Stationen

Freitag, 7. April 2017

Dumme weiße Männer

Die Geduld des Progressisten mit der Demokratie endet bekanntlich schnell, sobald sie keine linken Mehrheiten produziert. Das ganz dicke Brett bohrt nun der Politikwissenschaftler Jason Brennan von der Georgetown University in Washington, der die Trump-Wahl einen "Tanz der Trottel" nennt – was das Tanzen angeht, liegt er, zumindest in meinem Fall, immerhin richtig. Der falsche Präsident habe "besonders große Unterstützung bei den Wählern, die besonders wenig über Politik wissen", erklärt Brennan, und solche Personen würde er gern von den Wahlen ausschließen. Auch beim Brexit habe sich "klar gezeigt": Diejenigen, die für das Verbleiben Englands in der EU gestimmt hatten, "konnten viel genauer sagen, wie viele Einwanderer aus der EU es gab, wie hoch Investitionen aus der EU waren und wie teuer Sozialhilfe. Je besser man die Fakten kannte, umso wahrscheinlicher hat man fürs Bleiben gestimmt" (der ganze Seim hier).

Natürlich glaube ich keine Sekunde, dass der Herr Professor seine Behauptung glaubhaft empirisch unterfüttern kann. Die weit überwiegende Mehrheit der Schwarzen und der Latinos etwa hat für Clinton gestimmt, und diese Klientel ist im Schnitt bestimmt nicht besonders gebildet, zumindest nicht besser als der White Trash, der Trump ins Amt hob. (Gibt es eigentlich auch einen "Black Trash" oder "Muslimic Trash"? Also dass es ihn gibt, ist bekannt, aber ein Wort dafür?) Dennoch: Als ein Mensch, der die peinlichen Rituale der Demokratie nur aus gebotener Ferne verfolgen kann und dem ganz blümerant wird bei dem Gedanken, wessen Stimme gleichviel wiegt wie seine, kann ich den Mann ganz gut verstehen. Nur an seinen Kriterien müsste er arbeiten. Warum sollte ein Mensch, der sich für Politik interessiert, eine gewichtigere Stimme besitzen als jemand, dessen Interesse der Physik oder dem Maschinenbau oder seinem Geschäft gilt? All die trostlosen Figuren, die bei der Heinrich-Böll- oder der Amadeu-Antonio-Stiftung oder in linken NGO’s wimmeln – beinahe hätte ich "arbeiten" geschrieben – oder abends beim Chipsessen Wikipidia-Artikel linksscheiteln, können gewiss ganz gut politische 1000-Euro-Fragen beantworten, aber das erhebt sie doch nicht über wirklich nützliche Mitglieder der Gesellschaft wie Kanalarbeiter, Müllmänner, Prostituierte oder Polizisten, mögen jene auch weniger über Politik wissen, da sie ja zu tun haben. Hitler war politisch bestens informiert, Stalin desgleichen, ja und Mao erst! Und wer möchte bezweifeln, dass Frau Merkel detailliert im Bilde ist, "wie viele Einwanderer es gab, wie hoch Investitionen aus der EU waren und wie teuer Sozialhilfe". Vielleicht ist sie ja gerade deswegen über- bzw. untergeschnappt. 

Kurzum, ich schlage vor, dass all diejenigen, die ihr Einkommen nicht selber erwirtschaften, von den Wahlen ausgeschlossen werden, Mütter von Kindern berufstätiger Männer natürlich ausgenommen. Auch Politiker sollten nicht wählen dürfen, denn es ist peinlich, für sich selber zu stimmen. Wer vom Steuerzahler finanziert wird, etwa der gesamte politische Apparat und die Beamtenschaft, erhält nur eine halbe Stimme, was auch für geisteswissenschaftliche Professoren staatlicher Universitäten gilt, sofern sie nicht von ihren Publikationen leben. Ausgenommen von der Stimmhalbierung sind Polizisten und Soldaten, weil sie für die Gesellschaft ihre Knochen hinhalten. Persönlichkeiten, die besonders viel für ihr Land leisten, etwa naturwissenschaftliche Nobelpreisträger, können eine doppelte Stimme erwerben.


