"Wer über Chile redet und über Prag schweigt, ist kein Sozialist." sagte Rudi Dutschke nach 1973, weil Brežnjevs Panzer, 5 Jahre bevor Allende ermordet wurde, Prag besetzt hatten.
Schade, dass damals keiner von den konservativen oder liberalen Politikern, und nicht mal von den führenden Sozialdemokraten jemand, den Anstand hatte zu sagen, "wer dauernd über Prag und Moskau redet und nie über Chile, ist unglaubwürdig."
Allende wurde wie Mossadeq demokratisch gewählt und, genau wie zuvor Mossadeq, vom Westen im Stich gelassen, als er begann zu verstaatlichen und zu enteignen!
Im Gegensatz zum Iran gibt es in Chile aber kein Erdöl, sondern nur Kupfer. Und aus diesem Grund müssen wir nun vor Ahmadinejad Angst haben, während aus Chile Pinochets Demokratie wurde.
Im Gegensatz zu Prag gab es in Chile ein Blutbad, und zwar ein erhebliches. Allein während der ersten Monate - also ohne all die Desaparecidos, die im Verlauf von 17 Jahren Diktatur noch dazu kamen - starben Tausende (Amnesty schätzte bereits 1 Jahr später 5000 bis 30000 Tote), und es wurde viel gefoltert.
1976 kam es in der Weihnachtszeit zu einem merkwürdigen Gefangenenaustausch zwischen Chile und der Sowjetunion. Sowas kannte ich zuvor nur aus Büchern von Karl May. Luis Corvalàn, der Chef der chilenischen kommunistischen Partei durfte nach Moskau (und wollte auch tatsächlich dorthin, so selten ein solcher Wunsch damals auch war. Von wegen "Geh doch rüber!"), und der sowjetische Dissident Bukowski durfte in den Westen.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41066692.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Luis_Corvalán
Zwei Monate später war ich mit den Eltern in Stettin, weil Willy Brandts Ostpolitik es ermöglicht hatte, in den Osten zu reisen und ich Alt Küstrinchen sehen wollte, wo mein Vater herkam. Außerdem sollte mein Interesse ein Trostpflaster für ihn sein, weil ich den Wehrdienst verweigert hatte. Ich hatte ihn verweigert, weil ich in einer Zeit wehrpflichtig wurde, als die BRD - gemäß Carl Friedrich von Weizsäckers Studie - konventionell ohnehin nicht hätte verteidigt werden können und hielt damals eine Umstrukturierung für nötig, wie sie sich Emil Spannocchi vorstellte, der damals Kommandant des österreichischen Bundesheers war. Der Gedanke, dass der deutsche Michel auf den deutschen Michel schießt, hatte auch Rudi Dutschke vom Wehrdienst ferngehalten, als er noch in der DDR lebte. Aber das wusste ich damals noch nicht.
http://de.wikipedia.org/wiki/Raumverteidigung
http://www.amazon.de/s/ref=nb_sb_noss?__mk_de_DE=%C5M%C5Z%D5%D1&url=search-alias%3Dstripbooks&field-keywords=Durch+Kriegsverh%FCtung+zum+Krieg&x=0&y=0
Jedenfalls kann ich mich heute noch erinnern, was ich abends in Stettin im DDR-Radio hörte: Pinochet hatte gerade gesagt, die BRD stehe ihm am nächsten. Damals fragte ich mich, ist das nur Propaganda, oder stimmt es. Heute weiß ich, dass es stimmte. Es hat aber auch einen positiven Aspekt. Pinochet trat schließlich freiwillig zurück und beschäftigte sich eingehend mit den institutionellen Modellen der BRD, bevor er Chile der Demokratie zurückgab.
Die Inti Illimani sind immer noch eines der großartigsten Volksmusikensembles der Welt. Mittlerweile gibt es zwei davon, da sich die Ursprungszelle geteilt hat.
