5. Mai 2015
"Ein Berliner Verlag hat erstmals eine 'Bildbiografie' über Adolf Hitler veröffentlicht, den schlimmsten Massenmörder des 20. Jahrhunderts", leichenbergpredigt Spiegel online, das nicht ganz haltbare Attribut "den größten" pfiffig vermeidend, und zwei Ordensbrüder der Printausgabe stellen der einstigen Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen, die darauf hinweist, dass Millionen Menschen 1945 mitnichten befreit wurden (wenngleich ein paar Milliönchen immerhin von ihrem Leben), folgende Interview-"Frage": "Sie rechnen die Untaten Hitlers gegen die Stalins auf. Verbietet sich das nicht? Der Judenmord war ein singuläres Ereignis in der Geschichte."
Moderne Pfaffen beim täglichen inquisitorischen Geschäft. Von ihren Vorgängern unterscheidet sie, dass sie weder an Theologie noch an Seelenrettung sonderlich interessiert sind.
Schreibt Michael Klonovsky am 5. Mai 2015 und fährt fort:
Freund F. schreibt: "Gestern lief zur Hauptsendezeit (20.15 Uhr) beim ZDF eine 'Dokumentation' mit dem irreführenden Titel 'Die Verbrechen der Befreier' (Es ging aber nur um die Amis). Nach volkspädagogischen Ergüssen ad nauseam der Gipfelpunkt: Der alliierte Bombenterror gegen deutsche Zivilisten sei zwar 'nicht legitim' gewesen aber, weil kriegsverkürzend, habe er 'Menschenleben gerettet'. Ausgestattet mit dieser perversen Moral kann man auch einschätzen, das sowjetische GuLag-System sei ein wahrer Segen gewesen, hat doch der millionenfache Tod daselbst die Lebensmittelversorgung der Restbevölkerung erheblich verbessert. – Nein, man kann hierzulande wirklich keine Satire mehr schreiben."
Aber Prognosen kann man formulieren. Etwa dass dies ungeheuerliche "nicht legitim" beim 80. Jahrestag aus den Sieges- und Befreiungsmeldungen verschwunden sein wird. Und dass es ein 100. Jubiläum womöglich, ein 150. ziemlich sicher nicht mehr geben wird. Weil nichts mehr zu holen ist.
Und kommt am 7. darauf zurück:
7. Mai 2015
Es ist wahrlich lästig, sich zu wiederholen, doch an Stelle von Frau Steinbach hätte ich gestern in der Gesprächsschau von Frau Will gesagt: Der 8. Mai 1945 war für viele ein Tag der Befreiung, für andere ein Tag des Zusammenbruchs, für wieder andere ein Tag der Neuversklavung, und für viele davon alles zugleich. Wobei es sich jeweils um Millionen von Menschen handelte, weshalb es sich verbieten sollte, in oder gegen deren Namen zu sprechen. Wer dieses Datum in seiner Ambivalenz nicht erträgt, wer den 8. Mai sturheil ausschließlich als "Tag der Befreiung" feiern will, weil der verbündete Massenmörder gewonnen hatte und halb Europa unterjochen durfte, während der andere wohlverdient zur Hölle fuhr, der soll dies gemeinsam mit den Lemuren der Stalinistenverharmloserpartei der ebenfalls anwesenden (und übrigens durchaus appetitlich anzuschauenden) Frau Kipping tun, von einem Zivilisierten darf man dergleichen aber nicht verlangen.
Und der offenbar ahnungslose Redakteur von Spiegel online, der an das Ende seines Artikels über die Sendung die "Erkenntnis" stellte, "dass das am Kriegsende beklagte Leid schon an jenem Tag seinen Anfang genommen hatte, als Hitler an die Macht geholfen wurde", sollte doch mal erklären, wie das mit den ungefähr eine Million vertriebenen Deutschen VOR Satan und dem Ausbruch von Weltkrieg Zwo gewesen ist, vertrieben vor allem aus dem sogenannten polnischen, jedenfalls polonisierten Korridor, den der sogenannte Versailler Vertrag, der Anfang vor dem Anfang, ins Fleisch des Reiches geschlagen hatte. Dass die Sendung wiederum unter dem Motto stand "70 Jahre nach der Befreiung – müssen wir Russland heute noch dankbar sein?" hat mit der Satireüberbietungsneigung hiesiger Medienschaffender zu tun und sollte, weil's längst egal ist, allenfalls diskret begrinst werden. Ich bin Russland insofern dankbar, dass eine dermaßen würdelose Frage im russischen Fernsehen heute von niemandem ernsthaft diskutiert würde.
BILD
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