Stationen

Donnerstag, 28. Januar 2010

Die Hamburger 10 Gebote

Paul Schulz ist einer der faszinierendsten Theologen unserer Zeit. Ich habe große Sympatie für die beiden Antipoden innerhalb der katholischen Kirche: Kardinal Carlo Maria Martini, der der kompetenteste und angesehenste Vertreter der Modernisierung ist und Ratzinger, der das Zusammenspiel der bewahrenden Elemente am besten überblickt.

Aber ebenso wie für diese beiden Antipoden innerhalb der katholischen Kirche, habe ich Sympatie für den Antipoden der beiden Antipoden. Man hat ihn rausgeworfen, als er noch kein Atheist war und noch vorhatte, den Gottesbegriff zeitgemäß neu zu definieren und historisierend in eine Entwicklungslinie vorheriger Umdefinitionen einzureihen.

Hier sind seine damaligen (1979) klugen "Hamburger 10 Gebote"






  • Kinder haben






  • Finanziell gesichert sein





  • Freizeit gestalten





  • Leben schützen





  • Gesundheit pflegen





  • Sich Schönes leisten





  • Erfolg haben





  • Liebe schenken





  • Mitleid haben





  • Gott denken




  • Menschen sind abergläubisch. Aberglaube muss einerseits eingedämmt werden und andererseits muss er verwaltet werden, denn beseitigen kann man ihn nicht.


    Atheistischer Glaube            Ist Gott eine mathematische Formel?: E. Pastor im Glaubensprozess seiner Kirche (German Edition)      


    http://www.drpaulschulz.eu/

    Mittlerweile wirkt Schulz leider etwas fanatisch auf mich. Aber die neue Epocheneinteilung, die er in Codex atheos vorschlägt, ist hervorragend.



    Homo homini lupus, es ist nicht zu ändern, Paulus, auch wenn du zum Saulus mutierst nicht, du machs damit nur ein Schiff manövrierunfähig, das ohnehin schon leckt.

    Übrigens könnte Christoph Kolumbus Jude gewesen sein. Er reiste an dem Tag ab, als die Judenverfolgung por la limpieza del sangre losging in Spanien. Das ist natürlich nur Zufall. Aber es gibt auch trieftigere Indizien. Die Frage war ein Hobby von Simon Wiesenthal, dem Nazijäger; er hat ein gutes Buch über Kolumbus geschrieben, sehr interessant.

    Sails of Hope: The Secret Mission of Christopher Columbus.

    5 Kommentare:

    1. fanatisch schon (hier im TV), aber Recht hat er. Habe mir mal seine Thesen angeschaut. Mit denen kann ich sehr gut leben.

      AntwortenLöschen
    2. 1. Was er sagt, hat meistens Hand und Fuß. 2. Er gibt sich immer große Mühe, sich so unmissverständlich wie nur möglich auszudrücken, auch bei sehr komplexen Zusammenhängen. 3. Es gelingt ihm, eine neue klärende epochengeschichtliche Gliederung, die ohne den schwammigen nichts- und allessagenden Verlegenheitsbegriff "postmodern" auskommt, weil er die Verlegenheit, die Dinge angemessen zu benennen, als kluger, sprachgewandter Mensch, der auf intellektuelle Ehrlichkeit etwas hält, nicht kennt. Also das sind schon 3 gute Gründe, ihn zu lesen.

      Ich empfehle trotzdem Karl Jaspers schmales Büchlein "Die maßgebenden Menschen" zu lesen, bevor man die Bücher von Schulz aufschlägt. Oder, bzw. und, Bertrand Russels "Geschichte der Philosophie" dazu zu konsultieren. Schulzs eindringlicher Darstellungsstil ist auch beim Schreiben manchmal ein bisschen aufdringlich und fanatisch. Und das Schöne an seiner Rationalität ist auch ein Wagnis, weil die Rationalität letztlich nun mal eine Hure ist, die sich der Subjektivität sehr ungern widersetzt.

      Schulz ist derartig emphatisch... ich höre schon von weitem mein Allarmglöckchen klingeln.

      Schon für Luther stellte sich die Frage, wie weit er gehen könne und müsse, und wo er haltmachen müsse (Von Weizsäcker beschreibt das sehr gut in "Im Garten des Menschlichen"), obwohl er dabei wahrscheinlich nicht ahnte, welche Zerreißproben er ins Rollen bringen würde (Bauernkrieg und vor allem Dreißgjähriger). Was mich beruhigt, ist, dass Schulz großen Wert auf die Unterscheidung zwischen Glauben und Wissen legt. Trotzdem beunruhigen mich Leute wie er, weil sie einen überzeugenden Klarblick für Hintergründe im Vorherigen haben, aber Konsequenzen nicht ebenso aufmerksam beachten und dazu neigen, sich selbst zu ernst zu nehmen. Ich schätze seine Wahrhaftigkeit, aber ich befürchte, manchmal ist es unter Umständen besser, man behält die Wahrheit für sich. Alles zu seiner Zeit. Es kommt auf die richtige Dosierung an. Gorgias von Leontin nannte es "logos pharmakos". Es gilt letztlich dasselbe wie bei Emerson: Don't throw too much ballast, if you want to remain well grounded.

      AntwortenLöschen
    3. Wenn es nach Paul Schulz und John Lennon geht, wird Europa in Zukunft im Namen von Sokrates morden. Mir ist es lieber, es mordet weiterhin in Gottes Namen: die Hemmschwelle ist 50 cm höher.


      Ist Frau Käßmann geschieden, oder ist sie es nicht?

      Ratzinger hat recht. Die Abschaffung des Zölibats würde nur eine neue Figur schaffen: die des geschiedenen Priesters. Mir ist der Priester lieber, der von Marcello Mastroianni in Dino Risis Film gespielt wurde. Und die Pädophilie ist weniger ein Argument gegen das Zölibat, als gegen die Überbewertung der Sexualität.

      Sigmund Freud hob in "Das Unbehagen in der Kultur" auf der ersten Seite hervor, alle Weisheitssystheme des Menschen rieten davon ab, das Glück auf die Befriedigung des Sexualtriebs zu gründen. Damals gab es zwar noch keine Antibabypille, aber die Pille, oraler Sex und ein paar Dummköpfe mit Biologiestudium reichen nicht, um aus 6 Milliarden Menschen Bonobos (Pan paniscus) zu machen. Natürlich ist es schädlich, diesen Trieb zu unterdrücken! Aber den "Glaubenstrieb" zu unterdrücken, ist noch schädlicher.

      AntwortenLöschen
    4. Das schönste Buch, das ich zu diesem Thema kenne, ist Ernst Jüngers "An der Zeitmauer".

      AntwortenLöschen
    5. Es hat keinen Sinn, zu versuchen, die menschliche Unzulänglichkeit abzuschaffen. Man muss in ihr eine gegebene Größe sehen und mit ihr rechnen.

      AntwortenLöschen

    Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.