Stationen

Freitag, 8. November 2013

Theorie und Praxis

Es gibt Menschen, die über so großes Einfühlungsvermögen verfügen, dass sie nicht nur die Wirkung einer Maßnahme auf die Bevölkerung bei der Anwendung in der Praxis relativ zuverlässig vorhersehen können, sondern auch die Folgewirkungen, die sich in der Praxis erst im Lauf der Zeit ergeben werden. Zu diesen raren Architekten gehörten z.B. Leibnitz und Goethe. Sie verstanden es, sich am Reißbrett Dinge auszudenken, die nicht nur in der Theorie funktionierten, sondern auch unter den realen Umständen des Lebens. Aber das sind Ausnahmen, und meistens kommt nichts Gutes dabei heraus, wenn ein durch langen Gebrauch gewachsenes Gebilde durch ein am Schreibtisch entworfenes Regelwerk ersetzt wird. Vor allem, wenn dabei auch noch "mehrere Köche" am Werk sind. Und dass die Rechtschreibreform irgendwann dazu führen würde, dass selbst Wörter, die vorher kaum je falsch geschrieben wurden, zu Fehlerquellen würden, hätte selbst ich vorhersagen können. Denn gerade dadurch, dass in den menschlichen Sprachen eben nicht alles logisch ist - bzw. teilweise außersprachlichen Logiken gehorcht - wird ja unser Rechtschreibgedächtnis ständig geübt, was bei schematischer Regelanwendung nicht der Fall ist. Und so schreibt man auf einmal wie automatisch Hindernis mit zwei "s" statt mit einem. Aber dass sich die Fehlerzahl sogar verdoppeln würde, hätte ich nicht gedacht.

Wie meistens, wenn Chaos von Idealisten hervorgerufen wird, die eigentlich eine bessere Ordnung beabsichtigten, ging auch hier die Initiative von linken Weltverbesserern aus, die durch Senkung des Niveaus "unnötige Schwierigkeiten" aus dem Weg räumen wollten. Aber Stolpersteine sind nicht nur für unser Geschichtsbewusstsein ein nötiger Anreiz.

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