Das
erfolgversprechende Auftreten der AfD in der politischen Landschaft der
Bundesrepublik Deutschland hat zu einer Debatte im jungkonservativen
Lager geführt, in der gegensätzliche Positionen artikuliert wurden.
Personelle Veränderungen hängen damit zusammen. Karlheinz Weißmann, die
intellektuelle Führungsfigur im jungkonservativen Lager, ist aus der
Redaktion der Sezession, der Zeitschrift des Instituts für Staatspolitik (IfS) ausgeschieden. Für das Juniheft hat er, zum ersten Mal nach rund elf Jahren, keinen Artikel verfasst. Auch auf dem Blog Sezession im Netz (SiN) wird er nicht mehr als Autor geführt. Die Junge Freiheit
(JF), für die Weißmann regelmäßig schreibt, stellte ihn noch im April
als wissenschaftlichen Leiter des IfS vor (JF 18/2014, 18), Anfang Juni
wird auf diese Angabe verzichtet (JF 24/2014, 18). Damit scheint
Weißmanns führende Rolle im IfS, das er zusammen mit Götz Kubitschek
gegründet hat, beendet zu sein; solange es allerdings dazu keine
offizielle Erklärung gibt, muss man dies noch mit einem Fragezeichen
versehen. Möglicherweise wird es ein neues Arrangement auf veränderter
Basis geben.
Im
Kern geht es um die Haltung zur AfD und um die Frage, ob und, wenn ja,
in welchem Ausmaß die AfD unterstützt werden kann und soll. Theoretisch
gesprochen: Es geht um das ‚rechte’ Verständnis von Real- und
Metapolitik. Zur Debatte steht aber auch das Verhältnis zwischen IfS und
der Jungen Freiheit, die sich für die AfD von Anfang an
publizistisch engagiert hat. – Im Folgenden gehe ich zunächst auf dieses
Verhältnis ein, um dann im Weiteren die kontroversen Positionen der
jungkonservativen Protagonisten zur AfD in ihrer Entwicklung zu
skizzieren. Abschließend folgt eine Bewertung der derzeitigen
Konstellation.
Zur Vorgeschichte1
Das im Jahr 2000 gegründete Institut für Staatspolitik (IfS) bildete zusammen mit dem Verlag Antaios (Leiter: Götz Kubitschek) und der Berliner Wochenzeitung Junge Freiheit (JF)
den Kern eines Netzwerks von arbeitsteilig operierenden Einrichtungen,
die sich auf unterschiedliche Aufgabenfelder spezialisierten und
gleichzeitig miteinander kooperierten. Die politische Hauptaufgabe der
JF sah Chefredakteur Dieter Stein darin, langfristig mit publizistischen
Mitteln an der Bildung eines tragfähigen gesellschaftlichen Milieus für
die Durchsetzung rechter Positionen auf parlamentarischer Ebene
mitzuwirken. Es sei „höchste Zeit für die Formierung eines starken
konservativ-freiheitlichen Widerlagers“, das in der Lage sei, die
staatstragenden Parteien, insbesondere aber „die Union von rechts unter
Druck“ (JF 41/2009, 1) zu setzen und eine Ausdifferenzierung des
Parteiensystems nach rechts hin zu bewirken.
Das
IfS enthielt sich solch parteipolitischer Ambitionen, verstand sich
selbst als „Kern einer konservativen Denkfabrik“ (Weißmann 2011, 74) in
der Tradition der Konservativen Revolution. Es widmete sich den
Bereichen von Forschung und Wissenschaft, Fortbildung und
Politikberatung. „Uns geht es“, umschrieb Weißmann die metapolitische
Stoßrichtung des Instituts (JF 36/2001, 6), „um geistigen Einfluß,
nicht die intellektuelle Lufthoheit über Stammtischen, sondern über
Hörsälen und Seminarräumen interessiert uns, es geht um Einfluß auf die
Köpfe, und wenn die Köpfe auf den Schultern von Macht- und
Mandatsträgern sitzen, um so besser.“ Das IfS sei eine „Kaderschmiede
des Metapolitischen“, schrieb Moritz Schwarz (JF 17/2002); es gehe aber
nicht nur um die „Bildung einer rein geistigen“ Elite, sondern
langfristig um die einer „klassischen Elite“, die in der Lage sei,
„Geistigkeit auch in Führungskompetenz umzusetzen“ und
„Entscheidungspositionen in Kultur, Gesellschaft und Politik“ zu
erringen und „somit mit den Eliten des linken und liberalen Spektrums“
gleichzuziehen.
