Der Pomino bianco ist ein langweiliger Wein (der Pomino rosso auch), aber dass man ihn aus Liebe zur Toskana trinkt, wenn man in Berlin in einem italienischen Lokal Dorade isst, kann ich trotzdem verstehen. Wenngleich niemand, der die Frische der Doraden in Italien gewöhnt ist, je welche in Deutschland essen würde, wo sie schlammiger als Karpfen schmecken. Mein Bruder wunderte sich immer, dass der Grieche in der fränkischen Dorfwirtschaft immer frische Seezungen da hatte. Es lag daran, dass es in Deutschland - im Gegensatz zu Italien - nicht verboten ist, Tiefkühlkost anzubieten, ohne sie als solche auf der Speisekarte kenntlich zu machen. Und "der nette Grieche" grinste ihm natürlich vor, die Seezunge sei frisch.
Es gibt in der Toskana keine guten Weißweine (den Galestro capsula viola hätte ich Botho Strauß nicht verziehen; dann doch lieber Apfelschorle). Nur die Vernaccia von San Gimignano taugt ein bisschen was, und auch davon eigentlich nur ein einziger Erzeuger. Seis drum. Was Klonovsky uns über Botho Strauß mitteilt, ist wissenswert. Der hat ein Buch über den Typus des Idioten geschrieben. Über genau die Art von Idiot, die ich verkörpere. Da hat also jemand, ohne es zu wissen und ohne mein Wissen, tatsächlich ein Buch über mich geschrieben. Sozusagen aus Versehen.
Klonovsky schreibt:
"Botho Srauß ist einer der erfolgreichsten deutschen Dramatiker.
Obwohl der publikumsscheue Dichter "nur noch ungern in die Stadt" geht,
kam er zu einem Gespräch nach Berlin
Es
heißt, er sei ein Antimodernist. Ein Reaktionär gar, zumindest ein
Kulturpessimist. Sein Essay „Anschwellender Bocksgesang“, in dem er
ankündigte, es werde Krieg geben „zwischen den Kräften des Hergebrachten
und denen des ständigen Fortbringens, Aberservierens und Auslöschens“,
löste 1993 einen veritablen Medienskandal aus; seither gilt er dem
linksliberalen Establishment der Bundesrepublik als abservierenswert.
Von allen bedeutenden deutschen Schriftstellern ist er der
öffentlichkeitsscheueste: keine Auftritte vor Publikum, keine
Interviews, kaum Fotos, im Abstand kleiner Ewigkeiten mal ein Essay in
einer Zeitung. „Niemals sich blitzen, filmen, verhören, ehren oder sich
sonstwie erwischen lassen“, hat er vor Jahren als Maxime formuliert.
Ausweislich
seiner Theaterstücke ist er gleichwohl ein intimer Kenner der Psyche
des modernen Menschen, der mit Falkenblicken die Alltagsgeschäfte des
Homo bundesrepublikanensis beobachtet und zu den meistgespielten
deutschen Dramatikern der letzten dreißig Jahre gehört. Ausweislich
seiner Prosa ist er außerdem ein Erotiker der Wahrnehmung, ein
Weltverzauberungssehnsüchtiger und elitärer Sonderling.
Für
Botho Strauß besitzt offenbar noch Geltung, was eine ganze Epoche lang
galt, nämlich dass Isolation der Normalzustand des Literaten ist. „Alle
Kunst ist schamhaft“, schrieb Peter Hacks, und Heimito von Doderer
erklärte, der Schriftsteller sei ein Mensch, den man allenfalls mal im
Treppenhaus treffe.
