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Samstag, 27. Februar 2021

Schon wieder wird die Lehrfreiheit mit Füßen getreten. Diesmal in Schottland!

An Univer­si­tä­ten wird derzeit viel über die soge­nann­te Cancel Cultu­re und Zensur disku­tiert. Nun ist ein neuer Fall zu verzeich­nen: Ein Vortrag des renom­mier­ten Wirt­schafts­his­to­ri­kers Grego­ry Clark an der Adam Smith Busi­ness School der schot­ti­schen Univer­si­tät Glas­gow wurde abge­sagt, weil sich Clark weiger­te, den Titel des Vortrags zu ändern. Darin fand die Uni-Leitung eine Anspie­lung auf ein umstrit­te­nes Buch, das an der Hoch­schu­le nicht erwähnt werden solle. Der Titel der Vorle­sung sollte lauten: „For Whom the Bell Curve Tolls: A Line­age of 400000 Indi­vi­du­als 1750–2020 Shows Gene­tics Deter­mi­nes Most Social Outco­mes“. Auf Deutsch über­setzt: „Wem die Glocken-Kurve schlägt: Eine Abstam­mung(-sana­ly­se) von 400000 Indi­vi­du­en aus der Zeit 1750 bis 2020 zeigt, dass die Gene­tik die meis­ten sozia­len Ergeb­nis­se bestimmt.“
Aus Sicht des Dekans der Glas­gower Busi­ness School war der Titel eine Anspie­lung auf das Buch „The Bell Curve“ des ameri­ka­ni­schen Sozi­al­wis­sen­schaft­lers Charles Murray und des Harvard-Psycho­lo­gen Richard Herrn­stein, das Mitte der neun­zi­ger Jahre eine schar­fe Kontro­ver­se auslös­te, weil Murray und Herrn­stein darin über die Vertei­lung und Vererb­bar­keit von Intel­li­genz sowie IQ-Unter­schie­de zwischen verschie­de­nen ethni­schen Grup­pen schrie­ben. Dies wurde als rassis­tisch skan­da­li­siert. Gegen Clarks Vorle­sung in Glas­gow erho­ben nun einige Sozio­lo­gen und Studen­ten Einspruch. Clark, der Profes­sor an der Univer­si­tät von Kali­for­ni­en in Davis ist und auch als Gast­pro­fes­sor an der London School of Econo­mics lehrt, wurde vom Glas­gower Dekan gedrängt, die Worte „Bell Curve“ (Glocken-Kurve) aus dem Titel zu streichen.
Der Vorfall hat in der Wissen­schafts­ge­mein­de in Großbri­tan­ni­en und Ameri­ka und in Medien eine neue Debat­te über Zensur an Hoch­schu­len ange­facht. Erst vor kurzem hat die Regie­rung ein Stra­te­gie­pa­pier für Meinungs­frei­heit und gegen die „Cancel Cultu­re“ an Univer­si­tä­ten vorge­legt. Ausge­la­de­ne Dozen­ten sollen Scha­den­er­satz verlan­gen können.
Gegen­über der F.A.Z. erklär­te Clark: „Ich nehme den Titel nicht so wich­tig, aber ich weige­re mich, dass mir ein akade­mi­scher Verwal­ter diktiert, welche Worte ich verwen­den darf.“ Darauf­hin sei die Vorle­sung ganz gestri­chen worden. Als Erste hatte die Zeitung „The Times“ in einem großen Arti­kel über den Vorfall berich­tet. Sie sieht ihn in einer länge­ren Reihe von Vortrags­ab­sa­gen – teils auf Druck von poli­ti­schen Grup­pen. Clark wurde vorge­wor­fen, er verwen­de eine „euge­ni­sche“ Argu­men­ta­ti­on. Ein Spre­cher der Univer­si­tät Glas­gow sagte, die Vorle­sung sei nur „verscho­ben“ worden. Der an der Hoover Insti­tu­ti­on der Univer­si­tät Stan­ford forschen­de Histo­ri­ker Niall Ferguss­on kommen­tier­te den Fall auf Twit­ter mit den Worten „Greg Clark einen 'Euge­ni­ker' zu nennen ist grotesk. Er ist ein bril­lan­ter und origi­nel­ler Wirt­schafts­his­to­ri­ker, dessen Buch ich stark empfehle.“
