Heisenberg und Pauli
Pauli war ein ausgesprochener „Gesellschaftsmensch“. Er war schon in
seiner Studienzeit bekannt dafür, dass er sich gerne bis spät in die
Nacht in verschiedenen Kneipen aufhielt und deswegen oft erst spät am
nächsten Morgen zur Arbeit erschien. In seiner Jugendzeit war Pauli
strikter Abstinenzler gewesen. Er war jedoch in seiner Hamburger Zeit im Zusammensein mit seinen Freunden, dem Astronomen Walter Baade, dem Physiker Otto Stern und dem Mathematiker Erich Hecke
auf einen anderen Geschmack gekommen und meinte dazu später: „Als ich
nach Hamburg kam, wechselte ich unter dem Einfluss von Stern direkt vom
Mineralwasser zum Champagner.“
Sein Göttinger Mentor Max Born schrieb über seinen ehemaligen
Assistenten an Einstein: „Der Bericht über den ‚kleinen Pauli‘ ist nicht
ganz vollständig. Ich erinnere mich, dass er lange zu schlafen liebte
und mehr als einmal die Vorlesung um 11 Uhr verpasste. Wir schickten
dann unser Hausmädchen um halb 11 zu ihm, um sicher zu sein, dass er auf
sei. Er war ohne Zweifel ein Genius ersten Ranges; aber meine Besorgnis
‚einen so guten Assistenten werde ich nie mehr kriegen‘, war doch
unberechtigt. Sein Nachfolger Heisenberg war ebenso genial und dabei
gewissenhafter: ihn brauchten wir nicht wecken zu lassen oder sonst an
seine Pflichten erinnern.“
Was Physik betrifft, war Pauli als Perfektionist bekannt. Dies
beschränkte sich nicht nur auf seine eigene Arbeit, sondern er geißelte
auch Fehler seiner Fachkollegen unerbittlich. So wurde er zum Gewissen der Physik,
bezeichnete Arbeiten oft unverblümt als „ganz falsch“ oder steigerte
seine Ablehnung etwa wie folgt: „Das ist nicht nur nicht richtig, es ist
nicht einmal falsch!“. In Kollegenkreisen kursierten deshalb Witze wie
etwa der folgende:
„Nach Paulis Tod gewährte Gott ihm eine Audienz.
Pauli fragte Gott, warum die Feinstrukturkonstante
den Wert 1/137 habe. Gott nickte, ging zur Tafel und begann, Gleichung
nach Gleichung in rasender Geschwindigkeit abzuleiten. Pauli sah
zunächst mit großer Genugtuung zu, aber bald schon begann er heftig und
entschieden, seinen Kopf zu schütteln …“
Pauli war gefürchtet und berüchtigt wegen seiner oft schonungslos und
respektlos auch gegenüber Freunden oder Fachautoritäten vorgetragenen
Kritik. So schrieb er 1929 über die Arbeiten Albert Einsteins an seinen
Kollegen Pascual Jordan in Hamburg: „Einstein soll im Berliner Kolloquium schrecklichen Quatsch über einen Fernparallelismus verzapft haben!“ und rezensierte 1931 dessen erneuten Versuch der Konstruktion einer vereinheitlichten Feldtheorie:
„Es ist schon eine kühne Tat der Redaktion, ein Referat über eine neue
Feldtheorie Einsteins unter die Ergebnisse der exakten
Naturwissenschaften aufzunehmen. Beschert uns doch seine nie versagende
Erfindungsgabe sowie seine hartnäckige Energie beim Verfolgen eines
bestimmten Zieles in letzter Zeit durchschnittlich etwa eine solche
Theorie pro Jahr – wobei es psychologisch interessant ist, dass die
jeweilige Theorie vom Autor gewöhnlich eine Zeitlang als die ‚definitive
Lösung‘ betrachtet wird.“
Mit seinem Kollegen Paul Ehrenfest, der wie Pauli einen Artikel in der Enzyklopädie der mathematischen Wissenschaften verfasst hatte, verband ihn eine herzliche Freundschaft, die die beiden aber nicht am Austausch bissiger Bonmots
hinderte:
Ehrenfest: „Herr Pauli, Ihr Enzyklopädieartikel gefällt mir
besser als Sie selbst!“, daraufhin Pauli: „Das ist doch komisch, mir
geht es mit Ihnen gerade umgekehrt!“
Auch sonst machte Pauli gerne amüsierte oder maliziöse Kommentare über seine Kollegen. Über seinen Assistenten Rudolf Peierls meinte er:
„Der Peierls, der spricht so schnell; bis man verstanden hat, was er sagt, behauptet er schon das Gegenteil!“
Eine andere Anekdote berichtet davon, dass der immer optimistische Werner Heisenberg seine von ihm aufgestellte Einheitliche Feldtheorie
– über die er mit Pauli diskutiert hatte, der sich aber zunehmend davon
distanzierte – im Radio als „Heisenberg-Pauli-Theorie“ vorstellte und
sagte, sie stünde kurz vor der Vollendung, es fehlten „nur ein paar
Details“.
Pauli schickte darauf an George Gamow am 1. März 1958 eine Postkarte, auf der nur ein Quadrat gezeichnet war mit der Bemerkung „Ich kann malen wie Tizian.“
Darunter stand in kleiner Schrift: „Es fehlen nur die Details.“
Berüchtigt war Pauli bei Experimentalphysikern
für seine handwerkliche Ungeschicklichkeit, ja sie argwöhnten sogar im
Scherz, dass seine bloße Anwesenheit im Raum oder auch nur in derselben
Stadt Laborgeräte zum Versagen brachte (oft thematisiert: „Pauli-Effekt“ genannt).
Pauli besuchte in Wien das Bundesgymnasium XIX in der Gymnasiumstraße 83, 1190 Wien. In seiner Klasse war Richard Kuhn, der 1938 den Nobelpreis für Chemie
erhielt. Man erzählt sich, dass in einer Physikstunde der Professor an
der Tafel einen Fehler machte, diesen jedoch auch nach langem Suchen
nicht fand. Zur großen Erheiterung der Klasse habe er dann verzweifelt
gerufen: „Pauli, jetzt sagen Sie mir schon, wo der Fehler liegt, Sie
wissen es doch längst.“
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