Die
unterschiedlichen strategischen Orientierungen führten zuweilen zu
Irritationen. So gab es über einen längeren Zeitraum eine z.T. heftig
geführte Debatte über den Begriff ‚Neue Rechte’, der von Seiten des IfS
durchaus als Ehrentitel für die ‚Sezession’, die Loslösung vom
hegemonialen Diskurs und von einem gewöhnlichen, mehr oder weniger
sinnentleerten Konservatismus, verstanden wird. Dieter Stein bestritt
Sinn und Nutzen dieses Begriffs und hielt ihn für rufschädigend, aus
seiner Sicht angesichts der langjährigen Auseinandersetzung mit dem
NRW-Verfassungsschutz durchaus verständlich. Stattdessen plädierte er,
ganz im Sinne der vorhin skizzierten strategischen Orientierung, für die
vorbehaltlose Besetzung des Begriffs ‚konservativ’, da für ihn „der
politisch-publizistische Standort ‚konservativ’ in Deutschland durch
keine etablierte Partei oder ein Medium vertreten“ sei.
In
der Sache, nämlich in Bezug auf das Konservatismusverständnis, war diese
Debatte wenig ergiebig. Beide Seiten stimmten in ihrem positiven Bezug
auf die Konservative Revolution und die Strömung des Weimarer
Jungkonservatismus überein. Die JF hat sich in ihrem „Leitbild“
ausdrücklich dazu bekannt. Allerdings spiegelt sich in diesen
Irritationen das prekäre Verhältnis von Realpolitik und Metapolitik
wider. Beide Formen des politischen Kampfes finden zwar ihre Einheit im
identischen Ziel, unterscheiden sich aber in ihrem Blick auf die
konkrete Lage, die es nach Maßgabe des Ziels zu verändern gilt.
Realpolitik orientiert sich am Möglichen, trifft ihre Entscheidungen
immer unter den gegebenen Bedingungen, berücksichtigt die
gesellschaftlichen und politischen Kräfteverhältnisse, macht
Kompromisse, geht taktische Umwege etc.; Metapolitik dagegen bewegt sich
im Modus des Weltanschauungs- und Kulturkampfes und sucht in den
konkreten politischen Auseinandersetzungen die „Absicherung im
Prinzipiellen“ (Weißmann 2007, 87), die das Mögliche immer mit dem
Stempel des Vorläufigen versieht. Insofern stehen Real- und Metapolitik
in einem Spannungsverhältnis zueinander, das die Möglichkeit von
Irritationen und Differenzen in sich birgt. Andererseits aber muss auch
der Metapolitiker sagen können, welche politischen Entscheidungen und
Entwicklungen in einer konkreten Situation er für (relativ) sinnvoller
hält und welche nicht. Metapolitik ist, so Weißmann, keine „Ausflucht“
(ebd.), etwa in Form einer unverbindlichen Kulturkritik, sondern muss
auch den Regeln der Politik als einer „Kunst des Möglichen“ Rechnung
tragen.
Das Verhältnis zur AfD
Dieter Stein begründete in einem Beitrag für ein Sonderheft der Sezession
(„Alternativen für Deutschland“, Mai 2013) die publizistische
Unterstützung für das AfD-Projekt damit, dass die AfD das „Thema der
verantwortungslosen Euro-Rettung“ und damit verbunden „die endgültige
Schleifung der nationalen Souveränität“ in das „Zentrum der Debatte“
gerückt habe; zudem betonte er, dass es bei aller gebotenen Skepsis
gegenüber der weiteren Entwicklung der AfD „von übergeordnetem
Interesse“, d.h. vorrangig sei, das „Monopol[ ] der CDU“ zu brechen
(Stein 2013, 19). Als ‚Morgengabe’ einer gedeihlichen Zusammenarbeit
verfasste Stein einen programmatischen Text „Für eine neue Nation“ (JF
41/2013, 18), der eigentlich auf die Auseinandersetzungen in der Deutschen Burschenschaft (DB) gemünzt war,2
zweifellos aber auch die Bedürfnisse der AfD im Blick hatte, insofern
er sich auf die seiner Meinung nach liberalen, freiheitlichen
Traditionen der DB berief und für einen „erneuerten Volkstumsbegriff“
warb. Denn nach fünfzig Jahren Einwanderung habe „sich das Bild
Deutschlands gewandelt“. Es sei daher „realitätsfremd“, „an einem
engherzigen volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff festzuhalten, der
integrationswillige Einwanderer und Kinder von solchen“ ausschließe.
