einleitung – selbstverständlich unbeabsichtigt – eine vernichtende Kritik an der Bundesregierung in puncto ‚Schutzsuchende’ (oder wie immer diese Leute nun heißen): 

"Die gesetzlich geregelte Visumpflicht schützt nicht nur den Staat, sondern auch die Bevölkerung vor der ungeregelten Einreise von Ausländern, deren Aufenthalt in Deutschland möglicherweise auch deutsche Interessen beeinträchtigen könnte (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG). Ein Staat, der die visumfreie Einreise eines Ausländers nach Deutschland zulässt, obwohl das Gesetz eine Visumpflicht anordnet, handelt rechtswidrig."

Mit anderen Worten: Der WD attestiert der BuReg millionenfachen und weiter fortgesetzten Rechtsbruch seit Herbst 2015 – und das ausgerechnet auf Anforderung der Linken. (Quelle)
 

das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages vom 8.1.2021 „Zur Frage einer Visumpflicht für Privataufenthalte des thailändischen Königs in Deutschland” (WD 2 – 3000 – 003/21), „über das Nikkei Asia am 19.1. verdrehend berichtete (‚Thai king’s visa-free stay breaks German law: Bundestag research’), in seiner Einleitung – wahrscheinlich unbeabsichtigt – eine vernichtende Kritik an der Bundesregierung in puncto ‚Schutzsuchende’ (oder wie immer diese Leute nun heißen) enthält: „Die gesetzlich geregelte Visumpflicht schützt nicht nur den Staat, sondern auch die Bevölkerung vor der ungeregelten Einreise von Ausländern, deren Aufenthalt in Deutschland möglicherweise auch deutsche Interessen beeinträchtigen könnte (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG). Ein Staat, der die visumfreie Einreise eines Ausländers nach Deutschland zulässt, obwohl das Gesetz eine Visumpflicht anordnet, handelt rechtswidrig.’ Mit anderen Worten: Der WD attestiert der BuReg millionenfachen und weiter fortgesetzten Rechtsbruch seit Herbst 2015 – und das letztlich ausgerechnet auf Anforderung der Linken.

Donnerstag, 25. Februar 2021

Klare Fragen, ausweichende Antworten

 


Logische Störungen

Schon vor vielen Jahren fragte Johannes Gross, warum die dümmsten Ideen verlässlich an den Universitäten geboren werden. Eine überraschende Antwort liefert Sciencefiles:

Eigentlich müsste es heißen "Psychische Störungen"

Jedenfalls erinnert das an ein Interview mit einem US-amerikanischen Psychologen, der gefragt wurde, warum so viele Hollywood-Stars psychisch labil bzw. auffällig seien; der Mann antwortete, die Frage sei falsch herum gestellt, sie müsse korrekt lauten: Warum werden so viele psychisch Auffällige Hollywood-Stars? 

Ich würde dem allerdings die Frage hinzufügen, warum heutzutage generell gerade auch die begabteren Künstler nördlich, sagen wir, des 47. Breitengrades selten dem Leben psychisch gewachsen sind. Und die Frage, seit wann dies so ist. Denn es war ja nicht immer so. Und obwohl Puccini noch tapfer widerstand, hat sich die Graue Muse inzwischen sogar weit nach Süden ausgebreitet.

Dennoch sind Dichter wie Dylan Thomas und Edna St. Vincent Millay immer noch typisch für den Norden. Nicht nur Ungaretti, D'Annunzio und Mario Luzi strotzten vor Gesundheit. Selbst Pasolini, also ein regelrechter poète maudit war in jeder Hinsicht vital.

 

Der Linksstaat

Es gibt mehr als berechtige Zweifel an dem Aufklärungswillen deutscher Behörden. Es gibt signifikante Beweise dafür, dass Beweismittel manipuliert oder beseitigt werden oder aber für "nicht zielführend" in den Papierkorb landen.

Es gibt deutliche Hinweise, dass diese "Pannen" nicht aus Stümperei begangen wurden, sondern mit professionellem Können und politischer Rückendeckung.

Nimmt man diese hier angerissenen Fälle als Basis für ein politisches Fazit, dann kann dieses nur lauten: Die deutsche Bundesregierung ist für den Unwillen verantwortlich, die "Selbstmorde" aufzuklären, die Frage der "Fremdeinwirkung" transparent und nachvollziehbar zu klären.

Die Einrichtung einer tatsächlich neutralen Untersuchungskommission, die finanziell und politisch unabhängig ist, die mit den entsprechenden Kompetenzen ausgestattet ist, polizeiliche Ermittlungen zu überprüfen und gegebenenfalls "Fälle" eigenständig neu aufzurollen, ist mehr als begründet.

Es ist höchste Zeit - ganz unabhängig davon, ob die russische Regierung die eingangs erwähnte "Stellungnahme" abschickt.   Wolf Wetzel

Eins und eins macht... ?

Am 9. Dezember 2020 erklärte unsere Wissenschafts-Kanzlerin vor dem Bundestag: „Ich habe mich in der DDR zum Physikstudium entschlossen. Das hätte ich in der alten Bundesrepublik wahrscheinlich nicht getan. Weil ich ganz sicher war, dass man vieles außer Kraft setzen kann, aber die Schwerkraft nicht und die Lichtgeschwindigkeit nicht und auch andere Fakten nicht, und das wird auch weiter gelten. Dass Europa heute steht, wo es steht, hat es der Aufklärung zu verdanken und dem Glauben, dass es wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, die real sind und an die man sich besser halten sollte.”

Mit anderen Worten: Merkel ging in der DDR in eine Art innere Emigration, indem sie sich einer ideologieresistenten Disziplin zuwandte, um halbwegs unbehelligt von jener Propaganda, die sie als FDJ-Sekretärin contre coeur verbreitete, studieren zu können. Dass sie heute bei der Corona-Bekämpfung und ihrem Wandern auf dem energiepolitischen deutschen Sonderweg zur Klimarettung einer recht selektiven Wissenschaftsauffassung folgt, drücken wir diesmal in den Skat. Interessant ist doch, dass die Physikern im Kanzleramt bis heute keine Silbe zur Ausbreitung der Wissenschaftsfeindlichkeit an den westlichen Universitäten verloren hat. Ist Frau Merkel nicht aufgefallen, dass Schwerkraft und Lichtgeschwindigkeit an den fortschrittlichsten westlichen Bildungseinrichtungen keineswegs mehr als unbestrittene Naturkonstanten gelten, sondern sich zunehmend als Herrschaftskonstrukte weißer Suprematisten entpuppen?
 