Unser
Treppenhaus ist ein unscheinbares italienisches Lokal in
Berlin-Charlottenburg, wo Strauß seit Jahren verkehrt und sogar eine Art
Stammplatz besitzt. Was aber nicht heißt, dass er hier regelmäßig seine
Abende verbringt, er lebt bekanntlich zurückgezogen in der
nordostdeutschen Uckermark, und so ist der besagte Tisch heute auch
besetzt, wie Strauß erklärt, der nach einer kurzen Begrüßung durch den
Wirt Platz genommen hat. Der menschenscheue Dichter ist ein artiger Herr
mit sanfter Stimme und vollkommen unprätentiösem Auftritt, dem man
seine 68 Jahre so wenig ansieht wie den ihn umraunenden Ruhm, und
irgendwie passen das Lokal und er zusammen. Obwohl hier seit einiger
Zeit ein Minister direkt nebenan wohne und zuweilen samt Entourage
aufkreuze, wie Strauß erzählt. Er komme ja nurmehr noch ungern in die
Stadt, sagt er. Allein die unzähligen Galerien in seinem einstigen
Viertel seien ihm ein Greuel.
Ob
es denn stimme, dass er seinem ländlichen Dasein inzwischen
staunenswerte ornithologische Kenntnisse verdanke? „Mich interessiert
alles“, entgegnet der Einsiedler, „was da draußen mit mir lebt.“
Der
Eindruck von Weltzugewandtheit verstärkt sich, als Strauß eine Flasche
Pomino bianco zum Fisch ordert. Kein Dichter ist schließlich bedeutend
genug, dass seine Reputation nicht unter einer zur Dorade bestellten
Apfelschorle doch etwas litte. Auch wenn es erst Mittag ist.
Als
kentaurische Figur aus Poet und Chronist schreibt Strauß neben seinen
Bühnenwerken seit einem Vierteljahrhundert die Chronik seiner Zeit.
Diese Chronik kennt keine großen Ereignisse, es handelt sich vielmehr um
ein literarisches Kompendium aus Gedanken, Stimmungen, Reflexionen,
Menschenbeobachtungs-Miniaturen, Kulturverlustmeldungen, oft
aphoristisch verdichtet, mit eingestreuter Rollenprosa. Es sind
Fortschreibebücher, die in der Literatur kaum ein Gegenstück haben –
allenfalls Paul Valerys postum veröffentlichte „Denkhefte“, die
berühmten „Cahiers“. Sie tragen oft merkwürdige Titel („Wohnen Dämmern
Lügen“, „Die Nacht mit Alice, als Julia ums Haus strich“) und werden
womöglich in hundert Jahren als eine der bedeutendsten Quellen zur
Mentalitätsgeschichte der späten Bundesrepublik gelten. Ihr Reigen
beginnt mit „Paare, Passanten“ aus dem Jahr 1981 und endet einstweilen
mit dem soeben erschienen Opus „Lichter des Toren“.
Dessen
Held, wenn man so will, ist der Idiot. Kein konkreter Idiot wie bei
Dostojewski, wir sind ja nicht im Roman, sondern als Typus: der vom
allgemeinen Treiben und Trendbefolgen mehr oder weniger bewusst
abgekapselte „Gemeinschaftsstümper“, der „Ungesellige oder
Unbeteiligte“, der Privatheitsnarr, die Störstelle im allgemeinen
Funktionieren. Strauß holt ihn in die ursprüngliche Bedeutung zurück,
denn ,,der Abgesonderte ist ja der idiotes im antiken Wortsinn“. Wie
aber, fragt dieser Text, ergeht es dem Idioten im sogenannten
Informationszeitalter?
„Während
Intelligenz zur Massenbegabung wurde, sind Klugheit und Einfalt nahezu
ausgestorben“, notiert Strauß. Der Idiot sei der „Prototyp unter den
Menschen, die in Millionenzahl vom Verenden des Verstehens überrascht
werden“. Durch die Weltvernetzung und „die große Gegebenheit von allem“
kehre heute das „Barock-Gefühl für die Vergeblichkeit von allem“ wieder.