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Auf Mr. Brennan Bezug nehmend, weist Leser *** sogleich auf einen selbstkritischen Kommentar von Roger Köppel hin, der an die Abstimmung von 1992, ob die Schweiz dem EWR beitreten sollte, erinnert. Der Weltwoche-Chef resümiert: "Älter geworden und besser informiert, muss man den Bünzlis und Treichelschwingern, den angeblichen Primitivschweizern und Hinterwäldern dankbar sein, dass sie den Weitblick und den Realitätssinn hatten, den Weg der Schweiz ins europäische «Trainingslager» abzublocken. Sie sahen besser und klarer als die Klugen und Differenzierten, von denen sie belächelt wurden, dass diese EU mitsamt ihrem EWR eine kopfgeborene Fehlkonstruktion war, eine Kriegserklärung an den gesunden Menschenverstand und eine Absage an die jahrhundertealte Tradition der Demokratie in der Schweiz. Man wundert sich, wie es überhaupt möglich war, dass sich so viele Schweizer auf dieses Experiment einlassen wollten.
(...)
Auch die Schweizer sind verführbar, und am verführbarsten sind die Leute, die sich für die Klügsten und die Hellsten halten. Gerade deshalb ist es beruhigend, in einem Staat zu leben, der jede noch so brillante Eingebung dem Härtetest von Abstimmungen aussetzt, an denen sich die grösstmögliche Zahl von Leuten beteiligt, die von den Auswirkungen am direktesten betroffen wären. Die direkte, bürgernahe Demokratie sorgt dafür, dass die Politik einen gewissen Bezug zur Wirklichkeit nicht verliert. Die Geschichte der EU und des Euro ist demgegenüber ein Musterbeispiel für die Bezauberungskraft von genialen Ideen, die im richtigen Leben scheitern. Auch in Zukunft bleibt es vernünftig, Schweizer zu sein." (Der ganze Kommentar hier.)

In den nämlichen Kontext passt ein Weihnachtsquiz des Economist von 1994, das ich in den Acta schon einmal aus der unverdienten Vergessenheit hervorgekramt habe (am 8. Oktober 2015). Die Zeitschrift hatte 1984 Fragen zur künftigen Wirtschaftsentwicklung an vier Finanzminister von OECD-Staaten, vier Oxford-Studenten, vier Vorstände multinationaler Unternehmen und vier Londoner Müllkutscher geschickt; zehn Jahre später erfolgte die Auswertung. Die Manager hatten das reale Wachstum und die Inflationsrate am besten vorhergesagt, die Müllmänner den Ölpreis und die Parität des Pfunds. Zwei Müllmänner und zwei Vorstände hatten die Frage richtig beantwortet, wann das Sozialprodukt pro Kopf in Singapur höher als in Australien sein werde. Im Gesamtergebnis schnitten Vorstände und Müllmänner am besten ab, die Finanzminister am schlechtesten. Sie hatten aber womöglich nur Pech, weil keine Politikwissenschaftler am Quiz teilnehmen durften. 


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Apropos White Trash: In der taz gibt es, hier nur als pars pro toto angeführt, eine Kolumne "Dumme weiße Männer". Wäre eine Kolumne "Dumme schwarze Frauen" vorstellbar? Leser *** schickt mir dieses Kompendium kerniger rassistischer Aussagen. In jeder ist nur ein Wort geändert...




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Leser ***, dem ich für den Hinweis danke, ist bei der Lektüre von Gustav Noskes Erinnerungen auf zwei analogieschnurrige Stellen über sozialdemokratisches Leben zur Zeit der Sozialistengesetze gestoßen, nämlich:

"Nur ganz wenige Wirte gaben zu Zusammenkünften mit größter Heimlichkeit ihre Lokale her, weil sie polizeiliche Maßregelung zu gewärtigen hatten. Jahrelang sind politische Besprechungen kleiner Kreise als Landpartien in den Wald aufgezogen worden." (S. 7 f.)

"Jede geheim zu haltende Bewegung hat persönliche Rivalitäten und Stänkereien zur Folge. Dazu gesellt sich der Streit um die beste Richtung und Taktik. Von solchen Katzbalgereien wenig gebildeter, aber dafür von fanatischem Glauben erfülltere Männer habe ich reichlich in den Anfängen meiner parteipolitischen Erziehung Proben bekommen." (S. 8)

Sehr lesenswert, fügt *** hinzu, sei auch Brigitte Seebacher-Brandts Bebel-Biografie. "Bebel war von 1881 bis 1890 Mitglied der 2. Kammer des sächsischen Landtags. Während der ganzen Zeit war das Sozialistengesetz in Kraft. Trotzdem kam es vor, das Anträge, die Bebel stellte, von der bürgerlichen Kammermehrheit angenommen wurden (S. 199). Es waren halt andere Zeiten."


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Als neue Rubrik führe ich ein den "Willkommensdank des Tages". Die Auswahl ist riesig, ich entscheide mich heute für vier juvenile Somalier, die in gerechtem Zorn ihre Unterkunft zerlegten, weil ihrer Forderung nach mehr Taschengeld und einer Spiele-Konsole unbegreiflicherweise nicht stracks willfahren wurde (hier).


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Vergessen wir auch nicht die Stalinade des Tages:

Der ukrainische Tenor Iwan Semjonowitsch Koslowski, der als Stalins Hofsänger galt, bat den Diktator einmal, ins westliche Ausland reisen zu dürfen, wo er noch nie gewesen war.
"Wirst du nicht abhauen?", fragte ihn Stalin.
"Ach was", entgegnete Koslowski. "Es gibt nichts Schöneres für mich auf der ganzen Welt als mein Heimatdorf."

"Na also", versetzte Stalin. "Dann fahr lieber in dein Heimatdorf."  MK am 6. 4. 2017

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