Im US-Bundesstaat Oregon sollen künftig alternative Fakten im Mathe-Unterricht gelten. Wie die Kölnische Rundschau meldet, hat „die Bildungsabteilung des Bundestaates Oregon – eine linksliberale progressive Hochburg – jetzt ein Trainingsprogramm für Lehrer gestartet, das vor allem ein Ziel hat: ‚Rassismus in der Mathematik abzubauen‘.“

Da Schulkinder hispanischer und afroamerikanischer Herkunft in den USA durchschnittlich schlechter in Mathe abschneiden als Weiße, kann die Erklärung für dieses Problem offenbar nur darin begründet liegen, dass hier permanent „White Supremacy“ praktiziert wird. Die Regeln für Mathematik sind scheinbar nur für Weiße einleuchtend, mit ihrem ewigen Exaktheitsfimmel. Für „People of Colour“ müsse man die Dinge anders erklären, weil sie sie sonst nicht verstehen können. Nur Rassisten würden dies bestreiten. Darum sollte von nun an „Ethnomathematik“ betrieben werden, die beispielsweise von Schülern nicht mehr nur einen Lösungsvorschlag für eine Aufgabe verlangt, sondern die Möglichkeit bietet, zwei eventuelle Antworten zu geben.

Das schöne neue Trainingsprogramm finden Sie hier (mit dem Untertitel „Übungen für Pädagogen zur Reflexion ihrer eigenen Vorurteile, um ihre Unterrichtspraxis zu verändern“).

Darin wird Mathelehrern zum Beispiel vorgeschlagen:

„Die Kultur der weißen Überlegenheit zeigt sich im Klassenzimmer, wenn der Fokus darauf liegt, die 'richtige' Antwort zu bekommen.

Die Vorstellung, dass Mathematik rein objektiv ist, ist eindeutig falsch, und dies zu lehren, ist noch viel weniger zutreffend. Die Aufrechterhaltung der Idee, dass es immer richtige und falsche Antworten gibt, manifestiert die Objektivität ebenso wie die Angst vor offenen Konflikten.

Stattdessen:

Wählen Sie Aufgaben, die komplexe, konkurrierende oder mehrfache Antworten haben.

- Mündliches Beispiel: Denken Sie sich mindestens zwei Antworten aus, die diese Aufgabe lösen könnten.

- Klassenraum-Aktivität: Fordern Sie standardisierte Testfragen heraus, indem Sie die 'richtige' Antwort finden, aber andere Antworten rechtfertigen, indem Sie die Annahmen, die diesen zugrunde liegen offenbaren.

- Aktivität im Klassenzimmer: Dekonstruiertes Multiple Choice

- Angesichts einer Reihe von Multiple-Choice-Antworten diskutieren die Schüler, warum diese Antworten möglicherweise aufgenommen wurden (kann auch verwendet werden, um häufige Fehler hervorzuheben).

- Berufliche Entwicklung: Hinterfragen Sie den Zweck des Mathematikunterrichts und präsentieren Sie ihn neu. Die Schulbildung, wie wir sie kennen, begann während der industriellen Revolution, als Präzision und Genauigkeit hochgeschätzt wurden. Was sind die unzähligen Möglichkeiten, wie wir Mathematik in der heutigen Welt und darüber hinaus konzeptualisieren können?

Dieses destruktive Geschwurbel ist typisch für Sektierer wie Marshall B. Rosenberg, der seine Lehre mit den Worten, es gehe darum "das alte Konzept von 'Richtig' und 'Falsch' zu verlassen und statt dessen zu einer Sprache der erfüllten und unerfüllten Bedürfnisse zu finden", propagiert. Typisch ist, dass schon an der Ausdrucksweise ersichtlich ist, wie Wunsch und Bedürfnis miteinander vermengt werden (wobei der Wunsch als Vater des Gedankens an die Stelle der Wahrhaftigkeit tritt und zum Herrscher der Gedanken werden soll). Erfüllt werden in der deutschen Sprache eigentlich nur Wünsche, Bedürfnisse dagegen werden gestillt bzw. befriedigt. Wer explizit dafür eintritt "Bedürfnisse zu erfüllen", der erfindet en passent ein "Bewunschnis" und bastelt sich daraus ein Menschenbild, dass seinem Geschäftsmodell zupass kommt: alle menschlichen Beweggründe werden dabei in den Einheitsbrei des Bewunschnisses gerührt, um ein Recht auf Bewunschniserfüllung durchzusetzen. Solch haarsträubender Blödsinn überrascht bei Sekten nicht, weil geistige Verwirrung deren Geschäftsmodell ist. Auch von Parteien, deren Programm auf moralische Eitelkeit baut und mit moralischer Erpressung operiert, ist man diese Art der Niedertracht gewohnt. Aber dass dieser Dreck von der Bildungsbehörde eines US-Staates ausgehen könnte, das hätte ich bisher immer noch nicht für möglich gehalten. Um dieses Ausmaß der Verlogenheit und des geistigen Bankrotts zu beheben, wird ein Trump nicht reichen. Man bräuchte ihrer mindestens zehn. Und man bräuchte die heitere Abgeklärtheit eines Boccaccio, der nicht nur Dantes Hölle durchdrunge hatte, sondern die Schwarze Pest überlebt hatte.

Das vorgestellte Pamphlet (aus der Feder der Mathe-Lehrerinnen Sonia Michelle Cintron und Dani Wadlington sowie dem Pädagogik-Doktoranden Andre ChenFeng) wird Lehrern tatsächlich vom Bildungs-Department des Bundesstaates Oregon ausdrücklich empfohlen. Es sei für die US-amerikanische Mittelstufe, also Klasse 6 bis 8 entwickelt worden. Kommunikationsdirektor Marc Siegel äußerte, es „hilft Pädagogen, wichtige Werkzeuge für ihren Beruf zu erlernen, Strategien zu entwickeln, um gerechte Ergebnisse für Schwarze, Latinx (sic!) und mehrsprachige Schüler zu verbessern und sich Lerngruppen anzuschließen.“

Zu den Förderern des Projektes gehören Organisationen wie die „California Association for Bilingual Education“, „San Diego County Office of Education“ oderLos Angeles County Office of Education“. Ist das ein Zeichen dafür, dass sich der Spuk möglicherweise künftig nicht nur auf den Bundesstaat Oregon beschränken soll?

Last but not least finden wir weitere Unterstützer: „Wir möchten uns auch bei der Bill and Melinda Gates Foundation für die großzügige finanzielle Unterstützung dieses Projekts bedanken.

Ich hoffe, die ersten mit Gerechter Mathematik operierenden Statiker bauen ihre Brücken zunächst nur in Oregon.
Wir schauen einer Zivilisation beim Verrücktwerden zu.

Mittwoch, 24. Februar 2021

Zeigerpflanze

 


Dienstag, 23. Februar 2021

Planierung

 


Great Reset

 

Würden Sie diesem Mann die Erde anvertrauen?




