Die meisten Juden Bayerns gab es nicht in München, sondern in Unterfranken! Als ich jung war, dachte ich, der einzige Zusammenhang, der im 20. Jahrhundert zwischen Juden und Franken bestehe, seien die Nürnberger Gesetze und Julius Streicher, und dass das eher Zufall sei. Ich dachte, dass die deutschen Juden vor allem in den Großstädten und Universitätsstädten Deutschlands ansässig waren, aber nicht auf dem Land und schon gar nicht im Frankenland und dann auch noch in Unterfranken. In unserem Geschichtsbuch am Gymnasium fand ich die Information, dass es in ganz Deutschland damals nur 500000 Juden gab. Aber keinerlei Anhaltspunkte zur Verteilung ihrer Wohnsitze im Reichsgebiet, und unsere Lehrer verloren nie ein Wort zur Lokalgeschichte; schon gar nicht, wo es erfreuliches hätte zu lernen geben (über Rückert z. B.), aber auch nicht um dieses schreckliche Kapitel näher heranzuholen und erkennbarer werden zu lassen. Ich dachte daher allen Ernstes, die Judengasse in unserem Städtchen hieße so, weil dort im Mittelalter einst Juden gewohnt hatten.
Dass auch bei uns die jüdischen Familien aus ihren Wohnungen gerissen wurden um in die Vernichtungslager deportiert zu werden, und dass die zuletzt genutzte Synagoge noch heute ein Wohnhaus ist, erfuhr ich sehr spät.
Und erst dann begann ich mich zu fragen, ob das Patrizierhaus am Markt, wo ich als Kind Milch geholt und manchmal ein Eis gekauft hatte, vielleicht einem Juden gehört hatte. Ein Vermutung, die sich mittlerweile als zutreffend erwies. Kannengießer hieß der jüdische Besitzer; er war Lehrer.
Auch dass ausgerechnet bei uns in der Nähe das erste Pogrom der NS-Zeit stattfand, bereits 1933, nur 2 Monate nach der "Machtergreifung", war mir lange unbekannt und überraschte mich. Wenngleich es mich andererseits wiederum nicht überraschte. Es dauert ganz einfach ein bisschen, bis sich so ein überheißes Puzzleteil einpasst. Man ist vorsichtig. Es dauert einige Zeit, bis man einer solchen Tatsache ihren Stellenwert innerhalb des eigenen Proportions- und Maßempfindens zuverlässig beimessen kann, selbst wenn einem auf Grund eigener Erfahrungen und Beobachtungen die rassistische, antisemitische und gewalttätige Mentalität gewisser Gestalten seiner Umgebung seit langem bekannt ist und einem sogar ihre Physiognomie vertraut ist und man immer eine Leere verspürt hatte, die nun durch das zuvor fehlende Element gefüllt wird.
www.judenundbayern.de
1000 Jahre bewegte Geschichte
Clemens VI beschützte 1348 die Juden gegen die Beschuldigung, sie seien die Verursacher der Pest. Aber 1298 und 1336 waren von Röttingen zwei mal Pogrome ausgegangen, die sich auf ganz Franken ausbreiteten.
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