Wenn die AfD dauerhaft (nachhaltig) über 7% kommen will, muss schleunigst was passieren, damit an ihrer Spitze außer Henkel noch ein paar fähige Manager stehen, die ernst genommen werden. Die Gegenüberstellung in Peter Hahnes Sendung am Sonntag Morgen, bei der Lucke es mit Lambsdorff zu tun bekam, war eine Katastrophe (die auch noch als Triumph bei der AfD gefeiert wurde, was erst recht eine Katastrophe ist). Lucke war Lambsdorff nicht gewachsen. Und zwar nicht nur, weil Lambsdorff gezeigt hat, was für ein ausgekochter Köter er ist, sondern weil er auch inhaltlich punkten konnte.
Lambsdorff legte gleich zu Anfang den Finger in die Wunde mit Joschka Fischers und Helmut Schmidts Argument, Europa sei zum Verschwinden verurteilt, wenn es keine eindeutige Telefonnummer bekomme mit EINEM Außenminister, EINEM Finanzminister, EINEM Verteidigungsminister, EINER Regierung und natürlich einem intra- und intereuropäischen Länderfinanzausgleich, also Eurobonds und Transferunion so bald wie nur möglich. Der perfide Lambsdorff führte das zwar nicht so im Einzelnen aus, aber was er sagte, läuft eben auf genau dies hinaus.
Demgegenèber hatte Lucke nur seine Idee des Staatenbunds demokratischer, souveräner Staaten anzubieten, der sehr an die weltfremden Beschlüsse des "Professorenparlaments" in der Paulskirche 1848 erinnert. Die Assoziation muss Lucke sich leider gefallen lassen.
Wenn Lucke nicht in die Offensive geht und sagt, dass wir vorläufig besser eine dicke Schweiz werden, als den bisherigen Scheiß weiter mitzumachen, verpufft die AfD bald wieder mangels vernünftiger Argumente. Natürlich eine dicke Schweiz zusammen mit all den Ländern, die mithalten können, für einen Nordeuro die passenden Voraussetzungen erfüllen und gern ein Kanton dieser Superschweiz sein möchten. Also eine europäische Keimzelle echter Einheit, die so stark ist, dass sie für alle richtig attraktiv ist. Und nicht nur weil Romano Prodi nach der Unterzeichnung augenzwinkernd die, um die Maastrichtkriterien zu erfüllen, ad hoc erhobene Steuer zurückerstattet und jetzt alle hoffen, sie können Italiens Staatsschulden en passent nach und nach europäisch vergemeinschaften.
Aber auch mit den besten Argumenten wird die AfD mit Lucke nicht weit kommen. Er ist ein kleines Mädchen. Er wird viel zu schnell hysterisch. Seine ohnehin viel zu hohe Stimme wird dann noch höher. Er hat sich nicht in der Gewalt: er schafft es gerade noch, dem Kontrahenten beim ersten Mal aufmerksam zuzuhören, um ihm dann piepsend unter die Nase zu reiben, er möchte genauso nicht unterbrochen werden, wie er ihn nicht unterbrach. Wenn sein Gegenüber ihm später seinerseits antwortet, gelingt es Lucke aber nicht mehr, ihn nicht zu unterbrechen, und das Bild vorbildlicher Überlegenheit, das ohnehin etwas konfirmandenartig war, ist dahin. Ein piepsender Korinthenkacker.
Ein großes Problem ist auch, dass Lucke sich in Erläuterungen verliert, die sich kein Mensch merken kann, statt kurze, formelhafte, einprägsame Schlagworte einzuüben, die nicht vergessen werden und mit denen er die Zuhörer neugierig macht, weil man ihnen anhört, dass es realisierbare Gegenentwürfe zu "alternativlos", "mehr Europa für ein starkes Europa", "nur gemeinsam können wir China etwas entgegensetzen" und "Einklang mit Frankreich nicht gefährden" sind, und die er erst dann erläutert, WENN ER DARUM GEBETEN WIRD, statt sich in Vorträgen zu ergehen.
Nun gut, das könnte er lernen (obwohl es längst erfolgt sein müsste). Aber ich befürchte, solange er nicht von einer ganzen Reihe von Topmanagern flankiert wird (und im Verlauf der Zeit ersetzt wird), fährt die AfD nie Zahlen mit spürbarem Gewicht ein.
Was ist mit Senator Wolfgang Reitzle? Der wäre ein Gesprächspartner, der Lambsdorff mit ein paar Fußtritten dahin befördern könnte, wo er hin gehört.
Zweiphaseneuropa
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