Steins Ausführungen knüpfen an das JF-offiziöse „Manifest für die
Zukunft Deutschlands im 21. Jahrhundert“ (JF 42/2012, 3), das von dem
Burschenschaftler Michael Paulwitz verfasst wurde (vgl. auch Paulwitz,
in: JF 49/2012, 22). Mittlerweile hat Stein seinen Beitrag zum
Ausgangspunkt eines Buches gemacht (vgl. Stein 2014).
Gegenüber
soviel realpolitisch motivierter Flexibilität waren bereits vor
Erscheinen dieses Artikels Stimmen aus dem IfS laut geworden, die die
publizistische Unterstützungsarbeit der JF mit Skepsis und Kritik
bedachten. Sie wiesen warnend auf eine womöglich zu starke
Anpassungsbereitschaft der Partei an den hegemonialen Diskurs hin, die
nicht mehr abgedeckt sei durch eine den Umständen angemessene Taktik der
politischen „Mimikry“ (vgl. Lichtmesz 2013a). Die Unterstützung für die
AfD könne dem möglicherweise Vorschub leisten (vgl. Lichtmesz 2013b).
Konkrete Anlässe für diese Interventionen waren der „Fall Kuhlmann“ –
der evangelikale, islamfeindliche Theologe, JF-Autor und IfS-Referent,
war als Redner von einer AfD-Veranstaltung ausgeladen worden (siehe Neue Osnabrücker Zeitung
v. 12.09.2013) –, der der JF nur eine Randnotiz wert war (JF 39/2013),
und im verständnisvollen Ton gehaltene Äußerungen zum Aufnahmestopp für
„Die Freiheit“-Mitglieder (Marcus Schmidt, JF 42/2013).
Im
Oktober schließlich sagte die JF ihren Stand auf dem vom IfS
veranstalteten Vernetzungstreffen, dem zum zweiten Mal stattfindenden Zwischentag,
ab. Dieter Stein ließ seinen Mitarbeiter Henning Hoffgaard (JF 42/2013,
18) ‚mitteilen’, dass eine breitere politische Aufstellung der Messe
erwünscht sei, vorausgesetzt, es komme „zu einer selbstkritischen
Auseinandersetzung über ‚rechte’ Positionen“. Angespielt wurde damit zum
einen auf den (angekündigten) Auftritt des „italienischen Publizisten
und Vordenkers des neofaschistischen Projekts Casa Pound“, Gabriele
Adinolfi, von dem Hoffgaard zu berichten wusste, dass ihm die
Verwicklung in den Anschlag von Bologna (1980) angelastet werde. Zum
anderen auf einen (nicht angekündigten) Redebeitrag des
stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der neonationalsozialistischen
Partei Jobbik, Márton Gyöngyösi, der – so Hoffgaard – „in der
Vergangenheit vor allem durch seine als antisemitisch kritisierte Reden
auf sich aufmerksam gemacht“ habe. Und: „2012 hatte er gefordert, Juden,
die für den ungarischen Staat arbeiten, registrieren zu lassen. Später
hatte er sich für seine Äußerungen entschuldigt. Er habe damit nur
ungarische Juden mit einer israelischen Staatsangehörigkeit gemeint.“
Die
von der JF erhobene Forderung nach einer selbstkritischen Besinnung
knüpfte zweifellos an ihre sorgsam gepflegten Abgrenzungsbemühungen von
der NPD an, ebenso wie an ihre Kritik an der Zweckmäßigkeit des Begriffs
„Neue Rechte“ (wobei letztere nie ein Grund war für die Aufkündigung
der Zusammenarbeit mit dem IfS). Götz Kubitschek freilich nahm die
Forderung (vor dem Hintergrund der vorhin beschriebenen Vorgeschichte)
ziemlich grundsätzlich, beschwerte sich über die seiner Meinung nach
einseitige und falsche Fixierung des JF-Artikels auf „die Enttarnung des
fragwürdigen ausländischen Besuchs“ und rückte ihn im Rahmen eines
Textvergleichs in die Nähe der Berichterstattung der Berliner Zeitung und der Jungle World
(Sezession im Netz v. 06.10.2013). In der an seinen Beitrag
anknüpfenden Diskussion auf SiN stellte er die polemische Frage: „wer
ist partner, wer gegner, wer egal?“
Dieses
Misstrauensvotum an die Adresse der JF speist sich aus einer
Überlegung, die Kubitschek an früherer Stelle geäußert hat. Im Vorwort
zu dem bereits erwähnten Mai-Sonderheft der Sezession (Kubitschek
2013, 1) entwickelt er folgende Problemsicht: zunächst gewinnt er dem
AFD-Kurs der JF Positives ab, insofern es sich „bei der AfD um eine
Ausweitung der Kampfzone und um die Öffnung eines zusätzlichen
Resonanzraums“ handele. Zugleich aber, so die Warnung, sei dies „die
Zementierung einer Mauer“, will sagen: „Wer jetzt nicht mit dabei ist,
sondern von rechts kritisiert, ist gründlicher außen vor als bisher.
