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Sonntag, 5. Juli 2015

Lochockis Dilemma

Das von Lochocki beschriebene Dilemma besteht natürlich nach wie vor. Die rot-grüne Journalistenkaste hat gerade erst damit begonnen, Götz Kubitschek mit dämonisierenden "Features" zum Schreckgespenst zu machen. Aber das ging Klaus Wagenbach nicht anders. Der wurde sogar verurteilt, weil er die Ermordung von Personen wie Ohnesorg als Mord bezeichnete (obwohl Heinrich Böll und Erich Fried als Sprachgutachter auftraten (kein Ruhmesblatt für die beiden übrigens, da sie durch schamlose Verdrehung der Tatsachen versuchten, Schaden von Wagenbach abzulenken).

In noch sehr viel gravierenderem Maße als in Italien fußt in Deutschland die Raison d'etre der Republik auf der Tabuisierung all dessen, was rechts der Christdemokraten gefühlt, gedacht, geglaubt, gehofft, gewünscht, getan werden könnte, also derer, die konservativer als diese fühlen, denken, glauben, hoffen, wünschen und handeln.

Im Parlament Italiens gab es nach 1945 immer eine Nachfolgepartei der faschistischen Partei, genauso, wie es auch immer eine kommunistische Partei gab. Manchmal hatten diese faschistische (die sich natürlich nie so nannte) Partei und die kommunistische sogar dasselbe Abstimmverhalten, ähnlich wie ja auch Gauweiler und Lafontaine manchmal gemeinsame Sache machten. In Deutschland war der moralische Nervenzusammenbruch so erschütternd, dass die NPD nach 45 keine Intelligenzen anzog, sich nie modernisieren konnte und schon gar nicht resozialisieren konnte, wie Höcke sehr treffend formuliert hat, obwohl, wie er ebenso richtig erkannt hat, nicht alle NPD-Mitglieder Rechtsradikale sind, sondern viele ganz einfach Konservative sind, die aus Verzweiflung in einem letzten Akt der Empörung dort landeten.

In Italien hatte die "NPD" intelligenten und klugen Nachwuchs, und wurde im Verlauf der 80-er Jahre - vor allem durch Gianfranco Fini - in eine moderne, seriöse, konservative Partei, umgewandelt, die sich immer rechts von den Christdemokraten hielt, deren oft allzu faule Kompromisse nie mitmachte und vor allem an den Debatten reifte. In Deutschland eine NPD zu sehen, die an Debatten reift... undenkbar. Wir sind nicht demokratisch genug, um mit denen zu reden, um ihnen zu antworten, um sie zu widerlegen. Selbst wenn sie in einem Landesparlament sitzen. Und wenn sie Zulauf bekommen, verbieten wir sie. Jeder andere bekommt eine Chance zur Resozialisierung. Sie nicht. Und wir schämen uns nicht einmal für diese Verweigerung.

Erst nach dem Mauerfall gelangten die bereits in den 50-ern aus dem deutschen Parlament verschwundenen Kommunisten wieder in den Bundestag. Wenn auch nicht unter diesem Namen! Ganz im Gegenteil zu Italien, wo auch die Kommunisten nach 45 ununterbrochen im Parlament saßen, und sogar in Romano Prodis Koalition noch zwei Parteien Hammer und Sichel und das Wort Kommunistisch als unverzichtbar ansahen und erst mit Matteo Renzi zum ersten Mal ein authentischer Sozialdemokrat an der Spitze einer Volkspartei steht (die ständig wieder reflexartig in ihre einstigen kommunistischen Verhaltensmuster zurückzufallen droht, Spaltungen riskiert).

Die Kommunisten begannen ihren Siegeszug in Italien ab 1975, sie erhielten in den 80-ern jede 5. Stimme, in Regionen wie der Toscana und Umbrien jede 3., in der Emilia-Romagna sogar noch mehr. Dies erklärt, weshalb sie nach 20 Jahren Berlusconi immer noch realtiv stark sind. Ihr faschistisches Pendant fristete vor 1994 nur ein Nischendasein, obwohl Fini die Partei modernisiert hatte.

Aber in Italien hat die Tabuisierung nie die pathologischen Ausmaße angenommen, die in Deutschland zu beobachten sind: Ächtung der Linken in den 70-ern, Ächtung der Rechten jetzt. Diese hysterische Neigung zu feindseliger Konformität macht Opposition in Deutschland anfänglich zum Spießrutenlauf, nach einigen Jahren Durchhaltevermögen jedoch umgibt den Oppositeur der Charme des Unschicklichen: wir haben erlebt, dass eine ganze Generation dem Geflöte Wagenbachs am Ende folgte.

Der Wagenbach von heute ist Kubitschek. Der Joschka Fischer von heute ist Frauke Petry. 

Es wird jetzt sehr viel Unangenehmes auf Frauke Petry zu kommen. Aber ich traue ihr zu, dass sie das schultert und unbekümmert und unerschütterlich bleibt. Sie hat Charisma.


"Ein Volk, das sich nicht verschuldet, erzürnt die Kreditgeber." Ezra Pound

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