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Sonntag, 4. April 2010

Frohe Ostern - zwei exorzistische Antworten

"Ich glaube nicht, daß es vor allem Schadenfreude ist, die die Öffentlichkeit und die Medien erfaßt hat."

Stimmt. Aber Maureen Dowds Artikel über Ratzinger ist Häme von der übelsten Sorte, und es werden Zusammenhänge auf eine Weise suggeriert, die an die Hetzerei des Stürmers erinnert. Und mich beunruhigt besonders, dass dieser Rufmord ausgerechnet von der New York Times ausgeht, die ein jüdisches Sprachrohr ist. Einmal ganz abgesehen davon, dass niemand wagen würde, jüdischen Institutionen gegenüber - oder gar gegenüber dem Rabbinat - eine derartige Kampagne genereller Verleumdung vom Zaun zu brechen, wenn eine Reihe schwarzer jüdischer Schafe für einen Skandal sorgt, der ins Konzept ideologischer Gegner passt. Dadurch, dass es aber bei der katholischen Kirche nun geschieht, wird sozusagen ein Präzedenzfall geschaffen, der die Hemmschwelle senkt. Stellen sie sich bloß vor, der Fall Maidoff wäre nicht bereits passiert, sondern würde erst nächsten Monat ans Licht kommen! Dann würden womöglich Neo- und Paläonazis Arm in Arm mit den Fans von Achmadineschad und Bin Laden auf dem Times Square demonstrieren und aus einem Fall Maidoff einen Fall Sulzberger machen und für generelle Verleumdungen instrumentalisieren (nicht obwohl, sondern gerade weil Spielberg und Elie Wiesel zu den Hauptleidtragenden gehören und Lehmans Bank auch zufällig gerade unter die Räder kam). So etwas kann sehr schnell gehen und Dinge in Bewegung setzen, derer man nicht mehr Herr wird. Der Antiamerikanismus ist schon da, und an der jüdischen Lobby wird seit kurzem auf eine Weise Kritik geübt, die mir neu vorkommt. Ich finde diese Eskalationsperspektive grauenhaft, und wir sind ihr jetzt ein Stück näher. Ich habe mich in Bezug auf Maidoff über die geradezu auffallende Stille gewundert und freute mich über jeden Tag, der verging, ohne dass jemand hämische Verschwörungstheorien in die Welt setzte. Wo sollen die Juden denn diesmal hin, wenn es in Amerika zu einer Antisemitismuswelle kommt?! Ich mag gar nicht dran denken, an die Folgewirkungen und grotesken Zerreißproben, die da auf uns zukämen.

Ich befürchte, dass Maureen Dowds Artikel überhaupt nichts mit der Pädophilie zu tun hat, und nur ein Symptom einer Sachlage ist, und zwar dahin gehend, dass man im New Yorker Bezugsmilieu von Maureen Dowd, dem säkularisierten, modernen, hedonistischen, feministischen Judentum, die Tatsache nicht verdauen kann, dass gerade ein besonders frommer Teil des Katholizismus - ich meine im positiven Sinn fromm! alle Lefevrianer, mit denen ich zu tun hatte, sind demütige, besonders liebenswerte und aufmerksame, einfache Personen, so wie man Christen eigentlich immer gern hätte - meistens auch antisemitisch ist. Ratzinger möchte diesen Antisemitismus nicht, aber er möchte nicht das kostbare Kind Frömmigkeit mit dem Schmutzwasser Antisemitismus wegschütten. Die Juden in der Synagoge von Rom sehen das vielleicht ein, aber die Familie Sulzberger nicht. Und um persona grata bei der Familie Sulzberger zu sein, ist ein geschickter, kühner Schmähartikel über Ratzinger - geschrieben von einer Irin! der traditionell katholischsten Ethnie - genau richtig. In semantischer Hinsicht ist also alles so perfekt wie bei einer amerikanischen TV-Serie, und das deutet auf die Richtigkeit meiner Befürchtung, die man auch für eine paranoide Mutmaßung halten könnte.