Denn er ist selbst an diese Bewegung nicht mehr anschlußfähig. Insofern
käme der AfD im System des Machterhalts und des Elitenwechsels der Mitte
die Rolle des Staubsaugers und zugleich der Kantenschere zu.“
Götz Kubitschek: Der Einzelne, der politische Raum und das Ganze
Wovor
Kubitschek warnte, ist zweifellos realpolitisch gedacht, drückt aber
zugleich ein Dilemma aus, das durchaus selbstverursacht ist. Am
deutlichsten wird das bei Kubitschek selbst und dessen Reflexionen über
die Sphären des Einzelnen, des politischen Raums und des Ganzen
(Kubitschek 2014, 33-35). Sein existentialistisches Politik-Verständnis
mit der emphatischen Bezugnahme auf das „anmaßende Ich“ transportiert
eine Beliebigkeit des Handelns, der es im Wesentlichen um die
Selbstbehauptung im Kampf zu tun ist: der Einzelne als
„Ein-Mann-Kaserne“. Das Handeln müsse dem Kriterium der „expressiven
Loslösung“ genügen: „Denn dies gehört zum unverwechselbaren Stil der
Ein-Mann-Kaserne, deren Tore aus Mangel an Versöhnung mit den
gegenwärtigen Verhältnissen geschlossen wurden“ (Kubitschek 2012, 13;
Hervorh. v. Vf.). Daran gemessen erscheint der gegebene Raum des
Politischen bloß als eine Sphäre, die von „der Arbeit am Machbaren“, von
„Ausgleich und Kompromiß“ geprägt ist (2014, 34). Hier regiert das
„Angemessene“, nicht die „Anmaßung“ des Einzelnen, sein Schicksal selbst
zu bestimmen. Der Politiker wird zum „anti-erhabenen Typ […] und kann
keine Alternative mehr formulieren.“ (35) Was aber ist die große
Alternative, wenn das „Ganze“, vulgo: das System, angesichts der
„schleichende Katastrophe, dieser Auflösung aller Dinge“ in Frage steht?
Kubitschek nimmt diesbezüglich Zuflucht zu Maßstäben, die aus anderen
Feldern als dem der Politik herrühren, aus den Bereichen des Religiösen
und Ästhetischen. Wer die Alternative wolle, brauche eine „Große
Erzählung“, eine nationale Mythologie, „und vor allem wäre er von
furchterregender, angemessen (!) rücksichtsloser Entschlossenheit. Der
Einzelne und sein inneres, sein poetisches Reich – wer wirklich
schöpferisch und restaurativ zugleich wirken will, muß dort gewohnt
haben.“ Stauffenberg und das Geheime Deutschland lassen grüssen.
Kubitscheks
Absage an eine realistische Sichtweise des Politischen führt ihn vor
eine Grundsatzentscheidung. In einer Situation, in der viel
„Konservative und Rechte“ die Möglichkeit sähen, vermittels der AfD „zu
Wirkung, Einfluß, sogar zu Macht zu gelangen“, wirft er die Frage auf,
ob es recht sei, die Regularien des politischen Raums zur „Richtschnur
rechten Denkens, Publizierens und Handelns“ zu machen, Parteidisziplin
zu üben und auf die „Anmaßung – diese Maximalforderung des Ichs oder des
Ganzen“ zu verzichten? Und das zu Gunsten einer „ganz klein wenig
aufbrechenden, durch und durch liberalen, abgesicherten, auf die Mitte
hin orientierten Konservatismus?“ Und mit Blick auf das Projekt Sezession heißt es zugespitzt: „Dies ist also eine grundsätzliche Entscheidung: für oder gegen die Sezession“ (Hervorh. v. Vf.).
Kubitscheks
Haltung zur AfD (und zur JF) nahm hier eine Wendung, die die Funktion
und das Selbstverständnis der Zeitschrift berührte und damit der intern
und zugleich öffentlich geführten Debatte im Umkreis des Instituts für Staatspolitik eine bewusste Schärfe verlieh. Der Adressat war vor allem: Karlheinz Weißmann.
Karlheinz Weißmann: Politik und Metapolitik
Die
Frage, wie man sich im jungkonservativen Lager auf die AfD zu beziehen
habe, hat Weißmann zu Präzisierungen ‚gezwungen’, die das Verhältnis von
Real- und Metapolitik berühren.
