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Freitag, 23. Januar 2015

Draghi vigilans numquam titillandus

Ein schlecht geplanter Mord nehme kein Ende, doziert Raymond Chandler, der Großmeister des Krimi-Genres. Denn er zeugt weiteres Unheil: Beweise müssen beseitigt, Zeugen ausgeschaltet werden. So ergeht’s dem Euro, den Chef-Controller Mario Draghi in dieser Woche mit einem Riesenschritt vom Pfad der Rechtschaffenheit abbringen will. Die EZB will großzügig – mit einer halben Billion Euro – die Schulden von Mitgliedsländern aufkaufen, und zwar direkt statt auf Umwegen.
Das erlauben die Verträge nicht, das darf nicht einmal die großmächtige Fed, die US-Zentralbank, die zwar dem Bund seine Bonds abnehmen kann, aber nicht den Bundesstaaten; die sollen ihre Kassen bitte selber in Ordnung bringen. Das gilt auch für den Euro: weder Schuldenübernahme noch Gesamthaftung für Einzelstaaten. Schritt um Schritt hat die EZB das Regelwerk aufgeweicht; der für diesen Donnerstag geplante ist der allerlängste. Das Ziel ist klar: Die Krisenländer sollen an billiges Geld kommen, der Euro soll noch mehr abgewertet werden, um deren Exporte zu beflügeln.
So ergibt ein Fehltritt den nächsten. Der erste war ein (gutwilliges) Fehlkalkül bei der Zeugung des Euro: Leg den Mitgliedern ein Währungskorsett an, und sie werden sich der Ausgaben- und Schuldendisziplin beugen, dazu ihre starren Arbeitsmärkte zugunsten der Wettbewerbsfähigkeit reformieren. Eingetreten ist das Gegenteil. Schulden und Defizite stiegen, weil »Club Med« weiter über seine Verhältnisse leben konnte, nun aber zum Schnäppchenpreis. Zuvor mussten diese Länder Abwertungsprämien für ihre Anleihen bezahlen; unter der Einheitswährung konnten sie sich an (fast) deutschen Zinsen laben.
Die Rechnung präsentierten die Märkte am Ende des ersten Euro-Jahrzehnts, siehe die Dauerkrise seit 2010. Also begann die EZB schon früh, Geld zu pumpen:
»Whatever it takes«,
so Draghis Leitspruch, war gegen den Geist, wenn nicht gegen die Buchstaben von Maastricht – und gegen eine reformverpflichtete Wirtschaftsführung. Auch gegen die guten demokratischen Sitten: Pumpenkönig Draghi ist ohne Mandat durch den Volkssouverän zum mächtigsten Macher der EU aufgestiegen. Bequem für manche gewählten Regierungschefs, aber schon »postdemokratisch«. Ergießt sich nun der Geldsegen über Euroland, werden sich die Reformverweigerer noch mehr zurücklehnen, zumal noch niedrigere Zinsen die Euro-Abwertung weiter befeuern und so die Illusion von Wettbewerbsfähigkeit nähren werden. Im Ökonomie-Jargon: Ein von vornherein »suboptimaler Währungsraum« wird noch »suboptimaler«. Obwohl gut gemeint, war die Einführung des Euro ein unbedachtes Wagnis; es rächt sich, wenn man Deutschland, »Club Nord«, in denselben Raum sperrt wie Athen, Rom, Paris oder Madrid. Das ist nicht AfD-Agitprop, sondern nüchterne ökonomische Einsicht.
Wie Europa, dessen Wachstum seit den Siebzigern um ein Dreiviertel-Prozent pro Jahrzehnt verfällt, durch eine Geldschwemme geheilt werden kann, ist Mario Draghis Geheimnis. Natürlich wird es Kompromisse geben, Gesichtswahrung rundum. Aber eine Fehlkonstruktion wird durch noch so viele Stützbalken nicht besser. Gute Absichten, bizarres Paradox: Die Deutschen wollten Euroland mit Ausgabendisziplin und Anpassungsdruck beglücken; stattdessen wird der Norden »mediterranisiert«. Josef Joffe

Gut, dass die FAZ diesmal nicht nur Sahra Wagenknecht, sondern auch Beatrix von Storch zitiert.

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