Im Dezember prognostizierte das Bundesamt für Migration für das Jahr
2015 „mehr Flüchtlinge, aber weniger Chaos“, in Zahlen:
rund 230 000
Asylanten, die aber auf vorbereitete Aufnahmestrukturen stoßen würden.
Dasselbe Amt korrigierte seine Prognose im Februar auf 300 000 und
im
Mai auf 450 000 Asylanten. Vor wenigen Tagen nun korrigierte
Innenminister de Maizière die Zahl erneut: Deutschland solle bis Ende des Jahres
von rund 800 000 Asylanten Flüchtlingen ausgehen, und er schob gleich
hinterher: „Überfordert ist Deutschland mit dieser Entwicklung nicht.“
Nun gibt es allerdings zumindest ein Amt, das mit dieser Entwicklung
überfordert ist, und zwar das Bundesamt für Migration: Seine Prognosen
sind entweder nichts wert (denn niemand kann auf der Grundlage dieser
Zahlen planen oder politisch entscheiden) oder wissentlich falsch (wer
hätte auf dem Höhepunkt der PEGIDA die Prognose von einer Million
Asylanten verantworten wollen?)
Eines steht fest: Zwischen 200 000 Asylanten (Prognose vom Dezember)
und einer Million (meine Prognose für die Prognose, die das Bundesamt
spätestens im Oktober nachreichen wird) verläuft keinesfalls die Grenze
zwischen Herausforderung und Überforderung der Deutschen: Überfordert
ist das Modell „Integration“ so oder so, denn man kann wohl Einzelne
integrieren, keinesfalls aber halbe Völker.
Nein, zwischen den beiden Zahlen sind vielmehr entweder Hilflosigkeit
und Ratlosigkeit unserer Regierung angesiedelt – oder es hat dort die
wissentliche Zerstörung der Rechtsordnung, der relativen Homogenität und
des sozialen Friedens Deutschlands ihren Sitz.
Beides – Ratlosigkeit oder wissentliche Zerstörung – legen den mit
dieser unkontrollierten Masseneinwanderung nicht einverstandenen
Deutschen die Frage nahe, ob und, wenn ja, welcher Widerstand nicht nur
legitim, sondern vielleicht sogar im Sinne des Artikels 20 GG rechtens
sei: im einen Fall, um einer überforderten Regierung im Sinne des
Volkswohles die Entscheidung abzunehmen, im anderen Fall, um einer
Regierung, die gegen den Souverän – das Volk – agiert, zu zeigen, wer
der Souverän ist.
Denn der Eingriff in die Rechtsordnung Deutschlands und die Störung
des durch diese Ordnung geschützten Lebensvollzugs sind so gravierend,
daß sie eines Volksentscheides bedurft hätten, ungefähr entlang der
Frage: Sind Sie für Masseneinwanderung nach Deutschland?
Ich habe in den vergangenen vier Wochen einige Dutzend Gespräche
geführt, persönliche und solche am Telefon mit Kunden, die ich mir
durchstellen ließ, wenn es da etwas zu erzählen gab. Die
Bestandsaufnahme ist ebenso verheerend wie verstörend, ich muß insgesamt
so etwas wie eine Schockstarre konstatieren und Ungläubigkeit der
offenen, partiellen Auflösung von Recht und Ordnung:
Da sind die Berichte über den Umgang mit gehäuftem Ladendiebstahl in
Supermärkten, der eine Bericht ist von einem Edeka-Filialleiter
persönlich: Anzeigen werden nicht mehr gestellt, die Diebe werden auch
nicht mehr aufgehalten oder zur Rede gestellt, seit es tätliche
Gegenwehr und Bedrohung durch ganze Gruppen und Sippen gab. Der Verlust
wird notiert, am Monatsende an das Landratsamt gemeldet und von dort aus
stillschweigend finanziell ersetzt.
Besonders interessant sind Berichte von sogenannten
Bürgerversammlungen, die einberufen werden, wenn über die anstehende
Einquartierung von Asylanten informiert wird. Auf diesen Versammlungen
gibt es nichts mehr zu entscheiden, und die „Vermittler“ haben
mittlerweile ihre Strategie geändert: Sie stellen sich dem Unmut nicht
mehr entgegen, sondern bestätigen im Schnitt alle Befürchtungen und
Argumente und machen sich mit der aufgebrachten Dorfbevölkerung gemein.