Wissenschaftsgläubigkeit, statt Wissenschaftlichkeit

Lieber Herr Wendt,

ich habe gerade Ihren Essay über „Das Höhere Wesen“ gelesen, das uns sagt, was zu tun ist. Es ist sehr wohltuend, Ihrem analytischen roten Faden zu folgen. Ich bin seit fast 50 Jahren in der „Wissenschaft”  der Naturwissenschaften unterwegs und bin entsetzt, wie seit einigen Jahren, extrem im letzten Jahr, die „Wissenschaft” als Begriff  missbraucht wird, aber sich  auch allzugern missbrauchen lässt. Es findet sich kaum noch ein Journalist, der selber einen wissenschaftlichen Erfahrungshorizont hat oder auch nur gelernt hätte, wissenschaftliche Denkmethoden anzuwenden.

Eine Anmerkung möchte ich noch gerne zu dem Begriff des „Befundes” machen, den Sie  diskutieren. Ein Wissenschaftler weiß, unter welchen Bedingungen und Restriktionen sein „Befund” zustande gekommen ist. Allein schon durch einschränkende Vorgaben (Ein-/Ausschlusskriterien)  lässt sich ein Ergebnis in eine gewünschte Richtung lenken, weil ausgeschlossene Entitäten keinen Eingang in mein Modell finden. Diese Grenzen müssen aber angegeben werden, da sie ja eine Verengung des Ergebnisses bedeuten. Ebenso weiß jeder Wissenschaftler um die statistische Unsicherheit seines Ergebnisses, die ja nur aus einer in der Regel kleinen Stichprobe des Gesamtkollektivs besteht. 
Der Wissenschaftler kann damit umgehen, da er die Unsicherheit seines Messwertes abschätzen und angeben kann.  Der „Wissenschaftsjournalist“ muss einen für den Leser verständlichen Begriff, eine konkrete Zahl, ein Datum abgeben (so er denn das Problem der Messunsicherheit überhaupt begreift, was ich mal wohlwollend unterstelle, mir bei den allermeisten aber unsicher bin). Und ab hier wird die Diskussion schon extrem vereinfachend und damit falsch geführt (der schwachen MINT-Fähigkeit sei es geklagt (ich erspare mir den naheliegenden Seitenhieb, für Wissenschaftlerinnen den leichteren Weg des Genderismus zu gehen)).

So wird überhaupt nicht ausreichend thematisiert, dass die politische Größe „Inzidenzzahl“ dank eines wissenschaftlich unzulässigen, aber politisch geschützten PCR-Tests eine willkürliche Festlegung ist, die auch noch nach Belieben durch simple Veränderung der Testhäufigkeit beeinflusst werden kann.
Das universelle Prinzip, dass sich jede wissenschaftliche Aussage einer Überprüfung stellen muss, wird beiseite gewischt.

Wahrscheinlich ist im Rückblick das Verhalten der schweigenden Mehrheit der Wissenschaftler – Sie haben korrekterweise kurz auf die ökonomische Abhängigkeit hingewiesen – das größte Versagen in der sogenannten Corona-Krise. Ich möchte das Versagen der Medienschaffenden als Transporteur und Treibriemen der ungeprüften „Wahrheiten“ aber nur kurz dahinter ansiedeln.
In einem Meer von intellektuellem Unrat ist es wohltuend, geistvolle Texte zu lesen. Bitte weitermachen!

Herzliche Grüße Ihr V. C.

 

Am 16. Februar 2021 schickte die Reaktion der Zeit eine Twitterbotschaft in die Welt, um einen Text ihres Mitarbeiters Johannes Schneider über Corona und Wissenschaft zu bewerben:

„Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie @beyond_ideology, @c_drosten und BrinkmannLab beharren zu Recht darauf, dass Forschungsergebnisse nicht diskutierbar sind, schreibt @joausdo.“

Für ein Blatt, in dem einmal der großartige Dieter E. Zimmer über Wissenschaftsthemen schrieb, markiert das eine neue Schwundstufe. Niemand muss zu der Frage der Diskutierbarkeit von Wissenschaftsaussagen unbedingt Karl Popper bemühen, um auf das Wesentliche hinzuweisen, Poppers Falsifikationstheorie fasst den entscheidenden Punkt allerdings am griffigsten zusammen: Eine wissenschaftliche Theorie ist, was sich grundsätzlich widerlegen lässt. Übersteht eine Theorie Widerlegungsversuche, kann sie vorläufig gelten. Letztgültig ist in der Wissenschaft demnach nichts, höchstens unwiderlegt. Ein empirisch-wissenschaftliches System, so Popper, „muss an der Erfahrung scheitern können“.

Der Satz: „die Lichtgeschwindigkeit kann nicht übertroffen werden“ steht einer Widerlegung offen. Der Satz „Gott ist groß“ nicht (schon deshalb, weil es sich bei „groß“ nicht um einen sinnvoll definierbaren Begriff handelt). Aussagen, die sich ihrer Natur nach nicht widerlegen und damit diskutieren lassen, aber trotzdem eine Gültigkeit beanspruchen, wollen letztgültig sein. Jeder Versuch, gegen sie etwas vorzubringen, ist nach ihrer Eigenlogik unsinnig. Diese Letztgültigkeit gehört in die religiöse Sphäre, in der etwas entweder geglaubt oder nicht geglaubt, aber nicht mehr diskutiert werden kann.

Die in Schneiders Text zitierte Wissenschaftlerin Maja Göpel fragte die Zeit per Twitter, ob dort denn niemand merken würde, dass die Botschaft der Redaktion den Corona- und Klimaforschern, die der Autor in seinem Beitrag verteidigen will, in einem Satz die Wissenschaftlichkeit abspricht, ohne es überhaupt zu merken.

 

Die Zeit entschuldigte sich umgehend, löschte ihren Tweet und schrieb, der Satz sei natürlich falsch und im Übrigen durch Schneiders Text auch nicht gedeckt. Nur: Genau das stimmt nicht. Auch, wenn dort der Satz von den nicht diskutierbaren, weil letztgültigen Forschungsergebnissen von Wissenschaftlern wie Göpel, Christian Drosten, Melanie Brinkmann und anderen nicht exakt so vorkommt wie in dem Tweet, zieht sich das grundsätzliche Missverständnis von Wissenschaft durch den gesamten Zeit-Text, der unter der Zeile steht: „Wissenschaftler werden in der Pandemie um ihre Expertise gebeten. Gefallen der Öffentlichkeit ihre Antworten nicht, reagieren sie genervt. Völlig zu Recht.“ Das Miss- beziehungsweise Unverständnis durchdringt nicht nur Schneiders Beitrag, sondern, ganz nebenbei, auch andere Artikel im Wissenschaftsteil der Zeit und anderswo.

Schneider schildert zu Beginn ein Gespräch zwischen Göpel (einer Ökonomin, Unterstützerin von Fridays for Future und Vertreterin der Klima-Alarmismus) und dem ARD-Journalisten Jörg Thadeusz, in dem Göpel Thadeusz die merkwürdige Frage stellt: „Haben Sie den Eindruck, uns Wissenschaftlern macht das Spaß?” (Nämlich, ständig apokalyptische Klimaszenarien für die jeweils nächsten Jahrzehnte zu bemühen, und daraus politische Forderungen abzuleiten).

