Donald Trump ist zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt worden, und das mit einer so entscheidenden Mehrheit, dass die ansonsten ja mittlerweile üblich gewordenen Kritiken an Wahlsystem oder Auszählungsprozedur gar nicht erst aufkommen konnten. Es stellt sich nun die Frage, was dies für den „Alten Kontinent“ bedeutet, und wie es diesem gelingen kann, den Fahrtwind, der nun von der anderen Seite des Atlantiks weht, in unseren eigenen Segeln aufzufangen. Wie kann es uns gelingen, nun auch „Europe great again“ zu machen?
Dazu gilt es, zunächst auf die Unterschiede, dann aber auch die Symmetrien zwischen Nordamerika und Europa hinzuweisen. Massenmigration, demographischer Schwund, Überalterung, Niedergang des Christentums, Familienzerfall, Globalisierung, kultureller Selbsthass, soziale Polarisierung, Hedonismus, eine Politik von Brot und Spielen, Bürokratismus, die Unterwanderung sämtlicher Institutionen durch linksliberale Eliten – all das prägt nicht nur Europa, sondern auch die USA, die beide, ob man es will oder nicht, zur selben Zivilisation gehören und sich auch zukünftig wohl parallel entwickeln werden. Freilich springen auch die Unterschiede ins Auge.
- Die Massenmigration in die USA entstammt wesentlich dem lateinamerikanischen Raum, der kulturell, sprachlich und religiös eng mit der europäischen Zivilisation verbunden ist, und auch die Präsenz afroamerikanischer Minderheiten geht schon viele Jahrhunderte zurück und ist engstens mit dem Selbstbild und Gründungsmythos der USA verbunden. Die Situation in Europa stellt sich erheblich kritischer dar: Nicht nur ist Massenmigration ein verhältnismäßig junges Phänomen der letzten drei Generationen, sie stammt auch größtenteils von außerhalb der europäischen Zivilisation, allen voran aus islamischen Ländern, die weniger von Sehnsucht nach unserem Lebensmodell als vielmehr oft genug von Ressentiment erfüllt sind.
- Damit eng verbunden ist das Problem der religiösen Transformation: Zwar geht auch in den USA die historisch relevanteste Religion, der Protestantismus, massiv zurück; dafür aber wird er größtenteils ersetzt durch den Katholizismus der Lateinamerikaner. In Europa hingegen dringt mit dem Islam die Religion einer uns fremden Zivilisation ein und transportiert völlig andere gesellschaftliche, kulturelle und historische Identitäten.
- Was den mittlerweile so typischen „Selbsthass“ unserer Zivilisation betrifft, so ist dieser zwar ebenfalls ein auf beiden Seiten des Atlantik zu findendes Phänomen: Ursprünglich stammte er aus europäischen, vor allem französischen akademischen Milieus, fand in den USA dann einen späten, aber massiven Widerhall und wurde dann als Breitenphänomen zurück nach Europa exportiert. Auch die Dekonstruktion von Männlichkeit und Geschichtlichkeit ist ein gemeinsames Schicksal. Aber das identitäre Narrativ der USA unterscheidet sich grundlegend von dem Europas und seiner vielfältigen Staaten. Die USA, wiewohl faktisch immer noch dominiert von den WASP-Eliten, sind von Anfang an gegründet auf den Mythos des identitären Universalismus, der kulturellen Inklusivität und der Menschenrechte, wenn diese zunächst auch noch allesamt stark christlich-abendländisch verstanden wurden, während die europäischen Staaten einen erheblich älteren, komplexeren und vor allem ethnokulturell exklusiveren Hintergrund haben.
- Dies erklärt auch, wieso der Begriff der kulturellen „Globalisierung“, hinter dem de facto der Export des amerikanischen „Way of life“ steht, der seinerseits auf einer massiven Verflachung und Vereinfachung der europäischen Zivilisation beruht, in den USA eine gänzlich andere Färbung annimmt als auf dem Alten Kontinent: Während zum Beispiel McDonald’s auf der anderen Seite des Atlantik geradezu „Tradition“ verkörpert, bedeutet die Fastfood-Kette auf der unseren wesentlich Zerfall und Zersetzung.