Das endet dann in einem Aufruf zur Vernunft, an das „Ärmel hoch“, und
man solle nun das beste daraus machen.
Von zwei Anrufern, die in ihren Dörfern als Teilnehmer an solchen
Informationsabenden mal so richtig die Stimmung kippen lassen wollten,
vernahm ich konsterniert: „So kriegt man sie immer, die Deutschen: mit
einem Appell an den Fleiß und an das Talent, schwierige Lagen zu
meistern.“
Weiteres, unsortiert: ein Bericht aus Suhl, wo sich völlig normale
Bürger in ihrer Not nun den harten Burschen der Thügida anschließen;
einer, der anrief und meinte, am Ende seien nur dort Unterkünfte nicht
entstanden, wo sie unbewohnbar gemacht worden wären; der Bericht über
einen Bürgermeister, der noch rechtzeitig zwei Häuser in seinem Ort
abreißen ließ (ohne dies an die große Glocke zu hängen).
Investoren, die Wohnraum in Dörfern sanieren und mit den Kreisen und
Ländern langfristige, über dem üblichen Mietzins liegende
Belegungsverträge abschließen; Berichte von Pöbeleien, Schlägereien,
Sachbeschädigungen, sexueller Belästigung; eine ganze Sammlung
blauäugiger, immer noch fröhlicher, beängstigend naiver
Begrüßungssprüche und Willkommensaktionen.
Und natürlich: Suhl und Heidenau, Heidenau gleich nach Suhl, Suhl in
der Presse ganz klein, Heidenau, ENDLICH, die deutsche Fresse, die
Arschlöcher aus Sachsen, da fallen die Bilder aus Suhl und aus
Süditalien und aus Spanien nicht mehr ins Gewicht.
Was ist zu tun?
Vielleicht nicht viel oder gar nichts: Im Grunde kriegt der mündige
Bürger nun die Quittung dafür, daß er dem nicht gar so schockartigen
Umbau unseres Landes jahrzehntelang fett lebend und ziemlich blind
zugesehen hat.
Vielleicht doch einiges: Der Protest konzentriert sich – wie sollte
es anders sein – ja leider auf jene, die durch die weit geöffneten
Stadttore einziehen, sich verwundert die Augen reiben und damit
beginnen, die Auslagen zu plündern. Verwehrt wird ihnen das nicht mehr
wirklich, und das Selbstbewußtsein im Fordern und Jammern hat auf Seiten
der Asylanten letzthin deutlich zugenommen.
Indes: Fürs Establishment sind das willkommene Ablenkungsgefechte und
– vor allem – gewünschte Bilder. Der Wutbürger mit vollgepißter
Boxershort und Deutschlandtrikot ist zum Bild des häßlichen Ossi aus den
frühen 90ern geworden, und wir dürfen sicher sein, daß wir in Kürze
eine Aufpolierung dieser Ikone erleben werden.
Vielleicht wäre es sinnvoll, sich einmal nachdrücklich an jene zu
wenden, die die Stadttore geöffnet haben, und zwar vor Jahrzehnten
schon, nur eben nicht so sperrangelweit wie jetzt. Früher hat man
diejenigen gerädert, die dem Feind die Schlüssel reichten. Heute können
sich diese Leute darauf berufen, man habe sie stets wiedergewählt. Die
Sache ist diffizil.
Die Frage ist, ob es unter und hinter dem Wahlergebnis eine ganz
andere Volkesmeinung gibt. Die Aufgabe wäre, sie sichtbar zu machen, das
Mittel dazu (publizistische Aufklärungsarbeit reicht nicht): ziviler
Ungehorsam.
Voraussetzung ist, den eigentlichen Gegner zu kennen. Vermutlich geht
er derzeit nicht in Libyen an Bord und auch nicht eine mazedonische
Landstraße entlang. Viel eher übt er gerade, wie man das Wort „Pack“
noch etwas angeekelter aussprechen kann als der Scheingegner von der
anderen Partei. Götz Kubitschek
Bright & Dark
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