Aber: „Was Gott ins Verborgene setzte, hütet der Idiot und schützt es
vor den Übergriffen der zentraldemokratischen Heilsformel Transparenz,
Öffentlichkeit, Aufklärung.“
Hui
– ist der Idiot etwa ein Reaktionär? Er sei „nicht feind der
Demokratie, jedoch der Demokratisierung sämtlicher Lebensbereiche, feind
dem demokratischen Integralismus“, steht im Buch geschrieben. Dass der
Idiot nirgendwo mitspielt, „gewährt ihm eine gewisse Unabhängigkeit,
deren radikalste Steigerung zugleich den Zusammenbruch jeglicher
Kommunikation riskiert“. Seine Sprache – „ganz und gar keine Sprache der
Mitteilung“ – sei ihm weit eher Schutzschirm denn
Kontaktaufnahmeversuch. „Diskretion wäre heute das zentrale Widerwort zu
allem“, schreibt Strauß und beklagt die „Rattenplage der
Kommunikation“. Zwei Kernsätze der „Lichter des Toren“ sind folgende:
„Die schmerzliche Lehre lautet, dass das Vergangene reicher, das
Gegenwärtige aber komplexer ist“, und: „Ich habe alles verlernt, was
mich eines Besseren belehrte.“
„Sind Sie ein Reaktionär, Herr Strauß?“
„Über den Reaktionär steht manches im neuen Buch. Bin ich einer oder nur manchmal einer? Wer weiß.“
Es
steht zumindest einiges zur Klärung dieses meist mutwillig
missverstandenen Begriffes im Buch, etwa der Hinweis, dass der
Reaktionär historisch geschehen sein lasse, „was niemals war“, dass er
„als der echte Epiker“ das Gewesene verkläre, „um es jederzeitlich zu
machen“. Er sei ein „Phantast“, er lebe „in Symbiose mit den
Verhältnissen, die er verpönt, und einzig in seiner Sprache kann er sich
über sie erheben“. In der Öffentlichkeit aber werde mit dem Schwefel-
oder auch Schwafelwort „nur der Bierschaum des politischen Stammtischs
assoziiert“.
Ganz
auf der Linie des authentischen Reaktionärs liegt Strauß jedenfalls,
wenn er sich über den „ästhetischen Urfehler“ auslässt, „das Hohe
zugunsten des Breiten abzuwerten“ und prophezeit: „Die Frage des Niveaus
wird in Zukunft wieder von der Begrenzung der Zugänglichen abhängen.“
Der „intellektuelle Götzendienst vor dem Populären“ habe eine „stete
Anpassung nach unten“ bewirkt. „Die Künste, die den Müll der Welt zu
spiegeln vorgeben, vermehren ihn nur“, höhnt der Dichter. „Verkommenheit
und Verwüstung menschlicher Verhältnisse waren eine Zeitlang zum
selbstgefälligen Thema der Bühnen und Galerien geworden, sie wurden satt
daran. Kein Wunder, daß diese beharrlich diagnostizierte Verkommenheit
von ihrem ästhetischen Nachvollzug kaum zu unterscheiden war.“
Doch
wenn er dann ausruft: „Wir anderen müssen neue unzugängliche Gärten
bauen! Zurück zur Avantgarde!“, klingt das nun gar nicht mehr
reaktionär. Strauß bringt auch einen Alternativbegriff in Vorschlag: den
Anachronisten, für jeden Zeitgeist Unverfügbaren. „Der Anachronist war
seit jeher der besser Deutsche“, schreibt er. Wer wollte ihm da
widersprechen angesichts der notorisch unentspannten, zur
Konsensvollstreckung neigenden Öffentlichkeit eines Landes, in dem seit
Jahrzehnten immer neue Gesinnungsvorschriften herrschen? „Es sollte all
jenen, die heute die leichte Zunge haben und das Sagen, nicht erspart
bleiben“, wünscht sich Strauß, „einmal in ihrem Leben unter den Schock
des Ausgeschlossenseins zu geraten, einmal von der Kultherrschaft
Andersgestimmter, die niemanden verfolgt, sondern nur ausschließt,
verweist, exkommuniziert, entnetzt – es sollte ihnen einmal das Gefühl,
nicht dazuzugehören, bestimmt werden.“
Ein
Leitmotiv der Strauß’schen Fortschreibebücher ist das sich-Sperren
gegen die „Totalherrschaft der Gegenwart“, wie es im „Bocksgesang“
heißt. Man kann sich den Einzelgänger aus der Uckermark auch im 3.
