Stationen

Montag, 28. Februar 2011

Glasnost

Minister sollten auch Vorbild sein. Und gerade als Mitglied einer Familie, der sehr an ihrem guten Ruf liegt, muss man sich daran erinnern, Nobless oblige. Man lese nur die Interviews von KTs Vater, in der das Familienethos wie mit Fanfaren angekündigt wurde. Zum Beispiel in CICERO oder in der Tagespost (Veluti si deus daretur)

Andererseits sollte man sich grundsätzlich über Folgendes im Klaren werden. Der Leichtigkeit, mit der man heutzutage über Google ein Plagiat (oder soll ich lieber sagen ein sogenanntes "Plagiat") gefunden werden kann, entspricht die Leichtigkeit des Copy & Paste. Mit anderen Worten, wozu haben wir eigentlich diese Technologie erfunden, wenn wir sie dann nicht benutzen dürfen? Seit es Taschenrechner gibt, ist es dumm mit dem Kopf zu rechnen. Ich weiß, es ist nicht ganz dasselbe. Und dennoch: es wäre lächerlich, die Texte, die ein Doktorand zu Rate zieht, umständlich durch eigene Neuformulierungen (wie es im Schreibmaschinenzeitalter üblich war) in seine eigene Arbeit zu integrieren, wenn es auch so einfach geht.

Wissenschaftliches Arbeiten sollte man nicht an diese Art von Echtheitsfetischismus schweißen. Fußnoten, die die entsprechenden Textbausteine kennzeichnen, dürfen allerdings nicht fehlen. Oder zumindest sollte eine vollständige Liste nicht nur der Autoren und Werke, sondern auch der Seitenangaben folgen.
Mehr noch als all dies zählt in meinen Augen jedoch, dass der Doktorand seine Arbeit diskutieren, erläutern und schlüssig darlegen kann. Er muss Herr der behandelten und dargestellten Materie sein, er muss sie akademisch beherrschen. Wenn der behandelte Stoff beherrscht wird, verblassen die Plagiatsvorwürfe zu Formfehlern.

In ein paar Jahren gibt es wahrscheinlich Software, die "Plagiate" nicht nur dann erkennen kann, wenn der Wortlaut identisch ist, sondern auch, wenn bei anderer Formulierung derselbe Sinn kenntlich wird. Was dann? Soll man auch dann Plagiatsvorwürfe machen?

"Dicebat Bernardus Carnotensis nos esse quasi nanos gigantum umeris insidentes, ut possimus plura eis et remotiora videre, non utique proprii visus acumine, aut eminentia corporis, sed quia in altum subvehimur et extollimur magnitudine gigantea".

Johannes von Salesbury - Metalogicon 3,4,46-50

Dieses Motto gilt in jedem Fall, auch dann, wenn KT umständlich zeitaufwendige Eigenformulierungen getippt hätte. Und die, die ihre Doktorarbeiten schrieben, als es noch kein Copy & Paste gab, könnten irgendwann über die noch kommende Software stolpern. Auch diejenigen, die jetzt den Mund mit dem Wort "Wissenschaftlichkeit" voll nehmen, könnten unter den Stolperern sein; einschließlich der Doktorväter.


Entscheidend sollte sein, dass KT seine Doktorarbeit akademisch beherrscht. Die 30 % von ihm selbst sind das eigentlich vom Doktorvater zu Beurteilende und wiegen in jedem Fall schwerer als die 70% Quellenzitate (die natürlich, wie bereits gesagt, gekennzeichnet sein müssen).

Es wird sich zeigen, ob und wie sich die akademischen Bräuche im Verlauf der nächsten Jahre ändern werden. Der Echtheitsbegriff scheint nicht mehr derselbe zu sein wie früher. Durch die Googletransparenz wird die Bedeutung von Johannes von Salesburys Maxime überdeutlich, während sie im Schreibmaschinenzeitalter noch verschleiert war.

Konservative Skepsis

Wie immer lohnt es sich auch diesmal Michael Wolffsohns Kommentar zu lesen

1 Kommentar:

  1. Woran erkennt man eigentlich die 30%, die schwerer wiegen? Eben daran, an ihrem Gewicht! An der Bravur und Originalität der organischen Verquickung heterogener Quellenelemente und an der Fähigkeit dieses umfangreiche Mosaik zur Plattform eigener Schlussfolgerungen zu machen, deren Eigengewicht die 70% aufwiegen können (und letztere sollten natürlich immer angegeben werden, und zwar nicht nur, wenn wörtlich kopiert wird, sondern auch dann, wenn nur ein Gedanke aufgegriffen wird und sinngemäß wiedergegeben wird).

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