Stationen

Montag, 8. Februar 2021

Prioritäten

 


Leserin*** moniert, wie ich mich über die Coronalage und den Klimawandel äußere. „Die Pandemie hat sich leider als überaus fürchterlich erwiesen”, schreibt sie. „In vielen Kliniken ist man vor allem in der Zeit des Jahreswechsels am Limit gewesen – Ärzte und Schwestern leisten, was sie können. Habe heute ein Gespräch mit einem Journalisten des Tagesspiegels gehört, er lag 5 Wochen im Koma (März 2020), danach waren fast sämtliche Muskeln bewegungslos, mühsam kämpfte er sich ins Leben zurück und ist bis heute nicht komplett genesen. Er hat weder Vorerkrankungen noch ist er über 80 Jahre alt – er ist nur 63 Jahre. Beispiele wie dieses gibt es viele. Auch viele junge Menschen, die von der Krankheit genesen sind haben noch schlimme Folgeerkrankungen. Kurzum, die Coronamaßnahmen der Regierung sind nicht zu streng – im Gegenteil, sie hätten besonders im Herbst strenger sein müssen. Eine Oppositionspartei hätte die noch vielen Reisemöglichkeiten kritisieren müssen und natürlich die unsägliche Impfstoffbestellung. Unter Trump bestellte man im Juni 2020 ausreichend Impfstoff – die EU bestellte erst im November 2020. Wenn man Maßnahmen gegen Corona, z.B. die Reisebeschränkung im Umfeld lächerlich macht, finde ich das sehr zynisch. Wenn einige Leute Corona leugnen, finde ich das einfach nur idiotisch.”

Das ist, geehrte Frau ***, in der Tat idiotisch, hat aber mit mir nichts zu tun. Ansonsten: Ich äußere mich zu Corona nur als Beobachter, Laie und Staatsbürger. Ich halte Covid-19 für eine schwere Grippe, die, wenn sie die Lunge befällt, viele Menschen qualvoll umbringt. Das habe ich nie bestritten. Ob die Corona-Maßnahmen der Regierung zu streng sind, ist der Frage nachgeordnet, ob sie nicht einfach dumm sind. Die undifferenzierte Lahmlegung eines ganzen Landes ist dumm, zumal die Älteren, die sogenannte Hauptrisikogruppe, trotzdem sterben. Die Seniorenheime sind nicht speziell geschützt worden, etwa durch Schnelltests für alle Besucher. Stattdessen kontrolliert die Polizei Rodelpisten und schreitet ein, um Kindergeburtstage zu beenden. Die Hysterisierung der Bevölkerung durch den ständigen Beschuss mit Infektionszahlen, von denen nicht einmal Herr Drosten weiß, was sie wirklich aussagen, durch permanente Bahnhofs- und Zugdurchsagen etc. passt zu diesem Gießkannenprinzip. Die dilettantische Impfstoffbeschaffung komplettiert das triste Bild.

Die deutsche Regierung behandelt die Menschen wie Kinder, anstatt sie nüchtern zu informieren und selbst entscheiden zu lassen. Die Kollateralschäden der Corona-Maßnahmen werden nicht gegen ihren Nutzen abgewogen – dabei ist das die zentrale Frage. Wie viele Kleinunternehmer, Künstler, Ladenbetreiber darf man in Ruin und Armut treiben, um wie viele Menschen vor dem Infektionstod zu retten?

Wir werden uns in einer immer dichter besiedelten und immer stärker vernetzten Welt mit diesem Virus und allen seinen Nachfolgern arrangieren müssen. Ich will aber nicht, dass autoritäre Dummköpfe über meine Art zu leben entscheiden, als wären sie militärische Vorgesetze. Punkt.

Dass sich das Klima wandelt, ist unbestritten. Ich habe das am Beispiel meiner Lieblingsberufsgruppe, der Winzer, gelegentlich beschrieben. Die Frage ist, welche Rolle der Mensch dabei spielt – dieser Planet war ja schon einmal deutlich wärmer, als es noch gar keine Menschen gab –, und warum die Bevölkerungsexplosion in Afrika und Asien nicht als Menschheitsproblem Nummer eins behandelt wird. Dieser Planet ist eben kein kuscheliger Ponyhof, sondern ein in ständiger Veränderung begriffenes, auf den menschlichen Besiedler keine Rücksicht nehmendes Gebilde. Ich meine oder fürchte, die Menschheit wird sich niemals auf Maßnahmen gegen den Klimawandel einigen, ohne sich in einen autoritären sozialistischen Weltstaat zu verwandeln. Das meinte ich mit dem Bonmot, dass der Klimawandel dieser Gattung nicht mehr schaden wird als die Maßnahmen, die sie zu seiner Verhinderung ergreift. Ob ein Überlebenskommunismus als ultima ratio dem Aussterben vorzuziehen wäre, möge der Teufel entscheiden. 