Ich hörte 1974 zum ersten Mal eine Platte von ihnen in Deutschland, in einem kleinen Geschäft, dass sich auf Themen spezialisiert hatte, die heute die No Global Bewegung beschäftigen. Ich war damals 17, und die Inti Illimani traten wie ein Sonnenstrahl in eine bedrückend düstere Jugendzeit. Inti heißt ja auch Sonne auf quechua, der alten Sprache des Inkareichs. Der Illimani ist ein schneebedeckter Berg in Bolivien, und die frische Bergluft hörte man in der kristallinen Klarheit dieser Lieder.
http://de.wikipedia.org/wiki/Quechua
Groß war meine Freude vier Jahre später, als ich feststellte, dass die Inti Illimani in Italien schon damals (1978) sehr berühmt waren. Noch größer meine Überraschung, als ich weitere vier Jahre später zufällig in einem Park nördlich von Florenz auf sie stieß und sie bei einem Volksfest sah und hörte, weil sie dort ein kostenloses Wohltätigkeitskonzert gaben.
Das war ausnahmsweise mal eine Veranstaltung der Kommunisten, die kein Nepp war. Was von KlausWagenbach und anderen linken Publizisten in Deutschland über kulturelle Leistungen der KPI verbreitet wird, vor allem über die berühmten Zeitungsfeste der "Unità", ist zu 80% gelogen; und zwar bewusst gelogen. Der Grund dafür ist weniger Militanz als viel mehr eine Mischung aus eitler Trägheit, stolzer Selbstgefälligkeit und Dummheit.
Erst damals erfuhr ich, dass die Inti Illimani seit langem in Rom im Exil lebten, weil sie sich während Allendes Ermordung gerade auf Italientournee befanden. Diese Ermordung fand übrigens auch an einem 11. September statt. Ich weiß das so genau, weil es in meinem Leben überhaupt eine der ersten Geschichtszahlen war, die ich mir einprägen konnte, was am Gegenstand liegen muss.
http://de.wikipedia.org/wiki/Putsch_in_Chile
Wunderschöne Marschmusik!
30 Jahre später...
Hier zwei Beispiele, wo sie es - inzwischen im Exil gealtert - mit der Volksmusik Süditaliens versuchen.
Ein Klischee, dass sich hartnäckig hält, bringt Putsch gern mit hitzigem südländischem Temperament in Verbindung. Wahr daran ist, dass der Hitler-Ludendorff Putsch vom 9. November 1923 scheiterte und im Juni 1934 Hitler dann selber diejenigen, die angeblich gegen ihn einen Putsch planten, ermorden ließ. Daraus kann man natürlich schlussfolgern, dass in Deutschland ein Putsch nicht denkbar ist, weil das Betreten des Rasens verboten ist.
Vergessen sollte man aber nicht, das diejenigen, die das Rasen in Deutschland gerne betraten, auch später in nicht unbeträchtlichem Maße in diversen südamerikanischen Staaten dazu Gelegenheit fanden.
Speziell Chile betreffend unterschätzt man die dortige preußische Tradition! Die einstige, die es dort schon ziemlich lang gab (die auch heute noch dort lebenden Reichsdeutschen bauten einst die chilenische Eisenbahn) und die nach dem zweiten Weltkrieg und selbst heute noch vorhandene.
Nicht zu fassen. In Chile gibt es mehr preussische Tradition als in Brandenburg.
Auch unterschätzt man, wie viele ehemalige Nazischergen in Südamerika nicht nur Unterschlupf fanden, sondern in führender Stelle tätig wurden. Ein besonders perverser Verbrecher wie Klaus Barbie konnte in Bolivien zu einem einflussreichen Ausbilder werden und Otto Skorzeny , vormals Mitglied der Leibstandarte Adolf Hitler, wurde Ausbilder in Argentinien. Manch einer war auch in Nordamerika sehr gefragt, weil es in der Politik zwischen Staaten eine Grauzone gibt, die als Biotop für Lebensformen, die an dieses Grau angepasst sind, funktioniert.
http://storyarchitekt.blogspot.com/2009/02/grundlagenforschung.html
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