Stationen

Dienstag, 7. April 2015

Die Unerwünschten


Das ist einmal ein interessanter Fall, insofern hier jemand konsequent weitermacht, gerade nicht - wie etwa Günter Grass oder vielleicht sogar Helmut Schmidt - eine Kehrtwendung vollzieht, sondern die Fortführung derselben Politik nun mit den nach dem Krieg gebotenen friedlichen Mitteln umsetzt. Natürlich nicht explizit, sondern implizit. "Kleine Apologie der ästhetischen Erfahrung"! Ein Romanist sagt der Abstraktion den Kampf an. Es erinnert ein bisschen an Charles Maurras, nur dass hier die Stoßrichtung nicht gegen germanische Abstraktion gerichtet ist, sondern gegen Adorno.

Und natürlich reibt er niemandem unter die Nase, dass er ein SS-Obersturmführer war, und schon gar nicht, dass er in dieser Position Dinge tat, die man niemandem erzählen kann (bzw. nur Claude Lanzmann), die wir versuchen in den Griff zu bekommen, indem wir sie ächten, die er jedoch als Krieg ansah, die er politisch befürwortete und in der vom Zivilleben so gänzlich anderen Situation des Ernstfalls für geboten hielt.

Man könnte fast sagen, Jauß widerlegt Pasolinis kluges Wort:

"Ich weiß sehr wohl, wie widersprüchlich man sein muss, um wirklich konsequent zu sein."

Denn er ist ja nicht widersprüchlich, sondern verschwiegen.

Wir befinden uns in einem Dilemma. Einerseits möchten wir vorbeugend den Exzessen, zu denen es im Krieg kommen kann, entgegen wirken und somit erreichen, dass man sich im Kriegsfall schön an Regeln hält oder zumindest gewisse rote Linien nie überschreitet, und deshalb ächten wir bestimmte Formen der Kriegsführung.
Andererseits ebnen wir durch diese Ächtung den Unterschied zwischen "unter Waffen" und "in Zivil" ein und verurteilen dann Greise die einst, als sie unter Waffen standen, Kriegsverbrechen begingen, jedoch im Zivilleben ihre Kriegsexistenz völlig abstreiften, kein Doppelleben führten, nicht im Geheimen weiter an Verbrechen gegen die Menschheit und gegen die Menschlichkeit teilnahmen, ja im Gegenteil, durch ihre zivilen Leistungen zu Anerkennung und Ansehen gelangten.
Hierzu wird irgendwann noch eine Reflexion notwendig werden. Denn man könnte durchaus den Standpunkt vertreten, dass es völlig weltfremd und aussichtslos ist, zu glauben, man könne durch Ächtung erreichen, dass der Mensch im Krieg nicht zur Bestie wird und sich an Regeln halten wird. Andererseits kann man gerade darin Trost finden, dass die Bestie Mensch eben, sobald sie den Waffenrock ablegt, nicht mehr gefährlich ist und "spurt".

Mein persönliches Fazit: gäbe es die Ächtung nicht, würde die Bestie Mensch vielleicht ebenso "spuren", aber sie würde wohl auch anfangen, sich ihrer Taten als Bestie zu rühmen (man konnte es an Assad, dem Vater des jetzigen Assad, beobachten). Und wer anfängt sich zu rühmen, ob der lange weiterhin "spurt"?


Die Schule als Waffe

Rezeptionsästhetik

Didi Danquart

Breve apologia dell'esperienza estetica

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