Wie die Coronadauerregung speist sich auch die Klimadauererregung aus einer überzuckerten Weltsicht, die nicht akzeptieren will, dass Leiden zu einer Seinsform der Materie gehört, die sich auf Empfindungen eingelassen hat.

Wir werden uns in einer immer dichter und folglich mit immer mehr Betroffenen besiedelten Welt mit dem Klimawandel arrangieren müssen, wie es dieser Gattung, nur in geringerer Zahl, seit jeher auferlegt war und unter extremen Mühen bis heute gelang.   MK am 7. 2. 2021

Aber wir schaffen das! Yes, we can!! Wir werden das wuppen!!!

Es ist bitter, aber gesagt werden muss auch folgendes:

„Als wissenschaftlich tätiger Arzt beobachte ich die Politisierung der Medizin mit großer Sorge. Dazu gehört auch die ständige Berichterstattung über diverse schwer an Covid erkrankte 50- oder 60-jährige (angeblich) ohne Vorerkrankungen/Risikofaktoren sowie über ‚an der Front bis zur Erschöpfung’ arbeitende Pflegekräfte und Intensivmediziner, die ’schlimme persönliche Erfahrungen’ von ihren Visiten berichten.

Hier sind zwei Grundfehler festzustellen: Es gibt in der Natur immer Ausnahmen, also auch unter 70-jährige, die schwer an Covid erkranken und gar sterben. Das sagt gar nichts, seit die (wohlverstanden und richtig angewandte) Statistik in die Medizin Einzug gehalten hat. Einzelfalldarstellungen sind zwar oft sinnvoll und lehrreich, aber bei Covid (und den quasi-totalitären Maßnahmen des Staates zur ‚Bekämpfung’ dieser Krankheit) ist die Aussage, dass nur 1–2‰ der unter 70-jährigen stirbt, sicherlich sinnvoller und erkenntnisfördernder. Leider gehören manche zu diesen 1–2‰, das ist natürlich schlimm, aber unvermeidlich.

Auf den Intensivstationen ist immer schon bis zur Erschöpfung gearbeitet worden, es hat nur nie jemanden interessiert* und die Krokodilstränen möge man sich sparen, besonders die Politiker, die das Gesundheitssystem kaputtgespart haben. Jedoch sind die ärztlichen und pflegerischen Kräfte durch ihre direkte, auch emotionale Beteiligung nicht geeignet, hier unvoreingenommene, neutrale Aussagen zu machen. Auf Intensivstationen sammeln sich immer die schlimmsten Fälle, deshalb sind es ja Intensivstationen. Das ist eine Negativauswahl, und deshalb sind persönliche Berichte interessant, aber medizinisch irrelevant. (Das betrifft nicht die emotionale Zuwendung dem Patienten gegenüber, sondern emotionalisierte Erlebnisberichte von Ärzten vor irgendwelchen Kameras.)

Auch hier ist die nüchterne, kalte epidemiologische Statistik vorzuziehen. Leider werden, wie bekannt, bei ‚Corona’ viele elementare Fehler gemacht, so beim Schlüsselbegriff der ‚Fallzahlen’, wie die Zahl der positiven Testergebnisse genannt wird. Eine relevante Zahl wäre beispielsweise die Zahl der Covid-Patienten, die intensivmedizinische Behandlung benötigen. Damit könnte man aber den Lockdown kaum begründen.

Es waren der Frauenarzt Ignaz Semmelweis** und der Chirurg Theodor Billroth, die durch Statistik zu einer von Einzelfallbeobachtungen sowie schöngefärbten oder auch dramatisierten persönlichen Erinnerungen befreiten, realistischen Sicht ihrer Arbeit gekommen sind. Jetzt wird zu meinem Entsetzen wenigstens in den genannten Fällen*** wieder eine emotionalisierte Medizin propagiert, in den Massenmedien und sogar in Fachorganen wie dem Deutschen Ärzteblatt, ganz offenbar um die drakonischen Maßnahmen der Regierung zu rechtfertigen. Den Patienten nützt das nicht und für die medizinische Wissenschaft als Wissenschaft ist das eine Katastrophe.” Ein Leser Klonovskys am 8. 2. 2021 

*Besonders in Italien kann man seit langem jeden Winter Artikel darüber lesen, dass Ärzte und Pfleger aus den Weihnachtsferien zurückgerufen werden, weil in den Krankenhäusern Notstand herrscht.

**Ich empfehle jedem, Célines wunderbares Buch Leben und Werk des Philipp Ignaz Semmelweis zu lesen. 

***Nicht nur in den genannten Fällen. Seit den 80-ern wurde Jahrzehnte lang auch in medizinischen Fachzeitschriften behauptet, die Umweltverschmutzung habe die Zunahme von Allergien bewirkt, obwohl es in Wirklichkeit an zu viel Hygiene liegt, die verhindert, dass das Immunsystem reift. Und genau dieses Zuviel an Hygienmaßnahmen und Distanzierungsmaßnahmen während des Lockdowns wird dazu führen, dass die Immunsysteme von Heranwachsenden und Kindern noch mehr beeinträchtigt werden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.