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Freitag, 20. Januar 2012

Dantes Commedia



Die einzige deutsche Übersetzung von Dantes Göttlicher Komödie, die wirklich Lesegenuss gewährleistet, ist immer noch die von Philalethes. Man ist immer wieder überrascht, wenn man sie aufschlägt, weil es geradezu etwas Rätselhaftes hat, wie es Philalethes gelingen konnte, bei all den vergeblichen Versuchen anderer Romanisten, eine so schöne Übersetzung herzustellen. Dabei war Philalethes nicht in erster Linie Romanist, sondern König von Sachsen! Woran liegt es, dass er diesen gelungen Wurf machte? Alle anderen Übersetzungen sind im Vergleich zu der dieses sächsischen Königs aus der Zeit Karl Mays und Richard Wagners mehr oder weniger anstrengend zu lesende Verrenkungen.

Es gibt eine merkwürdige Inkompatibilität zwischen der deutschen und der italienischen Sprache, die bei großen Autoren nur ausnahmsweise (zum Beispiel bei Nietzsche und Thomas Mann) nicht spürbar wird. Aber König Johann gelang es, sie zu umschiffen.

Die einzige Übersetzung, die man wirklich mit genuss liest, ist also die von Philalethes. Dennoch sollte man auch die Übersetzung von Rudolf Borchardt im Bücherregal haben. Und als Vademecum ist wegen der kurz gefassten Erläuterungen auch die von Karl Vossler aus dem Reclam-Verlag nicht ungeeignet.
Den größten Fehler, den man machen kann, ist sowieso - ähnlich wie bei der Bibel - nur eine Übersetzung von Dantes Meisterwerk zu besitzen. Das beste ist natürlich, italienisch zu lernen und das Original zu lesen. Aber selbst dann sollte man mehrere Kommentare dazu lesen. Ich bevorzuge Anna Maria Chiavacci Leonardi und Vittorio Sermonti.




Es gibt nun in Deutschland eine Ausgabe von Dantes Commedia, die sich ganz gut als zeitgemäßer Interpretationsschlüssel für die geistesgeschichtliche Einordnung Dantes eignet. Allerdings mehr wegen Kurt Flaschs Kriterien und die dem deutschen Empfinden vertrauten Fragestellungen, als wegen der Antworten, die Flasch gibt! Und als Übersetzung ist diese Ausgabe auch nicht viel wert. Dennoch sei sie hier erwähnt.

Flaschs Stärke besteht darin, mittelalterliche Philosophie lebendig darzustellen und ihre Aktualität spürbar zu machen. Das kann ein guter Einstieg sein, es sollte aber besser ein zweiter Schritt sein, nachdem man die schöne Philalethesübersetzung gelesen hat (und vielleicht auch seinen Kommentar) und Lust verspürt, weitere Entdeckungen zu machen und die schillernden Aspekte von Dantes Meisterwerk zu erforschen. 

Flaschs Stimme ist eine neue, zusätzliche Stimme, die auch trotz der manchmal zu kühnen Vereinfachungen und mitunter unsäglich eitlen, abwegigen Abschweifungen auf jeden Fall anregend ist, wenn man dabei nie den Fehler macht, Flaschs Worte - sei es bei der Übersetzung, sei es im Kommentar - für gediegen Gold zu halten und vor allem von vorn herein begreift, dass es bei diesem fantastischen Werk ohnehin nie ein letztes Wort geben wird und kein ultimatives Verständnis geben kann.

Dieses Buch ist, wie die Bibel, eines der realistischsten Bücher, die je geschrieben wurden, insofern über diese beiden Bücher - wie über die Realität selbst - immer wieder alles und das Gegenteil von allem gesagt werden wird.




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