Dass die Gedichte von Paul Celan kryptisch sind, ist eine Legende. Was ihn für die meisten Menschen so schwer verständlich macht, ist etwas ganz Anderes, etwas Außerliterarisches: die Tatsache, dass kaum jemand in der Lage ist, sich die Mühe zu machen, die erforderlich ist, um das Schicksal der Juden im 20. Jahrhundert empathisch teilnehmend nachzuempfinden.
Wenn man sich diese Mühe gemacht hat hingegen, fällt einem die "Unverständlichkeit" von Celans Gedichten wie Schuppen von den Augen, und man sieht einen Meister der Klarheit, der mit der Darstellbarkeit eines grauenhaften Erlebnisses ringt; man würde ihm am liebsten ständig unter die Arme greifen, so klar sieht man seine quälende Mühe.
Es gibt für diese Anstrengung einen Ausdruck bei den Chinesen, von dem Ernst Jünger berichtet: "man würde die Bedeutung dem Leser am liebsten mit einer Nadel auf die Augen ritzen" (Jünger in einem Brief an Hans Jonas, wenn ich mich recht entsinne). Diese Wendung erhält ihre Anschaulichkeit natürlich von den Ideogrammen der Chinesen, die bildhafter sind als unsere Schrift.
Das Seil, zwischen zwei
Köpfe gespannt, hoch oben,
langt, auch mit deinen Händen,
nach dem Ewigen Draußen,
das Seil
soll jetzt singen - es singt.
Ein Ton
reißt an den Siegeln,
die du erbrichst.
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