Unter den regierungstreuen Tageszeitungen – und das sind hierzulande so gut wie alle – zählt der Berliner Tagesspiegel zu den allertreuesten. Aus reflektierter Distanz verfaßte Texte finden sich dort selten, aber immerhin, es gibt sie. Kürzlich veröffentlichte die Redakteurin Fatina Keilani – den Namen verdankt sie ihrem jordanischen Vater, einem angesehenen Arzt in Westfalen – einen Meinungsbeitrag „Wenn Weiß-Sein zum Makel gemacht wird“, der die Sinnhaltigkeit und Berechtigung der Antirassismus-Kampagnen anzweifelte und als Geschäftsmodell der Betreiber kritisierte.
In deren Augen könnten Weiße selbst beim besten Willen nur alles falsch machen, so dass für ständigen „Empörungsnachschub“ gesorgt sei, heißt es dort. Die Antirassisten strebten für sich keine Gleichberechtigung und Integration an, „sondern eine Sonderstellung, die sie unangreifbar macht“.
Diese farbliche Asymmetrie hat der französische Philosoph Pascal Bruckner vertieft und auf den Punkt gebracht: „Es gibt keine ausreichende Vielfalt der Geschlechter und Rassen in Afrika, China oder Indien, Weiße, Frauen, LGBT für die Regenbogenmenschheit, von der unsere neuen Kreuzritter träumen.“ Diversität würde „natürlich nur von uns“ – den Weißen – verlangt.
Über Keilani brach umgehend ein Twitter-Gewitter von Aktivisten, Journalisten und sonstigen üblichen Verdächtigen herein, welches das Geschäftsmodell und den Herrschaftsanspruch eindrucksvoll bestätigte. Die Autorin wurde gleichfalls unter Rassismusverdacht gestellt, allein weil sie in Frage stellte, daß Ausländer beziehungsweise Migranten in Deutschland grundsätzlich als Opfer eines strukturellen Rassismus zu verstehen seien: Ein exemplarischer Fall bundesrepublikanischer Debattenkultur.
Diese schrillen Wortführer interessieren sich gar nicht für jene, deren Interessen zu vertreten sie vorgeben. Viele Zuwanderer ergreifen schlichtweg die besseren Lebenschancen, die sich im Vergleich zu ihren Herkunftsländern bieten. Ja, es gibt die berüchtigten Clans, aber es gibt eben auch die kompetente türkische Krankenschwester oder den arabischen Krebsarzt, von dem man sich wahre Wunderdinge erzählt.
Gar nicht zu reden vom legendären polnischen Klempner oder der vietnamesischen Blumenhändlerin, deren schulpflichtige Kinder zu den Klassenbesten zählen. Sie tun ihre Arbeit, halten die Gesetze ein, erwerben persönliche Wertschätzung, sind integriert und haben überhaupt keine Zeit, sich rassistisch oder anderweitig diskriminiert zu fühlen. Der aggressive Antirassismus zielt auch auf sie.
Es geht um eine realitätsferne Wahnidee. Leider gibt es genügend Beispiele, daß ideologischer Wahnwitz eine ungeheure Zerstörungskraft freisetzen kann. Die anti-weißen Kreuzritter, die in den Aufnahmeländern die Rassenfrage stellen, sind schon heute „bestens in den Redaktionen vernetzt und entwickel(n) ungeheure Diskursmacht, mit der sie tief in die öffentliche Meinungsbildung eingreif(en)“ (Fatina Keilani).
Instinktsicher knüpfen sie an eine Entwicklung an, die vor mehr als 50 Jahren begonnen hatte, als die sozial- und geisteswissenschaftlichen Lehrfächer an den Universitäten und Schulen sich von der Vermittlung von Bildung auf das politische Engagement, von der Erkenntnisgewinnung auf die sozialreligiöse Theologisierung des Denkens verlegten.
In der Folge hat sich eine politisch homogene Phalanx aus Extremismus- und Gewaltexperten, aus Konflikt-, Gender- und inzwischen auch Rassismus- und Weißseinsforschern herausgebildet, die zusammen mit den medialen Multiplikatoren den öffentlichen Diskurs beherrscht.
Formal konstituieren sie eine Bildungselite, doch haben sie nur ausnahmsweise etwas zu tun mit dem philosophisch geschulten, idealistischen Bildungsbürgertum alter Schule. Immerhin haben sie die Restbestände seines gesellschaftlichen Prestiges geerbt, ohne daß sie in der Lage wären, den geistig-moralischen Verpflichtungen gerecht zu werden, die sich damit verbinden.
Dieser Halbintelligenzija gesellen sich jetzt Migranten-Aktivisten und professionelle Anti-Rassisten hinzu. Mit ihrem Engagement verbinden sie die Erwartung des sozialen Aufstiegs, der abgesichert wird über die soziale Wertsetzung.
Denn wenn der Kampf gegen Rassismus, gegen Rechts, gegen das Patriarchat und was auch immer als Daueraufgabe erst einmal als staatliche Aufgabe anerkannt wird, dann winken Stipendien, Preise, am Ende sogar Festanstellungen, in denen man den persönlichen Lobbyismus und die privaten Obsessionen pflegen, den öffentlichen Ankläger mit dem Richter verbinden und von den Beklagten einen immer größeren Obolus einstreichen kann.
So erfüllt sich der Traum vom leistungslosen Grundeinkommen. Der Soziologe Helmut Schelsky hat dieses Geschäftsmodell schon vor Jahrzehnten präzise analysiert: Er schrieb: „Heute ist nichts leichter, als sich mit Hilfe der Steuergelder der Arbeitenden zu ihren geistlichen Herren aufzuschwingen.“
Das ist möglich, weil die Politik, der Staat, das dulden, fördern, subventionieren. Der Marsch der linken Kulturrevolutionäre durch die Institutionen war erfolgreich. Die revolutionäre Stafette wird nun von einer neuen Generation übernommen.
Das Vokabular des politischen Diskurses bezeugt den rasanten Niveauverlust, der damit einhergeht: „Nazi“, „Haßrede“, „Verschwörungstheorie“, „Volksverhetzung“, „Relativierung des Nationalsozialismus“ und eben „Rassismus“. Das sind inhaltsentleerte, aber effektvolle Begriffe, mit denen sich soziale, juristische und auch physische Drohungen verbinden. Was einmal das „Land der Dichter und Denker“ genannt wurde, ist beim Voodoo angekommen. Hinz
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