"Es ist sicherlich viel Wut dabei. Und Wut zu empfinden auf heilige Institutionen ist legitim. Wenn wir die Ajatollahs verachten, dürfen wir das auch gegenüber dem Papst."

Stimmt 1. im Prinzip und 2. ist die Wut hier in der Sache sakrosankt. Aber nur, wenn erwiesen wäre, dass der Papst für Pädophilie verantwortlich ist und womöglich auch noch dazu steht!! Denn die Ajatollahs stehen ja zu dem Unfug, den sie verbreiten, und nur deshalb verachten wir sie.

Man kann doch nicht auf Grund von ein paar an den Haaren herbeigezogenen Indizien eine Hetzkampagne in Bewegung setzen, indem man den Dreck dieser Unholde - über die heutige Einsamkeit katholischer Priester ist eine Bestandsaufnahme von Nöten - auf das Kleid des Papstes wirft. Ich vermute, dass bei der Sache gerade Ratzinger völlig unschuldig ist und eine sakrosankte Wut instrumentalisiert wird, um den Unschuldigen aus ideologischen Gründen zu diskreditieren, was Frau Dowd - schlimm genug - vielleicht nur aus Ignoranz, überheblicher Selbstüberschätzung und kaltschnäuziger Gedankenlosigkeit und Dummheit getan hat. Sie wird es eines Tages wahrscheinlich einsehen und bereuen.
Denn wem sollte es denn nützen? Den Juden wohl kaum, und den Besitzern ihrer Zeitung schon gar nicht. Oder doch? Eine Art laizistisch-nihilistischer Fundamentalismus nimmt jedenfalls Gestalt an, der aus Mangel an guten Argumenten im Trüben fischt und Zusammenhänge nach dem alten Motto Audacter calumniare, semper aliquid haeret suggeriert. Genau wie im Fall von Buttiglione, der ebenfalls einer der klügsten und integersten Intellektuellen überhaupt ist, die mir bekannt sind. Leute, die so aufmerksam zuhören und so stichhaltig antworten, gibt es so wenige, dass ich auf ihrer Seite selbst dann oft noch stehe, wenn ich ihre Ansichten gar nicht teile!
Gerade Ratzinger ist es doch, der kurz vor der Papstwahl eine programmatische Rede zum Thema Pädophilie vor den Kardinälen hielt, deren unmissverständliche Deutlichkeit so viel Aufsehen erregte. Und ich bin mir sicher, dass Maureen Dowd auschließlich die Schattenseiten der katholischen Kirche recherchiert hat, aber von Vatikan, Bischofskonferenz und Papst und den innerkirchlichen Überlegungen zum Thema Zölibat, Erfahrungsaustauch bei Synoden mit der Ostkirche und deren Priesterehen, dem schwierigen Familienleben im Gemeindeleben (das oft eine größere Belastung als das Zölibat ist) keine blasseste Ahnung hat (so ähnlich wie der "Vatikanist" der taz in Deutschland); es hat doch keinen Sinn zu sagen, macht den Laden einfach dicht! Wo sollten wir den hin mit all den arbeitslosen Priestern? :-) Oder die klugen situationsgemäßen Überlegungen für verheiratete Männer eine priesterähnliche Figur zu schaffen, die die Priester im Gemeindeleben flankiert. Oder die Ausnahmeregelung für verheiratete anglikanische Priester. Maureen Dowd ist mindestens unseriös, hat nicht einen Krümel selbsttranszendierender Empatie, und die Hemmungslosigkeit, mit der sie Feststellungen trifft (und nicht nur vorsichtig argwöhnische Vermutungen anstellt) finde ich haarsträubend. Ich hoffe, ich täusche mich nicht, aber diese Offensive wird wahrscheinlich ein Bumerang werden. Hoffentlich wird es keiner von der Sorte, auf die wir alle gern verzichten würden. Ich habe noch nie so viel Unbehagen angesichts eines Zeitungsartikels empfunden. Nicht der Antisemitismus an sich macht mir diesmal Sorgen, sondern an mir selbst!