Bereits im Augustheft 2013 hatte er gegen die Hype um die Identitären in Frankreich, deren Bewegung in der Sezession
vor allem von Lichtmesz und Kubitschek positiv aufgegriffen wurde, die
Notwendigkeit von politischen Organisationen und Parteibildungsprozessen
betont, die willens und fähig seien, auf die „Mitte“ Einfluss zu
nehmen. In diesem Zusammenhang ging er gezielt und wohlwollend auf die
AfD ein: „Dieser Versuch, den gesunden Menschenverstand zu organisieren,
setzt auf die Mobilisierung der […] Mitte, was angesichts der
bestehenden Kräfteverhältnisse die einzig denkbare Option für ein
anderes politisches Handeln ist“ (Weißmann 2013a, 13; Hervorh. v. Vf.).
Die Rolle, die er dem IfS dabei beimaß, beschrieb er als eine weiterhin
metapolitische und insbesondere konzeptionelle Arbeit, deren Ziel es
letztendlich sein müsse, „einen ideologischen Gesamtentwurf zu
schaffen“.
Auf dem 2. Zwischentag hielt Weißmann dann zum Thema „Politik und Metapolitik“ einen Vortrag, dem er im Dezemberheft 2013 der Sezession einen
demselben Thema gewidmeten Artikel folgen ließ. Der Artikel führt das
Verhältnis von situationsbezogener realpolitischer Option und
langfristiger konzeptioneller Arbeit (im Übrigen unter Bezugnahme auf
Gramsci) weiter aus (Weißmann 2013b, 41):
1.
„Metapolitik ist […] nur sinnvoll als Teil von politischen Strategien.“
Sie „muß Lagen analysieren und Machbarkeitsfragen stellen“, sie
„interessiert sich zwingend auch für politische Praxis und deren
Träger“, was nicht bedeute, so Weißmann mit Blick auf Kubitschek, „seine
persönlichen oder ästhetischen Maßstäbe gegenüber der Politik zur
Geltung“ zu bringen, denn die seien „nicht politisch“.
2.
Metapolitik kann nur dann Wirksamkeit entfalten, wenn sie anschlussfähig
ist und „gehört“ wird. „Provokation und Konfrontation“, d.h. die von
Kubitschek bevorzugten Optionen (vgl. Kubitschek 2007), seien daher „nur
ausnahmsweise Mittel der Wahl“.
3.
Metapolitik ist auf einen langen Zeitraum eingerichtet („gedehnte
Fristen“, „langer Atem“) und erfordere ob vieler „Unwägbarkeiten […]
Geduld, Klugheit und Geschick“, immer aber den Bezug auf den
„Alltagsverstand“. Mit einer voluntaristischen und sektiererischen
(„Konventikel, in denen jeder die ‚Sprache Kanaans’ spricht“) Praxis sei
das nicht vereinbar.
4.
Es gibt keine „Erfolgsgarantie“ für Metapolitik, zumal der „Kulturkampf
von rechts auch in Zukunft aus einer Position der Schwäche geführt“
werde, was „die Zielsetzung und die Wahl der Mittel bestimmen“ müsse.
Repliken
Diese
Ausführungen Weißmanns blieben nicht unbeantwortet. Vor allem aus der
jüngeren Autoren-Generation des IfS sprangen Martin Lichtmesz und
Manfred Kleine-Hartlage im selben Heft der Sezession Kubitschek zur Seite.
Lichtmesz (2013c, 42-45), der sich als Sprachrohr der sog. Identitären Bewegung
versteht, beschwor mit Blick auf die Zuwanderung das apokalyptische
Bild, dass es bereits „fünf nach zwölf“ sei, und fragte als
selbsternannter Anwalt der heute zwanzigjährigen ‚Einheimischen’: „Ist
es da ein Wunder, dass sie kaum ein Ohr haben für jene, die ihnen zuviel
von einer Metapolitik des ‚langen Atems’ und der ‚Vorbereitung’ reden,
Strategien, deren Wirkung völlig unbewiesen ist, und die offensichtlich
bis heute nicht aufgegangen sind?“ Und er verteidigte die von Weißmann
als Ausnahmestrategien abqualifizierten Optionen „Provokation und
Konfrontation“, wie sie auch von der Identitären Bewegung
verfolgt werden: „Deren Erfolgsaussichten scheinen mir jedenfalls auch
nicht weniger gewiß zu sein als die Hoffnung, dass die gut vorbereiteten
Konservativen in der Stunde X aus ihrer Schattenexistenz geholt
würden.“ Natürlich müsse man weiterhin Metapolitik betreiben und
natürlich müsse man sich auf die „Widerstandspotentiale“ im
„bürgerlich-liberalen Lager“ – darunter subsumiert er die AfD genauso
wie die FPÖ und den Front National – beziehen. Aber, so seine
skeptische Auskunft, man werde sehen, „ob all diese nicht lediglich dies
waren: nützlich retardierende Werkzeuge auf dem Wege zur vollendeten
Zersetzung.“
Kleine-Hartlage
(2013b, 46-48), der von sich glaubt, dass er mal ein ‚Linker’ gewesen
sei, sich nun aber auf dem ‚rechten’ Pfad der Tugend befände, opponiert
gleich gegen die politische Geschäftsgrundlage des IfS, indem er dessen
strategischen Bezug auf die Eliten, zu denen er auch die ehemals
oppositionelle 68er-Linke rechnet, in Frage stellt: „Für eine rechte
Opposition kommt […] eine Strategie von vornherein nicht in Betracht,
die primär darauf abzielt, Positionen innerhalb der Eliten zu besetzen
und von dort aus in die Gesellschaft hineinzuwirken.“ Stattdessen
empfiehlt er eine „Einkreisungsstrategie“. Es gelte, „das Feld von unten
nach oben und von außen nach innen aufzurollen, das heißt das
herrschende Machtkartell von der Peripherie her unter Druck zu setzen“.