Vor eini­gen Jahren hatte Clarks wirt­schafts­his­to­ri­sche Studie „A Fare­well to Alms“ (Abschied von Almo­sen) in der Wissen­schaft Aufse­hen erregt. Er verbin­det in dieser großen Wirt­schafts­ge­schich­te demo­gra­phi­sche Studi­en mit Inno­va­tions- und Human­ka­pi­tal­fra­gen sowie Aspek­ten von Max Webers Arbeits­ethik-Thesen und darwi­nis­ti­schen Gesell­schafts­mo­del­len. Sein nächs­tes Buch „To Whom The Bell Curve Tolls“ (was auch an Heming­ways Erzäh­lung „Wem die Stunde schlägt“ erin­nert) basiert auf acht Jahren Forschungs­ar­beit und analy­siert beruf­lich-mate­ri­el­len Erfolg von Fami­li­en aus unter­schied­li­chen Ethni­en. Clark hat dafür Daten von fast einer halben Milli­on Menschen ausge­wer­tet und kommt zum Schluss, dass Erbgut eine größe­re Rolle spiele als viel­fach ange­nom­men. Wie Clark gegen­über der F.A.Z. erklär­te, wurde ihm von der ameri­ka­ni­schen Natio­nal Science Founda­ti­on eine Finan­zie­rung für seine Forschung und Daten­ar­beit verwei­gert, weil er gene­ti­sche Fakto­ren untersuche.
Die Absage des Vortrags sieht der 67-jähri­ge Ökonom als exem­pla­ri­schen Eingriff in die Wissen­schafts­frei­heit. „Die Cancel Cultu­re ist für die Sozi­al­wis­sen­schaf­ten inzwi­schen ein großes Problem, weil sie eine erheb­li­che Schief­la­ge bewirkt, was noch veröf­fent­licht wird, welche Forschung noch erlaubt ist und welche Themen die Leute auswäh­len“, sagte Clark der F.A.Z. Es gebe eine „Bias“ (Schief­la­ge) zuguns­ten von Forschung, die aussagt, dass sozia­le Ergeb­nis­se durch die Poli­tik gut beein­fluss­bar seien.
In der angel­säch­si­schen Welt haben Fälle von Cancel Cultu­re zuletzt stark zuge­nom­men. In Großbri­tan­ni­en traf es mehr­fach femi­nis­ti­sche Histo­ri­ke­rin­nen oder Auto­rin­nen wie die Oxford-Histo­ri­ke­rin Selina Todd, die nicht mit der „Gender-Theo­rie“ konform gehen. Aber auch der bekann­te athe­is­ti­sche Evolu­ti­ons­bio­lo­ge Richard Dawkins wurde von einem Vortrag an der Uni Dublin ausge­la­den, nach­dem islam­kri­ti­sche Äuße­run­gen bekannt gewor­den waren. Die Univer­si­tät Edin­burgh hat vergan­ge­nes Jahr den Aufklä­rungs­phi­lo­so­phen David Hume aus dem 18. Jahr­hun­dert „gecan­celt“, nach­dem eine Gruppe Studen­ten wegen einer Fußno­te in einem Essay über die angeb­li­che „natür­li­che Infe­rio­ri­tät“ von Schwar­zen protes­tiert hatte. Der Name des Philo­so­phen und Ökono­men, der mit dem „Vater der Markt­wirt­schaft“, Adam Smith, befreun­det war, wurde darauf­hin von einem Gebäu­de entfernt.
Clark, der aus Schott­land stammt, sieht die Errun­gen­schaf­ten der Aufklä­rung mitt­ler­wei­le in Gefahr: „Es ist eine Ironie der Geschich­te, dass die Univer­si­tät Glas­gow einst das Zentrum der schot­ti­schen Aufklä­rungs­be­we­gung im 18. Jahr­hun­dert war, die auf offe­nen Debat­ten über neue Ideen und Theo­ri­en über die Gesell­schaft basier­te.“ Er fügte hinzu: „Es ist auch ironisch, dass der Ort, wo ich jetzt nicht reden darf, die Stadt ist, in der ich aufwuchs.“    Philip Plickert
 
Das Max Planck Institut wird mit Genugtuung zur Kenntnis geommen haben, dass man in Schottland so fortschrittlich ist, denn an diesem Institut leugnet man ja inzwischen nicht nur, dass individueller Erfolg mit Genetik zusammenhängen könnte, sondern sogar, dass es Menschenrassen gibt (meiner Seel, wie ist diese angesehene Einrichtung in die Tiefe gestürzt! Man kann nur noch beschämt wegschauen, obwohl gerade in Deutschland das Wegschauen so eine heikle Sache ist). Vielleicht treten die Schotten ja der EU bei, wenn Franziskus I. Wahlkampf für Merkel macht und sie zum 5. Mal Kanzlerette wird.

 

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