„In dem Gespräch zwischen Thadeusz und Göpel ging es um Ausmaß und Folgen des Klimawandels“, referiert Schneider in seinem Zeit-Artikel, „es ging um die Notwendigkeit gesellschaftlicher und individueller Einschränkungen, damit die Welt einer Katastrophe entgeht, die viel größere Einschränkungen bedeuten würde. Wenn denn überhaupt ein Überleben unter halbwegs vergleichbaren zivilisatorischen Bedingungen möglich sein sollte.“
Und weiter:
„Letztlich belegte die Frage der Expertin an den Nichtexperten aber eine Irritation, die es auch in der Corona-Pandemie gibt und im Gespräch über Rassismus: Wissenschaftlerinnen treten an die Öffentlichkeit und werden Teil eines Aushandlungsprozesses um mögliche Lösungen eines Problems.“

Schneider schafft es, gleich zwei Fehlschlüsse miteinander zu verbinden. Erstens gibt es auf einem politisch debattierten Gebiet wie der „Notwendigkeit gesellschaftlicher und individueller Einschränkungen“ wegen eines Virus, der Temperaturentwicklung oder etwas anderem keine „Experten und Nichtexperten“, die einander in einem Hierarchieverhältnis gegenüberstünden. In der allgemeinen gesellschaftlichen Debatte streiten verschiedene Teilnehmer mit Interessen und Argumenten, die besser oder schlechter begründet sind, zunehmend auch Meinungsinhaber, die ganz ohne Argumente auskommen wollen.

Geht es um Einschränkung individueller Rechte, existieren zum Glück auch noch Gesetze und Verfassungsrechte. Aber in dem Punkt etwa, ob in Deutschland weiter Eigenheime gebaut werden sollten oder nicht, um dieses konkrete Thema einmal herauszugreifen, gibt es keinen Experten, der dem Rest der Gesellschaft sagen könnte, wo es langgeht. Die Entscheidung fällt politisch, jeder darf mitreden, sogar Anton Hofreiter. Für den Einwand, dass Eigenheimbauten in Deutschland wahrscheinlich keinen messbaren Einfluss auf die Globaltemperatur des Jahres 2100 ausüben, muss sich niemand auf einen Expertenstatus berufen.

Zweitens gibt es kein Kollektiv namens Wissenschaftlerinnen (Schneider meint die Wissenschaftler, wie er geistreich schreibt, mit), das mit einer festen Erkenntnis an die Öffentlichkeit tritt, um mit ihr dieses oder jenes auszuhandeln. Die Strohpuppe mit dem Etikett die Wissenschaft ziehen nicht nur Schneider und andere Journalisten in Corona- und Klimafragen immer wieder auf die Bühne, sondern auch Politiker, etwa Angela Merkel, die sich Ende 2020 mit der Formel: „die Wissenschaft sagt uns“ auf ein kurzes Papier der Leopoldina zum Lockdown berief. In ihrem Tonfall schwingt die gleiche Forderung wie bei der Zeit, bestimmte Aussagen bestimmter Wissenschaftler müssten von der gesamten Gesellschaft gefälligst als höhere Wahrheit akzeptiert werden.
Gerade das Leopoldina-Papier Merkels erwies sich als nicht nur außerordentlich dünn im Umfang (viereinhalb Seiten Text) und in seiner Substanz (im Wesentlichen das Lob eines harten Lockdowns in Irland, der das Virus austrocknen sollte). Seine apodiktisch vorgetragene Empfehlung zerfiel auch schnell in der Praxis. Nach der Aufhebung des Lockdowns in Irland schossen die Infektionszahlen noch über das deutsche Niveau, die Maßnahme verursachte also gravierende Kollateralschäden, verfehlte aber das selbstgesetzte Ziel deutlich.

Grade im Streit um den richtigen Umgang mit Covid zeigt sich, dass ein Kollektiv mit der Bezeichnung die Wissenschaft nicht existiert. Sie tritt nicht als griechischer Tragödienchor mit Einheitstext vor die Öffentlichkeit, um ihr etwas mitzuteilen. Stattdessen sprechen sehr viele Wissenschaftler mit sehr unterschiedlichen Ansichten. Es gibt in dem Streit um Corona und die sinnvollen Gegenmaßnahmen die von Schneider wohlwollend zitierte Virologin Melanie Brinkmann, die in ihren Talkshowauftritten immer wieder einen langen harten Lockdown fordert, vor allem mit dem Blick auf Mutationen.

 

Brinkmann zählt zu den prominentesten Verfechtern der No-Covid-Strategie, die darin besteht, mit möglichst rigiden Einschränkungen das Virus aus der Gesellschaft zu vertreiben. Der Epidemiologe Arnold Monto beispielsweise von der Universität Michigan hält die No-Covid-Strategie für falsch:

„Ich denke, das ist unrealistisch. Wir müssen lernen, das Virus im Alltag zu beherrschen. Angenommen, Deutschland bringt die Inzidenz tatsächlich auf null, was ich für unmöglich halte: Wie lange will man dann den Frankfurter Flughafen geschlossen halten, um zu verhindern, dass das Virus erneut ins Land gelangt? Von den Grenzen zu den Nachbarländern einmal abgesehen? […] Der entscheidende Strategiekern zielt deshalb auf die Alten und die Krankenhäuser. Ich halte es auch praktisch für ausgeschlossen, eine Inzidenz von null zu erreichen.“

Es gibt Verfechter der Lockdowns, nicht selten in enger Kooperation mit befreundeten Medienmitarbeitern:

Und auf der anderen Seiten Wissenschaftler wie den Epidemiologen John P. A. Ioannidis, der zusammen mit Kollegen die Auswirkungen von Lockdowns verschiedener Härte in 14 europäischen Ländern und den USA untersucht hatte, und je nach Modellierung zu dem Ergebnis kam, dass die Maßnahmen sich nur gering bis gar nicht auf auf den Infektionsverlauf auswirkten.

In der Debatte finden sich Wissenschaftler, die Virenmutationen für eine sehr große Gefahr halten, andere, die das Risiko für nicht unkalkulierbar groß halten:

Der Streit um Deutungen findet also in der Hauptsache nicht zwischen einer Entität namens Wissenschaft und der sonstigen Gesellschaft statt, sondern wie eh und je vor allem in der Wissenschaft selbst. Auch auf dem Gebiet Covid-19 werden Thesen die Falsifikation überleben – oder auch nicht. Ordentlicher Wissenschaftsjournalismus bräuchte also nichts anderes zu tun, als den Meinungsstreit abzubilden, herauszufinden, was auf dem Thesenfriedhof landet, und welche Theorie sich als robust erweist. Vor allem bei Prognosen ist es nach einiger Zeit durchaus möglich, halbwegs objektiv zu überprüfen, ob sie eingetreten sind oder nicht.

