Christenmenschen gedenken heute der Geburt des Heilands, des Erlösers, des Lichtes der Welt. Ich, Skeptiker und Romantiker in einem, gedenke heute des ressentimentfreiesten Menschen, der je gelebt hat (ein Gedanke, zu dem sich Nietzsche nicht durchringen konnte; er kam bekanntlich nur bis zur Klassifizierung „Idiot“). Außerdem war dieser wunderliche Prediger und Heiler einer der größten Dichter aller Zeiten, Schöpfer von unüberbietbaren Sentenzen wie: „Kommt zu mir, die ihr mühselig und beladen seid“, „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ und des wahrlich messianischen: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ Damals, auch das will ich als Skeptiker konzedieren, ging ein Lächeln über die Welt. Dass man das Böse „aufleiden“ könne (um eine überwältigende Formulierung von Benedikt XVI. zu verwenden), und zwar nicht im buddhistischen Sinne als Verzicht auf ein Weiterexistieren im ewigen Kleislauf des Samsara, sondern die Sünden anderer noch zu den eigenen auf sich nehmend, sogar im Verbrecher, ja im eigenen Mörder das leidende Mitgeschöpf erblickend – dieser Gedanke ist so ungeheuerlich, so über alle Maßen groß, so unendlich edel, so verrückt und krank und jede Einzelseele überfordernd, dass man am fingierten Tage der Geburt seines Urhebers getrost einmal niederknien und die Hände falten kann; vielleicht ist er ja wirklich der Sohn eines Gottes gewesen. MK am 24. 12. 2015
Zu Bethlehem geboren
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