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Sonntag, 28. August 2022

Ernst Bloch war auch nicht zufällig Karl May Fan

Old Shatterhands Deutschtümelei ist wirklich etwas grenzwertig. Der edle Wilde und der edle Deutsche, und die Schurken sind immer Nichtdeutsche (oft explizit antideutsch), und Klekih-petra als eine Art deutscher Hohepriester, der den Pietismus und den deutschen Idealismus zu den Pueblo-Indianern bringt. Da ist viel Erziehung zur Xenophobie gegenüber nichtdeutschen Europäern dabei bzw. gegenüber den Yankees, bei aller Liebe zu Mays Indianer- und Osmanen- Fernstenliebe. Sämtliche Bücher lassen dieses "am deutschen Wesen soll einst noch die Welt genesen" Motiv anklingen. Aber die Neigung, sich selbst für das Gelbe vom Ei zu halten, ist erstens auch heute bei allen Völkern und Religionen vorhanden, auch heute, sogar unbefangener als im zerknirschten Deutschland. Und zweitens wurde sie zu Mays Zeit auch überall unbefangen geäußert, während seit 1968 diese Unbefangenheit verpönt ist und unterdrückt wird. 

Gerade die natürliche Neigung des Menschen, die eigene Zugehörigkeitsgruppe für letztlich unübertreffbar zu halten ist ja der Humus, auf dem als Gegenmotiv jetzt überall im Westen der woke Schlamm hervorquillt. Die deutschen machen eifriger als andere bei der Selbstbesudelung mit, weil sie seit langem ans willige Hinnehmen gewöhnt sind (und weil nach 1648 die vielen betenden Landesväter ihren Untertanen so viel Vertrauen einflößten, dass der Michel zum gutgläubigen Schaf wurde.

Als Kinder liebten wir auch das in Mays Büchern sich vorbildlich verhaltende deutsche Wesen. Es verhielt sich ja auch wirklich vorbildlich (von dem Antisemitismus, den Jürgen Zimmerer frech unterstellt, keine Spur, und Ernst Bloch war genau wie Hitler und Himmler auch "nicht zufällig Karl May Fan". Wie ein verbissener, rüpelhafter, verlogener Wicht wie Zimmerer Professor werden konnte, müsste untersucht werden. Meine persönliche Ansicht ist, dass Willy Brandts Politik eine gante Generation von BAFöG-Intellektuellen hervorgebracht hat, deren unerschütterliche Selbstüberschätzung durch "verständnisvolle" Professoren geduldet wurde, in der zuversichtlichen Annahme, ihre Schützlinge würden mit der Zeit schon klug werden. Wurden sie aber nicht, im Gegenteil). Bei Salgari gibt es die Verherrlichung der eigenen Nation allerdings nicht, soviel ich weiß (aber die ist trotzdem nicht typisch für Deutschland, sondern für jedes Land. Auch Toskaner, Franzosen, Briten, Chinesen, Afrikaner... alle halten sie sich selber für das Gelbe vom Ei. Man muss nur ein bisschen am Firniss kratzen).

Typisch für den Zustand unseres Landes ist, dass May nicht in der Schule angemessen behandelt wird, obwohl er ein großartiger Erzähler war und durchaus Grund zur seiner Behandlung bestünde und Anknüpfungspunkte vorhanden sind. Die Szene, als May den Henrystutzen bekommt, kann man wunderbar mit Ariost parallel lesen, der im 16. Jahrhundert schon die unritterlichen Feuerwaffen beklagte. Die Tatsache, dass Old Shatterhand den Henrystutzen durchaus zum Vergnügen des Lesers (und gewiss auch vieler Leserinnen) aber dennoch einsetzt, passt dazu, dass Carl Friedrich Weizsäcker ein Patent für die Atombombe angemeldet hatte und angeblich glaubte, den Führer damit führen zu können. Ich sähe es gerne, wenn Karl May in der Schule behandelt würde. So wie ich es gerne sähe, wenn im Geschichtsunterricht die Entwicklung der Waffen und deren Einfluss auf den Alltag untersucht würde. "So schnell schießen die Preußen nicht", lautet ein alter Spruch. Aber 1866 schossen sie viel schneller als die Österreicher, die immer noch Vorderlader verwendeten. Die Preußen hatten Hinterlader. Aber sie hatten noch nicht das Henry-Gewehr, über das May ein paar Jahre später schrieb, obwohl es schon seit 4 Jahren patentiert war in den USA, als die Preußen schneller als die Österreicher schossen. Aber nein, in Deutschland wird immer wieder entweder alles hingenommen oder das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Es gibt mittlerweile keine Gelegenheit, die heutige Deutsche auslassen, wenn sie sich selber besudeln und erniedrigen können. Die masochistische Dauerhysterisierung nimmt kein Ende. Von der Deutschtümelei ins andere Extrem. Jetzt werden nur noch Negativaspekte unter das Mikroskop gelegt (die Mikrobe der menschlichen Dummheit, nach der Dr. Prätorius in dem Meisterwerk von Curt Goetz suchte, wird dabei nicht gefunden werden). Man kann über alles reden, aber klug sollte man darüber reden. Arno Schmidt ist ein sorgfältiger Autor, aber nicht unbedingt ein kluger, wie am deutlichsten daran zu erkennen ist, wie er über Dante schwadroniert.

Kemmerichs Rache

 Hubertus Knabe erzählt von der DDR. Man merkt übrigens am Schreibstil bzw. Beschreibungsstil von Andreas Kieling, dass er in seiner Jugend Karl May verschlungen haben muss!! Zu einer Zeit, als er noch in der DDR lebte, also in alten Büchern, die die Stasi nicht beschlagnahmt hatte.

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