Stationen

Mittwoch, 10. Dezember 2014

Panik der Eiferer und Bequemlichkeit der Lügner


Die Unfähigkeit, die Möglichkeit einer völlig anderen Ansicht auch nur zu ertragen, wird in Deutschland immer bestürzender. Staatlich verordnete Gleichschaltung gibt es nicht mehr, aber da die Menschen (alle Menschen, nicht nur die Deutschen) meistens von einem Extrem ins andere fallen, wenn das Pendel erst einmal angefangen hat, weit auszuholen, gibt es nun eine reflexhafte Gleichschaltung, die sich aus Überreaktion speist, der Überreaktion des gebrannten Kindes, das das Feuer scheut.

Besonders Menschen, die selber keine Kinder haben - und daher nicht einmal merken, dass in vielen Grundschulen Deutschlands die deutschstämmigen Kinder mittlerweile in der Minderheit sind - tun sich jetzt damit hervor, gegen angebliche Fremdenfeindlichkeit vorzugehen: nicht die Fremden sollen endlich anfangen, deutschfreundlich zu werden, sondern die Deutschen - die sich seit Jahrzehnten untereinander ständig gegenseitig ans Bein pinkeln - sollen den letzten Rest an identitärer Würde, der ihnen noch geblieben ist, endlich endgültig ablegen.

Man wirft Menschen, die sich um die demographische Zukunft Deutschlands sorgen, vor, sie seien hartherzig gegenüber syrischen Flüchtlingen. Mit völlig an den Haaren herbeigezogenen Thesen knüpft man falsche Zusammenhänge, um besorgte Andersdenkende zu diffamieren. Was noch vor gerade einmal 30 Jahren die Rechten ohne mit der Wimper zu zucken taten, um ihre Kritiker mundtot zu machen, tun jetzt die Linken. Damals wie heute wird kein breiter Konsens gesucht, sondern Konformismus durch Ächtung verbreitet. Wehe, man wagt sich dem beschworenen breiten Bündnis zu entziehen.

Am besten war Gauck ganz zu Anfang seines Präsidentenmandats. Es ist nicht leicht für Politiker heutzutage, und ich möchte nicht in ihrer Haut stecken, denn wie mans macht, macht mans verkehrt. Und dennoch muss die verkehrte Welt benannt werden, und man muss wenigstens versuchen, die Dinge wieder gerade zu stellen. Wir sind ein Volk, das sich selber sediert hat. Die Sehnsucht, endlich wieder zu den Gerechten zu gehören und auch weltweit als solche anerkannt zu werden, ist übergroß. Der Wir-sind-wieder-wer-Taumel hat alle erfasst. Völlig weltfremd verkündet Außenminister Steinmeier, Deutschland sei "das beliebteste Land der Welt". Diese Trance muss so bald wie möglich ein Ende haben, denn je später sie endet, desto bitterer wird das Erwachen sein.

Wo man singt, da lass dich ruhig nieder

Dem Himmel sei Dank, dass es das Handelsblatt gibt

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