Ein schlecht geplanter Mord nehme kein Ende, doziert Raymond
Chandler, der Großmeister des Krimi-Genres. Denn er zeugt weiteres
Unheil: Beweise müssen beseitigt, Zeugen ausgeschaltet werden. So
ergeht’s dem Euro, den Chef-Controller Mario Draghi in dieser Woche mit
einem Riesenschritt vom Pfad der Rechtschaffenheit abbringen will. Die
EZB will großzügig – mit einer halben Billion Euro – die Schulden von
Mitgliedsländern aufkaufen, und zwar direkt statt auf Umwegen.
Das erlauben die Verträge nicht, das darf nicht einmal die großmächtige
Fed, die US-Zentralbank, die zwar dem Bund seine Bonds abnehmen kann,
aber nicht den Bundesstaaten; die sollen ihre Kassen bitte selber in
Ordnung bringen. Das gilt auch für den Euro: weder Schuldenübernahme
noch Gesamthaftung für Einzelstaaten. Schritt um Schritt hat die EZB das
Regelwerk aufgeweicht; der für diesen Donnerstag geplante ist der
allerlängste. Das Ziel ist klar: Die Krisenländer sollen an billiges
Geld kommen, der Euro soll noch mehr abgewertet werden, um deren Exporte
zu beflügeln.
So ergibt ein Fehltritt den nächsten. Der erste
war ein (gutwilliges) Fehlkalkül bei der Zeugung des Euro: Leg den
Mitgliedern ein Währungskorsett an, und sie werden sich der Ausgaben-
und Schuldendisziplin beugen, dazu ihre starren Arbeitsmärkte zugunsten
der Wettbewerbsfähigkeit reformieren. Eingetreten ist das Gegenteil.
Schulden und Defizite stiegen, weil »Club Med« weiter über seine
Verhältnisse leben konnte, nun aber zum Schnäppchenpreis. Zuvor mussten
diese Länder Abwertungsprämien für ihre Anleihen bezahlen; unter der
Einheitswährung konnten sie sich an (fast) deutschen Zinsen laben.
Die Rechnung präsentierten die Märkte am Ende des ersten
Euro-Jahrzehnts, siehe die Dauerkrise seit 2010. Also begann die EZB
schon früh, Geld zu pumpen:
»Whatever it takes«,
so
Draghis Leitspruch, war gegen den Geist, wenn nicht gegen die Buchstaben
von Maastricht – und gegen eine reformverpflichtete Wirtschaftsführung.
Auch gegen die guten demokratischen Sitten: Pumpenkönig Draghi ist ohne Mandat
durch den Volkssouverän zum mächtigsten Macher der EU aufgestiegen.
Bequem für manche gewählten Regierungschefs, aber schon
»postdemokratisch«. Ergießt sich nun der Geldsegen über Euroland,
werden sich die Reformverweigerer noch mehr zurücklehnen, zumal noch
niedrigere Zinsen die Euro-Abwertung weiter befeuern und so die Illusion
von Wettbewerbsfähigkeit nähren werden. Im Ökonomie-Jargon: Ein von
vornherein »suboptimaler Währungsraum« wird noch »suboptimaler«. Obwohl
gut gemeint, war die Einführung des Euro ein unbedachtes Wagnis; es
rächt sich, wenn man Deutschland, »Club Nord«, in denselben Raum sperrt
wie Athen, Rom, Paris oder Madrid. Das ist nicht AfD-Agitprop, sondern
nüchterne ökonomische Einsicht.
Wie Europa, dessen Wachstum seit
den Siebzigern um ein Dreiviertel-Prozent pro Jahrzehnt verfällt, durch
eine Geldschwemme geheilt werden kann, ist Mario Draghis Geheimnis.
Natürlich wird es Kompromisse geben, Gesichtswahrung rundum. Aber eine
Fehlkonstruktion wird durch noch so viele Stützbalken nicht besser. Gute
Absichten, bizarres Paradox: Die Deutschen wollten Euroland mit
Ausgabendisziplin und Anpassungsdruck beglücken; stattdessen wird der
Norden »mediterranisiert«. Josef Joffe
Gut, dass die FAZ diesmal nicht nur Sahra Wagenknecht, sondern auch Beatrix von Storch zitiert.
Zu 80% bekam Deutschland seinen Willen, sagt Luigi Zingales
Schwarzes Loch
Alexandros ho megas
Draghi vigilans numquam titillandus
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