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Montag, 19. April 2010

Heikel

http://www.ardmediathek.de/ard/servlet/content/3517136?documentId=4204168

Küng hat sich in einer Sternstunde ein Steinchen aus dem drückenden Schuh geschüttelt. Wenn er damit falsch liegt, ist alles halb so schlimm. Wenn er richtig liegt, könnte er einen Stein ins Rollen bringen, der mehr Schaden anrichtet als er Gutes bewirkt. Am Ende kommt alles, wie es kommen muss.

4 Kommentare:

  1. Sie sind aber auch wirklich ein hartgesottener Benedikt-Fan! In der letzten SonntagsFAZ war ein interessanter Vatikan-inside-Artikel, den ich Ihnen empfehle.

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  2. Stimmt. Das kann man wohl sagen! Ich mache mir jedoch ganz andere Sorgen. Das Schicksal der katholischen Kirche betrifft uns alle, und zwar sehr viel mehr, als uns lieb ist und die meisten Menschen ahnen. Und ich bin ja gerade deshalb ein Ratzingerfan, weil sich allgemein ein fürchterlicher Schlamassel angesammelt hat, der bis in die katholische Kirche hineinreicht und kaum jemand soviel Überblick wie R hat. Woytila und Ratzinger haben unglaubliches geleistet in 30 Jahren. Gysi und Küng setzen auf dasselbe Pferd. Es heißt Entropie.

    Ich habe gerade drei Kommentare über Benedikt gelesen. Der eine ist von dem Atheisten Giuliano Ferrara, der - im Gegensatz zu Michael Wolffsohn - mit den Worten "einerseits malissimo, andererseits benissimo" urteilt und sehr zutreffend auf die ungeheuren Schwierigkeiten von Benedikts Aufgaben hinweist, die nicht nur für einen alten Mann an die Grenze des Menschenmöglichen stoßen. Der zweite ist von Jacob Neusner, der Benedikt, als der Sportsmann, der Neusner ist, bescheinigt, seine Worte, Schriften und Handlungen seien völlig konsequent. Der dritte ist von dem progressiven Katholiken Aldo Maria Valli (zugegeben keine progressive Katholikin), der bei der Papstwahl für Óscar Andrés Rodríguez Maradiaga die Daumen gedrückt hatte (weil dieser Kardinal jung ist, Südamerikaner ist, Saxophon spielt und einen Hubschrauberpilotenschein hat usw.) erst mal sehr enttäuscht war, als dieser rigide, unfortschrittliche deutsche Professor ans Ruder kam und jetzt vor Ratzinger den Hut zieht und aufzählt, was er alles für Verdienste hat.

    Beim Lesen fiel mir auf, dass man im Moment als Deutscher ein besonderes Bedürfnis spürt, sich von Benedikt zu distanzieren. Ein richtiger Wir-sind-jetzt-nicht-mehr-Papst-Effekt. Deutschland, das schmollende Dornröschen. Michael Wolffsohn hat es fast noch schwerer als Benedikt. Im Gegensatz zu Benedikt, muss Wolffsohn es auch noch den Deutschen recht machen. Beide schaffen es immer wieder bravurös, nicht gesichtslos zu sein. Wer von beiden es im Moment schwieriger hat, vermag ich nicht zu sagen.

    Im Gegensatz zu Deutschland freute ich mich bei der Papstwahl nicht (nur), weil ein Deutscher Papst wurde, sondern (vor allem) weil ich 1. seine Ansichten in sehr vielem teile und 2. wo ich sie nicht teile, oft zu dem Schluss komme, als Papst würde ich womöglich genauso handeln. Übrigens wurde ich mit der Zeit immer mehr zum Ratzingerfan. Zwischendurch wurde ich immer wieder mal skeptisch und dachte z.B. MKs Bemerkung R wolle die Zeit zurückdrehen sei treffend. Aber bei genauerem Hinsehen überzeugten mich Rs Entscheidungen dann meistens doch.

    Der Artikel von Daniel Deckers? Halte ich für zu inkompetent. Aber Küng ist sehr kompetent. Heinz-Joachim Fischer ist auch nicht auf den Kopf gefallen. Ansonsten sind die wirklich begnadeten Vatikanisten sowieso alle Italiener. Übrigens lese ich normalerweise ja immer nur die Opposition (und wechsle bei jedem Regierungswechsel daher die Zeitung). Bei Ratzinger geht es mir ganz anders: gerade seine Parteigänger sind interessant. Das liegt vielleicht daran, dass die Italiener normalerweise nicht dazu neigen "deutsch" zu denken: also eine Art natürliche Opposition schärft die Gedanken seiner hiesigen Anhänger.

