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Freitag, 5. Juli 2013

Dilemma

"Die Ordnungskräfte haben verloren, solange sie nicht gewonnen haben. Rebellen hingegen gewinnen allein schon dadurch, dass sie nicht verlieren." Henry Kissinger

Kissingers Wort ist hochaktuell. Erst im Verlauf der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde es wahr. Und erst seit die Menschheit in die Ära der Sabotage eintrat, trifft es den Kern der Sachlage. Das Kräftegleichgewicht hat sich bis auf unabsehbare Zeit zu Gunsten der Rebellen verschoben: je größer ihre Bereitschaft ist, Chaos zu säen, desto hilfloser sind die Ordnungskräfte. Erst wenn es ferngesteuerte Roboter in Insektengröße geben wird, die also nicht größer sind als die in der Natur vorkommenden Drohnen, wird sich das Kräftegleichgewicht wieder zu Gunsten der Ordnungskräfte eingeschaukelt haben. Dann wird die Welt ein unerträglich transparenter Bienenstock sein.

Da wir uns in der Ära der Sabotage befinden, ist Überwachung unerlässlich. Da die technischen Mittel Überwachung nicht nur ermöglichen, sondern quasi erzwingen, ist sie unvermeidlich. Man kann theoretisch - aber nur theoretisch - verbieten, dass überwachte Datenflüsse von Unbefugten eingesehen werden (und dass die befugten Beamten sich bestechen lassen), aber die Einhaltung dieses Verbotes zu bewachen ist ungleich schwerer und die Durchsetzung dieses Verbotes erst recht. Es ist so ähnlich, als müsste man einem Hund beibringen, einen Wurstladen zu bewachen ohne selber zu naschen. Man wird nur das Schlimmste verhindern können und auch das nur, wenn eine mächtige Cybergewerkschaft geschaffen wird, die in gewissen verfassungsrechtlich festgelegten Bereichen gegenüber dem Innenministerium Weisungsbefugnis besitzt.


Es wird nie wieder eine Privatsphäre - ich meine eine wirklich private Sphäre - geben, sondern nur noch konzentrische Sphären unterschiedlichen Grades von Diskretion. Niemand wird mit Sicherheit sagen können, wer was über wen weiß. Die Sphären werden - ähnlich wie heute die diversen Netze - ineinander übergehen; die Überschneidungen werden in unendlich vielen Varianten vorliegen.

Der Stein, der jetzt von dem mutigen Edward Snowden ins Rollen gebracht wurde, ist nur eine winzige Ecke der ganzen Spitze eines Eisbergs. Die Bevölkerung spürt diese Tatsache instinktiv, weshalb die achselzuckende Resignation größer ist als die Empörung. Auf welch groteske Weise zwiespältig und unlösbar das Dilemma ist, dass hier für einen Augenblick - wie während eines nächtlichen, die Landschaft erhellenden Blitzschlages - sichtbar wurde, ist daran ablesbar, dass uns ausgerechnet unser "Deutschland kann Freiheit"- Präsident Gauck daran erinnert, dass es sich bei Snowdens entschlossenem Handeln um Hochverrat handelt.

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