Frei kritisierte, daß in einer Handreichung der BpB ein Qualitätsunterschied zwischen Linksextremismus und Rechtsextremismus behauptet wurde. Letzterer sei durch nichts zu entschuldigen, hieß es dort, aber ersterem müsse man mildernde Umstände zubilligen: „Im Unterschied zum Rechtsextremismus teilen sozialistische und kommunistische Bewegungen die liberalen Ideen von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.“ Die Erklärung der BpB, der Text sei jahrelang unbeanstandet geblieben, verfing nicht. Zuletzt mußte eine Korrektur vorgenommen werden.
Damit schien die Sache erledigt. Nun hat aber Anna Schneider in einem umfangreichen Beitrag der Neuen Zürcher Zeitung darauf hingewiesen, daß man es mit einem grundsätzlichen Problem zu tun habe. Denn die BpB verfehle schon seit langem und systematisch ihren gesetzlich vorgeschriebenen Auftrag der umfassenden, verschiedene Sichtweisen widerspiegelnden Information.
Liberale oder konservative Autoren suche man unter den Mitarbeitern vergeblich. Die Darstellung all dessen, was nicht dem Mainstream entspreche, wirke oft einseitig oder verzerrend. Da die BpB zu jenen Institutionen zähle, die im Rahmen des neuen Kampfs „gegen Rechts“ auf Mittel hoffen dürften, stehe eine Kurskorrektur kaum zu erwarten.
Schneiders Feststellung – „Die ideologische Schieflage der Bundeszentrale ist evident“ – kann man nur beipflichten. Allerdings greift ihre Analyse der Ursachen zu kurz. Es genügt jedenfalls nicht, auf die Verantwortung Thomas Krügers hinzuweisen, der seit zwei Jahrzehnten als Direktor der BpB amtiert. Denn schon unter dem Vorgänger des Sozialdemokraten Krüger, dem Christdemokraten Günter Reichert, wurde die Fehlentwicklung angebahnt.
Das wirkt auf den ersten Blick überraschend, da Reichert bei seinem Amtsantritt im Jahr 1992 auf der Linken Panik auslöste. Eine Ursache dafür war das Zeitklima – geprägt vom Zusammenbruch des Ostblocks und der Wiedervereinigung –, eine andere, wichtigere, aber, daß Reichert als „Rechter“ galt: Mitglied der hessischen CDU, Gefolgsmann Alfred Dreggers, noch dazu Korporierter und Funktionär der Sudetendeutschen Landsmannschaft.
Die Angst vor einem Roll Back hat sich rasch verflüchtigt. Was wenig mit der Gelassenheit und Toleranz der neuen BpB-Leitung zu tun hatte, mehr mit deren Unlust am Kampf um die Deutungshoheit. Was wiederum ganz der Haltung des bürgerlichen Lagers entsprach, das seit dem Scheitern der „Geistig-Moralischen Wende“ nur noch materielle Besitzstände wahren wollte, alles andere dem Gegner oder sich selbst überließ.
Ein Hinweis auf diese Zusammenhänge ist deshalb wichtig, weil die Entwicklung der Bundeszentrale für politische Bildung nicht isoliert betrachtet werden darf. Im Grunde ist die BpB keine überparteiliche Instanz mehr, sondern eine Art Zentralamt für Volkspädagogik. Der Verlust der Ausgewogenheit, die ihre Arbeit bis in die 1970er Jahre prägte, kann deshalb nicht als Folge individuellen Versagens oder jüngster Mißgriffe betrachtet werden.
Wenn sich heute niemand vorzustellen vermag, dass die BpB einst neben Willi Eichlers Individuum und Gesellschaft im Verständnis demokratischer Sozialisten eine wohlfeile Version von Gerd-Klaus Kaltenbrunners Die Rekonstruktion des Konservatismus herausbrachte, geht das auf einen Strukturwandel zurück.
Helmut Schelsky hat den im Kontext von „Herrschaft durch Publizität“ untersucht. Er bezeichnete so die Machtausübung qua Herstellung von Öffentlichkeit. Deren Bedeutung sei in Folge des Aufstiegs der modernen Medien dramatisch gewachsen, habe traditionelle Herrschaftsformen verdrängt oder ersetzt. Der Bedeutungszuwachs führte aber gleichzeitig dazu, daß die eigentlichen Aufgaben von Publizität ihre Bedeutung verloren: „Information“ und „Integration“.
Welche Folgen das nach sich zieht, ist an der heutigen Arbeitsweise der BpB deutlich abzulesen. Sie wirkt im Sinne Schelskys „konfliktsteigernd“, weil die Verantwortlichen die Bindung an das Ziel des inneren Friedens abgelöst haben zu Gunsten der Möglichkeit, metapolitische Feinde zu markieren und auszuschalten. Karlheinz Weißmann
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