    Marco Politis Kritik ist nicht unberechtigt (da er hervorragend deutsch spricht, wird er wahrscheinlich demnächst in Deutschland zu sehen sein), aber ich befürchte, sie ist nur sehr fein und vornehm, aber nicht so richtig relevant. Mich überzeugen Ratzinger und seine hiesigen Fans jedenfalls sehr viel mehr. Es sind alles besonders scharfsinnige Denker, die durchaus auf die Gefahr achten, dass die Palasttheologie und die Sehnsüchte der Gläubigen auseinanderdriften.

    "Woytila und Ratzinger repräsentieren jedenfalls beide eine Kirche, die nicht übergangen werden kann." sagt Ferrara. Benissimo zensiert er Rs Verdienste für die Ausstrahlung der Kirche, malissimo ist die Zensur für Rs politische Leistung.

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  3. Ratzinger ist einer der ganz wenigen Deutschen, der die italienische Kultur verstanden hat und sie sich sogar angeeignet hat und dabei gleichzeitig Deutscher geblieben ist.

    Das ist nicht leicht - und äußerst selten - bei so gegensätzlichen Kulturen, selbst dann, wenn man einer Einrichtung angehört, die sich als universell (von kat und holos) begreift und auf Grund dessen mehr achtungsvolles Gewahrsein gegenüber kulturellen Eigenarten besitzt als andere menschliche Zusammenschlüsse, die ihre Aufgeschlossenheit so gerne in die Welt hinaustrompeten. Denn man muss deutsche Rigorosität und Präzision mit italienischer Elastizität und Fantasie in Einklang bringen, ohne dabei pedantisch oder beliebig zu werden. Diese tägliche Gratwanderung hat aber seinen Gleichgewichtssinn 3 Jahrzehnte lang geübt, bevor er Papst wurde.

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  4. Unter 6 Milliarden Menschen gibt es kaum jemanden, den ich als Beispiel für Ehrlichkeit und empathische Strenge nennen könnte, aber Ratzinger ist einer davon. Russel und Popper sind schon gestorben, der Dalai Lama hat andere Sorgen als Europa... Ratzinger ist Gottseidank noch da, und er hat die Wahl angenommen, obwohl er schon 10 jahre vor Woytilas Tod darum gebeten hatte, in Pension gehen zu können.

    Apropos Palasttheologie. Ratzinger schreibt immer sehr leicht fasslich und in schönen Bildern, nah an den Menschen, an den Texten der Bibel und an glaubWÜRDIGER kulturgeschichtlicher Tradition (von Athen, Rom, Byzanz und Jerusalem), und er schreibt sehr gut. Ich müsste lange nachdenken, um einen lebenden Schriftsteller nennen zu können, dessen Lektüre so lohnend ist wie die von Ratzingers schön komponierten Predigten. Er schreibt auch ein sehr schönes, geradezu augustinisches Latein. Bei ihm findet sich wie bei kaum einem anderen etwas für groß und klein. Übrigens finde ich den Gedanken, die katholische Kirche zu modernisieren völlig hirnverbrannt. Man modernisiert doch ein lebendiges Museum nicht!! Man bestaunt es wie die Ringe des Saturn und genießt es, und man benutzt es als Vergrößerungsglas, um die Renaissance und die Antike (die beiden einzigen Momente, die uns etwas besseres gegeben haben als Mikro- und Televisionen und ein paar Antibiotika) zu betrachten.

    "Gegen den großen Irrthum, als ob unsere Zeit (Europa) den höchsten Typus M(ensch) darstelle. Vielmehr: die Renaissance-M(enschen) waren höher, u(nd) die Griechen ebenfalls; ja vielleicht stehen wir ziemlich tief; das "Verstehen" ist kein Zeichen höchster Kraft, sondern einer tüchtigen Ermüdung; die Moralisierung selbst ist eine Decadence".
    Friedrich Nietzsche (Notizbucheintrag 1888)

    Logos spermatikos nennt Ratzinger - in der Tradition der Stoa - die Schnittmengen mit anderen Religionen.

    Ich bin viel ratzingerischer als Ratzinger selbst, weil er päpstlicher ist als ich. Mit seinen Diagnosen stimme ich zu 120% Prozent überein, mit der Therapie ja und nein. Ja, weil einem Papst nun mal ein ganz bestimmter Weg vorgeschrieben ist. Nein, weil ich ja nicht der Papst bin und mir daher Deutungen und Einsichten leisten kann, die er besser nicht mal als subjektive Überlegung in einem Buch darlegt. Meine persönliche Stimme ist fast immer eine Qinte von Benedikts Melodie entfernt, und wo sie ob der großen Ähnlichkeit durch zu große Nähe zur Sekunde wird, schreibe ich meistens ein Pausenzeichen und halte den Mund.

    Bei Ebbe kann man zu Fuß von Norden nach Juist gehen. Es gibt im Moment weltweit keinen größeren Philosophen als Ratzinger. Ebbe! Man kann zu Fuß bis zum Mond laufen. Und das tun natürlich auch alle.

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