Montag, 28. Juli 2014
Schwein gehabt
Im Gegensatz zu anderen Nachkriegskindern konnte die Flüchtlingsfamilie K. auf die Unterstützung des Veterinärrats zählen, bei dem der Vater in verschlissener Wehrmachtsuniform vorstellig geworden war. Nein, sie war gar nicht verschlissen. Und außerdem trug der Vater nicht wirklich eine Uniform (sie war umgearbeitet worden und nur noch an ihrem Schnitt als solche erkennbar), als er beim Veterinärrat vorstellig wurde. Aber er war mager.
Die nicht zerschlissene Uniform trug er anfänglich bei der tierärztlichen Praxis auf. In den Ställen machte sie damals noch großen Eindruck.
Mit dem amtstierärztlichen Altnazi im Rücken wurde der Familie bald ein Auto zur Verfügung gestellt, bald darauf kaufte sie selber ein eigenes. Bald kaufte man sogar ein Haus an einer der schönsten Stellen des Städtchens und brauchte es nicht einmal lange abzubezahlen: das Geld, das einem die Bauern in nur 4 Jahren gezahlt hatten, reichte völlig. Trotz Währungsreform und anderer im Jammerton vorgetragener Lappalien. Mit 16 durften die Kinder Führerschein machen: Ende der 50-er Jahre, als selbst Erwachsene kaum Auto fuhren und der Führerschein noch ein Statussymbol war.
Mit 16 durch spezielle Erlaubnis des Erziehungsberechtigten den Führerschein zu machen, war wie eine Initiation. Man gehörte zu einer winzigen Gruppe von Auserwählten. Erwachsen war man Ende der 50-er Jahre erst mit 21 Jahren, und normale Sterbliche wussten nicht einmal, dass man den Führerschein auch schon mit 16 machen durfte.
Man war also de lege et ergo de facto 5 goldene Jahre lang ein Ausnahmejugendlicher.
Alle anderen waren im Vergleich dazu nur sogenannte "Halbstarke". Auch wenn man sich später an der Universität einschrieb, erneuerte man den Ausnahmestatus nochmals. Denn bevor dem durch Willy Brandt Abhilfe wurde, stand die Universität nur den Wenigsten offen: die Studenten waren in der BRD 1965 nur 245000.
Nach einem Jahrzehnt SPD und BAFöG waren es 1980 dann über eine Million.
In den 20-er Jahren, als der Vater studiert hatte, waren es im gesamten deutschen Reich nur weniger als 100000 Studenten gewesen.
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