- Dazu gehört die gänzlich andere institutionelle Struktur der USA und Europas, die einen Vergleich zwischen Trumps Nationalismus und dem eines europäischen Nationalstaats sehr schwierig macht. Zwar sind auch die USA aus vielen, teils sehr autonomen Staaten mit eigener Identität zusammengesetzt, die sich legal oft stärker voneinander unterscheiden als die EU-Mitgliedstaaten; die allgemeine Kohäsion ist aber eine völlig andere als die der EU. Die USA sind mehr als eine Nation, sie sind ein Zivilisationsstaat; etwas, das selbst die größeren europäischen Nationalstaaten seit Verlust ihrer Kolonien nicht mehr sind und das die EU (noch) nicht ist.
- Auch müssen wir die Parteienkonstellation berücksichtigen: Trump ist zwar trotz exzellenter Vernetzung als relativer Außenseiter in die Politik eingestiegen; seinen Aufstieg hat er aber innerhalb einer der beiden Großparteien der USA vollzogen, nicht als Gründer einer dritten Partei. In Europa allerdings sind die meisten konservativen Parteien am rechten Rand des politischen Spektrums entstanden, also außerhalb der klassischen rechtszentristischen Parteien, und können daher auch nicht entsprechende mediale, institutionelle und personelle Netzwerke nutzen, Erfahrungen abrufen oder historische Seriosität vermitteln.
- Und schließlich: Die USA sind ein Imperium und besitzen auch weiterhin imperiale Ambitionen, während die europäischen Staaten sowohl diesen Status als auch, was noch schlimmer ist, den entsprechenden Ehrgeiz verloren haben. Elon Musks Sehnsucht, den Mars zu kolonisieren, hat Trump wesentlich dazu verholfen, als Mann des Aufbruchs, der Hoffnung und der Expansion betrachtet zu werden; wir in Europa haben dem nichts Vergleichbares mehr an die Seite zu setzen und beschränken uns freiwillig darauf, unseren Niedergang touristisch zu verwalten: Unser Niedergang steckt nicht nur in den Zahlen, sondern auch in unseren Köpfen.
Man könnte diesen Punkten noch viele weitere hinzufügen, aber schon so sollte deutlich werden, dass wir die Situation auf der anderen Seite des Atlantiks weder ohne weiteres auf den einzelnen europäischen Nationalstaat übertragen können noch auf die EU. Das ändert freilich nichts daran, dass wesentliche Punkte des Erfolgs Donald Trumps nützliche Inspirationen auch für die europäischen Konservativen sein können: Charisma, Mut zur Vereinfachung, Aufbau eigener Informations- und Kommunikationskanäle, ungebrochener Stolz auf die eigene Geschichte, Optimismus, Priorisierung der eigenen Interessen, Selbstironie, massiver Einsatz neuester Technologien, Rückführung der Politik auf das Persönliche, enge Zusammenarbeit mit Machtträgern in der Welt der Wirtschaft und Medien usw.
Freilich gilt es neben den Divergenzen und Symmetrien auch die gegenwärtige politische Dynamik zu berücksichtigen und zu reflektieren, inwieweit die Situation der USA zum Nutzen der europäischen Konservativen verwendet werden kann. Da steht auf der einen Seite die keinesfalls uninteressante Möglichkeit, die offene Unterstützung der Republikaner zu gewinnen. Nicht nur Viktor Orbán, sondern auch die polnischen und italienischen Konservativen haben sich seit Jahren bemüht, enge Beziehungen zu Trump und seiner Partei aufzubauen, und dürften nun entsprechend belohnt werden.
Es ist sicherlich kein Nachteil, im eigenen innenpolitischen Kampf nicht nur vom mächtigsten Mann der Welt, sondern auch von der wichtigsten internationalen Medienplattform unterstützt zu werden; und wer vorher noch still und heimlich auf einige armselige Rubel aus dem Kreml hoffte, dürfte nun aus Washington erheblich größere Hilfen erwarten. Damit ist aber auch schon das wichtigste Problem benannt: Trump hat zwar oft genug sein Verständnis dafür erwähnt, dass auch andere Staaten auf dieser Erde zunächst an sich denken und „Great again“ werden wollen, bevor sie sich für die „Menschheit“ interessieren; dieses Verständnis dürfte aber spätestens dort Grenzen haben, wo die unmittelbaren wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen der USA tangiert werden (was natürlich auch vice-versa in mindestens eben demselben Maße für die keineswegs selbstlose Unterstützung aus Moskau oder Peking gilt): So sehr man auch ebenso wie Trump die Exzesse der woken Politik kritisiert, dürfte es schwer sein, weiterhin einen guten direkten Draht nach Washington zu wahren, wenn man gleichzeitig etwa das atlantische Bündnis durch ein eurasisches ersetzen will. Dies bedeutet, dass die europäischen Konservativen sich mehr denn je geopolitisch zusammenraufen müssen, wenn sie nicht zu bloßen Marionetten ihrer jeweiligen mächtigen Patrone aus Ost und West und gegeneinander ausgespielt werden wollen – ob sie nun tatsächlich an der Macht sind oder nicht.
