Da war wohl der Wunsch Vater des Gedankens: An der Reaktion des
Publikums habe man erkennen können, daß die Rede des amerikanischen
Präsidenten „keine tiefgründige Wirkung hinterlassen werden.“ Sein
Auftritt habe „einmal mehr seine zunehmende Führungsschwäche
verdeutlicht.“ So schrieb der Staatssicherheitsdienst der DDR über den
Besuch Ronald Reagans in Berlin und seinen legendären Ausspruch: „Herr
Gorbatschow, öffnen Sie dieses Tor! Herr Gorbatschow, reißen Sie diese
Mauer nieder!“ vor dem Brandenburger Tor, heute vor 30 Jahren, am 12.
Juni 1987.
Damit im Ostteil der Stadt niemand die in Wahrheit 28 mal von Applaus
unterbrochene Rede mitbekommt, hatten die „Organe“ die Zugänge in
Richtung Brandenburger Tor streng reglementiert. Denn ein paar Tage
früher was es dort bereits zu „Provokationen feindlich-negativer Kräfte“
gekommen. Auf östlicher Seite an der Mauer hatten sich zahlreiche
Jugendliche versammelt, um einem dreitägigen Rockkonzert vor dem
Reichstag zuzuhören. Volkspolizei und Stasi fürchteten einen Sturm auf
die Mauer und gingen deswegen massiv gegen die jungen Rockfans vor. Die
reagierten mit Sprechchören wie „Die Mauer muß weg!“ und „Mauer nieder!“
Zwischenfall im Ostteil
Reagan war also nicht allein mit seiner Forderung nach einem Ende der
Teilung. Den linken Demonstranten im Westen, von denen der radikalere
Teil bereits am Vorabend Teile Kreuzbergs verwüstet hatte, rief Reagan
damals (abweichend von seinem Redemanuskript) zu: „Ich frage mich, ob
Sie sich je darüber Rechenschaft abgelegt haben, daß es unter einer
Regierung, wie Sie sie anscheinend anstreben, niemals wieder jemandem
möglich wäre, daß zu tun, was Sie gerade tun.“
Als der US-Präsident schon längst nicht mehr vor Ort, sondern mit der
„Air Force One“ unterwegs zurück nach Bonn war, kam es doch noch zu
einem Zwischenfall im Ostteil der geteilten Stadt: ein junger Busfahrer,
der einen Ausreiseantraggestellt hatte, stellte seinen Gelenkbus mitten
auf der Kreuzung vor dem Brandenburger Tor ab, verriegelte die Türen,
schaltete den Warnblinker ein und blockierte den Verkehr.
Nachdem es den Vopos gelungen war, den Fahrer festzunehmen, sagte der
anschließend in der Vernehmung, er habe mit dieser Aktion der Forderung
Reagans, die Mauer zu öffnen, zustimmen und ein Signal setzen wollen.
Offenbar vergeblich. „Eine Öffentlichkeitswirksamkeit war nicht gegeben,
da die Zusammenhänge für Außenstehende nicht erkennbar wurden“,
notierte die Stasi.
Reagan traf Trümmerfrauen
Weit weniger öffentlichkeitswirksam als die historische Rede des
amerikanischen Präsidenten blieb auch ein anderer Programmpunkt seines
Besuchs heute vor 30 Jahren. Beim Besuch im Reichstag traf Reagan nicht
nur Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundestagspräsident Philipp Jenninger,
sondern auch sechs Trümmerfrauen. Sie beeindruckten den Staatsgast
offenbar. „Met several elderly ladies, who had been part of the female
force that cleaned bricks from the rubble and played a role in Berlin´s
rebuilding“ notierte Reagan in sein Tagebuch.
Bei der DDR-Staatssicherheit gab es dagegen noch andere
Aufzeichnungen. Dort hatte man im Vorfeld der Reagan-Visite die
Einschätzungen von US-Diplomaten abgefangen, die nicht mehr davon
ausgingen, die DDR könne im Jahr 2000 zusammenbrechen. Man rechne
vielmehr „mit einer wesentlich schneller eintretenden Schwäche, da der
Bindungsgrad der Masse der DDR-Bevölkerung an ihren Staat sehr gering
und der Drang nach westlichen Verhältnissen sehr groß“ sei. Auch Reagan
war dieser Überzeugung. „Die Mauer wird der Freiheit nicht standhalten“,
so schloß er seine Rede am 12. Juni 1987. Nicht wenige deutsche
Kommentatoren kritisierten ihn damals dafür. Nicht zeitgemäß seien seine
Worte gewesen – und jenseits aller Realitäten …
Vielleicht hat deswegen die deutsche Hauptstadt noch keine Straße, die dem 40. Präsidenten der USA gewidmet ist.
Pünktlich zum 30. Jahrestag der „Tear-down-this-wall“-Rede fordert die
AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, eine Hauptverkehrsstraße nach
dem 2004 Verstorbenen zu benennen. Er habe „mit seiner unnachgiebigen
Haltung gegenüber den kommunistischen Diktatoren in aller Welt ein
klares Zeichen für Demokratie und Freiheit gesetzt. Seine
zukunftsweisende Sicherheitspolitik war entscheidend für den Untergang
der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten und damit wegbereitend für
die Deutsche Einheit“, so der Fraktionsvorsitzende Georg Pazderski. Der
Vorschlag seiner Partei sieht vor, der „bisherigen
Karl-Liebknecht-Straße – benannt nach einem glühenden Verfechter einer
kommunistischen Diktatur – zwischen Berliner Dom und Prenzlauer Tor
künftig den Namen Ronald-Reagan-Boulevard“ zu geben. JF
Ein großartiger Vorschlag. Aber bitte mit dem Zusatz (in kleinerer Schrift): Einstige Karl Liebknecht Straße. Denn Deutschland muss endlich einmal Schluss machen mit der Beseitigung historischer Spuren. In dieser Hinsicht können wir viel von Italien lernen (statt, wie meistens von Italien, das Schlechte zu übernehmen: gestern den Faschismus, heute den Linkskonformismus).
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