Das Brauchtum des 1. Mais ist also ehemals ein typisch katholisches Hybrid von germanisch-heidnischem Volksglauben (und entsprechenden Sitten), der durch Recycling und Uminterpretierung ins Christentum hineingetragen wurde. Dieses bewahrende Element von Sitten war schon bei den alten Römern Jahrhunderte vor Christus als liebevolles Zurückblicken auf Abgestreiftes üblich. Zum Beispiel war der uralte Waffentanz der Salier noch in historischer Zeit üblich, obwohl keiner den archaischen formelhaften Gesang dabei überhaupt noch verstand; und dennoch wurde dieser Ritus sogar bis in die Kaiserzeit beibehalten. Und schon Romulus wurde Pontifex (Brückenbauer) genannt. Die frevelnde Walpurgisnacht war also ein Überschwappen ins Unzulässige: das heimliche Aufbegehren gegen die fremdbestimmte dominierende Kultur, die eben bei der Uminterpretierung gewisse Elemente als unzulässig verdammen musste.
Bei den Lutheranern hingegen die harte Abkehr von diesem altrömischen Usus, der den Kompromiss liebt (und das Risiko, sich zu kompromittieren eingeht), und eine strenge Fokalisierung hebräischer Bildlosigkeit. Nur der Weihnachtsbaum mit seinen Sternen, Kerzen und Engelchen ist auch bei den Lutheranern ein Hybrid germanisch-keltischen Brauchtums und christlicher Symbole. Die Ostereier - heidnische Symbole des Jahresbeginns, der einst im Frühling lag - rollen nur mit.
Bemerkenswert ist, wie sich beim Nationalsozialismus die drei Elemente - lutherische Strenge und Bildlosigkeit als Einstimmung, katholischer Zeremonialstil als Stimmungsbild und germanische Bräuche als Stimmungsmacher - alle drei gleichzeitig durch Überbetonung auffächern und implizit zu einem Kraft-durch-Freude-Programm als Erlebnis wieder zusammenfügen und prächtig ergänzten. Das war es wohl, was Carl Gustav Jung als Wiederkehr der deutschen Seele zunächst begrüßte.
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