Stationen

Montag, 1. Juni 2015

Sehr schön

Heisenberg und Pauli

Pauli war ein ausgesprochener „Gesellschaftsmensch“. Er war schon in seiner Studienzeit bekannt dafür, dass er sich gerne bis spät in die Nacht in verschiedenen Kneipen aufhielt und deswegen oft erst spät am nächsten Morgen zur Arbeit erschien. In seiner Jugendzeit war Pauli strikter Abstinenzler gewesen. Er war jedoch in seiner Hamburger Zeit im Zusammensein mit seinen Freunden, dem Astronomen Walter Baade, dem Physiker Otto Stern und dem Mathematiker Erich Hecke auf einen anderen Geschmack gekommen und meinte dazu später: „Als ich nach Hamburg kam, wechselte ich unter dem Einfluss von Stern direkt vom Mineralwasser zum Champagner.“ 

Sein Göttinger Mentor Max Born schrieb über seinen ehemaligen Assistenten an Einstein: „Der Bericht über den ‚kleinen Pauli‘ ist nicht ganz vollständig. Ich erinnere mich, dass er lange zu schlafen liebte und mehr als einmal die Vorlesung um 11 Uhr verpasste. Wir schickten dann unser Hausmädchen um halb 11 zu ihm, um sicher zu sein, dass er auf sei. Er war ohne Zweifel ein Genius ersten Ranges; aber meine Besorgnis ‚einen so guten Assistenten werde ich nie mehr kriegen‘, war doch unberechtigt. Sein Nachfolger Heisenberg war ebenso genial und dabei gewissenhafter: ihn brauchten wir nicht wecken zu lassen oder sonst an seine Pflichten erinnern.“

Was Physik betrifft, war Pauli als Perfektionist bekannt. Dies beschränkte sich nicht nur auf seine eigene Arbeit, sondern er geißelte auch Fehler seiner Fachkollegen unerbittlich. So wurde er zum Gewissen der Physik, bezeichnete Arbeiten oft unverblümt als „ganz falsch“ oder steigerte seine Ablehnung etwa wie folgt: „Das ist nicht nur nicht richtig, es ist nicht einmal falsch!“. In Kollegenkreisen kursierten deshalb Witze wie etwa der folgende:

„Nach Paulis Tod gewährte Gott ihm eine Audienz. Pauli fragte Gott, warum die Feinstrukturkonstante den Wert 1/137 habe. Gott nickte, ging zur Tafel und begann, Gleichung nach Gleichung in rasender Geschwindigkeit abzuleiten. Pauli sah zunächst mit großer Genugtuung zu, aber bald schon begann er heftig und entschieden, seinen Kopf zu schütteln …“


Pauli war gefürchtet und berüchtigt wegen seiner oft schonungslos und respektlos auch gegenüber Freunden oder Fachautoritäten vorgetragenen Kritik. So schrieb er 1929 über die Arbeiten Albert Einsteins an seinen Kollegen Pascual Jordan in Hamburg: „Einstein soll im Berliner Kolloquium schrecklichen Quatsch über einen Fernparallelismus verzapft haben!“ und rezensierte 1931 dessen erneuten Versuch der Konstruktion einer vereinheitlichten Feldtheorie: „Es ist schon eine kühne Tat der Redaktion, ein Referat über eine neue Feldtheorie Einsteins unter die Ergebnisse der exakten Naturwissenschaften aufzunehmen. Beschert uns doch seine nie versagende Erfindungsgabe sowie seine hartnäckige Energie beim Verfolgen eines bestimmten Zieles in letzter Zeit durchschnittlich etwa eine solche Theorie pro Jahr – wobei es psychologisch interessant ist, dass die jeweilige Theorie vom Autor gewöhnlich eine Zeitlang als die ‚definitive Lösung‘ betrachtet wird.“

Mit seinem Kollegen Paul Ehrenfest, der wie Pauli einen Artikel in der Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften verfasst hatte, verband ihn eine herzliche Freundschaft, die die beiden aber nicht am Austausch bissiger Bonmots hinderte:

Ehrenfest: „Herr Pauli, Ihr Enzyklopädieartikel gefällt mir besser als Sie selbst!“, daraufhin Pauli: „Das ist doch komisch, mir geht es mit Ihnen gerade umgekehrt!“

Auch sonst machte Pauli gerne amüsierte oder maliziöse Kommentare über seine Kollegen. Über seinen Assistenten Rudolf Peierls meinte er:
 „Der Peierls, der spricht so schnell; bis man verstanden hat, was er sagt, behauptet er schon das Gegenteil!“

Eine andere Anekdote berichtet davon, dass der immer optimistische Werner Heisenberg seine von ihm aufgestellte Einheitliche Feldtheorie – über die er mit Pauli diskutiert hatte, der sich aber zunehmend davon distanzierte – im Radio als „Heisenberg-Pauli-Theorie“ vorstellte und sagte, sie stünde kurz vor der Vollendung, es fehlten „nur ein paar Details“.
Pauli schickte darauf an George Gamow am 1. März 1958 eine Postkarte, auf der nur ein Quadrat gezeichnet war mit der Bemerkung „Ich kann malen wie Tizian.“
Darunter stand in kleiner Schrift: „Es fehlen nur die Details.“


Berüchtigt war Pauli bei Experimentalphysikern für seine handwerkliche Ungeschicklichkeit, ja sie argwöhnten sogar im Scherz, dass seine bloße Anwesenheit im Raum oder auch nur in derselben Stadt Laborgeräte zum Versagen brachte (oft thematisiert: „Pauli-Effekt“ genannt).

Pauli besuchte in Wien das Bundesgymnasium XIX in der Gymnasiumstraße 83, 1190 Wien. In seiner Klasse war Richard Kuhn, der 1938 den Nobelpreis für Chemie erhielt. Man erzählt sich, dass in einer Physikstunde der Professor an der Tafel einen Fehler machte, diesen jedoch auch nach langem Suchen nicht fand. Zur großen Erheiterung der Klasse habe er dann verzweifelt gerufen: „Pauli, jetzt sagen Sie mir schon, wo der Fehler liegt, Sie wissen es doch längst.“

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