Diese letzte Bemerkung ist fundamental: Immer noch wird Europa weitgehend von eben jenen linksliberalen Eliten dominiert, die in den USA zwar formal abgewählt worden sind, aber auch dort in Kultur, Medien und Deep State sehr einflussreich bleiben dürften. Und die europäischen Eliten werden das „Memento Mori“ aus Washington bestens verstanden haben. Zwar werden sie, wie alle Vasallen, auch nun dem neuen Herren im Weißen Haus gehorchen und die entsprechend eingeforderten Maßnahmen – allen voran die militärische Aufrüstung – brav erfüllen, wenn auch rhetorisch moralinschwanger als Oppositionsgeste verklärt. Auch ist zu erwarten, dass man zumindest die surrealsten Exzesse der woken Ideologie zurücknehmen wird, um sowohl Trump stückweise entgegenzukommen als auch die weitere Erstarkung der eigenen Rechten einzudämmen.
Aber vor allem steht zu befürchten, dass die gegenwärtigen Eliten alles tun werden, um an der Macht zu bleiben, und dementsprechend radikaler denn je daran arbeiten werden, nicht nur die entsprechenden Verfassungen umzuschreiben und Spielregeln zu verändern, sondern auch die Grenzen der Meinungsfreiheit so einzuengen, dass eine Machtergreifung der Rechten mit schier unüberwindlichen Hürden konfrontiert wird. Auch die Diffamierung, Kriminalisierung und Verfolgung der politischen Rechten dürfte kaum abebben, sondern im Gegenteil, getarnt als „Kampf gegen Radikalisierung“, verstärkt weitergehen: Ein Blick auf Polen oder Deutschland genügt, um zu verstehen, wohin die Reise gehen wird.
Und schließlich und endlich steht wohl auch zu erwarten, dass das politische Establishment sich verstärkt auf linkspopulistische Parteien stützen wird, die ein vielversprechendes Gegengewicht gegen rechts versprechen und oft genug interessante Schnittmengen mit ihren rechten Antagonisten aufweisen und entsprechend der Hufeisentheorie Wähler abziehen können, wie in Deutschland das BSW, in Belgien die Kommunisten oder in Frankreich Mélenchon und die neue „Volksfront“ zeigen; eine Tendenz, die angesichts der zu erwartenden Vertiefung der Wirtschaftskrise und der entsprechend sich steigernden Attraktivität radikaler sozialer Forderungen immer deutlicher werden dürfte.
Ob diese Taktiken aufgehen werden, hängt wesentlich davon ab, ob es der europäischen Rechten gelingen wird, ihre machtpolitischen Defizite durch enge Zusammenarbeit auszugleichen und gewissermaßen vom Internationalismus der europäischen Linken zu lernen – unter patriotischen Vorzeichen. Dies impliziert aber zuerst die Einsicht in die Tatsache, dass man im Wesentlichen im selben Boot sitzt, dann den Schulterschluss mit den Nachbarn und die Absage an den klassischen nationalistischen Souverainismus mit seinem Potenzial zur Fragmentierung, und schließlich das Bekenntnis zur gemeinsamen abendländischen Identität und den sich daraus ergebenden Konsequenzen des politischen Hesperialismus im Zeitalter der Multipolarität: Die echte Antwort auf Trumps „Make America great again“ ist nicht „Make Germany/France/Italy/Hungary/Slovenia/Luxemburg great again“, sondern „Make Europe great again“. Und dieses „Europa“ muss erst noch seinen gegenwärtigen Feinden in Brüssel entwunden und dann völlig neu aufgebaut werden. David Engels
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.