Bei Schneider spielt die Dialektik von These und Widerlegungsversuch offenbar gar keine Rolle, sondern etwas anderes: das Eigentliche und Richtige, und die Abweichung davon. Das macht er in seinem kleinen Exkurs zur Klimadebatte deutlich, der großen Schwester des Corona-Wissenschaftsstreits.
In seinem Zeit-Text heißt es:

„Die Wissenschaftlerin wird dann zum Beispiel mit abweichenden Forschungsbefunden konfrontiert (der berüchtigte eine Klimaforscher unter hundert, der die Existenz des Klimawandels bestreitet) und muss immer wieder erklären, warum sie diese nicht für valide hält; oder ihre Rückschlüsse aus allgemein anerkannten Befunden werden in Zweifel gezogen, denn es gibt selbstverständlich auch immer andere Rückschlüsse, wozu die Expertin aber nur wiederholen kann, warum sie eben zu ihren gekommen ist. Oder sie bekommt gönnerhaft erklärt, dass die Menschen etwas aber nicht mitmachen werden. Woraufhin sie dann, mutmaßlich erschöpft bis patzig, erklärt, dass die Menschen dann aber noch ganz andere Dinge werden mitmachen müssen.“

An dieser Stelle schleift Schneider eine zweite Strohpuppe hinter sich her, um sie auf offener Bühne anzuzünden. Welcher berüchtigte Klimaforscher unter hundert oder einer Million erklärt eigentlich, es hätte vom Präkambrium bis heute ein immerwährend gleiches Klima gegeben? Weit und breit niemand. Folglich nennt Schneider auch keinen. Die Debatte über die Klimaentwicklung verläuft ähnlich kontrovers wie die über Covid-19. Aber genau so, wie sich die Covid-Debatte nicht darum dreht, was ein Virus und eine Lungenerkrankung ist, streitet in der Klimakontroverse niemand über die Tatsache, dass das Erdklima sich wandelt, solange es existiert.

Heftige Auseinandersetzungen gibt es unter anderem um den menschlichen Anteil an diesem Wandel. Über die Wirkungen und Nebenwirkungen von Gegenmaßnahmen. Und um die Frage, wie zuverlässig Computermodelle die Klimazukunft vorhersagen. Hier liegen die Ansichten ähnlich weit auseinander wie beim Nutzen der Lockdowns:
Die amerikanische Klimaforscherin Judith Curry etwa betont immer wieder die Unsicherheit der Computersimulationen, während etwa der Ozeanograph Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut darauf besteht, mit Hilfe von Modellen „Kipppunkte“ des Klimas exakt vorhersagen zu können. Vor mehr als zehn Jahren stritten die Klimaforscher Michael Mann und Hans von Storch über den wissenschaftlichen Wert von Manns Hockeyschläger-Kurve, die einen immer stärkeren Temperaturanstieg vorhersagte (allerdings auf einem Mix aus Messmethoden und einer angreifbaren Modellierung beruhte). Die Zeit, das als kleiner Einschub, widmete Mann 2012 ein einfühlsames Porträt („Die Klimakrieger“), in dem zwei Autoren Angriffe von Politikern und Lobbyisten auf ihn nachzeichneten, die es tatsächlich gab, in dem sie aber die wissenschaftliche kontroverse um seine Kurve einfach wegließen. Außerdem verrieten sie, ohne es zu merken, dass sie Manns Arbeiten nie richtig gelesen hatten: In ihrem Text schrieben sie mehrfach, der Klimatologe hätte Baumrinden benutzt, um Temperaturen vergangener Zeiten zu rekonstruieren. Richtig wäre gewesen: Baumringe. Für ihren Artikel erhielten beide den Reporterpreis.

Es gibt in zentralen Fragen unter Wissenschaftlern nicht den ganz überwiegenden Konsens und die marginale Abweichung, sondern eine ausgeprägte Vielstimmigkeit, ob unter Klimaforschern oder Medizinern. Außerdem setzen sich in der Wissenschaft Thesen nicht per Abstimmung durch. In der Wissenschaftsgeschichte finden sich viele Forscher, die ihre Theorien als krasse und heftig abgelehnte Außenseiter ihres Fachs entwickelten. Alfred Wegeners These der Kontinentalverschiebung wurde zu seinen Lebzeiten verlacht, Ignaz Semmelweis, Pionier der evidenzbasierten Medizin, starb als fast einhellig von Ärzten abgelehnter Sonderling in der Psychiatrie. Der Biochemiker Günter Blobel vertrat mit seiner Theorie vom Eiweißtransfer zu den Körperzellen lange eine Außenseiterposition, bis seine experimentellen Beweise schließlich anerkannt wurden. Im Jahr 1999 bekam er den Nobelpreis für Medizin.

Bei Wissenschaftsjournalisten, die sich vor allem an Mehrheiten halten und für ausgewählte Theorien die Diskussion einschränken möchten, hätte es ein Wegener und ein Semmelweis heute keinen Deut leichter als im 19. Jahrhundert.

 

Ein blinder Fleck wird zum blinden Feld

Die Wissenschafts-Berichterstattung in der Covid- und der Klimadebatte ähneln einander auffallend – und zwar in schlechter Weise. Erstens bilden etliche Journalisten – nicht nur Schneider in der Zeit – nicht die Vielfalt der Stimmen ab und wägen die Argumente, sondern schneiden sich immer wieder das Bild von der überwältigenden Wissenschaftlermehrheit und den Außenseitern zurecht. Außerdem übersehen sie auch noch, dass Einzelne richtig und viele falsch liegen können. Und wie in der Klimadebatte zahlen sie aufmerksamkeitsökonomische Prämien für diejenigen, die sich möglichst dramatisch und apokalyptisch äußern – am besten noch verbunden mit gesellschaftlichen Forderungen, die der Journalist sowieso schon gut findet.

Ein blinder Fleck weitet sich schnell zum blinden Feld, wenn Wissenschaftler nicht um die Kontinental- oder der althochdeutschen Lautverschiebung streiten, sondern über Themen mit ideologischem Unterbau. Also auf den Gebieten Covid-19, Klima, Rassismus, die Schneider nennt. Die Aktivisten von „ZeroCovid“ etwa verbinden die Bekämpfung eines Virus mit großräumigen gesellschaftlichen Steuerungs- und Umbaufantasien. Interessanterweise ähneln sie bis in Details großen Transformationsplänen, die der Klimaerwärmung Einhalt gebieten sollen. Kaum etwas wirkt in einer säkularisierten Gesellschaft so gut wie die Berufung auf „die Wissenschaft“, die passende Stichworte für politische Entwürfe liefert.

