Stationen

Montag, 12. Juni 2023

Ich hatte es seit 1973 vorhergesehen

 "Seit den kruden Listen des antiken Rom haben sich die Techniken kaum verändert: Nunmehr sind es neben unzähligen virtuellen Dokumentationsplattformen und Denunziationswebseiten selbsternannter und oft reich mit Steuergeldern bedachter Faschistenjäger vor allem Werkzeuge wie Wikipedia, die in ihrer Bewertung öffentlicher Figuren eine Unabhängigkeit an den Tag legen, die an das Schlimmste aus „Neues Deutschland“ oder taz erinnert und unzugänglich für jeden Versuch der Revision geworden ist. Nimmt man dies mit der alltäglichen Spionage zusammen, wer gerade was auf Twitter oder Facebook gepostet, kommentiert oder „geliket“ hat, ergibt sich ein beliebig verzerrbares virtuelles Profil, welches im Nu zum sozialen, beruflichen und familiären Aus für den Betroffenen führen kann – ohne jede Möglichkeit der Richtigstellung, da eine solche dank entsprechender Algorithmen nur allzuschnell im Meer der einseitigen Anschuldigungen untergeht."

Ich habe immer gewusst, dass Datenschutzgesetze allein nichts dagegen werden ausrichten können und dass gegen diese neuen Machtgefüge und -strategien völlig neue Institutionen geschaffen werden müssen. Aber in 50 Jahren des Nachdenkens darüber habe ich immer noch nur sehr vage Vorstellungen davon, wie diese Institutionen beschaffen sein müssten. In der Zwischenzeit geht unser Rechtsstaat sowieso, ganz unabhängig von dieser neuen Problematik, den Bach runter, ohne dass selbst Leute wie Carlos Gebauer schlüssig erklären könnten, woran es hapert.


Ich kann gar nicht sagen, wie widerlich ich dieses gerade in Deutschland allgegenwärtige Denunzieren und Diskreditieren finde, mit dem nicht nur grundlos ganze Familien und Lebensläufe vernichtet, sondern auch blühende Karrieren aufgebaut werden. Dahinter sehe ich eigentlich nur zwei Kräfte am Werk: Skrupelloser Ehrgeiz und Machtbesessenheit bei denen, die sich zu den Gralshütern politischer Korrektheit aufplustern; Feigheit und Opportunismus bei denen, die sich den neuen Regeln unterwerfen. Die erbärmliche Feigheit der deutschen "Individualisten" ist das Hauptproblem. Man ist als Deutscher nur in der Meute mutig. Ein Deutscher,  der aufrecht wie Fabrizio Quattrocchi stirbt, ist heutzutage völlig undenkbar (Henning von Tresckow war noch anders).

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