Dazu
sei es erstens notwendig, so Kleine-Hartlage in einem früheren Aufsatz
(2013a, 42-44), eine Einengung von Metapolitik auf konzeptionelle Arbeit
zu vermeiden, sondern von „eine[r] Pluralität metapolitischer
Kommunikationsformen“ auszugehen und an einer Vernetzung von „politisch
und soziologisch heterogene[n]“ Milieus über eine gemeinsame
Feindbestimmung (gegen die herrschenden Eliten) zu arbeiten.
Diesbezüglich plädiert Kleine-Hartlage – nach dem Muster der
Querfront-Strategie des jungkonservativen TAT-Kreises in der Endphase
der Weimarer Republik – für ein „Bündnis mit der linken Peripherie“
(2013b, 47): Es gäbe „eine kleine, aber wachsende Fraktion der
antiimperialistischen Linken, die gegenüber rechten Themen und
Positionen kaum noch Berührungsängste“ habe, wie z.B. die Gruppe um
Jürgen Elsässer und dessen Zeitschrift Compact (vgl.
Kleine-Hartlage 2013a, 44). Zweitens betont er die Nachrangigkeit von
Parteipolitik gegenüber Metapolitik: „Wer metapolitisch wirken will“,
der dürfe „nicht darauf aus sein, schon zu Beginn den kleinsten
gemeinsamen Nenner mit der ‚Mitte’ zu suchen“ (2013a, 44).
Karlheinz Weißmann: Umbau des Parteiensystems
Die
Gegenreplik von Weißmann – die Europawahlen hatten soeben den
Aufwärtstrend der AfD bestätigt – ließ nicht lange auf sich warten.
Interessant ist nur, wo sie erschien. Jedenfalls nicht im Juniheft der Sezession
(H. 60), das dem Thema „Demokratie“ gewidmet war und den Abonnenten im
Begleitschreiben Kubitscheks süffisant als „eines der besten Sezession-Hefte,
das wir je fertig stellten“, offeriert wurde, und das nach rund elf
Jahren zum ersten Mal ohne einen Text von Weißmann. – Nein, die
Gegenreplik erschien auf der Forums-Seite der JF mit dem hintersinnigen
Titel „Die Geduld hat ein Ende“ (JF 24/14, 18), womit Weißmann auf den
bereits zitierten Artikel in der Sezession anspielte, in dem er
die Geduld des Metapolitikers beschworen hatte. Dass die Geduld nunmehr
ein Ende habe, signalisierte freilich nicht den Abschied vom „langen
Atem“, sondern zielte auf den politischen Möglichkeitsraum, der sich mit
der Etablierung der AfD, getragen von einer Aufkündigung
„schafsmäßige[r] Geduld“ von Seiten ihrer Wähler, eröffnen könnte.
Weißmann
skizziert also ein Szenario für die weitere Entwicklung der AfD und
ordnet es dem langfristigen strategischen Kalkül der Jungkonservativen
zu. Es geht perspektivisch um den „Umbau des Parteiensystem“ als einem
Teilziel des von den Jungkonservativen angestrebten Umbaus des Staates.
Damit knüpft er an einen Artikel Dieter Steins vor den Europawahlen an
(JF 22/2014, 1), in dem dieser eine „historische Umwälzung des deutschen
Parteiensystems“ prognostiziert hatte.