Der nächste Schritt besteht in der Rückkopplung: der politischen Forderung, die dafür passenden wissenschaftlichen Thesen der Debatte zu entziehen, zumindest die Debatte deutlich einzuschränken. Die Öffentlichkeit und seine Kollegen, belehrt Schneider, dürften natürlich noch ein bisschen mitdiskutieren, sie müssten allerdings darauf achten, sich „mit den eigenen politischen Aussagen und journalistischen Nachfragen im wissenschaftlichen Referenzrahmen zu bewegen.“

Das ist aus zweierlei Gründen Unfug: Erstens, weil sich eine Maja Göpel, eine Melanie Brinkmann oder ein Stefan Rahmstorf mit ihren weitreichenden Forderungen für die Gesellschaft selbst nicht mehr im „wissenschaftlichen Referenzrahmen“ bewegen, sondern im allgemein politischen. Und zweitens, weil der Referenzrahmen auch innerhalb des wissenschaftlichen Betriebs fast immer viel größer ist, als ihn Leute wie Schneider ziehen möchten. In der Covid-Lockdown-Debatte liegt ein riesiges Feld zwischen Ioannides und Brinkmann, in der Klimaprognostik eine gewaltige Strecke zwischen Rahmstorf und Curry. In dem Streit um Rassismus und Gesellschaft gibt es nicht nur die lauten Identitätspolitiker an den US-Universitäten, sondern beispielsweise auch den (heftig angegriffenen) Ökonomen Thomas Sowell. Mit anderen Worten: Das Debattenfeld ist in Wirklichkeit so weit, dass der Begriff „Rahmen“ wenig Sinn ergibt – es sei denn, jemand möchte in Wirklichkeit einen Korridor seiner Wahl darin abstecken.

„Wissenschaftliche Befunde sind keine Meinungen“, schreibt Schneider. Ja, tatsächlich, wissenschaftliche Befunde sind keine Meinungen. Beide unterscheiden sich kategorial. Zum Bereich der Meinungen gehören auch viele nicht widerlegbare und deshalb nicht sinnvoll diskutierbare Aussagen, etwa der oben erwähnte Satz „Gott ist groß“. Wissenschaftliche Befunde zeichnen sich eben dadurch aus, dass sie diskutierbar und widerlegbar sind, und oft genug auch widerlegt werden. Aussagen von Wissenschaftlern sind in der Geschichte fast nie durch eine Aushandlung mit der restlichen Gesellschaft beiseite geräumt worden, sondern praktisch durchweg durch andere Wissenschaftler. Alle soliden Bestandteile der Wissenschaftsgebäude haben das Feuer der Widerlegungsversuche hinter sich. Kein Wissenschaftler, der seine Tassen im Schrank hat, wird seine Befunde deshalb zu undiskutierbaren Aussagen erklären.

Schneider folgert aus dem richtigen Satz „wissenschaftliche Befunde sind keine Meinungen“ aber das genaue Gegenteil: wissenschaftliche Befunde sollen seiner Meinung nach besonders geschützt werden. Wovor eigentlich? Die von ihm genannten und favorisierten Wissenschaftler, meint Schneider, reagierten „völlig zu Recht genervt“ auf Widerspruch. Übrigens auch, was er interessanterweise nicht erwähnt, auf Wissenschaftskollegen mit gegenteiligen Ansichten.

Es sollten deshalb, so der Zeit-Autor, bestimmte Urteile nicht in Frage gestellt und Widerlegungsversuchen von vorn herein Grenzen gezogen werden. „Das gebietet die intellektuelle Lauterkeit: nicht daran zu zweifeln, dass zum Beispiel klimatische Veränderungen stattfinden, die erhebliche gesellschaftliche Probleme mit sich bringen werden“, schreibt Schneider. Nun handelt es sich um einen schwammigen, sehr allgemein formulierten Satz. Was sind beispielsweise „erhebliche gesellschaftliche Probleme“? Weiter oben hieß es bei ihm schon etwas deutlicher: Eine „Katastrophe“, bei der das Überleben der Menschheit „unter halbwegs vergleichbaren zivilisatorischen Bedingungen“ in Frage steht.

Aber egal, wie jemand diese Probleme definiert: Wem schadet eigentlich der Zweifel, den der Zeit-Autor unterdrückt sehen möchte? Wissenschaftler wie Maja Göpel und Hans-Joachim Schellnhuber vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung argumentieren, nur ein radikaler gesellschaftlicher Umbau mit weniger Konsum und mehr Lenkung und Kontrolle könnte eine globale Klimakatastrophe noch aufhalten. Es gibt andere, etwa Hans von Storch und Judith Curry, die grundsätzlich meinen, dass sich die Menschheit auch an eine um seit 1860 um 1,5 Grad erhöhte Durchschnittstemperatur anpassen kann.

Die kommenden gesellschaftlichen Probleme durch eine Klimaerwärmung sehen sie jedenfalls nicht als so gravierend an, dass sie eine ganz neue Gesellschaftsordnung mit tiefen Eingriffen in individuelle Rechte für nötig halten. Auch der Umbau einer Gesellschaft kann in eine Katastrophe münden. Warum soll also „die intellektuelle Lauterkeit“ den Zweifel an einer bestimmten politischen Wortmeldung verbieten? „Gesellschaftliche Probleme“ – da befinden wir uns nicht mehr im Labor oder Hörsaal, sondern auf offenem Feld.

In ihrem toten Winkel fällt Kommentatoren wie Schneider merkwürdigerweise nie auf, dass sie ja selbst zweifeln: beispielsweise an der Sicht aller Wissenschaftler, die keine Klimaapokalypse zeichnen. Denn heimlich halten sie diese Apokalypse schon für bewiesen, auch wenn augenblicklich noch der Beweis fehlt. Ihr Schutz vor Zweifel und ihre Warnung vor zu grundlegenden Nachfragen bezieht sich nie auf alle Wissenschaftler (an dieser Stelle verschwindet die Strohpuppe namens die Wissenschaft plötzlich wieder von der Bühne), sondern immer nur auf ausgewählte.

Bei Schneider besitzt die Virologin Melanie Brinkmann das Vorrecht, genervt auf Zweifel und Nachfragen zu reagieren, aber kein Hendrik Streeck oder John Ioannidis. So, wie die Zeit seinerzeit, siehe oben, den Angriffen auf Michael Mann einen langen und einseitigen Artikel widmete – während ganz ähnliche Attacken auf Judith Curry, die sich wegen feindseliger Reaktionen auf ihre Veröffentlichungen 2017 aus dem Universitätsbetrieb zurückzog, in den wenigsten Medien behandelt wurden.

