Joachim Fest sagte einmal: "Das Problem sind nicht die Hitlers, sondern die Speers." Sehr richtig. Aber wie sehr Fest mit diesen Worten den Nagel auf den Kopf traf, wusste er vielleicht selbst nicht.
Es gelang Speer nicht nur die Richter des Nürnberger Prozesses an der Nase herumzuführen. Es gelang ihm sogar einen gewissenhafter Historiker vom Range Fests so sehr zu täuschen, zu blenden und durch geschickte Inszenierungen (anfängliches Abstreiten, Tage später dann aus eigenem Antrieb revidierende Eingeständnisse, um gegenüber Fest Wahrhaftigkeit und Gewissenhaftigkeit zu simulieren, wodurch er Fests Vertrauen gewann) so zu manipulieren, dass dieser in bestimmten Richtungen gar nicht erst sorgfältig recherchierte. Hier gelang Speer ein wahres Meisterwerk der Täuschung, denn anders als die Richter in Nürnberg, hatte Fest sehr viel mehr Zeit, um in aller Ruhe zu recherchieren und Speers eklatanteste Behauptungen zu überprüfen.
Dennoch brachten erst die Recherchen anderer Forscher nach Erscheinen von Speers Erinnerungen ans Licht, wie sehr Speer bei den Verbrechen der Nationalsozialisten federführend war.
Fests nachdenkliche - auf den ersten Blick stichhaltig wirkende - Reflexionen über das "Mysterium Speer" (also über dessen vermeintlich unerklärliches, angeblich psychologisch unplausibles Verhalten) spiegeln nur Fests Einfalt wieder. Fest will das Offensichtliche nicht wahrhaben: 1. dass es Speer gelungen war, alle zu täuschen, auch ihn, Fest. Und 2. dass Speer gerade dadurch, dass er seine Rolle über das unmittelbar notwendige Maß hinaus konsequent durchhielt und dem cui bono einen Tritt versetzte, um so überzeugender hinters Licht führen konnte. Und 3. dass viele Menschen, besonders wenn es ernst wird, am überzeugendsten lügen, wenn sie ihre eigenen Lügen der Einfachheit halber selber glauben. Man braucht sich nur mit einem beliebigen Vertreter der homöopathischen Zunft zu unterhalten, um bei einem sehr viel unverfänglicheren Thema einen Eindruck davon zu bekommen, wie alltäglich Verlogenheit im Gewand der Wahrhaftigkeit auftritt.
Fest sei es gelungen, Speers Vertrauen zu gewinnen, lesen wir in Umschlagklappentexten, Kritiken und Kommentaren, wodurch uns scheinbar ein Blick durchs Schlüsselloch gewährt wird, der direkt ins exclusive Gemach nationalsozialistischer Macht führt.
Das mag bis zu einem gewissen Punkt sogar stimmen. Aber auch Speer gelang es, Fests Vertrauen zu gewinnen, wodurch Speer die Möglichkeit gegeben wurde, uns alle durchs Schlüsselloch hindurch an der Nase herumzuführen, weil Fest ihm auf den Leim gegangen war. So einfach ist das.
Am 15. September 1942 erteilte Albert Speer höchstpersönlich Baugenehmigungen für das Vernichtungslager Auschwitz.
Tröstend ist am Ende nicht sehr viel. Denn es gibt nun mal keine unfehlbaren Rezepte. Man kann nur geduldig an dem weiterarbeiten, wo Fest sich geduldig Mühe gab und versuchen, der Wahrheit immer näher zu kommen. "Nicht nur der Stärkere überlebt. Auch der Ehrlichere überlebt." schrieb Ernst Jünger.
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