Die Goyim dämonisieren immer die Juden, das ist bekannt. Aber dass es sich da um ein epochengeschichtliches Pendeln handelt, scheint nicht so bekannt zu sein. Wenn die Goyim aufhören, die Juden zu dämonisieren, fangen die Juden damit an, die Goyim zu dämonisieren, und umgekehrt. So geht es schon seit 2000 Jahren auf Grund einer fatalen dialektischen Dynamik, aus der kein Entrinnen möglich zu sein scheint.


3 Kommentare:

  1. cs alias Rodney4. April 2010 um 21:08

    Maureen Dowds Artikel ist in der Manier geschrieben wie man es von frühen SpiegelArtikeln kennt. Feste druff. Natürlich geht es ihr nicht um Pädophilie sondern um das System katholische Kirche. Wenn man nicht so - wie Sie - umgeben ist von sympathischen Priestern, kommt man heute schon ziemlich schnell auf furchtbare Vergleiche zwischen gewissen absoluten Systemen. Machterhaltung. Es interessiert uns ja nicht so sehr der oder die sündigen Priester sondern der Umgang der Kirche mit diesem Problem. Das findet man im Stalinismus wieder. Die Partei hat immer Recht und ist wichtiger als der Einzelne. Und wenn dann an der Spitze einer sitzt, der zwar das Gute will aber unfähig ist, die einfachsten Regeln seines Berufes zu praktizieren (einfach mal nach Irland fahren...) und ansonsten auch nicht in der Lage ist, den Staub (Geburtenregelung, Zölibat usw) wegzuwischen, dann schreibt man schon mal so einen Artikel nach dem Motto: jetzt ist genug. Laßt mal andere ran. Und ganz frech: am besten die Frauen.

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  2. Lieber cs, Ihre Wünsche sind sakrosankt, aber es geht leider nicht. Wenn der Papst, wie eine Task Force, überall hinrennt, wo es brennt, banalisiert er nur seine Funktion. Wie ein Igel, der immer zu spät kommt, weil der Problemhase inzwischen ganz woanders Feuer gelegt hat, wo man dann auch böse sein wird, weil der Igel dem sakrosankten Wunsch nicht entspricht.

    "Einfach mal nach Irland fahren", das wäre angesichts dieser tatsächlich Beistand spendende Nähe erforderdernden Situation vielleicht bei Johannes XXIII gerade noch denkbar gewesen, und bei Johannes Paul II, als er noch jung war eventuell auch, weil diese beiden Päpste dafür geeignet waren, mal n Haken zu schlagen; aber auch nur vielleicht.

    Jetzt warten wir erst mal gespannt ab, wie es weitergehen wird, welche Schachzüge Zwischen Black & White zu sehen sein werden und welche Farbe Zylinder & Rodney am Ende jeweils haben werden.

    Heute ist Pasquetta! Das ist eine Verkleinerungsform, sozusagen "Österchen". So wird der Ostermontag, der hier Ausflugstag ist, genannt.

    Vom Eise befreit sind Strom und Bäche durch des Frühlings holden, belebenden Blick, im Tale grünet Hoffnungsglück. Der alte Winter in seiner Schwäche, zog sich in rauhe Berge zurück... Überall regt sich... usw.