Eine Pointe liegt darin, dass Curry trotzdem nie verlangte, nicht oder nur noch in einem bestimmten Referenzrahmen befragt und attackiert zu werden.
Für die von ihm aufgezählten Wissenschaftlerinnen fordert Schneider eine Art safe space, die man sich als kritikreduzierte Zone mit Warnschild und Aufpassern vorzustellen hat: „Die Frage ist daher nicht, wie genervte Expertinnen ‚besser’ kommunizieren könnten, damit sie nicht als arrogant, verstockt oder gar autoritär missverstanden werden. Die Frage ist vielmehr, wie sich dafür sorgen ließe, dass sie gar nicht erst genervt sein müssten.“

Dafür gibt es nur ein Mittel: sich gar nicht erst in die Öffentlichkeit begeben. Wer das tut, egal ob als Wissenschaftler, Autor oder Politiker, macht sich zum Gegenstand der Kritik. So lautet die Spielregel, zumindest in einer offenen Gesellschaft, in der eben nicht einige gleicher sein können als andere. Wissenschaftler riskieren es zusätzlich, dass ein Kollege seine Theorie vom Sockel stößt. Manchmal erledigt schon die Zeit diese Arbeit, beispielsweise, wenn es um Prognosen geht.

 

Wissenschaft mit Weihrauchduft

Schneiders Text in der Zeit ist ein Symptom, genau so wie der Redaktions-Tweet von der Nichtdiskutierbarkeit bestimmter Forschungsergebnisse. Zurzeit arbeitet eine breite Allianz von Journalisten über Aktivisten bis zu Politikern wie Merkel daran, ein hybrides Monstrum zu schaffen: Es soll im wissenschaftlichen Duktus sprechen, aber die Unantastbarkeit eines religiösen Führers besitzen. Und passenderweise politische Programme verkünden, die andere ihm schon einmal vorsorglich auf den Sprechzettel notiert haben. Auf seiner Stirn trägt der Homunkulus einen Zettel mit der Aufschrift: Die Wissenschaft. Wer immer behauptet, die Wissenschaft sage dieses und jenes, und dazu Weihrauch aufsteigen lässt, der betrügt.

Ihre besondere Stellung besitzen Wissenschaftler in der Gesellschaft gerade deshalb, weil der Wissenschaftsbetrieb im Normalfall alles durch das Säurebad der Kritik schickt. Und weil er normalerweise ihren inneren Regeln folgt, statt politische Aufträge auszuführen. In der letzten Zeit tauchte in Texten besorgter Medienschaffender und einiger Wissenschaftler der Begriff „Wissenschaftsfeinde“ auf; gemeint ist: Der Leugner, der Populist, selbstredend bis eben noch auch der nach Schwefel riechende Donald Trump. Keiner aus dieser Trias könnte den Wissenschaftsbetrieb ernsthaft antasten. Das schaffen nur einige im Inneren – und toxische Wissenschaftsfreunde wie Schneider von außen. Die einen, in dem sie Auftragsarbeiten verrichten wie jene Wissenschaftler, die nach Vorgaben des Bundesinnenministeriums 2020 ein Panik-Papier zu Covid-19 verfassten und mit einer Million Toten in Deutschland drohten. Es gibt auch andere, die ihre Reputation als Wissenschaftler gegen ein Linsengericht von Fördergeldern tauschen (was sich bekanntlich nicht rückgängig machen lässt).

Die anderen, wohlmeinende Begleiter in der Zeit und anderswo, wollen zum vorgeblichen Schutz von Wissenschaftlern gerade das abwracken, was Wissenschaft ausmacht. Wissenschaft und Religion lässt sich nicht aus einer Hand haben. Bekanntlich versuchten die Herrscher des Ostblocks das Hybridwesen Wissenschaftlicher Sozialismus zu züchten. Ihm ging es wie vielen Kreuzungsversuchen: Es pflanzte sich nicht fort, und siechte dahin. Trotzdem bemüht sich Greta Thunberg, das gleiche etwas anders noch einmal zu probieren: mit dem Ruf: join unite behind the science, kombiniert mit dem Prophetendonner how dare you?

Ehrlicherweise hätte die Zeit-Redaktion den Tweet vom Nichtdiskutierbaren stehen lassen sollen. Denn er fasst zusammen, was zurzeit viele gern hätten. Bei Albert Einstein lässt sich nachlesen, wie man es nennt, wenn jemand immer wieder das gleiche tut, und jedes Mal andere Ergebnisse erwartet.  Wendt

 

Ein Jahr bevor die AfD gegründet wurde, wurden noch nette konservative Komödien gedreht

 

Bereits ein Jahr nachdem sie gegründet wurde, wurden Konservative als ewig gestrig diffamiert und bis aufs Blut gereizt.

Montag, 22. Februar 2021

Wer sind heute die Realos und wer die Fundis?

 Ein Jurist kann sein Renommee mit einem Gefälligkeitsgutachten aufs Spiel setzen.

Manchmal reicht aber auch eine Gefälligkeitsrezension. Letzteres ist bei Ulrich Vosgerau der Fall (hier zum Vosgerau-Beitrag), der in der Jungen Freiheit meine Broschüre Scheitert die AfD? besprochen hat.

Wer den Kurs des Herausgebers der Zeitung, Dieter Stein, bezüglich der AfD kennt, wird das Ergebnis leicht erahnen. Stein, der in seiner Kolumne regelmäßig die Rückkehr der AfD auf den Pfad Bernd Luckes anmahnt, meint aus der Broschüre herauslesen zu können, der Autor würde der vom „Verfassungsschutz“ drangsalierten Oppositionspartei empfehlen, von der Beschreitung des Rechtswegs abzusehen.

Herr Vosgerau hat dies auftragsgemäß zur Prämisse und Ausgangspunkt seiner Kritik gemacht, obwohl sich eine derartige Aussage in der Broschüre nicht findet. Als vermeintlichen Beleg führt Vosgerau folgenden Satz aus meiner Broschüre an:

Die Demokratie ist gegen den sogenannten Verfassungsschutz und im Zweifel auch gegen Verfassungsgericht und Grundgesetz durchzusetzen!

Wenn dieses Zitat das Argument des Verfassers sein soll, daß er vom Rechtsweg abraten würde, ist dies eine wirklich befremdliche Interpretation fast im Sinne einer „unbegrenzten Auslegung“.

Jeder Jurist lernt im ersten Semester, daß eine gerichtliche Entscheidung, der man dann durch Urteilskritik am Maßstab etwa der Demokratie entgegentreten kann, zur Voraussetzung hat, daß jemand überhaupt einen Antrag gestellt hat. Denn: Wo kein Kläger, da keine Richter!

Also setzt die kritisierte Aussage des Verfassers eine Entscheidung des Verfassungsgerichts voraus und diese wiederum, daß jemand ein Verfahren beantragt hat – und dies soll belegen, daß man vom Rechtsweg abrät? Eigenartig!