Jahrhundert nach Christus zu Füßen eines ägyptischen Tempels sitzend
vorstellen, wo er niederschreibt, welchen Verlust es für die Welt
bedeutet, dass bald niemand mehr die Hieroglyphen zu lesen und
geschweige denn zu deuten verstehen werde. Wenn er aus dem Studium der
Geschichte überhaupt etwas gelernt habe, sagte der Historiker Joachim
Fest einmal, dann dass jeder Fortschritt mit Verlusten erkauft werde. Da
Menschen bekanntlich sterben und neuen Generationen Platz machen,
stirbt auch das Bewusstsein der Verluste, ja sie würden sogar komplett
aus dem kollektiven Gedächtnis verschwinden, gäbe es nicht den
Chronisten und vor allem den Dichter als Archivar des Imperfekts. Und
den Idioten, der als „zeitinsulare Persönlichkeit“ weder im Gestern lebt
noch im Heute, sondern in seiner eigenen Zeit, in der sich alles
wundersam vermengt.
Nun
darf man sich den Quasi-Eremiten und Dichter-Chronisten Strauß
keineswegs als einen Menschen vorstellen, der völlig aus seiner Zeit
herausgefallen ist. Er benutzt ein Handy („mit Androidsystem“), hat
daheim einen Blu-ray-Beamer fürs Privatkino, „jede elektronische,
informationstechnische Neuerung reizt mich zum Kauf, ich lese die
Zeitung auf dem Tablet“. Indes: „Wer sich an technischen Neuerungen
berauscht, ist ein Schwachkopf. Wer sich ihrer zu bedienen versteht, ist
ein Alltagsmensch, aus dem noch einmal etwas Besonderes werden könnte,
wie zu allen Zeiten.“
Marshall
McLuhans längst bis zur Kanonisierung von aller Welt nachgeplapperte
Behauptung, das Medium sei die Botschaft, ist aus seiner Warte ein
großer Unsinn, denn der Mensch bleibt unter allen
Kommunikationsverhältnissen dasselbe sterbliche, fehlbare, unerlöste,
vergeblich die letzten Fragen stellende Wesen: „Ich weigere mich, das
menschliche Schicksal in den Revolutionen des Komforts sich erfüllen zu
sehen.“
Strauß
wird sogar, wie er versichert, zur Bundestagswahl gehen. Nicht, weil er
sich irgendwelche Illusionen macht, sondern um, wie er mit Thomas
Hobbes sagt, „das Schlimmste zu verhindern“. Was das Schlimmste sei,
will er aus einer Art Zunftstolz nicht weiter ausführen – Autoren, die
politisch missionieren, sind lächerlich. Ein mögliches Motiv taucht in
den „Lichtern des Toren“ auf, nämlich „wie mitten im Frieden Landschaft
verheert wird, so gemein und hochmütig, so um sich greifend und im Unmaß
aufragend, Horizonte sperrend, rücksichtsloser als Feuersbrunst,
Rodung, Industrialisierung zusammen“. Was den Schöngeist noch mehr in
den Harnisch bringt als alle Galeristen sind jene, „die mit Windkraft
moralische und unmoralische Geschäfte machten, Schänder der
Landschaftsseele“, und er sähe gern „jeden einzeln auf ein Rotorblatt
gefesselt und bis auf den Jüngsten Tag im Höllensturm sich drehen“.
Und
da wir schon bei den schwereren Zeitgeistverstößen des Dichters sind,
sei auch noch folgender zitiert: „Wir drängen den neben uns wohnenden
Muslimen unentwegt unsere Freiheiten auf, denken aber nicht daran, auch
nur das Geringste von ihrer sittlichen Freiheitsbeschränkung
nachahmenswert zu finden oder auf uns abfärben zu lassen“, notiert er.