Weißmann
holt zunächst weit aus und beginnt mit einem Rückblick auf die
Parteiengeschichte, besonders im Kaiserreich. Auf die Ausbildung von
Massen- und Weltanschauungsparteien auf der Linken und im Lager des
politischen Katholizismus hätten Liberale und Konservative aufgrund
ihrer Organisation in Honoratiorenvereinigungen keine angemessene
Antwort gehabt. Dazu hätte es der Weiterentwicklung zur Volkspartei
bedurft, was dann unter den veränderten historischen Bedingungen der
Nachkriegszeit von den Unionsparteien nachvollzogen worden sei. Auf
europäischer Ebene erwähnt Weißmann als Beispiele für die von ihm als
notwendig erachtete „Anverwandlung“ an den Gegner die Tories oder die
Gaullisten in Frankreich.
Es
folgt der Blick in die Gegenwart: Ob sich die rechtspopulistischen
Parteien zu Volksparteien weiterentwickeln könnten, stünde noch nicht
fest. „Protestler“ wie die Freiheitspartei in den Niederlanden drohten
an dieser Hürde zu scheitern, die „Nationalen“ wie der Front National
oder die FPÖ verfügten über eine „stabile Basis“ und ein „erprobtes
Rezept“3
für einen weiteren Ausbau. Zu einer dritten Gruppe, den „Unbeugsamen“,
zählt Weißmann die UKIP und – trotz der Abgrenzungsbemühungen Luckes –
die AfD, die beide sich durch eine „strukturelle Ähnlichkeit“
auszeichneten:
In
beiden Fällen sei die „Führungsriege“ seriös; Personal und
Anhängerschaft kämen zum großen Teil „aus den Reihen der eigentlich
dominierenden bürgerlichen Parteien“; aber auch Menschen ohne politische
Heimat oder aus dem Umfeld von Außenseiterparteien würden erreicht. In
beiden Fällen sei man „beunruhigt“ über den Verrat nationaler Interessen
durch die politische Klasse zu Gunsten „einer gesichtslosen
Bürokratie“, des „global operierenden Kapital[s]“ oder „der
vaterlandslosen Intelligenz“; beide Parteien repräsentierten vor allem
die Mittelschicht, d.h. solche Leute, die „hart“ arbeiteten, Steuern
zahlten, Familien gründeten und Kinder großzögen.
Der
Erfolg der AfD, so Weißmann weiter, sei einerseits der „klugen Taktik“
ihrer Führungsgruppe geschuldet, „möglichst wenig Angriffsflächen zu
bieten […] und immer die ‚Normalität’ der Partei“ zu betonen;
andererseits sei die Zeit, angesichts der „Veränderung des
gesellschaftlichen Klimas“, einfach reif gewesen für eine Partei wie die
AfD. Zeit also auch, um über wünschens- bzw. nicht-wünschenswerte
Perspektiven nachzudenken.
Nicht-wünschenswert
sei es, wenn durch die Etablierung der AfD das „bürgerliche Lager“
insgesamt, nämlich infolge der Spaltung und aufgrund fehlender
Kooperationsbereitschaft, geschwächt würde; es würde dann eine „ähnliche
Situation wie für die Grün-Rot-Tiefroten auf der Gegenseite entstehen“.
Im Umkehrschluss hält also Weißmann, ohne das offen auszusprechen, eine
Koalition der Unionsparteien mit der AfD als naheliegendste Perspektive
für wünschenswert (was den Planspielen mancher Konservativer in der Union entgegenkäme). Er geht aber noch einen Schritt weiter:
„Die
AfD ist aber noch nicht am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen, und
wenn sie zur Sammlung all derjenigen wird, die die Tassen im Schrank
behalten, ergeben sich ganz neue Perspektiven. Dann geht es nicht mehr
um Juniorpartnerschaften, dann geht es tatsächlich um eine Neugestaltung
des deutschen Parteiensystems.“
Will
sagen: Wünschenswert wäre es, wenn die AfD sich realiter in Richtung
einer Volkspartei entwickeln würde, was Lucke ja bereits anlässlich der
Ergebnisse der Europawahlen als gegeben konstatiert hatte. Diese
„Anverwandlung“ an den Gegner, von der Weißmann eingangs gesprochen
hatte, würde die Kräfteverhältnisse im bürgerlichen Lager ändern, und
die Koalitionsfrage könnte aus einer Position der Stärke neu verhandelt
werden, etwa nach dem Modell der grün-roten Koalition in
Baden-Württemberg. Das ist sicherlich Zukunftsmusik und wird es
womöglich auch bleiben. Weißmann ist sich darüber im Klaren, dass eine
solche Entwicklung von „schwer kalkulierbar[en]“ Faktoren abhängt. Die
AfD müsste weiter an „Anziehungskraft“ gewinnen und die Krisenlage sich
weiter verschärfen. Die Frage sei, „ob es das Personal der Altparteien
weiter schafft, die Krisensymptome zu kaschieren, oder ob der Prozeß
eskaliert und die Einschätzung Luckes zutrifft, daß die Probleme viel
größer und viel schwerwiegender sind, als bisher zugegeben“.