In der Broschüre geht es darum, eine politische Alternative zum VS in seiner jetzigen Form zu entwickeln, weil es die die Aufgabe einer Partei ist, politische Konzepte zu erarbeiten, d.h. letztlich Gesetzesänderungen vorzuschlagen, was im Falle des Ersatzes des bestehenden Verfassungsschutzsystems durch den klassischen Staatsschutz ohne Grundgesetzänderungen nicht machbar sein wird.

Urteils- und Verfassungskritik sollte einem Juristen wohl erlaubt sein, ebenso die Werbung, für die Änderung der Rechtsgrundlagen, auf denen etwa eine Gerichtsentscheidung beruht, eine politische Mehrheit zu finden. Dies stellt gerade keine Aufforderung dar, wie Vosgerau entsprechend dem Muster des amtlichen Verfassungsschutzes insinuiert, das Grundgesetz nicht als geltende Verfassung anzuerkennen (andernfalls könnte man sich Gedanken um die Änderung des Verfassungstextes wirklich ersparen).

Da sich die Broschüre auf die politischen Alternative konzentriert, ist zur Beschreitung des Rechtswegs keine Aussage getroffen. Gerade um negative Gerichtsentscheidungen (die man ausschließen sollte) in der politischen Wirkung zu neutralisieren, ist eine politische Alternativstrategie erforderlich, um ein derartiges Urteil als Beleg für die dringende Änderungsbedürftigkeit des VS-Einflusses zu nehmen.

Der Verfasser hat lediglich davor gewarnt, die Beschreitung des Rechtswegs unrealistisch einzuschätzen, da angesichts des ideologie-politisch ausgerichteten Verfassungsschutzes, den die Gerichtsbarkeit nicht grundsätzlich in Frage gestellt hat, alles andere als eine Erfolgsgarantie besteht (denn auch das Beispiel der Republikaner zeigt vor allem eins: Was nützt ein später Sieg vor Gericht politisch, wenn man dann keine aktiven Mitglieder mehr hat und keine Wählerstimmen mehr gewinnt?).

Auf das dahinterstehende Problem, daß mit dem Grundgesetz eine besondere Demokratie errichtet worden ist (wie sich auch der noch aktuellen juristischen Kommentarliteratur entnehmen läßt), geht der Rezensent mit keinem Wort ein. Es mag sein, daß das Grundgesetz auch ganz anders hätte verstanden werden können, aber es wird eben (aus historischen Gründen, die eine besondere Lage begründeten) so interpretiert und angewandt, daß damit für die AfD - wie schon für funktionale Vorgängerparteien - ein Existenzproblem entsteht und zwar eines, das auch durch erfolgreiche Gerichtsurteile wahrscheinlich nicht gelöst werden kann.

Entscheidend ist dabei, was häufig als „ungeschriebener Teil des Grundgesetzes“ bezeichnet wird und aus dem sich wiederum die amtlichen Vorwürfe gegen die Oppositionspartei AfD ableiten (wie etwa Geschichtsrevisionismus, Menschenbild, Staatsauffassung und dergleichen). Diese Vorwürfe bestehen nicht in Rechtsverstößen, sondern in "falschen Ansichten", die als „rechtsextrem“ eingestuft werden - ein Begriff, der sich in der Ermächtigungsgrundlage des Verfassungsschutzes nicht findet.

Wenn der Rezensent dem Verfasser vorhält, er würde die Amerikaner fälschlich als Ursache des Übels identifizieren, wo doch die 68er das Problem wären, wirft er ein Scheinproblem auf. Die Frage ist, wieso es die 68er geschafft haben, diesen Einfluß zu gewinnen. Hier wurde die alliierte re-education-Politik zur Entfaltung gebracht.

Bedeutsam ist auch, daß nur von linker Seite eine Verfassungspolitik betrieben worden ist, was dann im politischen Prozeß immer zu einer Lösung „links vom (jeweils bisherigen) Grundgesetz“, also zu einem linkeren Grundgesetz geführt hat. Was dementsprechend fehlt, ist eine Verfassungspolitik von rechts, um im politischen Prozeß dann wenigstens den Status quo des Grundgesetzes zu sichern.

Die Formulierung einer Verfassungsalternative dient damit durchaus dem Grundgesetz – dies zu begreifen, setzt jedoch das Verständnis des demokratischen politischen Prozesses voraus, was ein Verfassungsgerichtspositivismus wohl nicht hinreichend erfaßt.

Daher ist es auch unfreiwillig komisch, wenn der Rezensent (gegen meine vermeintliche Überzeugung) schreibt:

Daß in der Politik am Ende nur Realos gewinnen können, liegt in der Natur der Sache. Daß es immer auch Fundis gibt, beruht auf einem individualpsychologischen Phänomen…

Sofern die Kategorien überhaupt passen, erscheinen „Romantiker“ eher diejenigen zu sein, welche meinen, die Gerichtsbarkeit würde ihre politischen Probleme lösen, während die „Realos“ eher die sind, die sich auch Gedanken machen, wie etwa das Verfassungsschutzrecht, ja Verfassungsvorschriften geändert werden müssen, um den bundesdeutschen Zustand zugunsten des Mehrparteiensystems, Chancengleichheit der Parteien, aber auch der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit zu verbessern.

Da in dem Text Insinuationen erkennbar sind, abschließend folgender Hinweis: Die kritisierte Broschüre ist dem Legalitätsprinzip verpflichtet, was bedeutet, daß man die Rechtsordnung beachtet, auch wenn man mit Vorschriften nicht einverstanden ist. Das heißt aber auch, daß man als Anhänger des Legalitätsprinzips nicht verpflichtet ist, davon auszugehen, daß man die Rechtsvorschriften nicht kritisieren oder keine Änderungen vorschlagen dürfte.

Dieser Grundsatz gilt auch für das Grundgesetz. Es ist als Rechtsordnung zu beachten, ist jedoch kein religiöses Dokument – vor dieser Vorstellung hat schon Adenauer ausdrücklich gewarnt. Politik ist nun einmal, Änderungen des Rechts anzustreben - während in der Tat Gerichtsprozesse auf den Status quo des Rechts ausgerichtet sind.

Wer das nicht verstanden hat, sollte keine Publikationen besprechen, die sich mit Politik befassen (Vosgerau) und nicht versuchen, die einzige Oppositionspartei in Deutschland politisch zu beraten (Stein).    Josef Schüßlburner

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Die 39. Studie des Instituts für Staatspolitik, Scheitert die AfD? Die Illusion der Freiheitlichkeit und die politische Alternative, kann hier erworben werden. 



All das ist einer »normalen Demokratie« unwürdig. Die AfD darf nicht länger Spielball von VS und Massenmedien bleiben. Sie muss endlich in die Offensive. Als Voraussetzung gilt es, sich über die Situation der Bundesrepublik Deutschland keine Illusionen zu machen. Nur unter der Voraussetzung der Illusionslosigkeit verdient eine Rechtspartei überhaupt einen politischen Erfolg.