Für die morgendliche symbiotische Dröhnung aus Desinformation und Hühnerhof zeichnet einmal mehr mein Maildienstleister verantwortlich, den zu wechseln insofern wenig bewirkte, als diese redaktionelle Einheitssauce über anscheinend alle Mailanbieter ausgegossen wird. "Pressestimmen nach Triumph der Rechtsextremen in Frankreich: 'Der Schock'", bellt es von der ersten Seite, und ein Redakteur, der nicht weiß, dass "front" im Französischen ein Maskulinum ist, befindet sich hingegen genau darüber im Bilde, dass "die" Medien "geschockt" seien, weil "die rechtsextreme Front National" (vielleicht dachte er an Honeckers "Nationale Front"?) in Frankreich die Wahlen gewonnen hat. Belege? Aus Frankreich folgen sie jedenfalls nicht, keines der zitierten großen Blätter spricht von einem Schock oder offeriert Symptome eines solchen. Es gibt sogar noch eine gute Nachricht für alle braven Demokraten: Die Wahlbeteiligung war höher als bei der letzten – pardon, vergangenen Wahl.
Doch halt, eine Gazette bringt das Wort dann doch auf den Titel, L'Humanité, und dort liest man auch etwas vom "braunen Schatten", der auf diese Wahl gefallen sei. Wie der Name andeutet, haben wir es mit einem, um im Duktus zu bleiben, linksextremen Blatt zu tun, mit einem Blättchen, um es genauer zu sagen. L'Humanité war das Organ der Kommunistischen Partei Frankreichs, das in der DDR gern und oft von den Staatsmedien zitiert wurde, weil die Zeitung die Politik der Sowjetunion und des Ostblocks regelmäßig guthieß. 1999 verschwand der Hinweis auf die Partei im Titel, sie blieb allerdings bis heute bestimmende Kraft (40 Prozent der Zeitung gehören dem PCF). L'Humanité hat zwar nach wie vor dieselbe gepachtet, sonst aber nicht mehr viel; die Auflage liegt bei knapp über 40.000 Exemplaren, irgendwo zwischen Frankfurter Rundschau und Neuem Deutschland, sämtliche Auslandskorrespondentenbüros mussten aufgelöst werden, nur noch 58 Redakteure sehen braune Schatten über Wahlergebnissen und empfinden Schocks darüber. Und wenn es den Knallkopf von gmx.de nicht gäbe, wüsste schon niemand mehr, dass diese Zeitung überhaupt existiert, wie ja umgekehrt auch kein Franzose weiß, dass rechts des Rheins, ansonsten aber stramm links, eine FR und ein ND erscheinen. Klonovsky am 7. 12. 2015
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