13. Januar 2015
In seinen "Noten und Abhandlungen zum
besseren Verständnis des west-östlichen Divan" nennt Goethe den Koran
ein heiliges Buch, "das uns, so oft wir auch darangehen, immer von neuem
anwidert, dann aber anzieht, in Erstaunen setzt und am Ende Verehrung
abnötigt". "Streng, groß, furchtbar", sei diese Schrift, und
"stellenweise wahrhaft erhaben". Interview-Äußerungen von Michel
Houellebecq deuten eine ähnliche Lektüre-Erfahrung an. Als ich den Koran
vor vielen Jahren zum ersten Mal las, war ich einerseits befremdet vom
Getrommel der vielen Wiederholungen und Sequenzen, verstand aber ihre
suggestive Wirkung, während die immer wieder aufflammenden
Sprachschönheiten, etwa in den Namen Gottes, auf mich ungefähr wirkten,
als wenn die Sonne die Wolken durchbricht. Als ein Kind des 18. und 19.
Jahrhunderts neigte ich zu der Ansicht, dass der Koran nur eine
B-Version der Bibel sei und man sich theologisch mit ihm nicht weiter
befassen müsse. Inzwischen sehe ich das anders, gerade angesichts des
täglichen Suren-Turniers im Netz, des Stechens und Zurückstechens mit
"bösen" und "guten" Koran-Zitaten zum Zwecke des Nachweises, dass der
Islam entweder gewalttätig oder friedlich sei.
Man soll aber nicht aus alten, ehrwürdigen und aufgrund ihrer zeitlichen Ferne naturgemäß missverständlichen Texten Bild-Schlagzeilen
machen, und man soll sich nicht von den Extremisten solche Lesarten
aufnötigen lassen. Der Koran verdient es, als Ganzes gelesen zu werden,
auf dass sich jenes von Goethe beschriebene ambivalente Lektüre-Erlebnis
einstelle – wer wäre ich, Goethe zu widersprechen? – und man im
Mindestfall über eine Textgrundlage für beziehungsweise gegen das
Gelärme im Internet und auf Dinner-Partys verfüge.
Ob der Koran von Ewigkeit sei?
Darnach frag’ ich nicht! ...
Daß er das Buch der Bücher sei
Glaub’ ich aus Mosleminen-Pflicht.
Dass aber der Wein von Ewigkeit sei,
Daran zweifl’ ich nicht;
Oder dass er vor den Engeln geschaffen sei,
Ist vielleicht auch kein Gedicht.
Der Trinkende, wie es auch immer sei,
Blickt Gott frischer ins Angesicht.
Also
sprach der Dichter. Und so sitze ich, derweil Uum Kulthum "Zalamna El
Hob" singt (ich habe keine Ahnung, was das bedeutet, aber es wird wohl
um Liebesschmerz gehen), beim Weine, und lese den Koran, die
Bobzin-Übersetzung im Vergleich mit der wohl schönsten und zugleich
freiesten deutschen Übertragung, der von Friedrich Rückert. Und empfehle
dies hiermit ausdrücklich zur Nachahmung. Klonovsky am 13. Januar 2015
Ich kann mich dem nur anschließen! Es braucht ja nicht gleich der Koran zu sein. Bereits Bobzins 140 Seiten starke Einführung - "Der Koran", C.H.BECK - WISSEN - ist großartig und ein Lesegenuss, bei dem Rückert ebenfalls nicht zu kurz kommt.
Überhaupt ist die Aktualisierung Rückerts, der seit 1968 selbst den Gymnasiasten Unterfrankens - sei es als Dichter, sei es als Orientalist - ein völlig Unbekannter wurde, einer der angenehmsten Aspekte der längst angebrochenen, künftigen und nicht endenden Islamisierung Schweinfurts.
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