Joachim Gauck und Götz Aly treffen den Nagel auf den Kopf. Seite 2 von Alys Artikel
Dem habe ich eigentlich nichts hinzuzufügen, außer einer paradoxen Variation über dasselbe Thema, insofern:
1. Auschwitz bisher getrost als Singularität angesehen werden darf, solange wir uns unter vernünftigen Menschen mit gesundem Menschenverstand befinden. Denn nichts könnte unsere Furcht ja mehr beschwichtigen: je außergewöhnlicher Auschwitz ist, desto unwahrscheinlicher ist es. Wenn Auschwitz unwahrscheinlich ist, brauchen wir uns aber auch keine Sorgen zu machen, dass es sich wiederholen könnte. Man kann nicht gleichzeitig dieselbe Sache als einzigartig und als wahrscheinlich ansehen.
Meine persönliche Befürchtung ist jedoch, dass Heidegger recht behalten wird: die industrielle Ausrottung ist gar keine Singularität, genauso wie die Industrialisierung der Landwirtschaft keine ist. Pol Pot hat ja bereits in dieselbe Kerbe gehauen. Der nächste Hieb wird weder in Deutschland noch in Kambodscha fallen. Dass jemand 40% der eigenen Bevölkerung zu Oppositionellen abstempelt und liquidiert, wird wohl eher die Ausnahme bleiben, aber die Juden werden weiterhin exponiert bleiben, weil a) der Antisemitismus eine der konstantesten anthropologischen Konstanten ist und b) die Juden einer Tradition der Nichtzugehörigkeit angehören und c) durch die Globalisierung einerseits die Entwurzelung zum Schicksal auch der Nichtjuden wurde (was die Juden wiederum in die exponierte Position des Vorreiters hebt) und andererseits im globalen Dorf nicht mehr ins Exil ausgewandert werden kann, weil Shanghai und New York so gehupft wie gesprungen sind.
http://persciun.blogspot.com/2010/01/rivarol.html
2. Auschwitz mittlerweile so ähnlich wie Lourdes ist. In Lourdes wird immerhin tatsächlich der eine oder andere gesund. Die Pilgerfahrt nach Auschwitz jedoch ist gut gemeint, aber nach allem, was ich beobachtet habe, führt sie nicht zu Gesundung, sondern zu einer Art Trance, wie man sie sonst nur aus Märchen kennt, wo sie "Verwünschung" genannt wird. Auschwitz ist ein Antiwunder, von dem man erkranken kann. Man schaut sich unwillkürlich nach Zauberformeln um, nach dem ironischen Urgrund, der die Merseburger Zaubersprüche auf den Plan rief... Per disastra ad disaspera
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