Die
Bedeutung der ‚große Krise’ für einen Wandel der Machtverhältnisse hat
Weißmann in den letzten Jahren immer wieder betont. „Die Konjunktur der
Rechten“ hänge ab von der „Wahrnehmung innerer oder äußerer Bedrohung“,
schrieb er 1996 in der Jungen Freiheit (JF 44/1996, zit. nach
Weißmann 2000, 250). 2007 prognostizierte er „eine dramatische
Zuspitzung der Krise“ für die „nächsten zehn Jahre“, die „Unfähigkeit“
der Politischen Klasse werde überdeutlich werden (Weißmann 2006, 80).
Nur in einer solchen Situation sei ein Elitenwechsel möglich (Weißmann
2009b, 14). Und nur dann sei es möglich, die Verfassung aus „der
Gefangenschaft der Linken und Liberalen zu befreien“ (ebd., 15).
Fazit
Die
Gründung und die bis dato erfolgreiche Entwicklung der AfD haben im
jungkonservativen Lager kontroverse Reaktionen hervorgerufen. Was die JF
anbetrifft, war es nicht weiter verwunderlich, dass sie sich als
publizistische Plattform für die Anliegen der AfD präsentierte, hat sie
doch seit Jahren auf eine solche politische Konstellation hingearbeitet
und programmatische Vorarbeit geleistet. Wenn sich die JF 2011 in ihrem
„Leitbild“ als national, freiheitlich, konservativ und christlich
definiert (Junge Freiheit 2011, 6), so ist das der programmatische
Rahmen (vgl. dazu Kellershohn 2013), in dem sich die AfD bewegt und
bewegen wird. Die Nähe zwischen dem JF-Milieu und dem Kreis der
AfD-Mitglieder und Sympathisanten ist unübersehbar.
Die Haltung des IfS und der Sezession
zu dieser ‚Kumpanei’ war in ihrer Gespaltenheit zwischen „neuem
Realismus“ (Weißmann 2014), politischem Existentialismus und
metapolitischem Pluralismus nicht unbedingt vorherzusehen. Selbst
Weißmann notierte noch 2009 in seinem „Konservativen Katechismus“, dass
man sich als bekennender ‚Rechter’ vor „jeder Ablenkung ins
‚Liberalkonservative’, ‚Freiheitlich-Konservative’,
‚Kulturkonservative’. ‚Wertkonservative’“ hüten müsse (Weißmann 2009a,
36). Die Feigheit der bürgerlichen Mitte hat er des Öfteren beklagt.
Insofern ist er es, der sich umorientiert hat und nunmehr auf die
„’populistischen’ Möglichkeiten“ (Weißmann 2000, 251) setzt (und
Gleiches der intellektuellen Rechten empfiehlt), die die JF schon seit
längerem verfolgt und jetzt in einer ‚freiheitlich-konservativen’ AfD
gegeben sieht.
Es
bedarf noch einer genaueren Analyse, inwieweit die Kontroversen, die nun
eine Zuspitzung erfahren haben, schon in früheren Konflikten angelegt
gewesen sind. Es ist zu vermuten, dass bereits die Ablösung Kubitscheks
als Geschäftsführer des IfS (2008) im Zusammenhang mit den internen
Diskussionen um die von ihm initiierte Konservativ-subversive Aktion
(vgl. dazu Kellershohn 2010b) einen Konfliktpunkt gesetzt hat, der
nachwirkt. Schon damals ging es um die Frage, ob eine Strategie der
Provokation zum ‚Geschäftsbereich’ des Instituts gehöre. Wenn Kubitschek
nun als verantwortlicher Redakteur der Sezession die Grundsatzfrage „für oder gegen die Sezession“ stellt, während Weißmann die AfD als „einzig
denkbare Option“ unter den gegebenen Bedingungen bezeichnet und damit
die Position der JF unterstützt, so sind dies zweifellos
Ausschließlichkeitsformeln, die eine Trennung nahelegen. Möglich ist
aber auch, dass die Grundlagen der Arbeitsteilung und Kooperation im
jungkonservativen Lager, sowohl im IfS als auch zwischen IfS und JF neu
verhandelt werden. Helmut Kellershohn
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