„Dabei täte etwas mehr Familie, etwas väterliche Stärke einem
Erziehungsverhalten gut, dessen Schwächen allenthalben von staatlich
geförderten Hilfen kostspielig kompensiert werden.“ Im Zuge des
Bevölkerungswandels, so Strauß, „werden sich möglicherweise andere
Prioritäten herausbilden, als sie heute gültig sind“. Was wiederum
andere Folgen haben könnte, als gemeinhin gedacht, denn: „Identität –
wir benötigen zur Zeit keine. Was wir brauchen um ihretwillen, ist
Fremdherrschaft. Was kann den Deutschen besseres passieren, als in ihrem
Land eine kleine verschworene Minderheit zu werden?“
Das
kann dauern, weshalb jetzt das Thema wechselt. Denn eigentlich ist
Botho Strauß ja Dramatiker. Der Spielplanbeherrscher von einst findet
sich allerdings zunehmend seltener in den Theaterprogrammen. Immerhin
wurden aber noch 2011 zwei Stücke von ihm in Wien („Das blinde
Geschehen“) und München („Leichtes Spiel“) uraufgeführt. Für erhebliches
Medieninteresse sorgte die Hollywood-Aktrice Cate Blanchett, als sie
2011 zunächst in Sydney, im Jahr darauf auch in Wien, Paris und London
die Hauptfigur in seinem Stück „Groß und klein“ aus dem Jahr 1978
spielte.
Wie wichtig ist ihm das Theater heute noch?
„Wissen
Sie, man kann nicht mit 70 noch Theaterstücke schreiben, das ist
unappetitlich“, erwidert Strauß, und es klingt recht entschieden.
Aber interessiert er sich noch für das, was auf den Bühnen passiert?
„Wir
haben damals das behäbige bürgerliche Theater abgelöst, und jetzt
müsste irgendwer das Regietheater ablösen. Ich gehe da nicht mehr hin,
weil mich die Weltsicht von Regisseuren nicht interessiert.“
Er
erinnere sich noch gern an die Münchner Kammerspiele mit großen
Schauspielern wie Sibylle Canonica, Cornelia Froboess, die seine Partien
am häufigsten gespielt habe, oder Thomas Holtzmann, aber dem heutigen
Schauspiel sei die Nuance ausgetrieben worden. Für ein so subtiles Stück
wie der "Schwierige" von Hofmannsthal etwa könne er sich gegenwärtig
weder einen Schauspieler noch einen Regisseur vorstellen, notiert er,
und ein Werk von der Größenordnung des „Othello“ sei „nicht mehr faßbar
für heutige Bühnengesinnung“.
Und
wenn man dem ganzen wohlfeilen Gekaspere die Subventionen striche?
Strauß schüttelt durchaus traurig den Kopf: „Wenn man die Theater
privatisierte, gäbe es nur noch Boulevard.“
Ende
Juli präsentierte Strauß Auszüge aus seinem Buch vorab im „Spiegel“,
und die meisten Feuilletons schubladisierten seine Überlegungen und
Empfindlichkeiten teils unter Koketterie, teils unter Vorgestrigkeit.
Die FAZ erwog wiederum unter Inkaufnahme des Vorwurfs der
Trivialpsychologie, es handle sich um einen „Hilferuf“. Den Ekel als
Motiv hatte seltsamerweise niemand auf der Rechnung. „Nicht alles ist
verloren“, statuierte der von Strauß geschätzte Aphoristiker Nicolás
Gómez Dávila, „wenn wir noch die notwendige Energie besitzen, um unseren
Ekel und unseren Überdruss zu verkünden.“ Die Möglichkeit, jemand könne
von der kommunikativsten, schamfreiesten und emanzipiertesten aller
Welten tatsächlich zutiefst angewidert sein, wollen sich viele
intellektuelle Lautsprecher offenbar nicht vorstellen.
Der
Wein ist geleert. „Schauen Sie sich“, sagt Strauß zum Abschied draußen
vorm Lokal, „noch den Walter-Benjamin-Platz von Kollhoff an: endlich
einmal wieder ein Versuch, mit einem städtischen Platz so etwas wie
einen öffentlichen Raum herzustellen. Aber das wurde sofort als
faschistisch denunziert.“
Spricht’s,
winkt – und kehrt heim zu Biber, Wels und Kranich. „Ohne Erwartung auf
das Ende. Vom Unabsehbaren gewärmt“, schließt sein Buch, „Heiterkeit der
Abstinenz wird die vorherrschende Laune des Idioten sein.“ Michael Klonovsky
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