Stationen

Freitag, 26. Februar 2021

Wie man die Sprache durch den Fleischwolf dreht

Wörter müssen doch meistens gar nicht geändert werden. Sie nehmen neue Inhalte einfach in sich auf. Beispiel: War früher „öko“ ein Schimpfwort, so ist es heute ein Gütesiegel. Die „Schublade“ bei Ikea ist eine andere als die in unserem Kopf. Waren früher Wähler nur Männer, läuft heute eine buntgemischte Menge vor dem inneren Auge zur Wahlurne. Und ja, der Plural ist männlich. Aber das ist unsere Historie! Früher war die Welt nun mal stark männerdominiert. Warum die Worte um diese Information berauben? Lassen wir ihnen doch die Vergangenheit und füllen wir sie mit zusätzlichem Inhalt! Das passiert doch laufend: So kann heute ein reiner Frauenabend (noch!) ohne Unterton als herrlich empfunden werden. Oder wer denkt noch an Hunde, wenn er die Sprache verhunzt?

Wenn ich an Schlittschuhläufer auf einem See denke, so stelle ich mir Frauen, Männer und Kinder in Winterkleidung vor, die über das Eis gleiten, auf den Popo fallen usw. Wenn künftig von Schlittschuhläufern und Schlittschuhläuferinnen die Rede ist, sehe ich keine Menschengruppe mehr. Die Kinder fehlen. Die Diversen übrigens auch. Ich sehe eine Gruppe von männlichen und eine Gruppe von weiblichen Schlittschuhläufern. Ich muss bei den Frauen stehen und die Männer sind woanders – ja, plötzlich geht es gar nicht mehr um den Winter! Durch das Gendern werden wir plötzlich sexualisiert. Bilder im Kopf werden aufgelöst. Dabei war die männliche Pluralform doch schon längst für uns alle da. Warum trennt man uns plötzlich wieder?

Durch diese Unterteilung zwischen Mann und Frau gehen auch Kernaussagen verloren. Wenn ich sage: „Es gibt immer mehr Verlierer in unserer Gesellschaft.“, dann rede ich über die Kluft zu den Gewinnern. Wenn es künftig heißt: „Es gibt immer mehr Verliererinnen und Verlierer in unserer Gesellschaft“, geht der Fokus von den Gruppen Verlierer und Gewinner zu den Gruppen Frauen und Männer. Aber um die geht es doch gar nicht! Und wo sind auch hier übrigens die Kinder und auch die Diversen?

In der Ausbildung zur Journalistin habe ich gelernt, dass Sätze verständlicher werden, je genauer man die Handelnden benennt. Wenn der Schulleiter nun von Lehrkräften spricht, denke ich: Ich möchte nicht, dass mein Sohn von einer Kraft unterrichtet wird. Sollten Medien, Bildungseinrichtungen und Online-Wörterbüchern gelingen, dass generische Maskulinformen künftig als politisch unkorrekt gelten, so werden die Menschen dennoch versuchen, die lange Beid-Nennung zu umgehen. Die Folge wird sein, dass Menschen in unserer Sprache immer mehr „neutralisiert“ werden. Wollen wir das wirklich? Eine Welt voller Lehrkräfte, Gartenkräfte, Hilfskräfte, Führungskräfte, Pressepersonen, Gastpersonen, Reitpersonen, Schiffspersonen – und Diverse. Was macht das mit uns?

Dass die Verwendung des substantivierten Partizips falsch ist, kommt noch hinzu. Der Laufende ist eben etwas anderes als ein Läufer. So kann ich auf dem Weg zur Kita ab und zu durchaus als Sprintende bezeichnet werden, bin aber mit Sicherheit kein Sprinter.

Nachdem wir mit der Gendersprache also nichts gewonnen haben, verlieren wir am Ende auch noch so viel: Schönheit, Melodien und Historie. Den Zurseefahrenden fehlt im Gegensatz zu den Seefahrern jede Glorie! Dürfen künftig noch Engel über den Träumen unserer Kinder wachen? Wie soll es mit einer Gender-Sprache jemals wieder ein Gedicht geben, in dem Menschen vorkommen? Sollen Romane künftig wie mit Sonderzeichen-Passwörtern durchsetzt aussehen? Schlaflieder und Gedichte vorgetragen mit Genderpausen? Wieso dürfen Menschen ohne jegliches Sprachgefühl so viel Einfluss haben? Das darf nicht Erfolg haben!

Das häufigste Argument, was mir Gender-Befürworter gegenüber nennen: „Es gibt Menschen, die fühlen sich verletzt, wenn sie sich ausgeschlossen fühlen. Ich möchte jeden ansprechen!“ Abgesehen davon, dass mit der Nennung der Frauen ja die anderen wiederum erst recht ausgeschlossen werden (siehe oben Schlittschuhläufer), ist dieses Argument interessant.

Warum möchte jeder angesprochen werden? Muss jeder immer persönlich angesprochen werden? Warum denn eigentlich zum Geier? Wollen Frauen sich auch als Betrüger_Innen, Kinderschänder_Innen und Egoist_innen angesprochen fühlen? Reicht es nicht, wenn wir uns angesprochen fühlen, wenn wir angesprochen werden? Aber das, Ladies and Gentlemen, war doch auch schon vor der Gender-Sprache normal, dafür brauchen wir diese Zensur nicht.

Gender-Sprache fördert auch noch die zunehmende Egozentrik in unserer Gesellschaft, in der sich ja beinahe jeder mittlerweile als ein Opfer sieht, dem besondere Aufmerksamkeit geschenkt gehört. Es lebe die Achtsamkeit für mich selbst!

In diesem Moment beginnt die eingepflanzte Sprachreform übrigens eine Eigendynamik zu entwickeln. Schwuppdiwupp wird die Gender-Sprache zur Waffe in der Hand von Bürokraten, Self-Care-Extremisten und sonstigen unfreien Geistern. Plötzlich wird der herkömmliche Sprachgebrauch verpönt, schnell ist man Nazi oder frauenfeindlich. Es ist erschreckend, wie antiliberal die Debatte läuft.

Wie lange kann es sich ein Politiker noch leisten, nur von Wählern zu reden? Wird ein Verlag in der Zukunft noch ein Buch drucken, dass nicht genderinklusive Sprache verwendet? Vielleicht wird nichtgegenderte Literatur in der Schule lieber vermieden oder neu verlegt mit Gender-Sprache. Huch! Und schon haben wir tatsächlich eine der schönsten Sprachen der Welt zerstört und mit ihr Freiheit und Lebensgefühl. Und die Gendernden traben, die Gleichberechtigungsfahne schwenkend, durch die Straßen. Dazu sage ich: übelste Doppelmoral.

Die Entwicklung könnte weitergehen: Was ist eigentlich mit dem Design? Es wäre doch nur konsequent, in jeder Gestaltung Blau- und Rosatöne zu gleichen Anteilen zu verwenden – oder durch ein neutrales Grau zu ersetzen. Zumindest im öffentlichen Raum und bei ARD und ZDF sollte man mit gutem Beispiel vorangehen. Erste Projekte laufen schon an den Unis an: Eine Studentin hat in einer „wissenschaftlichen Arbeit“ das Kartenspiel untersucht: Der König steht hier über der Dame. Das konnte die Studentin erfolgreich ändern. Wie ihr gendersensibles Skatblatt aussieht, können Sie sich denken.   Rieke Hümpel

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