Samstag, 15. Januar 2011
Guter Beobachter
"Die Marktwirtschaft ist an Bedingungen gebunden, die sie nicht selbst erzeugen kann". Wilhelm Röpke
Ich traue Precht nicht zu, ein brauchbarer Initiator, Manager oder gar Politiker zu sein. Aber er ist ein guter Beobachter und manchmal auch Diagnostiker.
Precht streift in seiner Rede vor der FDP tatsächlich DAS zentrale Problem der Gegenwart und Zukunft, das von den Anhängern einer völlig freien Marktwirtschaft wie Milton Friedman (zu denen ich mich bis vor etwa 5 Jahren eigentlich auch zählte, weil mich Milton Friedmans und Ayn Rands Argumente zu guter Letzt eben doch überzeugten) ständig ausgeblendet wird: die Tatsache, dass Adam Smiths "unsichtbare Hand" noch auf die zuverlässige Mithilfe einer anderen, ebenso unsichtbaren Hand zählen konnte, nämlich dem Vorhandensein a) einer Gewissheit bezüglich b) eines soliden Konsenses, der auf der ERFAHRUNG fußt, dass die disziplinierte Einhaltung bestimmter Regeln nicht nur der Gemeinschaft von Vorteil ist, sondern längerfristig (und für die kommende Generation sogar kurzfristig) auch dem Individuum.
Diese zweite unsichtbare Hand hielt Adam Smith noch für so selbstverständlich (und sichtbar), dass sie auch nur zu erwähnen er für überflüssig hielt. Inzwischen ist sie aber nicht mehr selbstverständlich, dafür aber umso unsichtbarer, weshalb das Märchen von der allheilenden Kraft des freien Marktes immer noch geglaubt wird und Kritiker als inkompetent herabgesetzt werden (wenn es sich um Kritiker ohne wirtschaftliche Ausbildung handelt, wie z.B. Amnesty International von Otto Graf von Lambsdorff abqualifiziert wurde) oder ignoriert werden (wenn es sich um Josef Stiglitz handelt).
Der Markt allein - und besonders seine hemmungslose Globalisierung - schafft es aber nicht, für das Wohl aller zu wirken. Die unsichtbare zweite Hand ist die Ethik und Disziplin, die entweder vorhanden sein muss (dann wurde sie einst geschaffen) oder die erst noch geschaffen werden muss, um als kollektiver KONSENS vorhanden zu sein. Die Schaffung eines soliden, dauerhaften Konsenses nur durch das Mittel der Belohnung (also ohne Anwendung von Zwang und Bestrafung) halte ich inzwischen (nachdem ich 3 Jahrzehnte in Italien gelebt habe, wo Strafe einerseits diffus tabu ist und andererseits von der Mafia umso konsequenter als Mittel angewandt wird) für völlig illusorisch!!
Mit anderen Worten, die kürzlich in Deutschland ausgelöste Kommunismusdebatte hat auch damit zu tun, dass inzwischen vage geahnt wird, was immer noch nicht klar zu sehen ist:
1) Der Konsens der zweiten unsichtbaren Hand, auf den Adam Smith noch uneingeschränkt zählen konnte (und der es in Deutschland ermöglichte, dass ein Konzern, dessen Mehrheitsrechte nicht einem Privatbesitzer gehörten, sondern einem staatlichen Wesen, nämlich dem Land Niedersachsen, dennoch effizient geführt wurde! Ich meine VW) ist nicht nur unsichtbar inzwischen, sondern dieser Konsens bröckelt mittlerweile sogar ab und es ist höchste Zeit, dass wir uns dieses Abbröckelns bewusst werden. Dieses Abbröckeln sollte endlich die Hand sichtbar werden lassen, auf die Adam Smith sich verlassen konnte, die aber heute die Hand eines Greisen ist, den man gerne verhöhnt.
Wie vergeblich es sein kann, den gesunden Konsens wieder zu schaffen, wenn er erst einmal nicht mehr vorhanden ist, und sich daraufhin die Erfahrung, dass Kapitalisten nur an Profit denken, als Konsens durchsetzt..., das kann man seit Jahrzehnten an Italien beobachten, wo in vielen Sektoren die Konkurrenz nicht zu einer Besserung führt, sondern stillschweigende Kartelle, die nicht einmal mehr abgesprochen werden müssen, sich durchgesetzt haben und psychoökonomische Aspekte ins Spiel kamen, die nicht den Besseren belohnen, sondern den Skrupelloseren.
2) Mohrrüben allein und sich selbst erzeugende Regeln reichen nicht, es müssen präzis zugeschnittene Regeln sein, und eine Peitsche, die sie einpeitscht. Friderizianisch gesagt: der Sozialismus ist die Fortsetzung fürsorglicher Planung mit strengeren Mitteln. Genauer gesagt: die Planung sollte nicht direkt die Wirtschaft betreffen, wohl aber muss das Rechtssysthem auf wirtschaftliche Notwendigkeiten zugeschnitten werden, und der Rechtsstaat muss funktionstüchtig sein. Inwieweit bei der Verwirklichung eines Rechtssysthems - solange der Konsens die 2. Hand betreffend noch nicht solide ist - wirtschaftsrechtliche Planung und wirtschaftliche Planung nolens volens ineinander übergehen müssen, vermag ich nicht zu sagen. Ich befürchte jedoch, dass das eine und das andere oft schwer auseinanderzuhalten sein werden.
Ordoliberalismus
Niklas Luhmann
Überlebt der Stärkere?
Kapitalismus!
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