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  3. Das deutsche Wort Ostern und das englische Easter haben die gleiche sprachliche Wurzel, deren Etymologie verschieden erklärt wird.
    Das Herkunftswörterbuch von Duden leitet das Wort vom altgermanischen *Austrō > *Ausro für „Morgenröte“ ab, das eventuell ein germanisches Frühlingsfest bezeichnete und sich im Altenglischen zu *Ēostre, *Ēastre, im Althochdeutschen zu ôstarun fortbildete. Der Wortstamm ist mit altgriechisch ēōs „Sonne“ und lateinisch aurora verwandt, die ihrerseits weitere Sprachen beeinflusst haben.
    Ēostra ist erstmals 738 bei Beda Venerabilis (de temporum ratione 15) belegt. Auf ihn geht die Vermutung zurück, das Wort habe eine angelsächsische Lichtgöttin bezeichnet, nach welcher der Monat April auf angelsächsisch Ēosturmanoth benannt war. Das Deutsche Wörterbuch der Brüder Grimm zitiert ihn mit dem Vorbehalt, er könne diese Göttin – als deren späteren Namen sie Ostara vermuten – erfunden haben. Wahrscheinlicher ist, dass Beda Volkstraditionen aufgriff, die im Rahmen frühjährlicher Vegetationsriten, sowie mit den Matronen- und Disenkulten beziehungsweise der altsächsischen Idisi in Verbindung standen, und darüber hinaus im damaligen paganen germanischen Raum üblich waren und teilweise heute noch tradiert werden.
    Die Einführung beziehungsweise Kultivierung des Begriffs Ostern in Deutschland hängt eng mit der Strukturierung der fränkisch-deutschen Kirchenprovinzen zusammen. Diese waren unterschiedlich sprachlich und klerikal geprägt. Im Erzbistum Köln, der kölnischen Kirchenprovinz, die fränkisch geprägt war, herrschte der Begriff pāsche vor und wurde vor allem in den heute erhaltenen Dokumenten so auch geschrieben. Bonifatius hatte als Bischofssitz Mainz, und aus der angelsächsischen Tradition wurde dort in den Dokumenten ôstarun in angelsächsischer Anlehnung als typisches Missionswort verwendet.
    Wegen der Entdeckung des leeren Grabes Jesu „früh am Morgen, als eben die Sonne aufging“ (Mk 16,2 EU) wurde die Morgenröte in der Christenheit zum Symbol der Auferstehung. Die Canones Hippolyti (um 350) gaben daher für die Osternacht die Weisung: Nemo igitur illa nocte dormiat usque ad auroram („Niemand soll in dieser Nacht schlafen, sondern wach bleiben bis zur Morgenröte“). Dies knüpfte auch an die biblische Exodustradition der Israeliten in der Nacht des „Vorübergehens“ (hebräisch Pessach, englisch passover): „Eine Nacht des Wachens war es für den Herrn, als er sie aus Ägypten herausführte. Als eine Nacht des Wachens zur Ehre des Herrn gilt sie den Israeliten in allen Generationen.“ (Ex 12,42 EU).
    Honorius Augustodunensis (12. Jh.) leitete Ostern von Osten (vgl. englisch easter und east) ab, der Himmelsrichtung des Sonnenaufgangs. Viele neue Christen ließen sich damals „bei Sonnenaufgang“ am Ostermorgen – althochdeutsch zu den ostarun – taufen.
    Der Namensforscher Jürgen Udolph erklärt mit Bezugnahme auf Ostern als Tauftermin das Wort aus der nordgermanischen Wortfamilie ausa („gießen“) und austr („begießen“). So wurde ein vorchristlicher Wasserritus als vatni ausa („mit Wasser begießen“) bezeichnet; dann hätte die österliche Taufe die Begriffsbildung veranlasst.
    Eine andere Deutung geht von der lateinischen Bezeichnung hebdomada in albis („Weiße Woche“) für die Osteroktav aus. Da alba im französischen die Bedeutung „weiß“ verliert und die spezielle Bedeutung „Morgenlicht“ bzw. „Morgenröte“ annimmt, kann dies durch das entsprechende germanische Wort wiedergegeben worden sein.

    Buona Pasquetta!

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